Tagebuch ohne Fotos zum Drucken



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Montag, 29.06.2009

Den Wecker habe ich mir an diesem Morgen auf acht Uhr gestellt in der Hoffnung noch genug Zeit zu haben bis zur Abfahrt des Zuges um 10:23 Uhr. Bis dahin wollte ich meine restlichen Sachen gepackt und das Zimmer gereinigt haben. So habe ich dort ein letztes Mal gefrühstückt und festgestellt, dass der Wasserkocher wieder ein Leck hat und bald ausgewechselt werden wird. Der Verbrauch von diesen Geräten ist fast schon immens hier wegen der schlechten Wasserqualität. Es sammelt sich schon nach sehr kurzer eine große Menge an Kalk an, der später wohl für die Lecks verantwortlich ist. Beim Frühstück habe ich das Marmeladenglas komplett leer gemacht und das Brot aufgegessen, so dass nichts mehr übrig geblieben ist. Wie immer habe ich meine Sachen abgewaschen und im Zimmer abgetrocknet und habe sie dann aber im Rucksack gut verstaut. Auch die restlichen Sachen habe ich gepackt, dann das Bett abgezogen und ordentlich zurecht gelegt und das Zimmer dann einmal komplett gereinigt. Zum Schluss habe ich die Administratorin geholt und mit ihr die Zimmerabnahme gemacht, wo es keinerlei Beanstandungen gab. Als sie den sauberen Zustand des Zimmers gesehen hat, ist sie gleich wieder herausgegangen und war sehr erstaunt. Nachdem ich alle meine Sachen herausgetragen habe, habe ich die Ostfrieslandflagge abgehängt, noch einmal einen Blick durch das Zimmer geworfen und dann die Türe verschlossen und den Schlüssel in die Hände der Administratorin gegeben. Ich habe mein Namensschild von der Tür genommen und anstelle dessen einen Gruß gehängt an alle diejenigen, die ich nicht mehr getroffen habe. Dann habe ich mich noch von Vitali und zuletzt von Oleg verabschiedet. Damit ist meine Zeit im orthodoxen Wohnheim an der Ilovajskaja Uliza 9 im Zimmer 328 unwiederbringlich vorüber. Etwas wehmütig habe ich mich dann auf den Weg zur Elektritschkastation gemacht - in der einen Hand den Elektrokamin, in der anderen Hand das Kopfkissen und auf dem Rücken den Rucksack. Im Zug habe ich Sachar noch kurz getroffen und mich dann auch von ihm verabschiedet an der Station Textilschschiki, wo er ausgestiegen ist. Ich bin traditionell weiter zum Kursker Bahnhof gefahren. Das waren dann die letzten 13km mit der klapprigen Elektritschka, bei der ich mir nicht verkneifen konnte sie zu fotografieren. Dann ging es ein letztes Mal in die Metro vom Kursker Bahnhof zur Station Paveljezkaja und dort bin ich dann erst in einen Blumenladen gegangen. Ich habe einen kleinen Giraffe für Masha verzieren lassen - diese Abwechslung hat der Floristin so gut gefallen, dass sie selbst richtig in ihrer Arbeit aufgeblüht ist. Sie hat hier und da probiert und nach 20 Minuten war sie dann fertig und hat das Ergebnis allen Kunden und ihren Mitarbeitern im Laden gezeigt. Mit dem in der Hand bin ich auf dem kurzen Weg zu Masha mehrmals angesprochen worden - das schien wirklich außergewöhnlich zu sein. Und den habe ich Masha dann direkt ans Bett gebracht. Viel Zeit hatte ich nun wiederum nicht, denn um Mittag wollte ich mich mit einem Studenten treffen und ihm meine Originalregistrierung übergeben. Der hatte aber zwischendurch schon angefragt, ob das nicht eher möglich wäre. Nach dem Treffen habe ich noch einige Leute in der Uni getroffen und mich von ihnen verabschiedet. Da mein Taschencomputer den Geist aufgegeben hat, habe ich den noch in Reparatur gebracht und habe anschließend gemeinsam mit Masha gefrühstückt. Viel konnte ich irgendwie nicht essen, weil der Magen Beschwerden machte - ich denke, dass das wegen der Abreise war. Nun hatte ich gegen 15 Uhr noch einen Termin mit Vater Alexej, bei dem ich meine Hausarbeit geschrieben habe. Vorher waren Masha und ich noch in der Mensa essen und ich konnte mich noch von allen verabschieden - ich hatte ja bis Ostern jeden Freitag dort abgewaschen und anschließend keine Zeit mehr dafür gefunden und nur noch sehr selten dort gegessen. Zu Punkt 15 Uhr fand dann das Treffen wegen der Hausarbeit statt. Vater Alexej holte noch einen Mann dazu, der vielleicht etwas älter wie ich war um mich mit ihm noch etwas über die Hausarbeit auszufragen. Masha war als Übersetzerin mit dabei, hatte aber nicht viel zu tun - das Meiste konnte ich von alleine beantworten. Die Hausarbeit hatte das Thema "Mt. 16,13-20 - Stolperstein der Kirchen" und einen exegetischen und einen kirchen-(politischen) Teil, über den wir uns in der Hauptsache unterhalten haben. Dabei hat sich herausgestellt, das kann man darüber hinaus auch als ein Resultat ansehen, dass die orthodoxe Kirche derzeit verwundert ist, dass in den neueren dogmatischen Büchern nur noch sehr wenige Seiten dem päpstlichen Primat gewidmet sind, was für die orthodoxe Kirche den Eindruck erweckt, dass sich die katholische Kirche nicht so richtig damit beschäftigen mag. Es wurde sogar leicht die Forderung nach einem Konzil laut. Diese eineinhalb Stunden waren für mich sehr, sehr fruchtbar und noch einmal sehr lehrreich. Letztlich habe ich für die Hausarbeit eine 1,7 erhalten (nach deutschem System), womit ich sehr zufrieden bin. Zum Schluss habe ich noch Vater Konstantin gesucht, dem ich auch den Zeitungsartikel aus dem Kirchenboten in die Hand gedrückt habe. Er wolle auch ein Exemplar an Vater Georgij weitergeben. Nun hätte ich mich eigentlich mit Janka treffen wollen, da ist es aber "zu Verzögerungen im Betriebsablauf" gekommen, so dass Masha und ich erst zu ihr nach Hause gegangen sind. Auch ihr ist aufgefallen, dass fast alle Studenten nachgefragt haben, wann ich im Herbst wiederkommen würde - diese Frage haben sie als Voraussetzung formuliert und überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich nicht mehr wiederkomme. Gegen viertel vor sieben fand dann das Treffen mit Janka statt, zu dem Dmitri zum Schluss noch dazugestoßen ist. Es war ein herzlicher Abschied von beiden. Den Abend habe ich im Kreise von Mashas Familie verbracht, wo wir noch einmal alle zusammen gesessen haben - auch Lisa war mit dabei. Zum Tischgebet sind mir dann ein wenig die Tränen gekommen, so dass ich nicht mehr richtig mitsingen konnte, vor allem als ich den festlich gedeckten Tisch gesehen habe. Wie oft haben wir hier gemeinsam in festlicher Runde gesessen und wunderschöne Abende und Stunden erlebt... Das damit jetzt sehr bald Schluss sein würde, ist mir in dem Moment so richtig bewusst geworden und wieder wusste ich in dem Moment, dass es ein sehr schwerer Abschied wird. Nach dem Treffen haben wir gemeinsam das orthodoxe Reisegebet gesungen und gesprochen und eine Minute in Stille zusammen gesessen. Anschließend hat der Vater uns alle mit dem Kreuz aus Jerusalem gesegnet und damit war dann die Zeit des Abschieds von den Eltern da. Ich habe auf der Straße gewartet, bis ich das Auto nicht mehr sehen konnte. Nach dem Abräumen des Tisches und einigen weiteren Kleinigkeiten haben wir uns dann ins Bett gelegt, da wir morgen gemeinsam ein letztes Mal in die Göttliche Liturgie gehen wollen. Vorher habe ich heimlich eine Karte aus dem Koffer geholt, um sie morgen zu Ende zu schreiben. Es ist mir noch unvorstellbar, dass ich morgen nach Hause fliegen werde. Und ich freue mich bislang nur mäßig auf die Rückreise. Ich will nicht weg.

 

 



Dienstag, 30.06.2009

Der letzte Tag ist angebrochen und noch immer ist mir die Abreise sehr fern. Ich habe die Karte für Masha geschrieben und sind dabei in paar Tränchen gekullert und als ich Masha geweckt habe, das Gleiche. Und als wir in der Kirche waren, bin ich noch einmal ganz zu Anfang in der Kirche in Tränen ausgebrochen, weil die Liturgie noch einmal so wunderschön war. Zu meiner Überraschung haben drei Diakone und mehr als zehn Priester zelebriert, weil heute die Diplomvergabe war. Doch die standen eigenartigerweise alle vor der Kirchentüre und nicht in der Kirche. Das fand ich dann doch eigenartig. So hatte ich noch die Gelegenheit, mich von allen meinen engeren Freunden aus dem Wohnheim zu verabschieden und auch von denen, die mir aus der Uni etwas näher bekannt waren. Das war eine sehr schöne Überraschung. Auch Vater Nicolai habe ich noch kurz gesprochen und mich von ihm verabschiedet. Nach der Liturgie kam ein unauffälliger orthodoxer Bischof in die Kirche, der sein Amt offenbar ähnlich wie Bischof Clemens aus Saratov ausübt. Er lief alleine durch die Kirche, segnete die Leute dort und stellte sich ganz auf eine Ebene mit Vater Vladimir, der zuerst sehr hektisch, dann aber sehr ruhig war. Der Bischof wartete auch draußen alleine geduldig im Hof, bis die Göttliche Liturgie zu Ende war. Ein so ganz anderes Bild von einem orthodoxen Bischof. Nach den letzten Verabschiedungen sind Masha und ich zu ihr gegangen, um die restlichen Sachen zu verpacken, etwas zu frühstücken (auch wenn ich kaum Appetit hatte) und die vorerst letzten gemeinsamen Stunden miteinander zu verbringen. Dabei sind dann allerdings kaum mehr Tränen geflossen, weil ich recht viele Beruhigungs-Globoli genommen habe, die ihre Wirkung nicht verfehlt habe. Die ganze Zeit über haben wir uns irgendwie beschäftigt, um nicht zu mental zu werden, was letztlich eine gute Idee war. Von Masha habe ich eine kleine Plüschmaus bekommen, wie mich von nun an so gut wie möglich begleiten soll und wird. Zwischendurch kam dann der Abschied von Valja, Mashas Bruder und um 13:30 Uhr sind wir dann zum Zug gegangen, nicht ohne vorher nachzufragen, wann der Taschencomputer fertig wird. Tanja hat uns noch begleitet bis zum Bahnsteig und als sich die Türen geschlossen haben, war ich mit Masha nur noch alleine. Ich hatte damit gerechnet, dass ich den ganzen Zug nass weinen werde, aber es ist alles trocken geblieben - auch später am Flughafen. In der Schlange vor der Gepäckausgabe stand noch ein älteres Ehepaar aus Russland, die ein paar Bilder mitnehmen wollten. Sie wurden damit vom Personal zum Zoll verwiesen, bei mir wurde dagegen gefragt, was sich unter der Folie befinden würde. Meine Antwort war: "Ein kleines Bild mit Glasrahmen." Das stimmte zwar nicht ganz, aber ich bin ohne Weiteres damit durchgekommen, wir mussten nur das kleine Bild, das in Wahrheit die große Ikone war, ins Sondergepäck zu einem anderen Ort bringen. Nun hatten wir beiden noch ein paar Minuten für uns und dann musste ich durch die Personenkontrolle und mich damit endgültig von Masha verabschieden. Es war leichter als ich gedacht habe und für mich war es ein glücklicher Abschied mit einer festen Gewissheit. Und nachdem ich durch die Passkontrolle gegangen bin, habe ich Masha fürs erste das letzte Mal gesehen. Das war der einzige sehr schwere Moment. Nach dem Abflug um 16:30 Uhr habe ich den kleinen Ort Jam noch einmal gesehen und auch in Richtung der Datscha von Mashas Eltern geschaut. Der Flug ist mir sehr lange vorgekommen und während dieser Zeit war ich sehr schwermütig. Nach der Landung in Düsseldorf ging es recht flott mit der der Passkontrolle und der Gepäckausgabe. Und der Mann beim Zoll hat nur kurz nachgefragt, was ich dabei habe. Nach einer ehrlichen Antwort hat er mich dann ohne weitere Fragen passieren lassen. Für eine kurze Begrüßung war fast keine Zeit mehr mit Papa, der schon auf mich wartete, da der Zug um 18:29 fahren sollte. Den haben wir auch mitbekommen. In Duisburg hatten wir auch nur ganz wenige Minuten Zeit, um den nächsten Zug zu erreichen und erst nach dem Einstieg konnten wir uns Hallo sagen. Beim Einstiegen fragte die Schaffnerin mich, was ich dabei hätte. Papa antwortete total erfreut und noch mehr stolz, dass ich gerade nach zehn Monaten Aufenthalt von Moskau gekommen wäre und dass da eine Ikone drin sei. Nach einer sehr kurzen Unterhaltung habe ich alles auf einen Punkt gebracht: Es waren die schönsten zehn Monate in meinem bisherigen Leben.

Die Rückreise verging dann recht schnell, zwischen dem Erzählen habe ich dann noch versucht, Masha zu simsen. Doch schon sehr bald war das Guthaben auf dem Handy aufgebraucht und ich musste auf dem deutschen Handy eine SMS tippen, was anfangs noch sehr ungewohnt und ich deshalb sehr langsam war. In Münster haben wir den Zug auch ohne Probleme bekommen, so dass wir um kurz vor zehn schon in Leer am Bahnhof waren, wo Matthias und Mama zu meiner Überraschung schon warteten. Mit Mama bin ich im Auto heimgefahren und konnte viel erzählen. Die Heimfahrt im Auto war an für sich nichts Besonderes für mich, es war als wenn ich eine Woche vorher hier das letzte Mal gefahren wäre und nicht mehr als zehn Monate. Nach der Ankunft habe ich erst kurz mit Masha telefoniert und ihr von der Reise erzählt und dann habe ich noch mit Matthias und meinen Eltern zusammengesessen. Als wir aus dem Auto gestiegen sind, da warteten schon die Nachbarn auf uns und haben mich begrüßt.

 

 

12.) "Ja, da bin ich dann also wieder..."



 

 

Mittwoch, 01.07.2009

Gegen acht Uhr bin ich aufgestanden und nach dem Frühstück habe ich zuerst Wurst gekauft - mein Essenswunsch an Mama. Und im Dorf habe ich unseren "Postminister" kurz begrüßt und auf dem Heimweg unseren katholischen Diakon getroffen, mit dem ich mich noch länger gesprochen habe. Nachdem ich wieder zurück war und anfangen wollte Erbsen zu puhlen, da kamen noch andere Nachbarn kurz vorbei. Und so habe ich den heutigen Tag viel erzählt und viel erzählt bekommen. Und dann habe ich natürlich doch noch sehr viel Heimweh nach Russland zu Masha und ihrer Familie. Der Abschiedsschmerz ist wohl noch nicht überwunden.

Auch wenn ich jetzt zurück bin und es aus Russland nichts mehr zu berichten gibt, so möchte ich zumindest bis zu einer gewissen Zeit das Tagebuch weiterführen und es irgendwann langsam auslaufen lassen. Mir geht es nun darum, die Eindrücke festzuhalten, die sich im Laufe der nächsten Wochen und Monate sammeln. Vieles wird sich jetzt erst festigen müssen und ich werde es jetzt verarbeiten können.

 

 

Freitag, 03.07.2009



Heute habe ich erstmals meine ostfriesischen Freunde wieder getroffen und bin ebenfalls sehr glücklich. Es hat sich doch nichts verändert, außer dass Marco und Mareike geheiratet haben. Auch wenn mir alle bescheinigt haben, dass ich mich nicht verändert habe, so habe ich mich selbst doch verändert gefühlt. Einigen Gesprächsthemen trete ich anscheinend doch zurückhaltender gegenüber oder mir kam das ein wenig fremd vor. Das ist so eine Veränderung, die ich an mir selbst gemerkt habe oder eine Tatsache, an die ich mich vielleicht erst wieder gewöhnen möchte. Ich habe mich in diesem Kreis jedoch wieder sehr wohl gefühlt und bin glücklich von Daniel nach Hause gebracht worden. Auf dieses Treffen habe ich mich sehr lange gefreut und genauso schön ist es geworden.

 

 



Sonntag, 05.07.2009

"Ja, dann bin ich dann also wieder..." - mit diesen Worten habe ich meine katholische Heimatgemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Moormerland-Oldersum begrüßt, als ich nach der Heiligen Messe der Gemeinde eine Marienikone überreicht habe. Ich habe der Gemeinde kurz etwas über die Russisch-orthodoxe erzählt und vor allem erklärt, dass eine Ikone kein Bild ist, sondern im Glauben der orthodoxen Kirchen die Heiligen real präsent sind und man durch die Ikonen das Göttliche sehen kann. Dementsprechend habe ich auch darauf hingewiesen, dass die Christen dort Kerzen anzünden, sie küssen, vor ihnen knien, vor ihnen beten usw. - sie also tief verehren. Mir war es wichtig zu sagen, dass da nicht einfach ein Bild an der Wand hängt. Schon in der Sakristei hat der polnische Vertretungspriester angeboten, die Ikone zu weihen, was er dann auch mit reichlich Weihwasser gemacht hat. Nun hoffe ich, dass sie einen schönen Platz irgendwo in der Kirche findet. Matthias hatte mir Tage vorher schon erzählt, dass Sarah heute mit mir dienen wollte, was wir dann auch so gemacht haben. Nach der Kirche wurde ich dann von der ganzen Gemeinde aufs Herzlichste begrüßt, was mich sehr gefreut hat. Nun weiß ich doch, wo meine katholische Heimatgemeinde in Deutschland ist. So war es auch unheimlich schön, wieder im vertrauten Kreis kommunizieren zu können. Ich habe es in Moskau ja nicht wirklich vermisst, zumal mir die katholische Kirchengemeinde nicht gefallen hat. Aber jetzt in Oldersum habe ich doch wieder gemerkt, wo meine "katholische Heimat" ist. Das scheint mir doch sehr wichtig zu sein. Nach den zahlreichen Gesprächen auf dem Kirchplatz habe ich eine Einladung für einen bekannten Priester mit seiner Haushälterin ausgesprochen, die der auch prompt gefolgt sind. Darüber habe ich mich sehr gefreut und wir haben sehr kritische und interessante Schlusspunkte gezogen. So ist mir während dieser ganzen Zeit in Russland beispielsweise insbesondere aufgefallen - und das noch bevor ich Elena und Masha kennen gelernt habe, dass das katholische Priestertum für mich nicht in Frage kommt, auch wenn ich damit die Hoffnungen meiner Gemeinde so zerstört habe. Ich werde ohne eine Frau das Priesteramt nicht ausführen können, weil ich mich dann nicht vollständig fühle. Mir ist klar geworden, dass Seelsorge, vor allem im familiären Bereich, ohne eigene Erfahrung nur theoretisch möglich ist. Viel wichtiger scheint mir jedoch das Praktische und die Lebens(nahe)Erfahrung zu sein. Und auch ist keiner da, mit dem man vertraut und alleine über den Glauben reden kann, mir als Priester würde es sehr schwer fallen, den Glauben alleine zu leben - und dazu mit einer solchen Überzeugung, dass ich ihn weitertragen könnte. Ich denke, dass der tragende Glaube, den ein Priester benötigt, auch ganz stark in seiner eigenen Familie verortet ist: Man hilft sich gegenseitig. Und letztlich ist eine Matuschka in einer gewissen Form auch in der Seelsorge tätig, da es Dinge gibt, die eine Frau sicherlich besser kann als ein Mann. Vielleicht gibt Gott ja eines Tages, dass ich Diakon werden kann - ein Amt, das ich mit aller Kraft und Liebe meines Glaubens ausfüllen möchte. Stark genug dazu fühle ich mich.

Ein paar Bilder habe ich mit dem ersten Besuch auch noch geschaut und nachdem er (leider) schon um 12 Uhr gefahren ist, war etwas Zeit zum Mittagessen da und um Masha ein paar SMS zu schreiben. Matthias hatte angekündigt, dass eine Familie aus seiner Nachbarschaft bei uns Johannisbeeren pflücken möchte, die dann gegen halb drei vorbei kommen wollte. Auch mit ihnen habe ich noch zusammen gesessen bis dann etwa eine Stunde später wieder Besuch aus der Kirchengemeinde eintrudelte: Ein Russlanddeutsches Ehepaar, die nunmehr seit fünfzehn Jahren in Deutschland leben. Sie waren während des ganzen Studienaufenthaltes sehr interessiert und müssen meinen Eltern Löcher in den Bauch gefragt haben, wie es mir dort ginge. Und schon nach der Heiligen Messe am Vormittag wurde ich von ihnen angesprochen und meine Mutter hat sie dann nach Hause eingeladen. Beim Tee trinken und anschließendem Kuchen essen habe ich viel erzählt und viele Bilder gezeigt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die beiden in der Nachbarstadt von Saratov geboren sind - genau dort, wo ich den Bischof Clemens besucht habe. Letztlich wurden beide umgesiedelt im zweiten Weltkrieg. Es war für mich sehr spannend, von den beiden selbst erzählt zu bekommen, unter welchen Verhältnissen sie gelebt haben und ihnen auf ihre Fragen zu antworten. Und so konnte ich endlich wieder Russisch sprechen - ich will meine Kenntnisse schon versuchen zu pflegen. Doch vom Vorsatz bis zum Umsatz ist ja bekanntlich ein langer Weg.

So habe ich heute einen anstrengenden Tag erlebt, der aber wunderschön war. Und wie gerne hätte ich diesen schönen Tag mit Masha geteilt. Ich kann es kaum abwarten, bis ich ihr dies alles einmal zeigen kann. Ja - ich bin dann also wieder da...

Samstag, 11.07.2009

In den letzten Tagen habe ich so nach und nach meine Sachen zusammen gesucht und einen halben Vormittag auf dem Dachboden verbracht und Bücher sortiert und überlegt, was ich zukünftig noch gebrauchen könnte. So ist jetzt zum Beispiel ein ganzer Haufen Bücher auf dem Dachboden geblieben - vor allem Philosophie oder Bücher, die ich für Hausarbeitszwecke angeschafft habe. Heute bin ich dann also mit Matthias und einem Fahrschulwagen nach Münster umgezogen und mein Eindruck, dass meiner Mutter der Abschied schon wieder recht schwer gefallen ist - obwohl ich doch jetzt gar nicht so weit weg bin.

In meinem Zimmer in Münster gibt es nach meinem Studium andere Akzentuierungen: Die Buchauswahl besteht jetzt hauptsächlich aus Themen, die die orthodoxen Kirchen und deren Dialog mit der katholischen Kirche betreffen. Schwerpunkt ist dabei natürlich die Russisch-orthodoxe Kirche. Nur noch wenige Bücher aus meiner Zeit vor Moskau sind geblieben - nur noch die, die ich sicherlich in den letzten Semestern benötigen werde. Jetzt hat sich aber auch eine religiöse Ecke entwickelt - eine Art Herrgottswinkel, wie ihn Professor Müller einmal nannte. Aber es ist kein typischer: Zum einen stehen da die ersten Ikonen, die ich geschenkt bekommen habe von Vater Vladimir und Vater Mark, beides in Russland tätige Priester, die zum Weltjugendtreffen in Oldersum zu Gast waren. In der Mitte der Ikonen hängt das große "Müllkreuz", das ich vor zwei Jahren im Müll bei der Arbeit bei der Müllabfuhr gefunden habe. Es zeichnet sich dadurch aus, dass der Jesus keine Arme hat. Und drum zu stehen nun die ersten Ikonen, die ich aus Russland mitgebracht habe oder mitgebracht worden sind von Matthias und Papa. Links daneben - halb über dem Bett - hängt nun das Bild mit dem betenden Mönch, das ich von Masha zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Einen Fernseher habe ich bewusst auch nicht mehr mitgenommen, da er mich erfahrungsgemäß nur vom Lernen ablenken würde. Hoffentlich tut es das Internet nicht auch. Nun bin ich also wieder in Münster angekommen - in meiner alten Wohnung.

 

 



Sonntag, 12.07.2009

Nun war ich am Morgen gegen 8:30 Uhr in der Heiligen Messe in der katholischen Kirche (vielleicht sollte ich das jetzt öfters ausschreiben, damit man weiß, welche Kirche genau gemeint ist) St. Joseph in Kinderhaus. Ich war angenehm überrascht, wie die Heilige Messe gefeiert wurde. In der Gemeinde wird gut gesungen und auch der Priester hat die Messe würdig und gut zelebriert - ohne jegliche Hektik und Eile. Ein anderer Priester hat gepredigt und dies zu einem sehr empfindlichen Thema: Der Grundstock war das Evangelium von der Aussendung der Jünger und dies hat er in Verbindung gebracht mit der Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit - Kirche werden geschlossen, es gibt zu wenig Priester und Gläubige, zu wenig Bekennende und letztlich ging es auch darum, dass Gemeinden zusammengelegt werden müssen. Und es scheint doch so zu sein, dass die katholische Kirche Lösungsansätze für ihre Probleme in der orthodoxen Kirche finden könnte.

In der sehr alten Kirche (von 1449) hat mir aber etwas gefehlt: Sitzt man in den Bänken mit Blick direkt zum Altar, dann sieht man ein sehr eigenartiges über dem Altar hängendes Kreuz und rechts irgendwo die schmerzhafte Maria mit Jesus auf dem Arm. Und mehr eigentlich nicht - nicht einmal der gekreuzigte Jesus - nur eben als Andeutung. Man muss schon sehr genau hinschauen um zu wissen, in was für einer Kirche man sich befindet. Wie anders ist es doch in einer orthodoxen Kirche... (obwohl ich weiß, dass es in Bayern auch sehr prächtige Gotteshäuser gibt) Ich für mich habe aber festgestellt, dass ich durchaus noch einmal zur Heiligen Messe hingehen werde. 

 

 



Donnerstag, 16.07.2009

Nun ist heute der erste Besuch aus Russland eingetroffen - eine Dozentin der Hl. Tichon-Universität aus Moskau. Sie führt derzeit Forschungen durch über romanische Kirchen in Deutschland und ist bis Samstag in Münster.  Für sie war der Dom in Münster von großem Interesse. Sie hatte mich durch Gisela in Moskau gefragt, ob ich nicht ein Quartier hier wüsste. So konnte ich wieder ein wenig russisch sprechen es ist mir eigentlich noch leicht von der Zunge gegangen. Hoffentlich bleibt es auch so. Vielleicht habe ich ja bei der Müllabfuhr hin und wieder Chance, mit einem der Russen unterwegs zu sein.

 

 

Montag, 20.07.2009 - Donnerstag, 23.07.2009



Heute kam dann schon der nächste Besuch aus Russland bei mir an - Alexej, der seit April in Berlin studiert und hier in Münster ebenfalls Forschungen bei der KSHG betreibt. Ich hatte ihm ja einige Kontakte vermittelt, bevor er nach Berlin abgereist ist. Es hat sich herausgestellt, dass ihm diese viel gebracht haben. Er kennt die KSHG beinahe besser als ich selbst und hat in diese Richtung sehr viele Kontakte knüpfen können. Ich war immer wieder erstaunt, wen er alles in Münster kennt - selbst bei den Stadtwerken kennt er einen Busfahrer. Am Mittwochabend hatte ich die Gelegenheit ihm das SefüLa (Seminar für Laientheologen) vorzustellen und so konnte er an einer Sitzung des Mitarbeiterkreises teilnehmen. Auch dies stieß bei ihm auf großes Interesse.

Schade während dieser Zeit war nur, dass ich morgens immer früh wegen dem Ferienjob aufstehen musste und abends kaum Zeit für ihn hatte. Dennoch haben wir eine gute und schöne Zeit miteinander verbringen können. Und so war ich sehr traurig, als er dann am Donnerstag wieder per Mitfahrgelegenheit nach Berlin abgereist ist. Einprägsam - bis heute - war jedoch eine Frage von ihm: Wie kann man ein solches Projekt angehen, von denen er nun so viele gesehen hat? Was ist die Initialzündung. Mehr als die Antwort konnte ich ihm (aus eigener Erfahrung) auch nicht geben: Es bedarf einer Person, die polarisieren kann, die motiviert und engagiert ist, die viele Ideen hat, die sich nicht entmutigen lässt - einfach jemand der am Ball bleibt und der eine Idee hat.

 

 


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