Tagebuch ohne Fotos zum Drucken



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Montag, 27. Oktober 2008

Heute habe ich wieder recht viel Geld ausgegeben, wie ich meine aber an sinnvoller Stelle: Heute habe ich mir Winterschuhe gekauft. Sie sehen gut aus und scheinen auch eine gute Qualität zu haben. Sie sind schön warm, knöchelhoch und mit Fell ausgefüttert. Und für deutsche Verhältnisse finde ich sie auch nicht übertrieben teuer: Ich habe 3200p. dafür ausgegeben, also etwa 93 Euro. Nun fehlt nur noch das Paket aus der Heimat, das ich eigentlich auch in diesen Tagen erwarte und dann kann der Winter kommen.

Am Morgen habe ich wieder einmal auf die Mitarbeiter der Auslandsabteilung der Universität gewartet - dieses Mal nur eine Stunde. Sie standen wieder im Stau. Welche Vorteile hat es da, wenn man mit der Elektritschka und der Metro fahren kann. Dort gibt es nämlich keinen Stau - bislang zumindest nicht. Den Pass habe ich jetzt abgegeben und nachdem Alexej mir gesagt hat, dass die Miliz bei Problemen bei ihm anrufen soll, bin ich dann ohne Pass ins Wohnheim gefahren. So werde ich jetzt erst einmal unnötige Wegstrecken vermeiden, bevor ich doch noch aufgegriffen werde. Zumindest gab es heute einen Fortschritt: Ich habe heute morgen ein Formular für die Miliz ausgefüllt. Alles weitere wird wohl die Zeit bringen. Zumindest bin ich in dieser Sache heute wesentlich ruhiger als die Tage zuvor. Ich hoffe nur, dass das Visum dann bis Ende Juni gültig ist.

Die Ethik-Vorlesung gehört zu den Veranstaltungen in meinem Stundenplan, zu der ich sehr gerne gehe, auch wenn sie derzeit sehr schwer für mich zu verstehen ist. Es geht momentan um Konstrukte, wie Körper, Geist und Seele zusammenhängen könnten - ein Thema, bei dem ich auch in Münster schon meine Probleme hatte. Zumindest sind geht es dort total persönlich zu. Kommt der Professor herein, dann werde ich von ihm mit Handschlag und meinem russischen Namen - also Andrej - begrüßt. Und nach dem Gebet sagte er dann: "Oh, Andrej hat ja auch mitgesungen." Er konnte mich recht leicht heraushören, weil ich neben ihm ja die einzige männliche Stimme bin. Und auch in der Stunde wird oft mal gelacht und es geht recht locker und persönlich, schon fast gemütlich zu. Und meine Mitstudentinnen sind ihm gegenüber auch nicht auf den Mund gefallen und können auch mal kontern. Alles in allem eine sehr schöne Vorlesung in gemütlicher Atmosphäre.

Heute ist der nächste Teil vom Gallimarkt bei mir angekommen - die Postkarte von meinen Eltern. Nun habe ich hier zwei verschiedene und schöne Karten von dem Großereignis stehen. Wenn ich auch das große Volksfest und dazu noch das 500. Jubiläum nicht miterleben durfte, so habe ich jetzt zwei schöne Karten auf meinem Schreibtisch stehen, deren erste ich in den letzten Tagen schon öfters in der Hand gehalten habe. Dafür also noch einmal vielen Dank!

 

 



Dienstag, 28. Oktober 2008

Zu Mittag habe ich heute mit Sasha und Alexej zusammen gesessen, die mir dann erzählten, dass das Visa wohl genehmigt sei. Aber noch halte ich es nicht in den Händen. Ich hoffe, dass ich es morgen dann in Empfang nehmen kann. Am Nachmittag war ich in einem Hotel in der Nähe meines Wohnheimes und habe es mir anschauen wollen. Es machte so einen recht guten Eindruck und ich denke, dass ich es meinen zukünftigen Gästen wohl weiterempfehlen kann (www.uzhotel.ru). Der Vorteil ist die Nähe zu meiner Unterkunft, so dass man sich gut in der Metro-Station oder Elektritschka-Station Textilschchiki treffen kann, ohne dass man sich gleich aus den Augen verliert oder groß verfährt. Mit Olga war ich heute auf der Post, die auch Registrierungen vornehmen kann. Es ist allerdings nur möglich, die Registrierung durchzuführen mit demjenigen, der einen beherbergt. Der muss wiederum Eigentümer der Wohnung sein und darüber einen Nachweis vorlegen. Das macht eine Privatunterkunft wieder ungemein schwieriger.

Ansonsten lässt sich über den Tag nicht viel berichten. Ich muss nur bald wieder Geld abheben - nur leider ist der Kurs derzeit sehr schlecht für mich. Bei den meisten Banken liegt er unter 35 Rubel für einen Euro. Mal schauen, wie lange ich noch warten kann. Die Bankenkrise macht sich also bemerkbar - vor ein paar Wochen bekam ich noch über 37 Rubel für einen Euro. Aber lange kann ich nicht mehr warten, denn das Wohnheim will auch bezahlt werden!

 

 



Mittwoch, 29. Oktober 2008

In der Stalowaja stapelte sich heute jede Menge Streichkäse, den wir mitnehmen konnten. So bin ich heute wieder mit einem Paket mit 16 Bechern unter dem Arm im Wohnheim angekommen. Die ersten sechs habe ich schon verschenkt, so dass mir selbst noch zehn bleiben. Als ich gemerkt habe, wie gut der Käse schmeckt, habe ich beschlossen, dass ich den Rest behalten werde. Das Paket ist auch noch brauchbar, zumal ich damit irgendwann Post verschicken könnte.

Das Visum habe ich heute noch nicht erhalten - nun schauen wir, was der morgige Tag bringt. Es soll aber laut der Auslandsabteilung alles im absolut grünen Bereich sein. So ist morgen dann mein letzter Tag mit dem alten Visa in Moskau. Sollte ich Schwierigkeiten mit der Miliz haben, dann könnte ich Sascha, Alexej oder Juri Valerjewitsch anrufen und die würden alles weitere klären.

Heute Abend habe ich eine E-Mail an einen Dozenten auf Russisch geschrieben, den ich von einem Mitbewohner habe korrigieren lassen. Wären da nicht einige Müdigkeitsfehler drin gewesen, die ich hätte entdecken müssen, wäre der Text sogar recht gut gewesen. Ich habe den Eindruck, dass ich mich wenigstens grammatikalisch mausere. Nun muss ich nur noch die Antwort verstehen.



 

 

Mittlerweile hat sich ganz still und heimlich der zweite Monat vollendet und ich bin in den dritten Monat hier in Moskau gerutscht. Für mich ist es Zeit, wieder etwas zurückzuschauen und den Monat und meine Zeit an der orthodoxen Universität zu betrachten. Wenn ich den letzten Monat betrachte und überlege was ihn geprägt hat, dann hängt dies mit Stress und Zeit zusammen. Der Oktober war geprägt von sehr vielen Ausflügen - einmal nach Kolomna, nach Sergijew Possad und die Fahrt nach Swenigorod, die auch in die Zeit nach dem ersten Resümee fällt. Dann gab es hier und dort viele Treffen mit Freunden, der ein oder andere Museumsbesuch, die regelmäßigen Treffen mit denjenigen, die deutsch sprechen und dann zusätzlich die beiden Tandems Englisch-Russisch und Deutsch-Russisch. Abends treffen wir uns ja auch noch unregelmäßig zum Essen oder zum Unterhalten auf dem Zimmer. Zum einen waren diese Treffen und gemeinsamen Ausflüge ohne Ausnahme alle sehr schön und ich möchte keinen davon missen, ich habe aber auch gemerkt, dass ich viel ruhiger werden und einen Gang zurückschalten muss. Ebenso musste ich lernen, dass ich hier in Moskau nicht so akkurat planen kann, wie es in der Heimat der Fall ist. Irgendwo scheitert man dann doch wieder und es ist tatsächlich einfacher, ein Stück die russische Mentalität anzunehmen und die Dinge so zu nehmen, wie sie sind mit dem festen Glauben daran, dass am Ende dann doch alles gut wird. Insbesondere die Zeit des Wartens auf das Visum gehört dort hineingerechnet. Mit dem Stress in der Metro und der Elektritschka komme ich mittlerweile schon viel besser klar, auch wenn ich mich nach wie vor manchmal zur Ruhe zwingen muss, insbesondere dann, wenn ich mal wieder knapp dran bin. Ich in diesem zweiten Monat auch gelernt, nein zu sagen. Gestern Abend war beispielsweise ein Konzert einer Fakultät der Universität, zu dem ich auch mit etwas Nachdruck eingeladen worden bin. Ich habe von vornherein gesagt, dass ich komme, wenn ich Zeit hätte. Ich bin dann dort nicht gewesen, weil ich mit Elena und Anna Lieder in der Kirche gesungen und Tee getrunken habe und einen wirklich schönen und entspannten Nachmittag hatte. Anschließend wäre noch eine Party gewesen, wo es den ein oder anderen Schluck gegeben hätte. Ich wurde dann gefragt, wo ich gewesen sei und habe dann eben das zur Antwort gegeben, was ich gemacht habe. Und so ähnlich habe ich es auch schon mit anderen gemacht. Wenn ich allerdings gemachte und feste Termine absagen muss, weil etwas dazwischen gekommen ist, wie zum Beispiel in Sachen Visum, dann finde ich das nach wie vor nicht sehr gut, weil meine Zuverlässigkeit darunter leidet und andere auf mich vergebens warten. Ich habe das Gefühl, dass ich auf einem guten Weg bin, wieder mehr Zeit für mich zu finden und mit weniger Stress zu leben - auch wenn die ganze Sache mit dem Visum und der Auslandsabteilung der Universität den Spieß wieder völlig umdreht. Dies ist im Gegensatz zum anderen aber kein hausgemachter Stress. Ich habe darüber hinaus immer den Eindruck, dass es gut für mich ist, wenn ich hin und wieder raus aus Moskau komme und einen kleinen Ausflug mache. Ich bin bislang von allen Ausflügen entspannt und ruhig wieder nach Moskau zurück gekommen. Diese Zeit außerhalb der vielen Menschen, des Stresses, des Lärms, der schlechten Luft und den vielen Häusern ist Erholung für mich und tut mir richtig gut - auch wenn ich dafür mal früh aufstehen muss.

Im Leben in der Universität und im Wohnheim scheine ich jetzt einen festen Platz gefunden zu haben und fühle mich nach wie vor sehr wohl und gut aufgehoben, auch wenn die Hausverwaltung die ein oder andere eigenartige Regel aufgesetzt hat. Aber für den Preis von etwa 28 Euro Monatsmiete will ich mich nicht beschweren. Es haben sich jetzt Gewohnheit eingeschlichen, die den Tagen hier Routine und mir Sicherheit geben. So kenne ich mich langsam in Moskau besser aus, ich finde das, was ich finden will oder frage mich durch, bis ich mein Ziel erreicht habe. Was das Einkaufen angeht, so finde ich immer mehr heraus, wo ich was kaufen muss, damit ich nicht zu viel Geld ausgebe. Und im Zweifelsfall kann ich immer noch jemanden fragen, der mir dann mit Rat und Tat zur Seite steht. Es wird mittlerweile auch immer schwieriger, zu jedem Tag etwas in dieses Tagebuch zu schreiben, wenn sich nicht alles wiederholen soll. Den festen Platz in der Universität geben mir vor allem meine neuen Freunde und Bekannten, die ich hier sehr schätze. Im Wohnheim sind dies nach wie vor Oleg, Pjotr, Dmitri, Evgeni und Stephan, mit denen ich sehr gerne zusammensitze und mit denen ich auch mal ein Problem besprechen kann oder die einen Rat wissen, wenn mir mal wieder alles zuviel geworden ist. Besonders schön sind auch die Abende, wenn wir gemeinsam zu Abend essen und gemeinsam kochen oder etwas anderes gemeinsam machen. Stephan spielt für mich noch eine besondere Rolle, da er mich auch so lange auszuquetschen versteht, bis er weiß, warum ich ihm anders als sonst vorkomme. Er scheint ein besonderes Feingefühl dafür zu haben. Und mit ihm und zumeist Pjotr wird dann eine Lösung gesucht und die ganze Sache besprochen. Einmal kam Stephan und fragte, welche neuen Wörter ich denn gelernt hätte. Da es nicht so viele waren, haben wir gemeinsam überlegt, wie und wann ich neue Wörter lernen könnte. Mit den anderen im Wohnheim komme ich ohne Ausnahme gut klar und wir haben gemeinsam oft viel Spaß miteinander. Wobei jedes Verhältnis da anders ist - es gibt auch den ein oder anderen hier, der sehr reserviert oder ruhig ist. Im Schnitt haben sich Freundschaften mit Leuten aus höheren Kursen gebildet, da diese mehr mein Alter sind. Man muss halt dazusagen, dass viele Studenten erst 17 Jahre alt sind und frisch von der Schule und von zu Hause kommen. In der Uni vergeht kaum ein Moment, an dem nicht irgendjemand an mir vorbeiläuft und - sei es nur im Vorübergehen - die Hand gibt. Und oft bleibe ich dann wieder irgendwo zu einem kurzen Plausch hängen - die übrigens immer mehr in russischer Sprache stattfinden, weil ich mich immer öfter beschwere, dass ich doch russisch sprechen möchte. Obwohl, ich kann schon verstehen, dass die ihre Fremdsprachenkenntnisse an mir ausprobieren wollen. Sitze ich zu Mittag in der Stalowaja, dann wird oft das Essen kalt, weil ich mich entweder zu Freunden oder Bekannten dazusetze oder in dem Fall, dass ich früh bin, sitze ich eigentlich nie lange alleine. Und dann wird halt erzählt oder ich werde über meine Heimat, die Universität in Münster oder zu "privaten" Dingen ausgefragt. Mittlerweile scheinen auch einige Studentinnen hier etwas aufzutauen und erscheinen mir nicht mehr ganz so schüchtern - vor allem die, mit denen ich öfters zu tun habe. In der Uni sind es besonders Andrej, Olga, Daniel, Anton und ein paar andere, mit denen ich viel zu tun habe. Andrej unterstütze ich derzeit, dass er ab dem Sommer nächsten Jahres in Berlin studieren kann und bereite mit ihm ein wenig dieses Projekt vor und gebe ihm Unterstützung. Manchmal denke ich bei ihm nur, dass er ein wenig zügiger an die Sache drangehen sollte, vor allem, wenn ich meine Vorbereitungszeit der Bewerbung im Blick habe. Olga dagegen ist meine Sprachpartnerin, mit der ich mich einmal in der Woche zum deutsch und russisch sprechen treffe. Sie ist mir unlängst eine große Hilfe geworden, vor allem wenn es um knifflige Sprachprobleme geht. Leider waren unsere letzten Treffen immer etwas verspannt, weil wir beide sehr müde waren und deshalb keine großen Ideen hatten und wenig vorbereitet waren. Aber gerade sie versteht es, mich zu korrigieren. Manchmal kann sie sogar einen strengen Eindruck machen, das habe ich ihr zu Anfang gar nicht so zugetraut. Aber sie hat auch ein feines Gespür dafür, wenn ich Hilfe benötige: Ich habe sie über das Registrieren meiner zukünftigen Gäste ausgefragt und sie hat sich gleich bereiterklärt, mit mir zur Post zu gehen und dort nachzufragen. Auch sonst hat sie oft sehr gute Ideen. Und dann gibt es im Chor noch jemanden, dessen Namen ich zwar nicht kenne, der mich aber sehr unterstützt. Er hat eine kräftige Stimme und kann sehr gut neue Stücke singen. Und wir üben dann manchmal leise etwas alleine, wenn Vater Alexej gerade mit einer anderen Stimme übt. Das hilft mir sehr. Und letztendlich ist da noch Elena. Einerseits spricht Elena hervorragendes Deutsch und mit ihr mache ich sehr, sehr viel gemeinsam. Ich habe den Eindruck, dass wir völlig auf einer Wellenlänge sind und viele gleiche Ansichten und Gedanken haben. Sie ist es auch, von der ich sehr viel vom orthodoxen und russischen Leben mitbekomme. Sie ist eigentlich diejenige, die mir das Wesen Russlands und Moskaus zeigt - eigentlich genau das, was ich an der Fakultät nicht lernen kann. Oft sprechen wir über unsere Probleme, unsere Kirchengemeinde und unseren Glauben. Dabei haben wir sehr viele Gemeinsamkeiten. Sie zeigt mir ihre Kirchengemeinde, auf die sie ganz stolz ist und von der ich den Eindruck habe, dass sie ihre Familie oder wenigstens ihre zweite Familie ist. Dort verbringt sie sehr viel Zeit und fühlt sich sichtlich zu Hause. An ihr beeindruckt mich sehr, wie sehr sie im Glauben steht und wie tief sie darin verwurzelt ist. Für mich ist sie eine ganz, ganz wichtige Person geworden und ich hoffe, dass ich mit ihr noch viel gemeinsame Zeit verbringen darf - dies ist für mich übrigens auch sehr entspannend und beruhigend. Manchmal denke ich, dass es schade ist, dass sie erst 17 ist und wundere mich dann aber wieder, wie erwachsen sie doch ist und wie fest sie im Leben steht - und da spielt ihr Glaube mit Sicherheit eine ganz große Rolle. Alle diese Menschen machen mir meine Zeit in Moskau zu einer bislang wunderschönen Zeit, so dass ich sehr glücklich und dankbar bin, dass es sie gibt: Dank sei Gott! 

Während ich mich hier an einer Zusammenfassung des letzten Monats versuche, läuft im Computer die Göttliche Liturgie. Ich habe diese CD jetzt schon lange nicht mehr gehört, erkenne aber neuerdings einige Texte wieder, die mit einer anderen Melodie im Chor singen oder die ich in der orthodoxen Kirche gehört habe. Und zudem habe ich eine Vorstellung, zu welchem Zeitpunkt ein Lied gesungen wird bzw. was gerade am Altar geschehen würde. Und ich kann auch einiges davon verstehen, was gesungen wird. Im Chor singe ich nach wie vor mit großer Begeisterung, was auch viele andere Studenten mitsamt Vater Alexej merken. Immer wenn eine Pause ist, dann versuche ich das eben gelernte zu wiederholen. Wie schon gesagt, steht mir da sehr oft ein anderer Student zu Seite. Und oft sitze ich dann am Mittwoch oder Freitagabend in der Elektritschka und im Wohnheim und versuche das zu wiederholen, wo ich noch Schwierigkeiten habe. Auf den Mittwoch und Freitag freue ich mich immer sehr - eben wegen der Chorstunden. Ebenso bin ich immer sehr froh, wenn ich gemeinsam mit anderen singen kann. In den Vorlesungen verstehe ich langsam immer mehr, ich muss mich aber immer sehr dabei anstrengen. Insbesondere in den Vorlesungen Altes Testament, Ethik, Kirchenrecht verstehe ich recht viel. In anderen Vorlesungen habe ich Probleme, wenn unter den Studenten Unruhe herrscht oder der Dozent undeutlich bzw. leise spricht. Ich habe den Eindruck, dass ich in dem Sprachlernprozess Fortschritte mache, diese aber größer sein könnten, wenn ich mehr Ruhe und Zeit zum Vokabeln lernen finden würde. Gerade das gelang mir in den letzten Tagen vor dem Stress mit dem Visum wieder mehr, worüber ich sehr froh bin. Wenn ich mich mit meinen Kommilitonen und Mitbewohnern unterhalte, dann verstehe ich sie oft recht gut und kann dann auch antworten. Wenn ich selbst aber denke, dass ich mich konzentrieren muss weil etwas wichtig ist, dann verstehe ich wiederum oft überhaupt nichts. Scheinbar verkrampfe ich dann irgendwo, so dass ich dann sehr oft nachfragen muss oder rein gar nichts mehr verstehe. Ich versuche aber, möglichst oft russisch zu sprechen und dies auch mit wechselnden Gesprächspartnern. Das ist einerseits gut zur Kontaktpflege, andererseits höre ich dann aber auch mal die Sprache und Wortwahl von anderen Studenten. Da hilft mir auch die Arbeit in der Küche der Stalowaja, da die Leute dort ein ganz anderes Vokabular verwenden als beispielsweise der die Vorlesung haltende Dozent. Gerne unterhalte ich mich auch mit Alexander, der ja hier die Gartenanlagen pflegt. Und wenn ich nicht weiß, ob ich grammatikalisch korrekt gesprochen habe, dann lasse ich mich korrigieren. Wenn ich meine Sprachkenntnisse jetzt zusammenfassen würde, dann würde ich sagen, dass ich mehr praxisorientierte Vokabeln lernen muss und da mehr Struktur und Regelmäßigkeit hereinbekommen muss. Vor ein paar Tagen habe ich ein Buch gekauft, dass eine Einleitung in die orthodoxe Kirche und den christlichen bzw. christlich-orthodoxen Glauben darstellt. Es ist geschrieben für die Schule und für den Gebrauch in der Familie. Und gerade wenn ich in dem Buch lese, verstehe ich sehr viel. Mittlerweile gelingt es mir immer besser, meine Freunde und Bekannten auszubremsen, wenn sie mir zuviel englisch oder deutsch sprechen und die meisten halten sich auch daran. Ich selbst antworte zumeist in russisch, auch wenn jemand mit mir eine andere Sprache spricht. Und manchmal spreche ich alles durcheinander, dann habe ich meist einen langen Tag hinter mir.

Eigentlich vermisse ich auch nach zwei Monaten nichts, was dramatisch wäre. Natürlich denke ich sehr oft an meine Freunde, Bekannten und Eltern in Deutschland und male mir aus, was sie gerade so machen. Zu einigen halte ich ja recht regen Kontakt, worüber ich sehr froh bin. So bin ich immer gut informiert und kann mir gut vorstellen, was momentan Gesprächsthema ist. Manchmal bin ich sogar besser durch andere informiert, als denjenigen, den ich nach etwas frage. Und ich freue mich immer über eine Mail oder eine kleine Nachricht aus der Heimat, die meist recht ausführlich beantwortet wird. In den Zeiten, in denen ich erkältet bin, wünsche ich mir allerdings das gute Pfefferminz-Heilpflanzenöl, dass ich hier noch nicht gefunden habe. Es gibt zwar eine Art Ersatz, der mir jedoch zu chemisch und zu wenig wirksam ist - auch nicht mit Teelicht. Und ich vermisse vielleicht mal wieder eine schöne Heilige Messe, in der anständig gebetet und gesungen wird, so dass ich auch vernünftig mitsingen kann. In der Moskauer Gemeinde gefällt es mir nicht so gut, weil kaum einer mitsingt und betet. Es geht in dieser Beziehung sowieso eigentlich nichts über meine Heimatgemeinde - St. Mariä Himmelfahrt in Oldersum. Oft gehe ich lieber in die orthodoxe Liturgie, weil dort die Atmosphäre stimmt. Aber sonst mangelt es mir hier an nichts - auch nach etwas längerem Überlegen fällt mir nichts ein. Mittlerweile kann ich auch sagen, dass ich mit etwas Sparsamkeit und Bescheidenheit in Moskau etwa 500 Euro im Monat zum Leben benötige, sogar inklusive der Winterschuhe. Da kann ich in jedem Fall mit zufrieden sein und hoffe, dass ich weiter so haushalten kann. Im letzten Monat habe ich über die Kälte in meinem Zimmer geklagt. Mittlerweile läuft hier Tag und Nacht die Heizung, die sich auch nicht regulieren lässt. Mit ihr habe ich mir folgenden Umgang zueigen gemacht: Nachts habe ich das Fenster meist einen Spalt geöffnet, so dass es nicht ganz so warm wird. Auch tagsüber ist es oft etwas geöffnet. Und ein- bis zweimal am Tag wird einmal stoßgelüftet. Besonders gut kann man die Heizung bei leicht geöffnetem Fenster zum Trocknen von Socken, Unterhosen usw. benutzen. Leider darf ich meine Sachen ja nicht mehr an die Haken nach draußen hängen. Dennoch habe ich die Klammern nicht umsonst gekauft: Man kann die Socken, Unterhosen und alles andere wunderbar an die Heizung hängen. Und dadurch, dass das Fenster immer ein wenig geöffnet ist, habe ich noch nicht einmal eine hohe Luftfeuchtigkeit im Zimmer.

So kann ich letztlich von mir behaupten, dass ich im Oktober zwar hin und wieder etwas grummelig gewesen bin - vor allem wegen der Unzufriedenheit in den mangelnden Sprachfortschritten und dem Stress, von dem ich ja schon mehrfach geschrieben habe. Es überwiegt aber nicht der Stress und der Gram, sondern bei weitem die Freude und Dankbarkeit darüber, dass ich hier studieren kann und darf. Es ist so, als gehe gerade ein Traum für mich in Erfüllung, auf den ich drei Jahre in Studium und entgeltlicher Arbeit hingearbeitet habe.

Nun habe ich zum Abschluss des Monats ein Lied aus dem Soldatengesangbuch, dass mir seit einigen Tagen nicht aus dem Kopf geht. Es hat so viele Elemente, die auf meine jetzige Situation passen: Freude, Dankbarkeit, Weg, Weite, Hoffnung, Weggefährten, teilen Brot:

 

Kommt und singt ein Lied der Freude, ihr habt Grund zur Dankbarkeit.

Gottes Weg führt in die Weite aus der Hoffnungslosigkeit.

Ohne Gott heilt ihr vergebens,

was euch Leib und Seele kränkt.

Kommt mit uns zum Quell des Lebens,

der für immer Heilung schenkt.
Alle ihr seid eingeladen, alle, ohne Unterschied,

weil der Herrgott nicht auf Staaten, Rang und Rasse sieht.

Darum legt die Zäune nieder!

Keiner soll der Größte sein.

Sagt es weiter - immer wieder:

Groß ist nur der Herr allein.
Freiheit hat uns Gott gegeben, füreinander da zu sein.

Alle, die der Sorge leben, will zur Freude er befrein.

Keinen hat er abgeschrieben,

denn sein Opfer macht uns frei:

macht uns frei, die Welt zu lieben,

dass in ihr die Freiheit sei.
Frieden soll die Welt bewahren durch die Kraft, die Christus schenkt.

Wer sie annimmt, wird erfahren, dass ein guter Geist sie lenkt.

Unsre Augen sehn dann wieder, was dem Weggefährten droht.

Schwestern werden wir und Brüder,

teilen Brot und heilen Not.
Kommt mit uns zum Quell des Lebens, der für immer Heilung schenkt.

Ohne Gott heilt ihr vergebens, was euch Leib und Seele kränkt.

Gottes Weg führt in die Weite.

Gott sei mit euch allezeit!

Kommt und singt das Lied der Freude,

ihr habt Grund zur Dankbarkeit.
(Gustav Bosse Verlag / Kath. Soldatengesangbuch 2000)

5.) Das Studium kann fortgesetzt werden



Donnerstag, 30. Oktober 2008
Ein Danklied sei dem Herrn für alle seine Gnade;

er waltet nah und fern, kennt alle unsre Pfade,

ganz ohne Maß ist seine Huld

und allbarmherzige Geduld.


O sei zu seinem Lob nicht träge meine Seele,

und wie er dich erhob, zu seinem Lob erzähle;

drum sei am Tage wie zur Nacht

sein Name von dir groß gemacht.


Gib dich in seine Hand mit innigem Vertrauen,

sollst nicht auf eitel Sand, auf echten Felsen bauen,

ganz geben dich in Gottes Hut

und sei gewiss, Er meint es gut.

(Gotteslob)

 

Heute habe ich etwa sieben Stunden vor Ablauf des alten Visums ein Neues erhalten! Das ist die wichtigste Botschaft des Tages! Das, was mir so viele Nerven, Telefonate und Zeit gekostet hat, ist jetzt endlich vorhanden. Jetzt kann ich endlich wieder beruhigt schlafen und mich entspannen. Ich hatte Sascha mittags schon angerufen und sie sagte mir, dass sie das Visum hätte - aber darauf habe ich noch nicht vertraut. Das wollte ich schon mit eigenen Augen sehen. Als ich es dann in der Hand hatte, habe ich es gleich allen möglichen Mitstudenten, die mir begegnet sind, erzählt. Der heutige Tag bis zum Erhalt des Visums war aber noch ganz schön von Sorgen geprägt. Was wäre, wenn ich das Visum nicht bekommen hätte? So schnell hätte ich gar nicht mehr ausreisen können. Aber jetzt ist zum Glück alles in Ordnung, Sascha will die Registrierung nächste Woche irgendwann vornehmen und dann ist alles in Ordnung. Ich bin jetzt nur sehr froh, dass dieser Stress vorbei ist und ich mich nicht illegal in Moskau aufhalten muss. Slawa Bogu (Dank sei Gott)!



Der Tag verlief sonst wie viele andere auch, etwas Besonderes gibt es kaum zu berichten.

 

  



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