Theorien und modelle der verkehrsmittelwahl


Fazit und Konkretisierung der Ausgangshypothese



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3.8Fazit und Konkretisierung der Ausgangshypothese


Individuelles Verkehrsmittelwahlverhalten wird, wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt und in Tabelle 4 (s. S. 41) zusammenfassend dargestellt, von einer Vielzahl von Deter­minanten bestimmt. Zum einen handelt es sich um objektive Faktoren, welche die möglichen Verhaltensspielräume des Individuums bestimmen (z. B. Führerscheinbesitz als Voraussetzung für die Teilnahme am MIV). Zum anderen um subjektive Faktoren, die letztlich zur Auswahl eines konkreten Verhaltens aus der meist größeren Menge von Verhaltensalternativen führt. Mobilität und damit Verkehrsmittelwahl ist nicht nur von objektiven Gegebenheiten abhängig, sondern z. B. auch von bestimmten Bedürfnissen, Motiven, Werten, Einstellungen, Präferenzen, Gewohnheiten und Lebensstilen. Schematisch lassen sich die Erkenntnisse der Auseinander­setzung mit dem Forschungsfeld Verkehrsmittelwahl folgendermaßen zusammenfassen. Es wird dabei von einer Gruppierung der Determinanten in die Bereiche (1.) „personenbezogene Deter­minanten“, (2.) „objektive Handlungsmöglichkeiten“, (3.) „subjektive Wahrnehmung der Hand­lungsmöglichkeiten“, (4.) „Einstellungen und Motive“ und (5.) „zurückliegendes Verhalten“ ausgegangen.

Abbildung 6: Determinanten der Verkehrsmittelwahl

Q
uelle: eigene Darstellung; in Anlehnung an IVT Heilbronn, in: BARTH et al. 1996, S. 23

Die objektiven Einflußgrößen, welche die individuellen Verhaltensspielräume bei der Verkehrs­teilnahme determinieren (z. B. Berufstätigkeit, Alter, Geschlecht, Pkw- und Führerscheinbesitz, Siedlungsstruktur, ÖV-Angebot usw.), sind vor allem durch die verschiedenen KONTIV-Erhe­bungen, aber auch durch eine Vielzahl weiterer Datenquellen bekannt. Einschränkend muß wiederholt werden, daß über Jugendliche keine differenzierte bundesweite Datenbasis (d. h. Untersuchungen, die verschiedene Altersklassen bei Jugendlichen untersuchen) vorhanden ist. Darüber hinaus gibt es große Defizite im Bereich der Erforschung derjenigen subjektiven Einflußfaktoren von Individuen, die letztlich für die konkrete Auswahl des Verkehrsmittels aus einer bestimmten Menge von Alternativen verantwortlich sind. „Die Verkehrsverhaltensfor­schung hat sich bislang zu wenig bemüht, die Erkenntnisse von Nachbardisziplinen, wie z.B. Soziologie, Psychologie, Sozialpsychologie oder auch die Zeitbudgetforschung zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens heranzuziehen.“ (HAUTZINGER et al. 1994 , S. 117) In dieser Arbeit wird versucht, dieser Feststellung bezüglich jugendlicher Verhaltensweisen zu begegnen. Mit Hilfe der herausgearbeiteten Einflußfaktoren der Verkehrsmittelwahl wird zugleich die Grundlage für die Operationalisierung der folgenden Hypothesen für die empirische Unter­suchung geschaffen. Die durchgeführte Arbeit dient sowohl dazu, die Hypothesen zu überprüfen, die Verkehrsmittelnutzung im Hinblick auf verschiedene Wegezwecke zu erkunden sowie einer Darstellung von Teilaspekten des Mobilitätsverhaltens von Jugendlichen in Dortmund. Bevor die grundlegende Annahme der Arbeit konkretisiert wird, wird sie noch einmal angeführt:

„Die Annahme ist, daß die Einstellungen und Verhaltensdispositionen Erwachsener im Kindes- und Jugendalter geformt und geprägt werden, auch die Einstellungen zum Verkehr und zu den Verkehrsmitteln sowie das spätere Verkehrsverhalten nach Erwerb eines Führerscheins.“ (FLADE 1994, S. 185)

Hypothese 1:

Umweltverträgliche Verhaltensweisen wie Bus- und Bahnfahren werden nur dann im Erwach­senenalter weiter praktiziert, wenn sie in der Kindheit und Jugend mit angenehmen Erfahrungen verbunden sind. Erfahrungen, die in diesem Alter gemacht werden, sind sehr wahrscheinlich für die Art und Weise der späteren Verkehrsteilnahme prägend (vgl. FLADE et al. 1991, S. 5). Die Verhaltensweisen, die aus der Lebenssituation von Jugendlichen resultieren, müssen transparent gemacht werden. Dazu kann auf die klassischen Analyseinstrumente der empirischen Verkehrsforschung zurückgegriffen werden, die sich schwerpunktmäßig mit den objektiven Einflußgrößen des Verkehrsmittelwahlverhaltens beschäftigen. Diese klassische Analyse muß, wie insbesondere durch die Darstellung der Ansätze psychologischer Forschung gezeigt wurde, ergänzend die subjektiven Einflußgrößen berücksichtigen (vgl. ILS 1997, S. 3). Speziell im Bereich Verkehrsmittelwahlverhalten von Jugendlichen ist ein starker Einfluß von z. B. verkehrsmittelbezogenen Präferenzen, Motiven, Einstellungen und Bedürfnissen zu erwarten.



Hypothese 2:

Ob und inwieweit die subjektiven Einflußgrößen durch verkehrsplanerische Maßnahmen verän­derbar sind, ist nur schwer zu beurteilen. Gegen verkehrserzeugend wirkende globale gesell­schaftliche Tendenzen, wie z. B. die zunehmende Erlebnisorientierung und Individualisierung dürften verkehrsplanerisch motivierte Strategien wohl kaum etwas ausrichten. Es erscheint dagegen vorstellbar, daß z. B. durch themenbezogene Information, Öffentlichkeitsarbeit, Erzie­hung und Werbung für einen bewußteren Umgang mit den Verkehrsmitteln die Jugendlichen zum Nachdenken über eigene Verhaltensweisen angeregt werden. Hiermit können ihnen Entscheidungshilfen für die persönliche Verkehrsmittelwahl, auch über das 18. Lebensjahr hinaus, angeboten werden (vgl. HAUTZINGER 1994 et al., S. XV).



Hypothese 3:

Durch eine Verbesserung des Verkehrssystems und damit dem Angebot an Öffentlichen Verkehrsmitteln, dem eigentlichen Handlungsfeld der Verkehrsplanung, läßt sich nur eine begrenzte Verlagerung zwischen den motorisierten Verkehrsmitteln und dem ÖV erreichen. Wichtig ist hierbei, daß mit entsprechenden jugendspezifischen Angeboten die Jugendlichen über die Nutzung von Öffentlichen Verkehrsmitteln an den ÖV über das 18. Lebensjahr hinaus gebunden werden können. Auf eine Verlagerung kommt es bei Jugendlichen nicht so stark wie bei Erwachsenen an, da Jugendliche bereits in großem Umfang ÖV-Nutzer sind. In Anlehnung an die Terminologie des vorgestellten „Schwellenkonzeptes“ kann festgehalten werden, daß die objektiven Handlungsspielräume (hier: das Verkehrsangebot) subjektiv positiv wahrgenommen werden muß, die „Wahrnehmungsschwelle“ der Jugendlichen durchbrochen werden muß. Nur über die Kenntnis der entscheidenden subjektiven Einflußgrößen der Verkehrsmittelwahl können entsprechende jugendspezifische Angebote im Öffentlichen Verkehr entwickelt werden. Da das „Unterwegssein“ in der Lebensgestaltung von Jugendlichen eine zentrale Rolle spielt, selbstbestimmt mit Gleichaltrigen in Kontakt treten für den Ablösungsprozeß von den Eltern und die Ausgestaltung der eigenen Identität wichtig ist und zum zentralen Bedürfnis wird (vgl. ILS 1997, S. 3f.), wird vermutet, daß insbesondere die „extra motives“ bei Jugendlichen eine bedeutende Stellung einnehmen.



Hypothese 4:

Da, wie bereits ausgeführt, Jugendliche in ihrer Verkehrsmittelwahl noch nicht so stark von erlernten Gewohnheiten beeinflußt werden, variiert ihre Verkehrsmittelwahl stark von Wege­zweck zu Wegezweck. Sie werden ihre Verkehrsmittelwahl flexibel gestalten.


Die theoretische Grundlage für die Hypothesen 2 und 3 wird im anschließenden Kapitel „Planerische Strategien zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl“ gelegt. Hieran anschließend werden diese Hypothesen konkretisiert, um für den empirischen Teil der Arbeit weitere kon­krete Ansatzpunkte zu bekommen.

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