Tagebuch ohne Fotos zum Drucken



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Dienstag, 26.05.2009

Endlich ist es geschafft - der Textteil der Hausarbeit, also das Erfinden und Ausdenken - ist soweit geschehen und die Hausarbeit steht in deutscher Sprache. Das war heute noch einmal ein Batzen Arbeit, aber jetzt muss ich nur noch einen Drittel korrigieren. Endlich. Ich habe Hoffnung, dass ich alles in der nächsten Woche abgeben kann. Bei den Übersetzungsarbeiten werde ich ebenfalls viel Hilfe benötigen und auch bekommen. Insgesamt habe ich 34 Seiten zusammengeschrieben. Um alles fertig zu bekommen, bin ich nicht in die Kirche gegangen, was ich eigentlich vorgehabt habe. Ist es doch der letzte Abendgottesdienst in der Osterzeit. Gegen Mittag war ich in der letzten Liturgikvorlesung und das Seminar anschließend ist für mich ausgefallen. Meine Kommilitonen hatten alle Prüfung - für sie habe ich extra noch eine Kerze angezündet, was von allen sehr bewundert wurde und wo sich alle sehr drüber gefreut haben. Mit Ivan bin ich in der Kirche gewesen und wir haben uns einen Heiligen ausgesucht. Die Wahl viel auf den Hl. Sergij von Radonesch. In der Stalowaja habe ich mich noch etwas mit Nina unterhalten und anschließend noch ein paar Worte mit Olga gewechselt.

Als ich abends von Masha zurück ins Wohnheim gefahren bin, habe ich noch Anton, Radion und den Mann seiner Schwester getroffen und wir haben uns noch ein bisschen unterhalten. Als ich im Wohnheim dann mein Zimmer lüften wollte, kam irgendeine ekelige Fabrikschornsteinluft in mein Zimmer. Der Geruch war nicht zu definieren - wie so oft - und daher habe ich vorsichtshalber das Fenster zugelassen. Je nach dem, wie der Wind steht, scheint das Wohnheim wohl voll von dem Schornstein getroffen werden.

 

 



Mittwoch, 27.05.2009 - Letzter Tag der Osterzeit

Heute wollte ich eigentlich schon um Viertel nach sechs aufstehen, habe aber den Wecker am frühen Morgen auf sieben Uhr gestellt, weil ich mich einfach noch zu müde gefühlt habe. Der Geruch vom letzten Abend war verschwunden, so dass ich jetzt das Fenster weit aufreißen konnte. Es kam eine schöne kühle Luft ins Zimmer geweht und schön unter der Bettdecke eingemummelt habe ich noch eine schöne Runde geschlafen. Und dann ist mir ein Kunststück gelungen: Ich war um kurz vor halb neun schon in der Fakultätskirche: Ich bin schnell um sieben aufgestanden, habe mich fertig gemacht und gefrühstückt und bin dann zur Bahn gegangen. Dort stand schon eine Elektritschka am Bahnsteig und somit habe ich für den Weg vom Wohnheim bis zur Kirche nur knappe 45 Minuten benötigt. Das ist sehr selten der Fall. So war ich dann zum Ende der Lesung des Evangeliums in der Kirche. Heute wurde mit geöffneten Türen gedient - zumindest bis zur Kommunion der Priester, der Diakon hielt während den Ektenien wieder die Kerze in der Hand und Vater Vladimir hat anschließend den Segen mit dem Osterkreuz mit den drei Kerzen gegeben. Zudem wurden die Leute auch noch mit der Osterikone gesegnet, die dann in den Altarraum gebracht worden ist. Und ich habe für dieses Jahr das letzte Mal das "Der Engel hat der Gesegneten laut zugerufen" gehört. So ist heute die liturgische Osterzeit zu Ende gegangen. Dazu sei noch eine interessante Begebenheit zu erzählen: Vor und nach den Vorlesungen wird ja immer gebetet. Während meiner letzten Vorlesung an dieser Universität haben die Studenten im Nebenraum "Christus ist erstanden" angestimmt, während wir das Vater Unser gebetet haben. Und nach der Vorlesung das Gleiche: Wir haben den gewöhnlichen Gesang gesungen und die Gruppe neben uns haben einen Teil von "Der Engel hat der Gesegneten laut zugerufen" gesungen. Auf dem Weg zu den Vorlesungen habe ich gemerkt, was ich wohl sehr in Münster vermissen werde: Auf dem Weg in den Vorlesungsraum kamen mir draußen zwei Mädchen entgegen, die zweistimmig ein russisches Volkslied am singen waren. Kurz darauf bin ich an dem Brunnen vorbeigegangen, der von einer grünen Rasenfläche mit vielen Butterblumen eingerahmt ist. Den Gesang wird es in Münster nicht geben und die Rasenfläche beim Fakultätsgebäude wird auch alle Nase lang von einem knatternden Rasenmähertrecker platt gemacht - vorzüglich während der Vorlesungen - so dass kaum Butterblumen wachsen können.



Nach dem Kirchgang und nach der letzten Vorlesung - das Seminar zum Neuen Testament ist heute ausgefallen - war ich bei Masha und habe die Hausarbeit so weit vorbereitet, dass einer Übersetzung nichts mehr im Wege stehen sollte. In der Uni habe ich noch kurz mit Katja in der Stalowaja zusammen gesessen und mit ihr ein wenig gequatscht.

 

Nun am Ende dieses Kapitels will ich mir - wenn auch schon ein paar Wochen später - noch einen kleinen Rückblick erlauben. Dieser Monat war so ausgefüllt mit Ereignissen, dass ich sie kaum zusammenfassen kann: Er beginnt mit der Osterzeit und insbesondere der Hellen Woche, in der es wieder sehr schöne Liturgien gab und in jedem Fall angeführt wird von der Fröhlichkeit der Auferstehungsliturgie. Sie ist nach wie vor für mich eine ganz tolle Erinnerung und war tatsächlich der liturgische Höhepunkt, den ich bisher erleben durfte. Schon vor meinem Russlandaufenthalt habe ich mir ja vorgenommen, in jedem Fall zu diesem Fest in der Kirche zu sein. Dadurch, dass ich bei Mashas Eltern so oft zu Gast sein darf, war dies auch überhaupt kein Problem. Auch in der Osterzeit habe ich meine Beziehung zu Masha sehr vertieft und mit jedem Tag bin ich mit ihr glücklicher und in der Familie fühle ich mich mittlerweile sehr wohl und geborgen. Sie ist für mich wie meine eigene Familie geworden und ich bin sehr glücklich dort sein zu dürfen. Ich versuche jedoch auch immer, nicht nur dort zu sein, zumal ich doch eigentlich im Wohnheim zu Hause bin und dort auch Freunde habe, die ich nicht ganz vergessen will, da ich ihnen auch viel zu verdanken habe und gerne mit ihnen sprechen und zusammensitzen möchte. Ein weiteres kleines Ereignis war die Fahrt nach Optina Pustin, die auch sehr schön war. Hier hatte ich wieder einmal die Gelegenheit etwas Natur zu schnuppern und mich an der Natur zu erfreuen. Besonders in Erinnerung habe ich natürlich das Bad in der Heiligen Quelle und mit welchem Tempo ich da nach dreimaligem Eintauchen wieder herausgeschossen bin. Und ich bin davon nicht krank geworden. Die nächsten beiden wichtigen Ereignisse passen auch in die Osterzeit - die Zeit der Freude: Mein Besuch auch Deutschland. Ende April kamen einen Tag eher als ich dachte Mark und Nathalie, meine Kommilitonen aus Münster. Zusammen mit Masha hatten wir sehr viel Spaß und Freude und ich konnte ihnen viel von Moskau und der Umgebung zeigen. Zum Schluss musste ich Masha dennoch hin und wieder um Rat fragen, was man denn nun machen könnte. Wir sind mit einem derartigen Tempo durch die Stadt geflitzt, dass es nachher schwierig wurde noch Touristenattraktionen zu finden. Das wurde dann mit Museen gerettet. Zu meinem Geburtstag als Nathalie und Mark noch da waren, sind mein Vater und mein Bruder gekommen - leider ohne meine Mutter. Sie ist zwischenzeitlich krank geworden und das war für mich eine so große Enttäuschung, dass an meinem Geburtstag selbst ein paar Tränen geflossen sind. Wie gerne hätte ich sie doch hier gesehen und ihr Moskau und ein bisschen von der Umgebung gezeigt! Hatte ich doch noch am Vormittag meines Geburtstag so viel Hoffnung, sie zu sehen bis dann der die Freude zerstörende Anruf kam. Letztlich war es sicherlich gut so, wie es gekommen ist, zumal es in Moskau sehr schwer geworden wäre, einen Arzt zu finden, der helfen und mit dem wir die Sprachprobleme hätten überwinden können. Die Traurigkeit wurde aber sehr schnell überdeckt mit der großen Fröhlichkeit und Freude, die die beiden mitgebracht haben. Insbesondere Papa war einfach unheimlich frei und für jeden Unsinn zu haben, so dass wir sowohl in St. Petersburg als auch in Moskau eine sehr gute gemeinsame Zeit hatten, die ich so schnell nicht vergessen werde. Hier hat sich auch gezeigt, dass Masha gut in meine Familie passen könnte. Zumindest haben die drei sich mehr als gut miteinander verstanden und so haben wir gemeinsam viel herumgealbert. War die Besichtigungstour mit Nathalie und Mark schon schnell - nun hatte ich den Eindruck, dass wir noch schneller gewesen sind. Der Höhepunkt dieser Besuchstage war natürlich die Pomolvka - das Öffentlichmachen unserer Beziehung - wo mein Vater und mein Bruder mit dabei waren. Dafür war dieser Zeitpunkt ja extra gewählt und auch dieser Tag hat gezeigt, dass unsere beiden Familien gut zusammenpassen könnten. Hatte ich am Anfang des Tagebuches von der russischen Gastfreundschaft geschwärmt, so setzt sie sich jeden Tag in Mashas Familie fort - welch ein Segen!

In dieser Hellen Woche hat sich allerdings noch viel mehr getan und vieles davon unbemerkt: Es hat schon viele kleine Abschiede gegeben, da weitere Vorlesungen geendet haben, wenn auch nicht alle. Viele Studenten haben sich zurückgezogen um zu lernen und so ist es im Wohnheim auch abends ruhiger geworden. Das zeigt sich dadurch, dass unter den Studenten weniger kommuniziert wird und man sich oft nur noch grüßt - die Stimmung ist einfach angespannt. Viele müssen ihre Diplomarbeiten verteidigen oder sich auf andere wichtige Prüfungen vorbereiten. Bei mir waren es keine Prüfungen, aber das Schreiben der Hausarbeit hat doch viel Zeit genommen - ein Grund, warum ich diesen Rückblick erst viel später schreibe. In dieser Zeit habe ich auch nicht mehr in der Küche gearbeitet, so dass diese Zeit dort auch mehr oder weniger zu Ende gegangen ist, auch wenn ich es mir für später noch einmal vorgenommen habe. Und auch im Chor habe ich das letzte Mal gesungen und es war einfach wunderschön, so dass mir insbesondere das letzte Mal sehr gut in Erinnerung bleiben wird. Es war einfach unwahrscheinlich laut und kräftig - so habe ich es mir insgeheim gewünscht aber nicht direkt geäußert. Als Erinnerung an den Chor habe ich mir eine CD gekauft, die im letzten Jahr aufgenommen worden ist: Die Akafist der Gottesmutter Maria.

Oft fragen die Studenten, was ich im Sommer und in den Ferien machen werde und ob ich nach Deutschland fahren werde. Mein Eindruck scheint zu stimmen, dass ich ein fester Bestandteil in ihrem Universitätsleben und in den Vorlesungen geworden bin. Die Frage setzt fast immer voraus, dass ich im nächsten Kurs wieder mit dabei bin und wenn ich dann antworte, dass ich in Deutschland zu Ende studiere, lautet die nächste Frage dann, wann ich wiederkommen werde. Und erst wenn ich sage, dass ich nur als Gast und nicht als Student wiederkommen werde, werden die Augen groß und erstaunt - und manchmal auch unbegreiflich. Und eigentlich fühle ich mich auch ähnlich: Als ein fester Bestandteil an dieser Fakultät und Universität. Völlig akzeptiert und immer wie einer von ihnen. Das ist neben Mashas Familie auch das, was mir das Leben hier so einfach und schön gemacht hat: Nie die Sorge haben zu müssen, alleine zu sein. Eine Türe ist hier immer offen.

Was hat sich noch geändert? In meinem Zimmer im Wohnheim ist es etwas leerer geworden, denn Matthias, Papa, Mark und Nathalie haben doch sehr viel Gewicht und Gepäck mit nach Deutschland nehmen können. Und dennoch liegt dort jede Menge Gepäck, das auf die Rückreise wartet. Und zu meinen Sprachkenntnissen lässt sich mittlerweile sagen, dass ich mich entweder damit abgegeben habe, dass ich noch nicht so gut bin, wie ich es mir wünsche oder einfach zufrieden damit bin, dass ich das Alltagsleben ohne größere Probleme meistern kann. Wenn ich etwas will, dann bekomme ich es zumeist auch. Und wenn jemand nicht versteht, dann bohre ich so lange, bis er oder sie versteht. Manchmal scheitert es aber auch an der Mentalität und Müdigkeit der Menschen zu liegen, die sich keine Mühe geben wollen, mich zu verstehen. Mein Umkreis jedoch, in dem ich mich bewege, der versteht mich in der Regel sehr gut.

 

11.) Ferien

 

 



Mittwoch, 27.05.2009

Eigentlich wollte ich mit Masha in den Abendgottesdienst gehen und wir sind dort um halb sieben auch angekommen. Allerdings war es dort so voll, dass ich nicht sehr lange geblieben bin. Dennoch: Die Priester haben die roten Gewänder gegen weiße getauscht und alle Zeichen der Osterzeit sind verschwunden. Die Oster-Ikone vor der Ikonostase, die "Leuchtwerbung" und auch die Kopftücher der Frauen waren jetzt alle in weiß gehalten (viele tragen in der Kirche die liturgischen Farben). Nach dem Ölkreuz habe ich erst eingekauft und bin dann ins Wohnheim gefahren, weil ich mich noch mit Vitali getroffen habe, der mir einerseits beim Übersetzen geholfen hat und ich beim Aussprechen deutscher Wörter. Gegen elf Uhr hatte ich dann noch Zeit, weiter an der Hausarbeit zu übersetzen und bin um etwa halb eins im Bett verschwunden...

Nun noch einen Nachtrag: Auf der Heimfahrt hat der Lokomotivführer der Elektritschka an mehreren Stationen um Hilfe der Miliz gebeten. Bis die Störenfriede dann irgendwann ausgestiegen sind. Bis dahin hat die Miliz aber nicht eingegriffen, obwohl eigentlich immer Milizionäre im Zug sind, die sich zumeist ausruhen.

 

 



Donnerstag, 28.05.2009 - Christi Himmelfahrt (orth.)

Heute Morgen um 5:30 Uhr war ein lautes Poltern im Wohnheim zu hören, dass eine ganze Zeit andauerte. Aufgewacht davon musste ich erst einmal realisieren, was das überhaupt war - bis ich dann Ivans Stimme gehört habe, der versuchte Egor zur wecken und vor seiner verschlossenen Türe stand. Wahrscheinlich hat er Egor nicht wach bekommen, dafür den Rest des Flurs. Nach dem Aufstehen bin ich dann Duschen gewesen, da wir seit gestern Abend endlich wieder warm Wasser haben. Und dann kam auch schon die nächste Überraschung. Von vier Duschkabinen, die allen Jungs im Wohnheim zur Verfügung stehen, waren zwei gesperrt und eine besetzt. Also habe ich die übriggebliebene genommen und festgestellt, dass in den Duschwänden zwei große Löcher sind und in der Ecke, wo die Schiebetüren zusammentreffen und den Einstieg verschließen, war die Schiebetürenschiene in der Ecke oben abgebrochen. Ich habe trotzdem geduscht und eine leichte Überschwemmung in Kauf genommen, die dann aber weitestgehend ausgeblieben ist.

Nach dem Frühstück bin ich in die Göttliche Liturgie gefahren, wo mir wieder eine Kleinigkeit aufgefallen ist - dank der Ehrung von Vater Vladimir, mit geöffneten Zarentüren dienen zu können: Direkt nach dem Anfang der Liturgie spendet der Priester den Segen - mit dem Evangelium in den Händen und macht damit ein Kreuz. Nach der Liturgie war ich mit Masha einkaufen: Zitronen und Eis. Eis - weil es lecker ist und Zitronen, weil ich eine leichte Erkältung habe, die ich irgendwie unterdrücken will. Ich hoffe, dass mir das irgendwie gelingen wird, denn bei dem Wetter krank sein ist nicht sonderlich schön: Derzeit haben wir sommerliche Temperaturen bei über 20°C, die Sonne scheint und es ist eine gute Luft draußen. Es ist eigentlich viel zu schade um im Zimmer zu hocken und die Restarbeiten an der Hausarbeit zu erledigen. Nun - was solls... Sonst ist der Tag aber ohne weitere Besonderheiten verlaufen, so dass es nichts weiter zu berichten gibt.

 
Freitag, 29.05.2009



Ich bin extra so zeitig aufgestanden, dass ich zu kurz vor zehn wie abgeredet bei Masha hätte sein können. Doch das ist leider schief gegangen, da es das erste Mal ernstere Probleme mit der Elektritschka gab. Als ich über die Brücke gelaufen bin, sah ich einen Zug in Richtung Moskauer Innenstadt stehen, auf dem zweiten Blick sah ich aber eine Menge Leute bei dem Lokführer stehen und beim Dritten habe ich gemerkt, dass der Zug abgebügelt war. Ein Zeichen, dass es Probleme gibt. Auf dem Gleis von Moskau lief ein weiterer Zug ein, den ich dann nehmen wollte. Auch der blieb dann in der Station stehen und keiner wusste, was los ist. So bin ich erst im Zug von Moskau sitzen geblieben und auf einmal fuhr dann der Zug nach Moskau los - meiner blieb stehen. Als ich dann ausgestiegen bin, habe ich zwei Kommilitonen gesehen, mit denen ich dann im Bus in die Stadt gefahren bin. So war ich letztlich vierzig Minuten später in der Stadt und bin gleich zur Vater Alexej gefahren, mit dem ich einen Abgabetermin für die Hausarbeit abgemacht habe: Nächste Woche am Donnerstagvormittag! Dann habe ich mir noch eine E-Mail-Adresse besorgt und bin dann nach Masha gegangen, bin dann mit ihr einkaufen gegangen und haben uns fertig gemacht für die Abreise zu ihrer Datscha nach Vostrjakova in der Nähe des Flughafens Domodedovo im Süden Moskaus - etwa 50km vom Stadtzentrum entfernt. Wir sind dann erst noch zum Friedhof gefahren, haben auf dem Markt noch mehr eingekauft und sind dann losgefahren. Zunächst haben wir lange im Stau gestanden. In dieser Zeit hat sich das Wetter etwas geändert: War es morgens noch sehr schwül, hat es jetzt gewittert und stark geregnet und schon war es angenehm kühl. Bei der Datscha angekommen hat es nicht geregnet und es bot sich abends ein herrliches Bild: Der Garten stand in voller Blüte mit Löwenzahn und anderen Blumen. Kurz nachdem wir im Haus waren, habe ich mit Masha mit dem Kochen angefangen. Währenddessen hat Mashas Mutter angefangen, im Garten aufzuräumen, so dass der erste Teil dieser Blumen- und Blütenpracht schnell schon wieder verschwunden war. Da war ich etwas traurig. Alles hat mich hier an die Ost-West-Friedenskirche auf dem Olympiafeld in München erinnert: die kleine Gartenpforte, der Blick durch den blühenden Flieder auf das Haus und die blühenden Blumen in dem wilden, aber bunt aussehenden Garten: Eine friedliche und ruhige Welt. Und genau das habe ich hier auch angetroffen: Es ist ruhig, man hört die Vögel singen... Und bei dem Kochen bot sich dann ein herrlicher Blick aus dem Fenster: Ein weiß-blühender Obstbaum, dann unzählige Butterblumen - ein unheimlich harmonisches Bild. Dementsprechend lecker ist dann auch das Abendessen geworden. Nach dem Abendessen bin ich mit Masha noch ein wenig spazieren gegangen - durch den Wald bis zur Bahnlinie und zurück. Dort musste man ein wenig aufpassen - einerseits wegen Zecken und wegen einiger Mücken. Auf dem Weg dorthin und -zurück haben wir eine Wachholderdrossel gehört. Sie zwitscherte sehr laut im Wald herum, was einfach wunderschön war. Auf dem Rückweg haben wir noch die Eltern von Masha getroffen und wir sind dann gemeinsam heimgelaufen. Vor dem Schlafengehen haben wir noch ein Bierchen getrunken...

 

 



Samstag, 30.05.2009

...was zweierlei Dinge zur Folge hatte: Erstens musste ich nachts zwei Male zur Toilette - die befindet sich jedoch im Garten, wo ich nachts durch die Dunkelheit hinfinden musste. Die Wege sind ein wenig schmal und mir bis dahin unbekannt. Da es dort nur einen Auffangbehälter ähnlich einem Dixi-Klo gibt, habe ich nachts halb verschlafen den Spülknopf gesucht. Am nächsten Morgen bin ich dann um 10:30 Uhr aufgestanden, nachdem ich gehört habe, dass sich jemand in der Küche gewaschen hat, neben der ich schlafe. Dann habe ich für die Familie etwas zum Frühstück gemacht und mit Mashas Eltern gefrühstückt. Kurz nachdem wir angefangen hatten, ist Masha auch mit dazu gekommen. Nach dem Frühstück haben wir erst ein paar Fotos in den herrlichen Blumen gemacht und zwei Fahrräder "mobil" gemacht und wir beide sind einkaufen gefahren. Endlich hatte ich also wieder die Möglichkeit, Fahrrad zu fahren. Es ist doch eine Sache, die ich etwas vermisst habe. Wenn man etwas wiederentdeckt, dann kann man doch manchmal merken, wie sehr einem etwas fehlt. Eigentlich wollten wir noch eine kleine Radtour machen, aber die Zeit reichte dann doch nicht mehr dazu aus. Zwischendurch hatte ich noch ein wenig Zeit zum fotografieren und nach unserer Rückkehr habe ich dann das Mittagessen zubereitet. Das Kochen ist ein bisschen meine Aufgabe hier geworden. Zwischendurch sind dann Lisa und Ljoscha gekommen - Sergej ist später nachgekommen. Am Nachmittag haben Masha und ich dann ihre beiden Freundinnen am Bahnhof abgeholt und hatten auf dem Rückweg sehr viel Spaß und wir haben viel herumgealbert. Ich habe dann noch ein wenig im Garten geholfen und die schöne Löwenzahnblütenpracht an die Seite geräumt, die Sergej mit der Sense gemäht hat. Extra für mich ist aber eine kleine Ecke der Blütenpracht stehen geblieben. Ich verstehe ja, dass die Pflanzen alle weg müssen, da sie sich sonst noch unbändiger fortpflanzen, aber andererseits geben sie ein herrliches Bild ab. Anschließend habe ich Zeit gefunden, etwas im Tagebuch zu schreiben, musste aber auf den Akku achten, da der Strom ausgefallen ist. Das bedeutet aber gleichzeitig auch, dass kein Wasser fließt, da das Wasser in einem Gefälle aus einem Wasserturm in die Häuser kommt und der Turm mit einer Elektropumpe angefüllt wird... So wollen wir mal schauen, wann das hier alles wieder funktioniert. Kaum, dass ich diesen Satz zu Ende geschrieben habe, ist der Strom auch schon wieder da.

Gegen Abend sind Lisa und Ljoscha dann heimgefahren, Sergej ist geblieben und wir haben zusammen Schaschlik gegessen. Das kann man sich als einen gemütlichen gemeinsamen Abend vorstellen, an dem kleine Fleischspieße gegrillt werden, geklönt wird und man Spaß hat. Zum Schluss war nicht mehr genügend Kohle da und die Jungs sind auf die Idee gekommen, in dem Grill ein Holzfeuer zu entfachen. Das man auf die Kohle nicht einfach einen dicken Holzscheit legen kann, um ihn zu entzünden, war für mich recht klar. Nach einer Weile hat Kolja ihn herausgeworfen und abgelöscht. Der nächste Versuch sollte mit Papierservietten gelingen, die aber nicht genügend Hitze mitbringen, wenn sie verbrennen. Als dann Mashas Mutter mit trockenem Gestrüpp ankam, wurde dies strikt abgelehnt. Ich habe aber unter schweren Protesten und Enttäuschungen dennoch genügend davon in die glühende Kohle geworfen, etwas Kleinholz darauf und dann genügend Luft zugewedelt. Nach einer Minute brannte der Grill lichterloh und die Jungs haben zwei dicke Scheite dazugelegt. Wäre doch gelacht gewesen, wenn ich aus meiner Zeltlagerzeit, den Abenden in La Balmette und der Bundeswehr in der nassen Winterzeit kein Feuer hätte machen können mit dieser schönen Grundlage. Der Abend endete für mich gegen halb zwei, nachdem das Meiste aufgeräumt war.

Zu der gestrigen Wacholderdrossel sei noch gesagt, dass es wohl keine war, sondern eher eine Nachtigall. Wacholderdrosseln sind wohl noch in der Dämmerung aktiv, aber sicherlich nicht die ganze Nacht hindurch. Und an diesem Abend hat ebenfalls eine Vogel durch die ganze Nacht hindurch gesungen und geträllert. 



 

 

Sonntag, 31.05.2009 - Pfingsten (kath.)



Diese Nacht musste ich nicht nach draußen an die frische Luft! Gegen halb zehn bin ich aufgestanden und habe nach einer Tasse Tee und ein bisschen Resteessen mit Ivanka den Abwasch gemacht und dann das Frühstück zubereitet: Zuerst habe ich aus der Hähnchentunke mit den Zwiebelstücken, wo das Grillfleisch drin war, mit Champions irgendetwas Leckeres ohne Namen gezaubert, wir haben Champion-Omeletts gemacht und sonst noch allerlei zubereitet, so dass es ein deftiges Frühstück bzw. Spätstück gab. Nach dem Essen wurde dann das Haus aufgeräumt, ein wenig im Garten gewerkelt und um halb drei haben wir uns auf den Weg zum Bahnhof gemacht. Dort wollten Ivanka, Katja und ich eigentlich ein Eis kaufen, aber dort war der Strom ausgefallen, so dass uns keiner ein Eis verkaufen wollte, da die Truhen geschlossen bleiben mussten. Die Stromversorgung scheint dort ein echtes Problem zu sein - vor allem für die beiden Geschäfte, die darauf angewiesen sind. Am Fahrkartenschalter gab es dann das nächste Problem. Zunächst gab es eine lange Schlange und die Verkäuferin dort arbeitete sehr langsam. Zudem hat sie sich mit den Tickets verzählt. Wir hatten vier Stück geordert und bezahlt und sie hat nur drei herausgerückt und wollte partout kein weiteres drucken. Als dann der nach uns wartende Mann sehr laut geworden ist und andere (ich auch) in das Geschimpfe eingestimmt haben, wurde ihr wohl doch Bange und sie hat ebenfalls mit lautem Geschimpfe die Fahrkarte durch das Fenster geschoben. Und dann sind wir zurück nach Moskau gefahren, wo ich Masha und ich uns dann schnell für das Konzert fertig gemacht haben, für das ich Freikarten ergattert habe bei Vater Michael. Es war im Konservatorium im großen Saal, wo zuerst Rachmaninov und dann das Requiem von Mozart vom Orchester des Konservatoriums gespielt wurde. Und anschließend kam für viele der Höhepunkt der Veranstaltung, nämlich der Auftritt des Männerchors des Klosters aus Sergijew Possad und daraufhin der gemischte Chor. Beide Chöre habe in jedem Fall mit ihrer Stimmgewalt überzeugt - einige zum Gehen und die meisten dagegen zu lautem Applaus. Leider hat es keine Zugabe gegeben, die sicherlich angebracht gewesen wäre. Das Gebäude Konservatorium an sich ist ein sehr interessantes: Die Akustik ist ausgerechnet an den Plätzen am Besten, wo man am wenigsten bezahlt. Dort sind die Plätze allerdings auch sehr unbequem, da es kaum gepolsterte Holzbänke sind, auf denen man sitzt. Der große Konzertsaal an sich ist im groben gesehen ein sehr schönes Gebäude, allerdings konnte man hier verstehen, was deutsche Handwerkerkunst ist im Gegensatz zur Russischen. Vieles war ungenau und unprofessionell gemacht - wie z. B. die alten Holzfenster schlecht gestrichen und auch die Sitzbänke waren schlecht gestrichen. Es gab einige Macken im Holzfußboden, die dann mit einem halbwegs passenden Brett "behoben" worden sind. Diese Mangel rühren von einer schlechten oder gar keiner Ausbildung: Die hohe Ausbildung, eine praktische wie theoretische, kann man an den Universitäten erlangen. Daneben gibt es für diejenigen, die keine solche Reife haben, andere Schulen, wo man so etwas erlernen kann. Allerdings ist deren Niveau sehr niedrig und dementsprechend unbeliebt sind die Schulen in Russland. Deren Absolventen wandern gleich in eine "untere" Klasse in Russlands Gesellschaft.

 

 



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