Tagebuch ohne Fotos zum Drucken


Sonntag, 05. Oktober 2008



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Sonntag, 05. Oktober 2008

Noch im Bett liegend habe ich heute morgen Elena versucht zu erreichen, aber es hat nicht geklappt, auch die vielfachen späteren Versuche nicht, so dass der Ausflug, der für heute geplant war, ausgefallen ist. Das Wetter war gut und als ich heute morgen am Computer saß, war die Sonne so warm, dass ich tatsächlich die Vorhänge zugezogen habe. Bestes Wetter also, um wieder Wäsche zu waschen, die dann prima am Fenster getrocknet ist. Gegen Mittag bin ich gemütlich in die Stadt gefahren und war kurz im Internet. Elena hatte zwischenzeitlich angerufen und wir haben uns verabredet, in den Kreml zu gehen. Leider macht der schon recht zeitig zu, so dass nur noch etwas Zeit für einen Museumsbesuch blieb. Es dauerte etwas, bis wir uns zum Eintrittskartenverkaufsschalter durchgefragt hatten. Dann sind wir wieder zurück zum Einlass gegangen, wo mir dann gesagt wurde, dass ich den Rucksack doch an der Garderobe abgeben solle. Dann sind wir also wieder zurückgelaufen, haben die Garderobe gesucht und hatten dann noch etwa eine Stunde, um in ein Museum im Kreml zu gehen. Dort wurden Kleidungsstücke von Zaren und hohen geistlichen Würdenträgern der orthodoxen Kirche ausgestellt, die in ihrer Pracht nahezu unvorstellbar für denjenigen sind, der sich nicht gesehen hat. Viel Perlenstickerei, teurer Stoff und alle nur denkbaren Verzierungen. Auch die Kutschen, die dort ausgestellt werden, sind von unglaublichem Prunk. An ihnen gibt es nahezu keine Stelle, die nicht in irgendeiner Form verziert ist. Und einige dieser Kutschen waren Geschenke an die ein oder andere Zarin, die viel Einfluss hatte oder eine gute Partie war. Es werden dort auch einige Waffen und Verteidigungsgeräte ausgestellt, ebenfalls alle von unglaublicher Zier. Ich glaube nicht, dass ich irgendwo anders schon einmal so etwas gesehen habe. Zum Glück bin ich nicht so reich, dann brauch ich auch keine Angst haben, dass es mir jemand wegnimmt...

Anschließend, nach dem Einkaufen, bin ich dann wieder nach Hause gefahren und habe Bratkartoffel gemacht. Nun habe ich auch den Grund herausgefunden, warum es bei mir im Zimmer immer so eigenartig roch: Es faulte eine Kartoffel in der Tüte. Seitdem sie verschwunden ist, ist die Luft wieder weitaus besser geworden. Einige der anderen Kartoffeln sind heute in der Bratpfanne mit viel Zwiebeln, Knoblauch, zwei Frikadellen und Champignons gelandet. Diese habe ich aber (wie eigentlich) immer nicht alleine verdrückt: Zuerst war Stephan mit in der Küche, der zuerst nur probieren wollte, da er schon gegessen hatte. Dafür hat er aber recht lange probiert. Ebenso Oleg, der eigentlich auch nichts essen wollte, dann aber doch Gemüse und Brot geholt und gemeinsam mit uns gegessen hat. Das Tischtennis spielen ist anschließend ausgefallen, weil wir keinen Schlüssel für den Keller gefunden haben.

Montag, 06. Oktober 2008

Heute habe ich selbst für einen gewaltigen Schreck gesorgt! Ich meinte, meine Jacke in den Rucksack gepackt zu haben, dies aber gar nicht getan. Und so habe ich dann an einer Metro-Station meinen Pass herausholen wollen, weil ich ihn für die nächste Aktion gebraucht hätte und bin ganz schön stutzig geworden. Ich habe die ganze Zeit überlegt, wo ich denn wohl die Jacke vergessen haben könnte, weil ich mir doch sicher war, sie mitgenommen zu haben. Und ohne Personalausweis in Russland ist auch nicht sonderlich angenehm, weil an jeder Ecke die Miliz lauert. Nun ja, es dauerte nicht lange und Oleg und Dmitri kamen und wir haben eine neue Sim-Card für mein Handy bei einem anderen Anbieter gekauft. Daher bin ich in ca. ein- bis zwei Wochen unter einer anderen Nummer zu erreichen, ich werde jetzt nur noch das Guthaben bei dem anderen Anbieter aufbrauchen. Der Grund ist ein ganz einfacher: Der Anbieter MTC ist wesentlich teurer als mein neuer Anbieter Megafon. Jetzt kostet eine Minute nach Deutschland anstelle der alten fünfzig Rubel nur noch drei Rubel und auch innerhalb Russlands und Moskaus ist das telefonieren jetzt für mich günstiger. Wer diese Telefonnummer benötigt, der schreibe mir bitte eine Mail!

Anschließend habe ich mich noch mit Stephan getroffen und wir sind in einem großen Buchladen gewesen und waren anschließend noch ein wenig spazieren. Wieder im Wohnheim angekommen, habe ich die Türe aufgemacht und ich sah einen dunklen Schatten auf meinem Bett liegen! Mir fiel ein Stein von meinem Herzen - die Jacke mit dem Personalausweis lag dort.

Am Abend habe ich noch mit Oleg, Dmitri, Stephan und Pjotr zusammen gesessen und eine große Melone verdrückt. Dabei haben wir wieder viel Spaß gehabt und viel gelacht, zumal wir alle ungefähr auf einer Wellenlänge sind.

 

 

Dienstag, 07. Oktober 2008



Von vielen wurde schon prophezeit, wie der Oktober in Moskau üblicherweise aussieht: Viel Regen. Den hatten wir heute auch. Ich bin heute morgen einzig trocken einkaufen gewesen, bei allen anderen Gelegenheiten, bei denen ich draußen war, hat es geregnet. Dabei hat es wieder einen recht radikalen Wetterumschwung gegeben: Gestern war es noch recht warm und heute ist es wesentlich kälter. Ich hoffe nur, dass ich nicht jeden Tag im Oktober über und um die vielen Pfützen auf Moskaus Straßen springen muss. Wo jetzt die Heizung hier funktioniert, ist es im Zimmer tagsüber sehr warm - nachts zu meinem Leidwesen aber auch. Ich komme unter der Decke nachts ganz schön ins Schwitzen. Da muss ich mir auch noch eine Lösung einfallen lassen. Abends habe ich für fünf Leute zwei Varianten an Bratkartoffeln gemacht - in zwei Pfannen. Die wurden mit Begeisterung aufgegessen. Als Koch scheine ich mich hier in jedem Fall zu profilieren! Ansonsten war heute Alltag.

 

 



Mittwoch, 08. Oktober 2008

Ich bin genervt! Ein Tag, der völlig anders lief, als geplant. Zunächst ist die erste Vorlesung ausgefallen, so dass ich viel zu früh in der Uni war. Das hatte zwar den Vorteil, dass ich in Ruhe in der Stalowaja essen konnte, aber dann auch viel freie Zeit hatte. Kurz vor der nächsten Vorlesung wurde mir dann gesagt, dass heute Abend noch ein Gottesdienst für die Studenten sei und das Teile meines Chores singen würden. So hatte ich nach der Vorlesung wieder über eine Stunde Zeit, in der ich an für sich nichts machen konnte, weil ich auch nichts zum Lernen dabei hatte. Der Gottesdienst dauerte dann fast vier Stunden bis kurz vor neun und dann ist unser Chorleiter noch auf die Idee gekommen, eine Chorstunde für diejenigen zu machen, die neu dabei sind. Um diese Zeit! Nach fast einer dreiviertel Stunde war dann aber auch schon wieder Schluss und ich bin mit einem Kommilitonen zum Bahnhof gerannt. Dann fuhr der Zug nur bis eine Haltestelle vor unserer Station Pererwa, so dass wir noch viel Fußweg vor uns hatten. Auch auf Anfrage hat uns der Lokführer nicht mitgenommen. Und dann auch noch eine Diskussion auf dem Bahnhof, ob wir in der Kälte auf den nächsten Zug warten... Nun - wenigstens war der Gottesdienst sehr schön und entspannend. Er war eigentlich für uns Studenten gedacht als "Einstimmung" auf das Fest des Heiligen Tichon am morgigen Tag, aber dann waren nur sehr wenige Studenten da - das fand ich sehr schade. Nun werde ich heute Abend wohl mit dem Gefühl ins Bett, heute nichts auf die Beine gestellt und sinnvolles geleistet zu haben: Kaum Vokabeln gelernt, kaum Unterricht gehabt - und mehr fällt mir auch schon nicht mehr ein. Dabei hatte ich eigentlich vorgehabt, am Nachmittag und Abend noch so viel zu machen. Aber daraus ist nun nichts geworden. Anstatt dessen habe ich viel herumgesessen und nichts gemacht bzw. machen können. Und leider ist keiner da, der das richtige Vokabular beherrscht, so dass man mal gemeinsam fluchen und schimpfen kann ohne dass man schräg angeguckt wird. 

Nun hoffe ich, dass der morgige Tag, der auch einige Pause beinhalten wird, mehr bringen wird. Morgen heißt es früh aufstehen und pünktlich zur Kirche fahren, weil morgen der Patriarch von Weißrussland bei uns in der Fakultätskirche ist. Da hoffe ich, dass ich morgen einen guten Platz habe und viel sehen kann.

 

 



Donnerstag, 09. Oktober 2008 - Hl. Tichon

Mein Frust hat sich abgebaut und ich denke, ich muss einfach aufhören, meine Tage zu planen und durchzustrukturieren. Das geht hier nämlich grundsätzlich schief. Und ich möchte zu gerne gelassener sein, wenn wieder einmal alles anders kommt. Wie geht das nur?

Nun aber zu eigentlichen Tag, an dem in der Russisch-Orthodoxen Kirche das Fest des Hl. Tichon gefeiert wird. Er ist der Namenspatron der Universität (Orthodox-humanistische Heiliger-Tichon-Universität). Dazu war heute der Patriarch der Weißrussisch-Orthodoxen Kirche Philaret angekündigt, der gleichzeitig Metropolit der Russisch-Orthodoxen Kirche ist. Dazu nun eine Erklärung, die gar nicht so einfach ist: Zunächst ist die Weißrussisch-Orthodoxe Kirche Exarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche, ihr also unterstellt. Kirchenoberhaupt der Weißrussisch-Orthodoxen Kirche ist Philaret, der aber dem Moskauer Patriarchat (also der Russisch-Orthodoxen Kirche und damit Patriarch Alexej II) unterstellt ist. Die Weißrussisch-Orthodoxe Kirche geht auf das Jahr 1595 zurück, als sich Teile der Orthodoxen Kirche dem Papst unterstellten und damit die Orthodoxie spalteten. Im 19. Jahrhundert gab es vielfach Bestrebungen, die mit Rom unierten Christen in die Orthodoxe Kirche zurück zu holen. Dies führte wiederum zu einer Kirchenspaltung: Der eine Teil blieb katholisch und der andere Teil wurde wieder orthodox. Während der Sowjetzeit wurde die Union politisch (also unter Zwang) aufgehoben. Daraus wurde nach Perestroika und Glasnost die Weißrussisch-Orthodoxe Kirche gegründet (Nun hoffe ich, dass das hier alles richtig ist, es ist lediglich aus dem Gedächtnis geschrieben).

Als ich um kurz nach acht am Morgen in die Kirche kam, herrschte dort schon geschäftiges Treiben: Einige Handwerker der Fakultät werkelten noch in der frisch renovierten Kirche herum, es wurden liturgische Gegenstände durch die Gegend getragen, Teppich ausgerollt. Um neun Uhr war es dann soweit: Aus dem Altarraum kamen um die zwanzig Priester und fünf Diakone- die meisten aus der Fakultät - und stellten sich am Eingang in Position: Einige hielten die Bischofs-Insignien in der Hand, wie zum Beispiel Kreuz und Mitra. Allen war eine gewissen Nervosität anzumerken. Und auch ich habe mich etwas vorbereitet: Ich habe sehr viele Studenten gefragt, ob ich wohl fotografieren dürfe und habe meine Kamera so eingestellt, dass sie weder blitzt noch Töne von sich gibt (leider sind die Fotos durch die Kameraeinstellung nicht sonderlich gelungen). Eigentlich wird es ja nicht gerne gesehen, wenn man in der Kirche fotografiert oder filmt. Man konnte förmlich die Spannung spüren. Und dann war er da, er betrat die Kirche und segnete die Priester. Zunächst ging er zur Ikone des Hl. Tichon und verehrte sie, anschließend die Ikonen rechts und links der Königstüren. Dann ging er zu seinem Platz in der Kirche, einem kleinen Podest inmitten in der Kirche und wurde von den Altardienern eingekleidet. Nachdem ihm alles überreicht worden war - zuletzt kam die Mitra - segnete er mit Kerzen in der Hand die Gemeinde.

Einen weiteren Segen habe ich als Video über meine Digitalkamera aufgenommen. Dazu nun der ein oder andere Kommentar: Diese Aufnahme habe ich vor oder nach dem Evangelium aufgenommen (wenn ich mich richtig erinnere) und es singen sowohl Chor als auch die Priester und Diakone gemeinsam. In dem Moment, wo es inmitten des Segens auf einmal schwarz wird, verneige ich mich selbst. Das ist also ein ganz kleiner Teil der bisher prächtigsten und mit am eindrucksvollsten Göttlichen Liturgie, die ich bisher miterleben durfte. Daher nun also für Euch/Sie ein ganz kleiner Ausschnitt davon, der aber gar nicht die Schönheit und Pracht der Liturgie wiederzuspiegeln vermag. Er ist nach dem kleinen Einzug und vor dem Evangelium aufgenommen worden. [SEGEN]

Und nachdem der Bischof fertig eingekleidet war, wurde die Göttliche Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostomus gefeiert. Dabei sangen Teile des Chors, zu dem ich immer singen gehe und dieses Mal sangen sie wirklich sehr, sehr gut. Es waren kaum Fehler zu hören. Ich selbst habe nicht mitgesungen - hätte aber können - wollte mir aber genauer die Göttliche Liturgie mit dem Metropoliten anschauen und einige Einzelheiten einprägen. Über die Göttliche Liturgie weil ich irgendwann, wenn ich viel Zeit finde, mal etwas mehr schreiben.

Segen.

 

Am gleichen Tag begann eine Konferenz an der Fakultät, zu der viele verschiedene Professoren aus dem Ausland gekommen sind - Deutsche, Franzosen, Italiener, Tschechen, Polen, Bulgaren, Israeliten und noch viele mehr. Dazu gibt es viele verschiedene Vorträge in allen möglichen Bereichen, die bis zum Samstag dauern. Heute habe ich mir die ersten drei Vorträge angehört, bin dann aber nach Hause gefahren, weil ich leider nicht mehr aufnahmefähig war und weil sich bei mir gerade die nächste Erkältung ankündigt - der radikale Wetterumschwung macht es möglich: War vor zwei Tagen noch T-Shirt-Wetter, so könnten wir hier letzte Nacht knapp am Frost vorbeigeschrammt sein. Solche Radikalumschwünge scheint es hier recht oft zu geben - genauso oft bin ich dann auch ein oder zwei Tage kaum zu gebrauchen.



Nun noch ein paar Sätze zu dem Namenspatron der Universität, dem Hl. Tichon: Er wurde 1865 in Toropez geboren, studierte Theologie in St. Petersburg und legte 1892 das Mönchsgelübde ab - eine Voraussetzung in der orthodoxen Kirche, um Bischof werden zu können. 1897 wurde er als solcher von Lublin geweiht, 1898 wurde er Erzbischof der Aleuten und Alaska und war damit der Hirte aller orthodoxen Christen auf dem nordamerikanischen Kontinent. 1917 wurde er zum ersten Patriarchen seit Peter dem Großen gewählt. Seine Reformen konnte er aufgrund innerkirchlicher Konflikte und den politischen Geschehen in Russland nicht durchsetzen. Diese führten auch dazu, dass er 1922 verhaftet wurde, weil er keine liturgischen Gegenstände zur Linderung einer Hungersnot - so der Vorwurf - zur Verfügung stellen wollte. Anschließend wurde er im Donskoi-Kloster festgehalten und durch eine Kirchenversammlung, die starke politische Interessen vertrat, abgesetzt. 1923 kam er wieder frei und 1925 starb er - eventuell wurde er vergiftet. 1991, nach der politischen Wende, wurde er heilig gesprochen. Seit 1991 existiert übrigens die Fakultät.
Kurz vor dem Ende der Liturgie wurde das Tichon-Troparion gesungen:

 

In schweren Zeiten von Gott erwählt,



hat er in vollendeter Heiligkeit und Liebe Gott gepriesen,

zeigte in Demut, Einfachheit und Sanftmut Gottes Kraft und Größe,

hat seine Seele für die Kirche und seine Gläubigen gegeben.

Bekennt den Heiligen Patriarchen Tichon:

Bitte zu Christus Gott,

der Du wie Christus gekreuzigt wurde

und errette die russischen Lande und Deine Gemeinde.

Freitag, 10. Oktober 2008

Nachdem ich heute morgen wieder die Konferenz besucht hatte, die heute auf französisch und russisch war, habe ich nach dem Mittagessen lange übers Internet mit meiner Familie telefoniert und so das Neueste aus dem Gelobten Land erfahren (damit ist natürlich meine Heimat Ostfriesland gemeint). Offenbar ist das Wetter dort wesentlich besser als hier in Russland. Nach dem Temperaturwechsel um etwa 15°C innerhalb von zwei Tagen habe ich nun wieder eine Erkältung, die ich hoffentlich schnell auskurieren kann und bin wieder total müde und abgeschlagen. Anschließend war wieder Chorstunde, in der ich sogar ein dickes Lob vom Chorleiter Vater Alexej erhalten habe und noch einmal vorsingen musste, damit der restliche zweite Tenor weiß, wie es geht! Es ging darum, leise aber energisch zu singen. Ich bin da selbst skeptisch, denn viele meiner Kommilitonen sagen ja auch, dass ich gut russisch spreche. Ich finde, dass Vater Alexej mich zu früh gelobt hat, denn später wurde es noch richtig schwer für mich. Aber trotzdem - das Lob fand ich gut. Nach der Chorstunde war wieder das Treffen mit denjenigen, die gerne mit mir deutsch sprechen. Heute hatte Olga etwas zum Wort "Fallen" vorbereitet - ein sehr interessanter Text, wie ich finde. Es ging um Wortgattungen, die eben dieses Wort beinhalten: Zufall, Verfall, Fall, Bandscheibenvorfall, fallen, zerfallen, usw. Wie variantenreich die deutsche Sprache hier ist, ist schon erstaunlich. Anschließend war ich noch mit Oleg und Andrej in der Apotheke, wo wir einen Ersatz für starkes Pfefferminzöl gesucht haben. Wir sind fündig geworden, aber was das Zeug in der Praxis taugt, wird sich gleich zeigen, wenn ich zu Bett gehe.

Vor dem Schlafen gehen hatte ich noch Dienst in der Küche, die ich mit einem weiteren Mitbewohner auf Hochglanz gebracht habe. Selbst in den beiden Kühlschränken haben wir etwas gewienert. Bettwäsche hat es heute auch gegeben, die ich sogar ohne weitere Umstände trotz des eigenartigen Systems bezogen habe.

 

 



Samstag, 11. Oktober 2008

Die Besonderheit des heutigen Tages lag eigentlich nur in dem Fußballländerspiel Deutschland gegen Russland, dass ich hier gerne schauen wollte. Das wurde jedoch zu einem großen Problem, da hier kaum einer einen Fernseher besitzt. Zunächst habe ich alle möglichen Mitbewohner gefragt, die aber auch alle ohne auskommen. Die Wache wollte kein Fußball schauen und hat sich Pjotr eine Flasche mit einem Gesundheitstrunk geschnappt, die er kostenlos aus der Stalowaja mitgenommen hat und wir sind beide zur Hausverwaltung gegangen. Der haben wir zuerst die Flasche in die Hand gedrückt und dann gefragt, ob wir Fußball schauen könnten. Wir durften. Zunächst saßen nur Pjotr und ich da und zum Ende der ersten Halbzeit saßen im Raum wenigstens acht Mitbewohner, aber auf dem Flur standen noch mehrere. Und so haben wir gemeinsam das Spiel gesehen. Und letztendlich hat Deutschland - so finde ich - mit Glück gewonnen und die Russen mit Pech verloren. In der letzten Halbzeit kam mir Russland doch etwas besser vor als sein Gegner. Interessant finde ich, wie der russische Reporter die deutschen Namen ausspricht: So wurde aus Lukas Podolski in Russland "Padolski" - ich wusste doch erst gar nicht von wem der da spricht. Und dann wollten die Russen wissen, was die Namen Lahm und Adler übersetzt heißen - letztlich aber auch den Namen des Spielers Schweinsteiger...

 

 
Sonntag, 12. Oktober 2008



Heute sollte ich wieder früh aus den Federn fallen, weil heute erneut ein Ausflug auf dem Programm stand. Ich hatte mich mit Elena und Sergej verabredet, nach Kolomna zu fahren, einer Stadt etwa 80 km südöstlich von Moskau liegend. Dort wollten wir einen Freund treffen. Der Blick aus dem Fenster verhieß nichts Gutes: Es regnete und beim Durchlüften des Zimmers kam kalte und feuchte Luft herein. Eigentlich ein Wetter, um im Bett zu bleiben und das als Wecker dienende klingelnde Handy zu verfluchen, auszuschalten und zu ignorieren. Eigentlich hatte ich, wie an dem Svenigorodtag auch, das Frühstück nicht eingeplant, aber es war dennoch Zeit dafür da - selbst für eine große Tasse Pfefferminztee. Normalerweise ist es bei mir ja der gute Ostfriesentee, der morgens auf dem Tisch steht, aber erkältungsbedingt musste heute ein anderer Tee herhalten. Und heute habe ich es tatsächlich geschafft, auf die Minute genau am Treffpunkt zu sein - das ist mir hier noch nicht einmal passiert. Eine Metro später kam Elena auch an und so mussten wir nur noch Sergej suchen, der zwar schon da war, aber nicht wusste, wo wir zu finden waren. Nach dem Fahrkartenkauf mussten wir eine Zeit lang auf den Zug warten. Spannend war dabei, dass die Züge die Gleise ständig wechseln, so dass man nur kurz vor knapp auf den Bahnsteig kommt, was hin und wieder zu bösen Überraschungen führen kann. Bei uns ist es aber gut gegangen, wir haben den Zug erwischt. Die Elektritschka war recht voll, so dass es kaum möglich war, gemütlich und in Ruhe zusammen zu frühstücken.

In Kolomna angekommen, mussten wir einen Trampelpfad in Bahnnähe zum Kloster nehmen, wo wir dann nach einem recht kurzen Fußweg ankamen und Vater Alexej uns die Türe zum Kloster öffnete. Zunächst hat er uns die Hauptkirche gezeigt und vieles dazu erzählt. So stammt das Kloster auch aus der Zeit des Sergej von Radonesch, wurde aber von Gregorij Golutwin gegründet (so heißt der Ort dort eigentlich auch, in dem sich das Kloster befindet). Danach haben wir in dem Speisesaal Blini, also russische Pfannekuchen, gegessen und Tee getrunken. In dem Kloster ist ein Seminar und hier wohnen folglich auch die Schüler des Klosters. In eines der Zimmer konnte ich einen Blick werfen: Sie sind recht karg eingerichtet und in dem Zimmer leben fünf Studenten zusammen. Für die Studenten steht eine Tischtennisplatte zur Verfügung und ein moderner Computerraum. Die Studenten müssen wie meine orthodoxen Kommilitonen in Moskau auch ehrenamtliche Arbeiten durchführen wie zum Beispiel der Verkauf von Büchern, Ikonen und Kerzen; Arbeiten in den Gartenanlagen, Säubern der Kirche und der liturgischen Gegenstände und so weiter. In dem Kloster sind drei Kirchen, eine befindet sich im Gebäude des Seminars unter dem großen Glockenturm, die anderen stehen alleine. Eine besondere Atmosphäre erhält das Kloster durch die alte und sehr baufällige Mauer aus rotem Ziegel und den spitzen Türmen, aber auch die gepflegten Gartenanlagen und der großzügig angelegte Rasen machen das Kloster zu einem Kleinod. Es ist nicht weit vom Fluss Oka und Moskau auf einer kleinen Anhöhe gelegen. Es gibt noch eine kleine Erzählung aus dem zweiten Weltkrieg aus dem Kloster: Deutsche Truppen hatten das Kloster erobert und schon einige Teile zerstört. Eigentlich hatten sie den Befehl, dass das Kloster völlig zerstört wird. Der Befehlshaber der Truppe hat dann aber die Zerstörung gestoppt, weil er glaubte, dass es noch mehr Verluste in seiner Truppe geben würde, wenn er das Kloster dem Erdboden gleichmachen würde.

 

Im Computerraum hat Vater Alexej uns dann viele Bilder aus dem Leben im Kloster gezeigt, so dass wir einen guten Einblick in das Leben dort bekommen haben: Von den Arbeitseinsätzen, vom gemeinsamen Fußballspiel, von dem Besuch von Metropoliten und dem Patriarchen Alexej II, von der Jerusalemreise der Studenten, von der Renovierung der Kirchen und des Klosters und vom Winter in Kolomna.



Anschließend haben wir einen langen Spaziergang durch die Stadt gemacht und sind zu den Resten des Kremls gegangen. Hier sei gesagt, dass der Begriff Kreml in Russland nicht allein auf Moskau bezogen ist - in Moskau steht der wohl bekannteste Kreml Russlands. Jede alte Stadt hatte früher oder hat heute noch eine Stadtbefestigung, von der aus die Stadt regiert wurde. Diese ist ähnlich wie eine Festung mit Wehrmauern und Türmen, Kirchen, auf einer Anhöhe bzw. an einem Fluss gelegen angelegt. Auf dem Weg dorthin habe ich an einigen Stellen noch einmal den Herbst mit dem goldenen Laub genießen können. Auf dem Weg dorthin sind wir auch an einer Kirche vorbeigekommen, die ein typisches sowjetisches Schicksal erlitten hat: Sie ist heute noch ein Museum und äußerlich leider nicht in dem besten Zustand. Es zeigt sich dennoch ein starker Aufschwung der orthodoxen Kirche in Russland - ganz viele Kirchengebäude insbesondere in Kolomna werden derzeit aufwendig restauriert oder befinden sich kurz davor. Allein hier sind wir an mehr als vier Kirchen vorbeigekommen, in und an denen momentan gewerkelt wird. Und viele Kirchen sehen so aus, als wären sie eben frisch herausgeputzt worden.

In dem alten Kreml der Stadt ist heute ein Frauenkloster, in das wir auch einen kleinen Blick geworfen haben. Hier ist auch eine kleine Quelle mit Heiligem Wasser, dass aus einem Kreuz in eine Becken fließt. Darum zu wurde eine kleine, aber wunderschöne Holzhütte bzw. -Kapelle errichtet. Allein im alten Kreml, der an für sich gar nicht so groß ist, stehen wenigstens sechs Kirchen! Von dort hat man auch eine sehr schöne Aussicht auf die ganze Umgebung und auf den Fluss Moskau - wäre das Wetter schön gewesen und hätte es nicht ständig ein Schauer gegeben. Vom alten Kreml stehen heute nur noch einige Mauerreste und ein Ein- bzw. Ausgangstor. Diese zeugen noch heute von der einstigen Stärke und Bedeutung des Kremls.

Beim Gang durch die Stadt habe ich das erste Mal richtig gemerkt, dass wir doch in einer Stadt sind, die weiter außerhalb von Moskau liegt: Hier ist es viel ländlicher, die Häuser sind wesentlich kleiner, oft aus Holz, viele baufällig, mit den schönen Fensterverzierungen, die ich so liebe, alles etwas krumm und schief, verwilderte Gärten - Idylle pur.

 

Als ich am Abend zurück im Wohnheim war, habe ich mir Essen gemacht mit Gemüse, dass ich vom Markt gleich bei der Station Textilschschiki gekauft habe. Ich wusste bislang gar nicht, dass es dort einen Markt gibt - das werde ich bestimmt noch öfter ausnutzen, wenn ich keinen Nerv mehr habe, noch groß einkaufen zu fahren. Es lohnt sich also, auch mal einen Blick vor die Metro- und Elektritschka-Stationen zu werfen. Zum Essen hat sich spontan noch Stephan dazugesellt, so dass für den morgigen Tag nicht mehr viel übrig geblieben ist. In der Elektritschka haben wir übrigens auch noch das Mittagessen nachgeholt. Bei solchen Ausflügen habe ich jetzt immer ein Messer, ein Brot, etwas Wurst, Obst und zwei oder drei Eier mit dabei. Es macht einfach viel Spaß, den Zug gemeinsam vollzukrümeln. 



Mir hat dieser Ausflug heute wieder einmal gezeigt, dass es für mich ganz gut ist, wenn ich hin und wieder mal außerhalb von Moskau sein kann. Ich komme immer sehr müde, aber dafür völlig entspannt zurück; ich habe den Eindruck, dass sie mir wirklich gut tun, da ich dann aus der Menschenmasse Moskau für ein paar Stunden entfliehen kann. Die ist nämlich immer noch ganz schön anstrengend für mich. Am besten ist es, glaube ich, wenn ich den Stadtstress mit Ruhe und Gelassenheit angehe.

 

 



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