V. Session Sitzung am 30. November 1977



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Zu den Fakten: Am 15. September 1977 erklärte Innenminister Lanc nach einem Sicherheitsgespräch mit allen im Parlament vertretenen Parteien in einer Pressekonferenz, wir sind seit Jahren gegen den Terror bestens gerüstet. Einen Tag nach den Vorfällen in Mogadischu hat der Pressesprecher des Innenministeriums, Dr. Drössler, gesagt, Österreich hat eine hervorragende Terrorbekämpfungsgruppe, der im Ernstfall 500 bestens ausgebildete und ausgerüstete Gendarmen zur Verfügung stehen. Tags darauf bestätigte dies auch der Bundesminister für Inneres, und um dem Ganzen noch mehr Gewicht zu geben, hat tags darauf auch der Bundeskanzler erklärt, wir sind wohl gerüstet, wir haben eine starke Einheit, die Terroristen haben in Österreich keine Chance. Die Wochenpresse vom 2. November 1977 brachte diese Versionen zum Platzen. Cobra, meine Damen und Herren, entpuppte sich als ein Häufchen kaum trainierter, normal ausgebildeter und völlig unzulänglich ausgerüsteter Gendarmen und alle offiziellen Angaben in dieser Richtung waren mehr oder weniger frei erfunden. Wenn Sie vielleicht Zweifel daran hegen und sagen, das könnte ja auch eine Fehlinformation in der Zeitung gewesen sein, so darf ich Ihnen sagen, daß in der Sendung „Zeit im Bild“ vom 26. November der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Dr. Danzinger, bestätigt hat, daß es sich hier nicht um eine Truppe von 500 Mann, sondern um eine kleine Einheit von 44 Mann handelt. Und er hat in diesem Zusammenhang auch die öffentliche Forderung nach besserer Ausrüstung und nach besserer Ausbildung dieser Truppe erhoben. Das, was vorher von höchstverantwortlichen Stellen dieses Landes gesagt wurde, ist einfach in nichts zusammengebrochen.

Meine Damen und Herren, heute abend gibt es die „Staatsoperette“ im Fernsehen und damit wird mit staatlicher Förderung zugelassen, daß die Geschichte unseres Landes verzerrt, lächerlich gemacht wird. Ich warne davor, daß hier die Versäumnisse in der Sicherheitspolitik eine aktuelle „Staatsoperette“ inszenieren und aus der Sicht des Auslandes und wenn Sie wollen auch aus der Sicht der internationalen Terrorszene Österreich als Operettenstaat empfunden werden könnte, als ein Staat, in dem man sich mit den geistigen Ursprüngen des Terrorismus nicht einmal beschäftigt, in dem man die schriftstellerischen Kampfansagen an unsere demokratische Ordnung unterschätzt, in dem man jenes Blatt, in dem solches veröffentlicht wird, auch noch mit staatlichen Geldern namhaft unterstützt und in dem der Chefredakteur dieses Blattes ungehindert als Präsident der Journalistengewerkschaft wirken kann. Ein Land, meine Damen und Herren, in dem der Justizminister die Gefängnisstrafen abschaffen will und ein Land, in dem der Innenminister Terroristen am Flughafen mit Handschlag verabschiedet. Ein Land, in dem der Regierungschef erklärt, alles getan zu haben, und 14 Tage später vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit öffentlich korrigiert wird. Kein Wunder, meine Damen und Herren, wenn sich der Österreicher immer unsicherer fühlt. Nach sieben Jahren sozialistischer Regierung kann man daher sagen, Österreich ist nicht nur teurer und verschuldeter geworden, Österreich ist auch unsicherer geworden, meine Damen und Herren.

Vorbeugen ist aber auch auf diesem Gebiet zweifellos besser als Heilen. Ich darf daher in diesem Zusammenhang und im Zusammenhang mit dem Sicherheitsbedürfnis der niederösterreichischen Bevölkerung folgenden Resolutionsantrag stellen:

Resolutionsantrag

des Abg. Zimper zur Gruppe 1 des Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1978, Landtagszahl 450.

„Die Landesregierung wird ersucht, bei der Bundesregierung, insbesondere beim Bundesministerium für Inneres dahingehend zu wirken, daß

1. das seit rund zwei Jahren bestehende Forderungsprogramm des Landeggendarmeriekommandos für Niederösterreich verwirklicht wird, wonach der Personalstand der Gendarmerie in Niederösterreich um 250 Bedienstete erhöht werden muß, um den Anforderungen gerecht werden zu können,

2. alle Patrouillenfahrzeuge der Gendarmerie in Niederösterreich in einem angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitraum mit Funkgeräten ausgestattet werden,

3. das vom Gendarmeriezentralkommando beim Bundesministerium für Inneres im Einvernehmen mit den Sicherheitsdirektoren und den Landesgendarmeriekommandanten ausgearbeitete Konzept zur Änderung des Journaldienstsystems verwirklicht wird und

4. alle die öffentliche Sicherheit gewährleistenden Maßnahmen getroffen werden, insbesondere solche, die der möglichen Verhinderung von Terroranschlägen sowie der Ausforschung und Festnahme der Täter dienen.“

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, im Lichte der Ausführungen, die bewiesen haben, daß gerade auf dem Sicherheitssektor sehr viele Versäumnisse in diesem Land gemacht wurden, doch wenigstens in Hinkunft die Situation zum Besseren zu führen und diesem meinem Antrag im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)
PRÄSIDENT Dipl.-Ing. ROBL: Zum Worte gelangt der Abg. Dr. Brezovszky.
Abg. Dr. BREZOVSZKY: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Grundsätzlich lehne ich es ab, mich mit einem Menschen auseinanderzusetzen, der in der Vergangenheit bewiesen hat, (Abg. Blochberger: Sie treffen eine Qualifikation! Das sind Menschenrechte!) wie er in schwierigen Situationen zur Menschlichkeit gestanden ist, (Abg. Leichtfried: Das macht gar nichts! Hört es Euch nur an!) als es um die Sicherheit von Flüchtlingen gegangen ist, und der als Journalist aus Kairo berichtet hat, wo sich dieses Flüchtlingslager an der Autobahn befindet. (Abg. Rozum: Das ist das letzte!)

Nun zur Frage der Sicherheit. Wir alle wissen, daß diese Frage der Sicherheit ein weltweites Problem ist und wir wissen, daß diese Frage mangels politischer Erfolge der Österreichischen Volkspartei dazu verwendet wird, um in demagogischer Form unsere Menschen zu verunsichern. Nachdem heute auf der Ebene des Parlamentes diese Frage zur Diskussion gestellt wurde, soll das auch in die Landtage getragen werden, obwohl die Verantwortung für die Gendarmerie in den Bundesländern beim Landeshauptmann liegt. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn es also Fragen gibt (Abg. Zimper: Das ist j a lächerlich, Herr Kollege! Das ist ja ungeheuerlich!) über Niederösterreich, dann ist der Landeshauptmann von Niederösterreich (Zwischenrufe - Präsident Dipl.-Ing. Robl gibt das Glockenzeichen) - ist der Landeshauptmann von Niederösterreich für die Gendarmerie verantwortlich. (Ruf bei der SPÖ: Weiß er das nicht?) Sicherheitsdirektor von Niederösterreich ist ein Hofrat der Niederösterreichischen Landesregierung. Auf Bezirksebene ist für das Funktionieren der Gendarmerie der Bezirkshauptmann verantwortlich. Also es sind das alles Menschen, die der Österreichischen Volkspartei in Niederösterreich angehören. Wenn also die Sicherheit in Niederösterreich gefährdet ist, dann sind offensichtlich die Hauptverantwortlichen, die der Österreichischen Volkspartei angehören, nicht in der Lage, die Sicherheit in Niederösterreich zu garantieren. (Beifall bei der SPÖ. - Abg. Zimper: Wozu brauchen wir dann einen Minister? - Abg. Anzenberger: Kann der Landeshauptmnn Gendarmen aufnehmen? - Präsident Dipl.-Ing. Robl gibt das Glockenzeichen: Bitte sich zu beruhigen.)



Aber nun nach der klaren Frage der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in Niederösterreich zu der Frage der Sicherheit überhaupt.

Es ist eine Tatsache, daß es in allen Ländern der Erde zu allen Zeiten Außenseiter der Gesellschaft gegeben hat, und wir alle wissen, daß der moderne Staat die Verpflichtung übernommen hat, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Wir wissen, daß alle Staaten sehr viel Geld für die Fragen der Sicherheit aufwenden, sowohl der inneren als auch der äußeren Sicherheit. Und wir wissen auch aus den Massenmedien, daß die Fragen des Verbrechens immer wieder zur Diskussion gestellt werden. Ich habe selbst zwei Söhne, 17 und 13 Jahre alt, (Abg. Buchinger: Das haben wir gestern schon gehört!) und ich weiß, wie sehr sie das Fernsehen in Anspruch nehmen. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Das hast Du uns schon gestern erzählt!) Ich setze mich immer wieder mit ihnen über diese Kriminalfilme, über diese verschiedenen Filme, ob das nun „San Franzisko“ ist oder wie sie sonst alle heißen, auseinander und unterhalte mich auch mit ihnen darüber. Es ist heute ein gutes Geschäft geworden, mit Dingen, die das Verbrechen darstellen, in die Öffentlichkeit zu gehen. Der Journalismus hat sich als Helfer selbst der Geschäftemacher in verschiedenen Bereichen erwiesen, denn würde man diese Dinge nicht so viel in der Öffentlichkeit darstellen und würde man nicht ununterbrochen Skandale und Morde an die Spitze der Zeitungsmeldungen stellen, so würden wir auch als Eltern eine leichtere Aufgabe haben bei der Erziehung unserer Jugend. Wir wissen auch, daß diese Frage im Schulunterricht eine große Rolle spielt, und wir wissen auch, wie schwierig es oft ist, Verbrecher, die als Helden dargestellt werden, auch im Bewußtsein der jungen Menschen tatsächlich als Verbrecher erkennen zu lassen. Aber hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird es wahrscheinlich in aller Welt des Umdenkens erfordern. Denn wenn in den Vereinigten Staaten jede Minute bereits ein Mord geschieht, wenn es in den Vereinigten Staaten ganze Stadtviertel gibt, ganze Gebiete in den Städten gibt, wo man nicht mehr bei Nacht durchgehen oder durchfahren kann ... (Abg. Anzenberger: Wir sind ja in Österreich. Wozu von Amerika reden? - Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Bleiben wir doch im Lande. - Präsident Dipl.-lng. Robl gibt das Glockenzeichen.) Ich verstehe diese Aufregung überhaupt nicht. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Sie sagen immer Niederösterreich, bleiben wir doch da! - Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Dann darf der Zimper auch nicht reden!) Ich rede über die Grundfragen. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Aber nicht von der ganzen Welt!) Ich rede über die Grundfragen der Sicherheit und das ist (Präsident Dipl.-lng. Robl nach Abgabe des Glockenzeichens: Bitte, meine Damen und Herren, sich zu beruhigen) ein Weltproblem. über Niederösterreich habe ich zuvor gesprochen, der Abg. Zimper weiß ja überhaupt nicht, wer die Verantwortung für die Sicherheit in Niederösterreich trägt, daher habe ich darauf hingewiesen, (Beifall bei der SPÖ.) daß ganz allein der Landeshauptmann dafür verantwortlich ist, was in Niederösterreich die Gendarmerie tut oder nicht tut. Und wenn er die Verantwortung nicht tragen kann, dann soll er es erklären, dann wird jemand anderer diese Verantwortung übernehmen. (Beifall bei der SPÖ. - Abg. Zimper: Daß Sie sich dafür hergeben!) Schauen Sie, mit Ihnen rede ich nicht, solange ich im Landtag sein werde, werde ich mit Ihnen nie reden. (Abg. Anzenberger: Das ist eine Anerkennung für den Zimper!) Schauen Sie, jeder Mensch, der auf sich etwas hält und der auf seine Würde etwas hält, wird sich genauso verhalten. Wir wissen aber, daß dieses weltweite Problem auch auf unser Land übergreift, weil eben durch diese Massenmedien die Menschen beeinflußt sind. Und es ist hier tatsächlich eine Frage, ob man Außenseiter oder Neurotiker, Psychopathen, Menschen, die aus welchen Gründen immer nicht die innere Festigkeit haben, ununterbrochen mit Verbrechen in Filmen, in Zeitungen konfrontieren darf. Es ist hier wirklich die Frage, ob die Freiheit und auch die Pressefreiheit hier nicht so weit geht, daß sie zum allgemeinen Schaden wird, wenn die Pressefreiheit und die Freiheit der Journalisten hier nicht in Selbstverantwortung so weit eingeschränkt wird, daß nicht ganze Generationen von Menschen gefährdet werden.

Aber nun zur Frage, wie die Bundesregierung hier vorsorgt. Die Gewährleistung der persönlichen Sicherheit aller Bürger unseres Landes soll durch den weiteren personellen und technischen Ausbau von Kriminalpolizei, Polizei, und Gendarmerie gewährleistet werden, das war die Erklärung des Bundeskanzlers im Jahre 1975 anläßlich der Vorstellung der Bundesregierung. Wir alle wissen, daß die Zahl der Gewaltverbrechen in Österreich in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Es stimmt, daß die Zahl der Verbrechen gegen das Eigentum im Steigen ist. Aber auch hier wieder die Frage, sind das in erster Linie Menschen, die einer bestimmten sozialen Schichte angehören, oder handelt es sich nicht gerade bei den Eigentumsdelikten vielfach um Menschen, die es überhaupt nicht notwendig hätten, sich irgendwie an fremdem Eigentum zu vergreifen? Wir stellen fest, daß es hohe Beamte gibt, ja selbst Polizeibeamte, die wegen Eigentumsdelikten abgeurteilt werden, wegen Ladendiebstählen. Wir wissen, daß es Frauen gibt, deren Männer Einkommen von 20.000, 30.000 Schilling und mehr haben, und die abgeurteilt werden wegen Eigentumsdelikten. Und wir wissen, daß es auf dem Sektor der Kraftfahrzeuge, vom Moped begonnen bis zum Lastwagen, immer mehr zu Eigentumsdelikten kommt. Wir alle wissen, daß vor allem in Italien, wo sicherlich nicht ein Sozialist Ministerpräsident ist, die öffentliche Sicherheit bereits in einem Ausmaß gefährdet ist, daß viele überlegen, nach Italien überhaupt auf Urlaub zu fahren. Und wir wissen, daß die Zahl der Eigentumsdelikte in Österreich im Zunehmen ist, weil auch die Gelegenheiten zu Eigentumsdelikten immer mehr und immer größer werden; Supermärkte, abgestellte Fahrzeuge und dergleichen mehr bringen willensschwache Menschen dazu, in einem unbesonnenen Augenblick einmal erstmalig straffällig zu werden, und wenn sie nicht erwischt werden, dann geht das immer weiter. Wir wissen auch, daß es da und dort junge Menschen gibt, Schüler oder auch Lehrlinge, die sich zu Gruppen zusammenschließen, die man dann als Banden bezeichnet, und Streifzüge durch Wochenendsiedlungen und so weiter durchführen.



Und weil eben diese Bundesregierung für verstärkte Sicherheit sorgt, ist im Mai 1977, also vor einem halben Jahr, ausdrücklich die Genehmigung zur Aufnahme von 600 Vertragsbediensteten erteilt worden. (Abg. Buchinger: Die Bundesregierung ist also doch zuständig!) Herr Kollege Buchinger, Sie sind Bundesbeamter, Sie wissen, daß das Personal eingestellt wird, daß aber über den Einsatz des Personals der Bezirkshauptmann und der Landeshauptmann entscheidet. (Abg. Dr. Bernau: Beim Einsatz gibt es ja nichts zu bemängeln. Der Einsatz der Gendarmerie ist tadellos und in Ordnung!) Also wozu dann diese Angriffe? Sagen Sie, wozu dann diese Angriffe gegen Beamte, die ihr Leben im Dienste der Mitmenschen einsetzen. Wozu dann das Ganze? Glauben Sie denn, wenn Sie diese Beamten angreifen, daß Sie damit ... (Abg. Dr. Bernau: Er hat über Personal und Ausrüstung gesprochen, aber nicht über den Einsatz!) Aber ich werde es Ihnen hier nachweisen, daß diese Personalstände eben entsprechend aufgestockt werden. Es ist nun weiters folgendes geschehen. Nachdem die nunmehr stärker gewordenen Geburtenjahrgänge es ermöglichen, sind gleichzeitig vermehrte Ausbildungsplätze im ganzen Bundesgebiet geschaffen worden. Deshalb wurden im September 1977 auch 300 Polizeipraktikanten aufgenommen. Da in den vergangenen Jahren das Arbeitskräfteangebot gerade für die Wiener Sicherheitswache nicht einmal zur Besetzung bewilligter Dienstposten ausreichte, wird dadurch in Hinkunft ein personeller Aufholvorgang gegenüber anderen Bundespolizeidirektionen ermöglicht. Mit dem schon erwähnten Beschluß des Ministerrates vom 31. Mai 1977 wurde ferner die Ermächtigung zur Aufnahme von 300 Vertragsbediensteten über den systemisierten Stand ab 1.6.1977 zur Verwendung bei der Bundesgendarmerie erteilt. All diese Maßnahmen sollen dazu dienen, um dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen gerecht zu werden.

Aber es sollte uns vielleicht auch klar werden, daß es Arten von Kriminalität gibt, denen Herr zu werden immer schwieriger wird. Und hier nun die Frage des Terrorismus. Ich habe gestern in der Generaldebatte bereits darauf hingewiesen, daß es uns alle mit Sorge erfüllen müßte, daß diese Erscheinung nunmehr auch auf Österreich übergreift. Alle wissen, daß es diese Erscheinungen schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden gegeben hat, aber daß wir in Österreich in den letzten 32 Jahren von diesen Dingen weitgehend verschont geblieben sind. In der Ersten Republik hat es politischen Terror noch und noch gegeben und wir haben damals schon als Kinder gelernt, zeitweilig mit dem Terror zu leben, ob er 1934 oder 1938 begonnen hat. Und wir alle waren froh, als nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Abzug der Besatzungsmacht, dieser Friede in Österreich eingekehrt ist, und sind bestürzt darüber, daß nun diese Terrorwelle, diese Terrorszene, wie sie bezeichnet wird, von anderen Ländern zu uns übergreift. Die Frage habe ich gestern schon gestellt, aber wenn sie heute noch einmal zur Diskussion gestellt wird, so möchte ich darauf doch etwas näher eingehen. Wer ist dafür verantwortlich? Ich habe gestern erklärt, jeder, der Kinder in die Welt setzt, ist für die Erziehung der Kinder hauptverantwortlich. Zweitens, ist unser Erziehungssystem an den Schulen unserem gesellschaftlichen und politischen System angemessen? Werden unsere Kinder in den Schulen zu Demokraten, zu selbstverantwortlichen Demokraten erzogen? Reichen die Erziehungsmethoden aus der vergangenen Zeit, wie sie vielfach auch heute noch angewendet werden, aus? Kann man mit autoritären Methoden die heutige Jugend erziehen? Gibt es nicht andere Möglichkeiten, um mit den Schülern Demokratie in den Schulen von frühester Jugend an zu üben? Am Anfang wird das sicherlich sehr schwierig sein, denn auch die Demokratie unter Erwachsenen ist nicht immer leicht durchzuführen und unter Jugendlichen und Schülern wird es sicherlich noch sphwerer sein. Aber erziehen wir unsere Kinder, die Generationen von Kindern, zu selbstverantwortlichen Demokraten in der Schule? Ist es im Berufsleben überall so, daß wir die Selbstverantwortlichkeit der Menschen systematisch steigern? Und ist es im Berufsleben - ich selbst bin seit 25 Jahren im öffentlichen Dienst - so, daß erwachsene Menschen überall, unter Selbstverantwortung das Richtige tun dürfen, oder hindert nicht oft die Hierarchie, das hierarchische System Menschen, selbstverantwortlich das zu tun, was für die Allgemeinheit am besten ist. All diese Fragen münden aber dann in der politischen Frage. Sind wir, jeder wo wir arbeiten, als Demokraten immer auch Demokraten der Tat oder erwarten wir nicht oft von dem anderen, daß er Demokrat ist, machen aber selbst dann etwas, was mit dem demokratischen Grundsatz nicht voll übereinstimmt? Und haben wir nicht als Politiker diese große Verantwortung, unsere Grundsätze auch in die Tat umzusetzen und unsere Parteiprogramme tatsächlich so zu vollziehen, wie wir es vorgeben zu tun? Und wenn wir in einer demokratischen Gesellschaft tagtäglich Verstöße gegen diesen Grundsatz der Demokratie, gegen den Grundsatz der Gewissensfreiheit, gegen den Grundsatz der Toleranz feststellen müssen, können wir uns dann erwarten, daß junge Menschen auch zu dieser Demokratie stehen? Und da bin ich dann bei dieser Frage des Terrors. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr eingehend mit dieser Frage auseinandergesetzt und habe festgestellt, daß Kinder aus Familien, von denen man annehmen müßte, daß es keinen materiellen Grund gibt, der dieses Kind zum Außenseiter der Gesellschaft macht, anfällig sind für diese Art von Verbrechen. Wir stellen fest, daß Menschen, denen daheim alle Möglichkeiten geboten werden könnten, plötzlich im Alter von 17, 18, 19, und 22 Jahren vom Elternhaus nichts mehr wissen wollen, weil sie sich offensichtlich auflehnen gegen diese Art von Erziehung. Und wenn wir gelesen haben „Ich habe genug von dem Kaviarfressen bei den Partys meiner Eltern und ihrer Bekannten", dann frage ich mich, hat man diesen Kindern eine Zielvorstellung gegeben, wie sie sich in die Gemeinschaft integrieren können, sind diese Kinder nicht völlig falsch erzogen worden, hat man ihnen nicht alles gegeben von Kindheit an, weil sie dann später überhaupt nicht mehr zurechtkommen mit ihrer Umwelt? Diese Kinder scheiden dann aus dem Familienverband aus und werden irgendwo in Gruppen aufgenommen, wo sich dieses Versagen des Elternhauses und der Erziehung überhaupt summiert. Ich war vor sechs Jahren in Hamburg, als in Hamburg diese Terrorszene irgendwie schon Gang und Gebe war, und der Polizeipräsident von Hamburg war völlig erstaunt, als wir uns gewundert haben, daß so etwas möglich ist, weil wir in Österreich diese Erscheinung nicht gekannt haben. Und auch er hat uns damals bestätigt, daß es vor allem Jugendliche und junge Menschen aus Familien sind, wo man es am wenigsten annehmen würde. Und wenn der CDU-Abgeordnete Albrecht nun diese Tochter hat, die seinen besten Freund unter Vortäuschung eines familiären Besuches ermordet hat, wenn wir immer wieder feststellen, daß es solche Fälle gibt, und wenn wir in Österreich in den letzten Tagen voll Bestürzung festgestellt haben ... (Abg. Kienberger: Das ist doch kein CDU-Abgeordneter.) Er war CDU-Abgeordneter, Herr Kollege, schauen Sie, ich weiß, was ich sage. (Abg. Kienberger: Sie meinen doch die Tochter Albrechts!) Bitte, die den Jürgen Ponto ermordet hat, er war CDU-Abgeordneter in Hamburg, lassen Sie sich das sagen. Aber wir müssen dasselbe jetzt in Österreich feststellen, daß Kinder aus solchen Schichten darunter sind, von denen man es überhaupt nicht annehmen kann. Oder würde wer glauben, daß ein Sohn eines Volksschuldirektors, Bezirksfeuerwehrkommandanten, Bürgermeisters und so weiter zu so einer Tat fähig ist? (Abg. Wittig: Söhne von Arbeitern gibt es auch, die Verbrecher sind! - Abg. Wallner: (Bitte von einer Einstufung der Verbrecher nach Klassen abzusehen. Ich bitte darum!) Herr Professor, ich möchte wirklich in dieser Sache mit allem Ernst sprechen und habe nur gesagt, daß man nicht erwarten könnte, daß aus diesen Schichten Verbrecher heranwachsen, denn normalerweise heißt es ja, das ist der Pöbel und wie es da immer geheißen hat. Aber wir alle wissen, daß das ein zentrales Problem ist, das uns alle berühren muß. Und ich sage noch einmal, wenn man selbst Kinder hat, kann man nicht die Garantie abgeben, daß einem so etwas nicht passieren kann. Die Tochter eines Chefredakteurs einer bürgerlichen Zeitung ist in einer Kommune, der Leiter einer Kommune ist ein ehemaliger CVer, der jetzt im Burgenland diese Kommune führt, und so weiter. Wir alle wissen, daß das also quer durch alle Bevölkerungsschichten gehen kann. (Abg. Ing. Schober: Das ist richtig!) Das habe ich auch immer behauptet, ich habe hier ja nur die Extremfälle aufgezeigt. Daher sollten wir mit diesen Dingen nicht spielen, wir sollten diese Dinge nicht dazu mißbrauchen, politische Demagogie zu betreiben. (Abg. Fidesser: Stimmt genau!) Und ich wünsche nur jedem einzelnen, der ein jugendliches Kind, der einen Jugendlichen hat, wo immer er sitzt, daß ihm so etwas nie passieren möge. Und daher finde ich es verantwortungslos, wenn man mit diesen Dingen politische Demagogie treiben will. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte vor allem jenen, die das anheizen, nicht wünschen, weil ich es meinem ärgsten Gegner nicht wünsche, daß sie eines Tages dort stehen, wo sie die Früchte dieser politischen Demagogie in der eigenen Familie ernten müssen. Und darum finde ich es verwerflich, wenn wir diese Frage zum politischen Kampfinstrument machen, wenn wir glauben, aus dieser Frage politisches Kapital schlagen zu können. Denn eines muß uns völlig klar sein: Nie in der Geschichte der Welt hat es nur Engel gegeben. Nie in der Geschichte der Welt hat es Menschen gegeben, die sich voll in die Gemeinschaft integriert haben. Immer hat es Außenseiter gegeben, ob das nun auf dem Gebiet des Verbrechens, der Moral oder Sittlichkeit und so weiter ist, wo immer es Menschen gibt, gibt es eben Außenseiter. Die zentrale Frage ist, wie kann ich diese Außenseiter so weit in den Griff bekommen, so weit eliminieren, daß sie nicht mehr zur Gefahr für die gesamte Gesellschaft werden.



Ich habe mich während des zweiten Studienabschnittes sehr eingehend mit Strafrechtstheorien auseinandersetzen müssen und es hat seit Jahrhunderten Strafrechtstheorien gegeben, die von extremen Standpunkten ausgegangen sind. Die einen haben immer das Präventivsystem und dann das Vergeltungssystem und Retorsionssystem vertreten und haben erklärt, jedesmal, wenn jemand etwas macht, dann muß er um einen bestimmten Körperteil verkürzt werden. Bei Verbrechen gegen das Eigentum müssen die Hände abgehackt werden, das war ja einmal auch Praxis bei uns, und wenn er gegen die Sittlichkeit verstoßen hat, dann mußte etwas anderes geschehen, vom Augenausstechen bis weiß ich was. Und es hat Menschen gegeben, die erklärt haben, wenn man diese Verbrecher um einen Kopf kürzer macht, dann wird die Gesellschaft geschützt sein. Nur eines haben all diese Strafrechtstheoretiker und –praktiker übersehen, daß nämlich jede Generation wieder ihre eigenen Außenseiter zur Welt bringt und daß es immer wieder Menschen gibt, die in einer bestimmten Phase ihres Lebens eben zu Außenseitern werden. Und dann gibt es die Theorie vom geborenen Verbrecher und die Theorie vom erzogenen Verbrecher. Und dann gibt es die Theorie, daß Menschen, die aus welchen Umständen immer einmal etwas gegen die Gesetze, gegen die Normen der Gesellschaft tun, dann wieder besserungsfähig sind. Es kommt hier meines Erachtens auf den Standort an, auf den Standort, wie man die Menschen im allgemeinen beurteilt. Beurteilt man sie alle als gefährliche Subjekte, dann hat man auch politisch die Rechtfertigung dafür, daß man Diktator wird und sich dann das Recht herausnimmt, über Leben und Tod der Menschen zu entscheiden. Oder ich gehe vom humanistischen Standpunkt aus und nehme an, daß die Menschen im allgemeinen gut sind, daß sie besserungsfähig sind, aber daß es Außenseiter gibt, mit denen man sich besonders beschäftigen muß. Und über diese Art der Beschäftigung mit den Außenseitern der Gesellschaft, ob sie nun auf dem weiblichen Sektor eine bestimmte Schichte der Menschen sind, ob das Kriminelle sind, Totschläger und so weiter, oder solche die Eigentumsdelikte verüben, darüber gibt es einen breiten wissenschaftlichen Streit, den wir Politiker hier nicht beenden werden. Das hat es seit Jahrhunderten gegeben und wird es auch - das ist meine Überzeugung - in weiteren Jahrhunderten geben. Denn eines muß uns völlig klar sein: Wir können den Menschen noch so viele materielle Vorteile verschaffen, das allein bessert die Menschen nicht. Wenn wir nicht die Menschen in unserer Staatsform, in der Demokratie, zur Gemeinschaft erziehen und sie auch ununterbrochen darauf aufmerksam machen, daß es einen lieben Nächsten gibt, daß es einen Menschen gibt, der ein Recht hat auf Leben, ein Recht hat auf Eigentum, ein Recht hat auf Gesinnung, ein Recht hat auf BerufsausÜbung, wenn wir diese Dinge nicht ununterbrochen ausüben in der Praxis, (Abg. Amon: Eine tadellose Erkenntnis!) dann werden wir mit diesem Problem sicherlich nicht von heute auf morgen fertig werden.

Und als Schlußfolgerung dieser Auseinandersetzung möchte ich noch einmal sagen: Es ist verantwortungslos, mit den Fragen der Sicherheit politische Demagogie zu betreiben. Es ist verantwortungslos, mit der Angst der Menschen zu operieren. Es ist verantwortungslos, jungen Menschen ununterbrochen ohne Diskussion kriminelle Filme zu zeigen, ohne sie aufmerksam zu machen, daß ein Verbrecher auch im Film einen Verbrecher darstellt und keinen Helden. Und es ist verantwortungslos, wenn wir in den Zeitungen Verbrechen ununterbrochen an exponierter Stelle zeigen, weil hier Neurotiker, Psychopathen, schlecht oder nicht erzogene Menschen, junge Menschen, plötzlich sich in diese Rolle hineinleben wollen. Daraus ergibt sich für mich die einzige Schlußfolgerung als Vater von Kindern, als Erzieher von Kindern, aber auch als Politiker, daß wir jeder in seinem Bereich eine volle Verantwortung zutragen haben und daß wir ununterbrochen den Pfahl im eigenen Auge sehen und nicht immer den Splitter irgendwo anders suchen sollen. Denn für die Sicherheit unserer Menschen in Österreich tragen wir alle gemeinsam die volle Verantwortung. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)


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