Voodoo oder Wahrheit? Organisationsaufstellung. Immer mehr Trainer setzen auf die neue Methode der»Organisationsaufstellung«. Sie soll die Zusammenarbeit in Teams verbessern



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Voodoo oder Wahrheit?

ORGANISATIONSAUFSTELLUNG. Immer mehr Trainer setzen auf die neue Methode der »Organisationsaufstellung«. Sie soll die Zusammenarbeit in Teams verbessern, Konflikte mit dem Chef lösen und Umstrukturierungen reibungsloser machen. »Wirtschaft & Weiterbildung« hat dem neuen Trend nachgespürt. Von Bärbel Schwertfeger

Seit der ehemalige katholische Missio­nar Bert Hellinger mit seinen Familien­aufstellungen Furore macht, gewinnt die Methode auch in deutschen Unter­nehmen an Bedeutung. In Trainerkrei­sen steigt die Nachfrage nach entspre­chenden Zusatzausbildungen rapide an. »Die Sache wird immer gefährli-

cher«, findet Gisela Osterhold, Ge­schäftsführerin der eurosyteam Gesell­schaft für Systemische Consultation und Training GmbH in Heidelberg. Denn viele Aufsteller verfügten über kei­ne fundierte Ausbildung und nützten die Methode vor allem wegen der damit verbundenen eindrucksvollen Effekte.

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Auf der Suche nach der Lösung; Klaus Grochowiak bei einer Organisationsaufstellung mit Teilnehmern einer …………………………….…………..«. Ausbildung zum »Systemdynamiker«.

»Da passiert das pralle Leben«, sagt die Beraterin. »Da wird Liebe und Macht inszeniert.« Der Münchner Organisati­onsberater Klaus Eidenschink hält Hel­lingers Vorgehen nicht nur für hoch ma-nipulativ, sondern auch für einen Rück­schritt. »Der Trainer nimmt wieder eine Expertenhaltung an, von der sich die Zunft eigentlich schmerzhaft gelöst hat­te«, sagt Eidenschink. Für einige, die ei­ne »Neigung zur Grandiosität« verspür­ten, sei die Methode offenbar besonders attraktiv. Wie kein anderer hat Hellinger in den vergangenen Jahren die Thera­pieszene gespalten.



Jeder ein kleiner Guru?

Während Scharen von Therapeuten und Trainern zu seinen Massenhappenings kommen und gebannt den Worten des Meisters lauschen, halten andere seine in autoritärem Ton vorgetragenen Rat­schläge schlichtweg für Humbug. »Der % neue Leithammel der an Gurus nicht / eben darbenden Heilerszene« (taz) lässt I seine Klienten deren Beziehung zu Vater und Mutter und dem Rest der Familie wie iü einem Theaterstück »aufstellen«. Die Klienten wählen sich aus dem Publi­kum Teilnehmer aus, die ihre engsten Verwandten darstellen. Dann fragt Hel­linger die Stellvertreter in bestimmten Momenten nach ihren Empfindungen und glaubt daraus die tatsächlichen Ge­fühle der realen Personen ablesen und die »wahren« Ursachen eines Problems erkennen zu können. Durch Umstellun­gen und Ritualsätze sollen sich die fami­liären Verstrickungen auflösen und der Betroffene wird angeblich frei. Vor allem Szenen, bei denen Klienten, die als Kind von ihren Eltern missbraucht wurden, sich vor ihren »Eltern« niederknien und Sätze wie »Ich habe es für dich getan« sagen sollen, stoßen so manchem übel auf. Doch Hellinger, der selbst eine Aus­bildung in Psychoanalyse und Primär­therapie hat, hält unbeirrbar an seinem Ansatz fest und lehnt theoretische Dis­kussionen ab. Für ihn müssen Ordnun­gen anerkannt werden und Eltern ge­bührt nun mal Ehre und Liebe.

Neu ist Hellingers Methode nicht. Die Wurzeln der Aufstellungsarbeit lie­gen unter anderem im Psychodrama von Jacob Levy Moreno und in der Fami­lienrekonstruktion und Skulpturarbeit


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von Virginia Satir. Allerdings hat es in der Therapieszene schon lange keiner mehr gewagt, derart autoritär und »all­wissend« aufzutreten. Denn während sich in der Familientherapie weitgehend der konstruktivistische Ansatz durchge­setzt hat, nach dem jeder Mensch sich sein Bild von der Realität selbst konstru­iert, verfolgt Hellinger einen radikal phänomenologischen Ansatz und glaubt in der Aufstellung die »objektive. Wahrheit« zu erkennen. Dient Hellin­gers Interesse vor allem der Familienar­beit, so entwickelte der Arzt und Sys­temtherapeut Gunthard Weber dessen Methode zu »Organisationsaufstellun­gen« weiter. Einen anderen Weg ging der Professor für Logik und Wissenschafts­theorie an der Universität München, Matthias Varga von Kibed. Gemeinsam mit der Psychologin Insa Sparrer ent­wickelte er die Methode der »systemi­schen Strukturaufstellung«. Der große Unterschied liegt darin, dass Varga von Kibed weitgehend auf Deutungen ver­zichtet.

Wichtiger Selbstklärungsprozess

Vorbild ist der Satz des »lösungsorien-tierten« Therapeuten Steve de Shazer: »Wenn dir eine Deutung einfällt, dann nimm ein Aspirin und setz dich in die Ecke und warte bis der Anfall vorbei ist.« Die Lösung werde stets von der Person selbst generiert, betont Varga von Kibed. Der Berater sei nur der Katalysator für den Selbstklärungsprozess. Um sich von der ihrer Meinung nach zu stark phäno­menologischen Arbeit von Gunthard Weber abzugrenzen, nennen die beiden

ihre Arbeit »Systemische Strukturauf­stellung«. »Das ist die Marke für alle un­sere etwa 70 Formen der Aufstellung«, erklärt Varga von Kibed. Dabei werden nicht nur Personen, sondern auch ab­strakte Dinge wie »Werte«, »Ziele« oder »Handlungsaltemativen« aufgestellt.

Objektive Wahrheiten erkennen?

Mit seinem konstruktivistischen Ansatz steht der Logik-Professor im Gegensatz zu den reinen Hellinger-Anhängern. »Die beäugen uns höchst misstrauisch«, sagt er. Doch inzwischen gibt es auch zahlreiche Mischformen. »Die phäno-menologische und die konstruktivisti­sche Arbeit ergänzen sich«, findet Klaus P. Hörn, Inhaber von Commit Coaching und Training in Schondorf/Ammersee. Er integriere daher beide Seiten in sei­ner Arbeit. Ungeklärt ist jedoch, warum Aufstellungen überhaupt funktionieren. Ursache ist angeblich das so genannte »wissende Feld«, das es den Stellvertre­tern ermöglicht, Dinge zu erkennen, die sie nicht wissen können. Für Gisela Osterhold spiegelt eine Aufstellung le­diglich das innere Bild wider, das die aufstellende Person von der Situation hat. So wie sie die Repräsentanten auf­stellt, so sieht sie die Situation. »Objekti­ve« Wahrheiten werden so aufgelöst und als »subjektive Wahrheiten« erkannt und das ermöglicht eine Änderung der inneren Haltung. »Das ist das Systemi­sche an der Aufstellungsarbeit«, betont die Darmstädter Beraterin. Matthias Varga von Kibed erklärt das Phänomen mit dem »unmittelbaren körperlichen Wissen über strukturelle Beziehungen«.

»Als Mitglied des repräsentierten Sys­tems verändere ich meine körperliche Selbstwahrnehmung«, glaubt der Grün­der des Instituts für Systemische Ausbil­dung, Fortbildung und Forschung (SySt) in München und erläutert: Während man sich normalerweise auf sein Wis­sen und seine Meinung stützen könne, sei man bei der Aufstellung darauf ange­wiesen, sich unbeeinflusst von Vorurtei­len in die Struktur hineinzufühlen. Auf­stellungen seien ein wichtiges Instru­ment der Wahrnehmungstrainings -Deutungen daher eher kontraproduktiv. Doch die gehören gerade bei Hellinger-Schülern oftmals dazu. Dann tauchen plötzlich ehemalige Geliebte und un­eheliche Kinder auf, die Schuld an »Ver­strickungen« der Ratsuchenden sind. Die Stellvertreter erkennen Inzest oder Missbrauch und steigern sich bisweilen regelrecht hysterisch in ihre Rolle hi­nein. »Da werden Phantasien ausgelebt und Informationen kreiert, die nichts mit der Realität zu tun haben«, ist sich Osterhold sicher. So habe sie es selbst einmal erlebt, wie jemand als Missbrau-cher bezeichnet wurde. Das habe ein Fa-mitiendrama ausgelöst. Als Berater müsse man daher sehr genau wissen, was alles schief laufen kann und darauf achten, dass sich die Stellvertreter nicht zu sehr in die Rolle einfühlen und ihre eigenen Bilder und Phantasien einbrin­gen. Auch Ahmad Mohseni, Organisati­onsberater und Trainer für Team- und Personalentwicklung in Ingolstadt, erin­nert sich an eine Aufstellung, bei der gleich »ein ganzer Friedhof ausgegra­ben« wurde. Plötzlich seien längst ver-

Standards für Aufsteller

Geplante Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme in die Liste des International Network Organizational Constellations:



  • Beraterische Grundausbildung, zum Bei­
    spiel NLP, Gruppendynamik, Supervisi-
    on, Gestalttherapie

  • Mindestens drei Jahre berufspraktische
    Erfahrungen in leitender Funktion mit
    oder in einer Organisation

  • Teilnahme an Seminaren für Organisati­
    onsaufstellung (15 bis 20 Tage), davon
    drei Seminare von anerkannten Äufstel-
    lern

  • Aufstellung des eigenen beruflichen Sys­
    tems

  • Mindestens zwei Supervisionsfälle

  • Eigenständige Durchführung von Orga-
    nisationsaufstellungsseminaren oder
    mindestens 25 selbst geleitete Organi-
    sations- oder Strukturaufstellungen

  • Zwei Empfehlungen von anerkannten
    Aufstellern oder Leitern von Lernwerk­
    stätten

  • Mitgliedschaft in Interventionsgruppen
    (Supervision, Lernwerkstatt)

  • Teilnahme an einem viertägigen FamiÜ-
    enaufsteilungsseminar

www.lNO-C.org

-»storbene Großtanten und Großonkel aufgetaucht. So manche Aufstellung gleicht daher einem Voodoo-Zauber. Zumal es selbst ernannte Hobbypsycho­logen regelrecht genießen, sich als Zau­berer zu profilieren und den Teilneh­mern aufsehen erregende Aussagen zu entlocken. Das gilt zum Beispiel für selbst ernannte Experten, die bei Pro­blemen mit dem Chef sofort ungelöste Vaterkonflikte erkennen. »So etwas gehört ins therapeutische Setting«, sagt Osterhold. Als Berater im Unternehmen habe man keine Erlaubnis, so tief in die Gefühlswelten der Mitarbeiter einzu­dringen.

»Ich bin erschüttert, wie leichtfertig oftmals damit umgegangen wird«, be­klagt Ahmad Mohseni. Durch seine Aus­bildung zum systemischen Berater habe er »viel Respekt vor der Methode« be­kommen. Denn damit könne man viel Schaden anrichten, vor allem dann, wenn man mit den Betroffenen selbst

arbeitet. »Ein Aufstellung im Rahmen ei­ner firmeninternen Teamentwicklung kann die Wirkung einer Atombombe ha­ben«, weiß Mohseni. Das ideale Setting sei sicher das offene Seminar, glaubt Jörg Bitzer vom Institut Balance in Tü­bingen. Die Arbeit in der Organisation sei sehr heikel und erfordere viel Erfah­rung. Das bestätigt auch Matthias Varga von Kibed, der daher häufig verdeckt ar­beitet. Dabei stellt der Betroffene ohne zu erklären, worum es geht, die Reprä­sentanten auf, hört sich deren Empfin­dungen an und zieht seine Schlüsse da­raus. Klaus Hörn setzt die Aufstellung bei seiner Arbeit mit Beratern ein, die Unternehmen restrukturieren. »Die be­kommen dadurch oftmals eine neue Sichtweise«, sagt der promovierte Psy­chologe.

Neuer Verband für Aufsteller

Auch bei internen Trainerteams sei die Methode sinnvoll. »Hier sehe ich den Hauptnutzen für Unternehmen«, sagt Hörn. »So erkennt man schnell, warum ein Projekt nicht läuft.« Mit Aufstellun­gen bei internen Weiterbildnern hat auch Klaus Grochowiak, Inhaber der Creative NLP Akademie in Wiesbaden, gute Erfahrungen gemacht. Immer häu­figer kämen aber auch Manager zu ihm, die eine Aufstellung machen wollen. Dazu hole er sich dann stets Teilnehmer seiner Ausbildungsgruppe als Stellver­treter. Einen anderen Weg geht Albrecht Mahr. Mit zwei Hamburger Kaufleuten hat er das Institut Innex gegründet und will die Aufstellungsarbeit gezielt Unter­nehmen anbieten. Eine Pilotgruppe mit Marketingmanagern sei bereits positiv gelaufen. »Da sieht man sofort eine an­dere Dimension des Produkts«, weiß Mahr. Doch längst nicht jeder Trainer verfügt über die notwendige Qualifikati­on. Leider gebe es die Tendenz, nach ein paar Seminarbesuchen mit der Metho­de auf den Markt zu gehen, klagt Jörg Bitzer. Doch um ein guter Aufsteller zu sein, sei ein Mindestmaß an Reife, Le­bens- und Berufserfahrung sowie eine gute Fortbildung notwendig. Die gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Und seitdem einige Trainer erkannt haben, dass sich damit Geld verdienen lässt, fühlt sich so mancher zum Ausbilder be­rufen, der offenbar nicht einmal selbst

eine fundierte Ausbildung gemacht hat.
Zum Beispiel die Münchnerin Kristine
Erb, die dank ihrer Pressearbeit immer
wieder als Expertin für systemische
Strukturaufstellung auftritt. Ihre Ausbil­
dung bei Varga von Kibed hat die Di-
plom-Ökotrophologin allerdings nie be­
endet. Denn die dauert beim »SySt« vier
Jahre und 90 Seminartage plus Übungs­
gruppen und Supervision. »Das ist gera­
de das, was unbedingt notwendig ist«,
sagt Varga von Kibed. Bisher haben erst
zwei Teilnehmer die Ausbildung been­
det. »Wichtig ist vor allem, dass man
sich bei der Ausbildung auch mit seiner
eigenen Situation beschäftigt«, betont
Albrecht Mahr, der an seinem Institut
für Systemaufstellung in Würzburg eine
25-tägige systemtherapeutische Ausbil­
dung anbietet. Das betont auch Klaus
Grochowiak. Die Hauptarbeit bei seiner
20-tägigen Ausbildung zum Consultant
in Systemdynamik liege stets in der
Klärung eigener systemischer Ver­
strickungen. Zudem müssten die Teil­
nehmer entweder eine abgeschlossene
NLP-Ausbildung oder umfangreiche Er­
fahrung als Trainer oder Berater haben.
An professionelle Anwender in Wirt­
schaft und Weiterbildung wendet sich
auch Klaus Hörn mit seinen vier viertä­
gigen Bausteinen. Die Nachfrage sei gut
und viele wollten die Aufstellung vor al­
lem als ergänzendes Werkzeug kennen
lernen. »Das ist nur eine unter vielen Be­
ratungsmethoden und sollte daher auch
nur dann eingesetzt werden, wenn es
angebracht ist«, betont auch Gisela
Osterhold und warnt vor Beratern, die
ins Unternehmen kommen und sofort
eine Aufstellung machen wollen. ___
Etwas Licht in den Dschungel der]
Aufsteller will jetzt das »International
Network Organizational Constellations«
bringen. Das Netzwerk, dem rund 600
Berater und Trainer aus Deutschland,
Österreich und der Schweiz angehören,
will demnächst einen Kriterienkatalog
mit Mindestvoraussetzungen für Orga­
nisationsaufsteller verabschieden und
eine Checkliste zur Qualitätskontrolle
erstellen. »Es gibt eine Eigendynamik im
Markt. Zu viele Trainer gehen zu früh in
die Unternehmen, ohne fundiertes
Know-how«, sagt Jörg Bitzer, der Koordi-.
nator des Netzwerks. , j

Bärbel Schwertfeger



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