Theorien und modelle der verkehrsmittelwahl


Disaggregierte verhaltensorientierte Modelle



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3.4Disaggregierte verhaltensorientierte Modelle


Die genannten Unzulänglichkeiten der traditionellen, aggregierten Modelle führten vor allem in Großbritannien und in den USA zur Entwicklung der disaggregierten verhaltensorientierten Modelle (vgl. KREIBICH 1981, S. 212). Ein bedeutsamer, auslösender Faktor war die Wichtig­keit der Abschätzung der Wirkungen von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen. Disaggregierte ver­haltensorientierte Modelle wurden zu dem Zweck entworfen, „die Effekte einzelner vor allem ‘kleinteiliger’ Maßnahmen auf das Nutzerverhalten vorherzusagen und damit auch eine Ent­scheidungsgrundlage für oder gegen einzelne Maßnahmen zu liefern.“ (VERRON 1986, S. 104) Die hier behandelten Ansätze gehen zurück bis an den Anfang der 60er Jahre, „wobei zunächst durchwegs das Problem der Verkehrsmittelwahl für Arbeitsfahrten im Vordergrund stand.“ (HAUTZINGER 1978, S. 28) Seit Beginn der 70er Jahre wurden sie zunehmend auch in anderen Bereichen der Verkehrswissenschaft berücksichtigt. „Erst in einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung wurden diese Ansätze (Hervorhebung im Original, d. Verf.) auf andere Teil­fragestellungen wie die Verkehrswegewahl, Zielortwahl und benachbarte Entscheidungen wie PKW-Kauf etc. angewandt.“ (HENSHER/STOPHER; zitiert nach HELD 1980, S. 58) In Kurz­form lassen sich diese Ansätze wie folgt umschreiben (in Anlehnung an HELD 1980, S. 58ff.; KUNERT 1992, S. 111f.; VERRON 1986, S. 103f.): Bei den disaggregierten verhaltensorien­tierten Modellen ist die Untersuchungseinheit das Individuum, und das Verkehrsverhalten rückt anstelle der Verkehrszellen in den Mittelpunkt. Im Gegensatz zu den aggregierten Modellen wird hier auf die unterste relevante Entscheidungseinheit abgestellt, die Träger des Verkehrsver­halten sind. Dies hat zur Folge, daß die zwingende Aggregierung durch eine Aggregation von Individuen, die durch gemeinsame Ausprägungen eines oder mehrerer ihrer soziodemo­graphischer Merkmale bestimmt sind, erfolgt. Das Verkehrsverhalten wird aus sozioökono­mischen Merkmalen der Individuen und aus objektiven meßbaren Eigenschaften abgeleitet.
Zur Erklärung der Verkehrsmittelwahl werden neben Strukturdaten und sozioökonomischen Merkmalen (z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen, Pkw-Besitz) hauptsächlich die Attribute Zeit und Kosten der Verkehrsmittelalternativen herangezogen (vgl. HELD 1980, S. 71). Zeit wird teilweise noch in Gesamtzeit und in „Excess-Time“ (enthält Elemente wie Warte-, Fußwege­zeiten, etc.) unterschieden. Dabei wird der Entscheidungsträger als Nutzenmaximierer verstan­den. Er wählt aus einer bestimmten Anzahl an Entscheidungsalternativen diejenige aus, die für ihn den höchsten Nutzen erbringt (vgl. KUNERT 1992, S. 111). Kritik an diesen Modell­ansätzen wird vornehmlich durch drei Punkte angeführt:

  • die disaggregierten Modelle beschränken sich bei den verhaltensbeeinflussenden Merkmalen des Verkehrsmittelangebotes auf die leicht meßbaren Merkmale Zeit und Kosten; andere „nicht quantifizierbare“ subjektive Attribute wie z. B. Komfort, Bequemlichkeit und Sicher­heit bleiben unberücksichtigt („subjektiver Rest“),

  • die Auswahl der sozioökonomischen Charakteristika des Individuums (z. B. Alter, Ge­schlecht, Einkommen) erfolgt in der praktischen Anwendung der Modelle zufällig (HELD 1980, S. 70) und

  • disaggregierte verhaltensorientierte Modelle „haben zwar gute Vorhersageeigenschaften ..., eine Erklärung des Verhaltens liefern sie jedoch zunächst nicht“ (VERRON 1986, S. 105); diesen Ansätzen liegt eine Verhaltenstheorie zugrunde, die ökonomische Nutzentheorie, sie wurde aber im nachhinein hinzugefügt, um eine theoretische Grundlage zu bekommen.

Bleibt noch die Frage zu klären, welche Hinweise diese Ansätze im Hinblick auf die Herausar­beitung der Einflußgrößen auf das Verkehrsmittelwahlverhalten liefern können. Alle hier ver­wendeten Einflußgrößen (Zeit, Kosten, Einkommen, Alter, Geschlecht, Pkw-Besitz) sind bereits in den aggregierten Modellen enthalten. Interessant an diesen Modellen ist insbesondere die Tatsache, daß ihnen eine Verhaltenstheorie zugrunde liegt. Das Individuum und sein Verhalten rückt anstelle der Verkehrszellen bei den aggregierten Modellen als Untersuchungs­einheit in den Mittelpunkt.

3.5Raum-Zeit-Modelle


Im Gegensatz zu den vorherigen Ansätzen sind die Raum-Zeit-Modelle nicht vorrangig auf die Erklärung der Verkehrsmittelwahl ausgerichtet, sondern sie untersuchen den Zusammenhang zwischen den sogenannten primären Aktivitäten und den Verkehrsaktivitäten. Dennoch wird auf diese Ansätze eingegangen, da Folgerungen bezüglich der Verkehrsmittelwahl abgeleitet werden können. Der erste Grundgedanke der Raum-Zeit-Modelle ist die Vorstellung von Verkehr als abgeleiteten Bedarf, der sich aus der räumlichen Trennung der primären menschlichen Tätigkeiten (Arbeiten, Wohnen, Schlafen, Erholen, etc.) ergibt (vgl. HELD 1980, S. 94f.). Der zweite Grundgedanke ist, daß das Bedürfnis zur Teilnahme an verschiedenen Aktivitäten durch die Situation einer Person mitbestimmt wird und die Mobilitätsdurchführung durch das Sachsystem teils möglich und teils eingeschränkt wird (vgl. KUNERT 1992, S. 113). Als Begründer dieses Ansatzes kann HÄGERSTRAND bezeichnet werden, „der Verhaltensaspekte von Personen in ein dreidimensionales Raum-Zeit-Konzept stellte.“ (KUNERT 1992, S. 113) Wie bereits erwähnt, geht HÄGERSTRAND von einer Verknüpfung von räumlichen und zeitlichen Verhaltensaspekten aus. „Aufgrund der Unteilbarkeit des Individuums sind seine Tätigkeitsstrukturen insofern determiniert, als es sich zu einem bestimmten Zeitpunkt nur an einem Ort aufhalten kann und jede Ortsveränderung mit einem Zeitaufwand verbunden ist. Die mit der Distanzüberwindung verbrauchte Zeit steht somit für andere Aktivitäten nicht zur Verfügung. Damit ergibt sich die für jedes Individuum notwendige Aufgabe, die täglichen Aktivitäten in eine raum-zeitliche Ordnung zu bringen.“ (KREIBICH et al. 1989, S. 55) Das zu betrachtende Zeitsegment kann entsprechend dem Analyseziel gewählt werden und somit einen „Lebenspfad“, „Wochenpfad“ oder „Tagespfad“ umfassen (vgl. KUNERT 1992, S. 113). In der folgenden Abbildung wird beispielhaft ein 24-stündiger Raum-Zeit-Pfad vorgestellt.

A
bbildung 4: 24-stündiger Raum-Zeit-Pfad

Quelle: KREIBICH et al. 1989, S. 55

Im Vordergrund dieses Ansatzes steht nicht das tatsächliche Verhalten der Verkehrsteilnehmer, sondern die Analyse der Möglichkeiten zur Ortsveränderung in quantitativer Form. Damit ist dieser Ansatz ausschließlich auf die Eingrenzungen des Handlungsspielraumes ausgerichtet. HÄGERSTRAND unterscheidet die drei Restriktionsarten „capability“, „coupling“ und „autho­rity constraints“.14 Handlungsspielräume der Individuen sind nur innerhalb dieser Restriktionen vorhanden. „Bei der Anwendung, die üblicherweise auf Individuen und deren Möglichkeiten unter den gegebenen Bedingungen begrenzt ist, sind nun die Verkehrsmittel von Bedeutung. Es wird in Simulation mit realem Hintergrund ... die Zugänglichkeit zu ‘Gelegenheiten’ für einen fest vorgegebenen Zeitraum zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln vergleichend erfaßt.“ (HELD 1980, S. 96f.) Individuen mit ähnlichen Restriktionen werden zu Situationsgruppen zu­sammengefaßt, wobei deren Mitglieder ähnlichen externen und internen Entscheidungsfaktoren ausgesetzt sind. Dies wird notwendig, da nach HÄGERSTRAND (1970, S. 9) erst durch die Kenntnis individueller Aktivitätsmuster generelle Aussagen über aggregierte Regelmäßigkeiten gemacht werden können. Dabei bleibt bei der Aggregierung das Individuum als Handlungsein­heit erhalten (vgl. UBA 1984, S. 23; in Anlehnung an KASPER 1996, S. 20).


Die Bedeutsamkeit dieses Ansatzes für die Verkehrsmittelwahl ist zum ersten darin zu sehen, daß raum-zeitliche Handlungsspielräume auch durch das Verkehrsangebot und die Geschwin­digkeit der Verkehrsmittel beeinflußt werden. Und zum zweiten darin, daß auch die Umorgani­sation von Aktivitäten neue Freiheiten oder Restriktionen bei der Verkehrsmittelwahl möglich macht (vgl. KREIBICH 1981, S. 227). „... wenn die Zeit, der Ort etc. eindeutig vorgegeben sind, können evtl. bestimmte Verkehrsmittelalternativen nicht zur Verfügung stehen, bei freier Zeit­wahl kann man dagegen jetzt ausschließlich mit Verkehrsmittel A und später mit A oder B fahren.“ (HELD 1980, S. 98) Bezüglich der Herausarbeitung der Einflußgrößen auf die Ver­kehrsmittelwahl bleibt festzuhalten, daß bei den Raum-Zeit-Modellen nicht die Determinanten der Verkehrsmittelwahl an sich untersucht werden, sondern vielmehr die Verkehrsmittel in Bezug auf die Anzahl möglicher Gelegenheiten und Erreichung von Zielorten primärer mensch­licher Aktivitäten. Dennoch ist es unter Bezugnahme auf die angesprochenen Restriktionsarten möglich, Einflüsse herauszuarbeiten (in Anlehnung an HELD 1980, S. 97f.; KUNERT 1992, S. 113f.; KREIBICH 1981, S. 215 ff.; KREIBICH et al. 1989, S. 57f.):

  • die Flexibilität der Verkehrsmittel ist eine bedeutsame Dimension der Verkehrsmittelwahl,

  • Restriktionen distanzieller Erreichbarkeit („capability constraints“), z. B. technische Reichweitenbegrenzung durch unterschiedliche Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln (z. B. Pkw-Besitz),

  • Restriktion zeitlicher Erreichbarkeit („coupling constraints“), z. B. müssen Personen zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten mit anderen Personen oder Objekten zusammen­kommen (z. B. Arbeitsstätten, Versorgungs- und Bildungseinrichtungen, etc.) und

  • Restriktionen sozialer Erreichbarkeit („authority constraints“), z. B. werden Personen durch institutionelle und räumliche Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Zeiten von bestimmten Orten ausgeschlossen.

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