Weissen ein volk mit einer sprache



Yüklə 1,22 Mb.
səhifə23/29
tarix21.08.2018
ölçüsü1,22 Mb.
#73533
1   ...   19   20   21   22   23   24   25   26   ...   29

“Während er (Ludwig, R.I.) vom Papst empfangen wird, während er wieder nach Neapol reist, während er seine Künstlerfreundschaften auffrischt, erklärte Ali Pa-scha von Joannina dem Sultan den Krieg, fällt Alexander YPSILANTIS in die Donau-fürstrentümer ein und proklamiert Neugriechenlands Unabhängikeit.344

Autor Seidl auf Seite 32 und 33 zeigt zwei Bilde mit Text: “Schon in na-chantiker Zeit allmählich bedeutungslos geworden, war Athen unter osmanischer Herr-schaft zu einem unansehnlichen Dorf herabgesunken: Auf der Hauptstraße breitete si-ch der Türkische Basar aus (oben) und im Turm der Winde bewand sich eine Koran-schule”.Auf Seite 40 sind zwei Bilder, mit Text: “Als Edward Dodwell 1801 die Akro-polis besuchte, fand er dort eine ganze Türkenstadt. Im Erechtheion war der Harem des Pashas untergebracht und die türkische Garnison hatte sich mit Frauen und Kindern häuslich eingerichtet (Bild oben). Die Moschee in dem durch die Pulverexplosion von 1687 zersörten Parthenon ist deutlich zu erkennen. Erst 1843 begann unter dem Einfuß Klenzes die Restaurierung der Akropolis. Wie die Zeichnung Ludwig Langes (unten) zeigt, waren im Jahr darauf beriets allw antiken Anlagen weitgehend freigelegt...”.

Er schreibt über “Die Urenkel des Odyseeus”:

Weh mir ! was leid sag’ ich, und was schreib’ ich hier !

Athen bewohn’ ich und doch schau ich nicht Athen,

Nur öde Herrlichkeit bedeckt mit grausem Schutt.

O Stadt des Jammers, wo sind deine Tempel hin ? ...

Ein Untergang verschlang den ganzen Ruhm Athens,

Kein Pulsschlag lebt davon, kein kleinstes Merkmal nur.345

Aus der Elegie des Bischofs Michael Akominatus (um 1200 nach Chr.)346

Goethes Iphigenie suchte mit ihrer schönen Seele ein Griechenland, das es gar nicht gab. Ähnlich erging es manchen Philhellenen. Sie erbauten sich an einem klassisch- romantischen Idealbild von edler Einfalt und stiller Größer, sie schwärmten von Hellas und dachten an Homer und Platon, an Phidias und Praxiteles.Sie übersahen, verdrängten, vergaßen, übersprangen zweitausend Jahre griechischer, europäischer Ge-schichte. Im Jahre 1821 aber herrschte in Athen nicht Perikles, sondern Ömer Pascha Brioni.

Dieses >Vergessen< durchaus bekannter Tatbestände hatte seiner Grund vor allem in der einseitig auf den römisch-germanischen Raum fixierten Geschichtsbetra-chtung, wie sie in Europa jahrhundertelang üblich war. Mit der Teilung des Römischen Imperiums in ein Ost- und ein Westreich (endgültig 395 nach Chr.) und vollends mit der daraus folgenden Kirchenspaltung (endgültig 1054) verlor man in Mitteleuropa Griechenland aus dem Gesichtsfeld.

Es ist also vielleicht nicht ganz überflüssig, wenn wir die kulturgeschichtli-che Entwicklung Griechenlands, soweit sie für unser Thema von Bedeutung ist, hier grob skizzieren. Jeder derartige Versuch wird sich den Genze unzulässiger Vereinfa-chung zumindest bedrohlich nähert. Es ist aber auch gar nicht als der universalhistori-schen Betrachtungsweisheit letzter Schluß angeboten, sondern nur als Stichwortsa-mmlung und Gedächtnisstütze.

Das klassische Hellas,das Goldene Zeitalter des Perikles,mit dem sich unsere Vorstellung von Griechenland fast unwillkürlich verbindet, war im Peloponnesischen Krieg (431-404 vor Chr.) untergegangen. Die politische Einigung Griechenlands ge-schah nicht durch Athen oder Sparta, Korinth oder Theben, sie wurde erzwungen du-rch die halbbarbarischen Makedonierkönige Philipp und Alexander. Damit verlieren aber nicht nur die einstigen Stadtstatten Selbständigkeit und Macht: Griechenland als Ganzes wird Provinz, Teil eines Riesenreiches, dessen Schwerpunkte weit von den klassischen Zentren entfernt liegen. Die Eroberungszüge Alexander des Großen scha-ffen jenes Weltreich des Hellenismus, in dem die Griechen die politische Souveränität einbüßen, aber den beherrschenden kulturellen und zivilisatorischen Einfluß gewinnen. Nach dem Tod Alexanders (323 vor Chr.) teilten nach den wechselvollen Diadochen-kämpfte seine Feldherren das Reich unter sich auf, ihnen folgt die neue Weltmacht Rom. Griechenland ist jahrhundertlang Schlachtfeld der Auseinandersetzungen, Spiel-ball der Mächte. Und wieder erliegen die Sieger der Kultur der Besiegten. Griechische Sklaven erziehen die Söhne der römischen Patrizier und werden so die Lehrmeister des Abendlandes. Izwischen war in einem anderen Winkel dieses von römischen Legionen gesicherten, von hellenischem Geist durchdrungenen Imperiums ein jüdischer Prophet aufgestanden, welcher behauptete, Gottes Sohn zu sein, und die Frohe Botschaft der Liebe verkündete. Dies führte zu Unruhen in Jerusalem, weswegen man den Ruhestö-rer nach kurzer Lehrtätigkeit kreuzigte. Diese drei Impulse aber prägten das Antlitz des Abendlandes: griechische Philosophie, römisches Recht, christilcher Glaube.

Neben Westrom steht jetzt Ostrom, und bald machen sich die Reichshälften selbständig. Der politischen Spaltung folgt die geistliche. Der Papst von Rom und der Patriarch von Konstantinopel machen sich den Primat über die andere Bischöfe streit-ig, zum Kampf um die Hierarchie kommt der Streit um die Dogmen, nach dem Zerfall des Römischen Reiches zerbricht die Einheit der christlichen Kirche. Und aus den fei-ndlichen Brüdern werden bald erbitterte Gegner, die sich gegenseitig verketzern.

Während sich aber Rom, Westrom, mit der politischen Unterwerfung begnü-gen hatte, das kulturele Eigenleben seiner entfernten Provinzen jedoch dultete- so be-deutet die Erichtung Ostroms, der griechichen Kaiserstadt, das Todesurteil für die alten griechischen Kulturzentren im Mutterland und an der kleinasiatischen Küste. Die Hau-ptstadt erglänzt- auf Kosten der Provinz, die in das Dämmerung der Geschichtslosi-gkeit zurücksinkt. 393 nach Chr. untersagt Kaiser Theodosius die Olympischen Spiele, während das Jahr 529 mit der Schließung der athenischen Rednerschulen durch Kaiser Justinian das Ende der klassischen Tratition Athens unübersehbar markiert.

Westrom zebricht im Sturm der Völkerwanderung, jahrhundertelang gibt es in Mitteleuropa keine zentrale Ordnungsmacht mehr. Ostrom aber, das Byzantinische Reich mit seiner Haupstadt Konstantinopel, übernimmt den universalen Führungsan-spruch des Imperium Romanum. Von griechischen Mutterland allerdings, von klassisi-chen Hellas, melden über ein halbes Jahrtausend hinweg die Chroniken kaum ein Wo-rt. Wir wissen nicht einmal genau, wann die Statue der Pallas zerstört, wann der Par-thenon, der Tempel der Jungfrau Athene, in eine Kirche der Panagia, der Jungfrau Ma-ria, umgewandelt wurde. Aber wir wissen, daß der byzantinische Gouverneur Mittel-griechenlands nicht auf der Akropolis residierte, sondern auf der Kadmosburg in The-ben. So bedeutungslos war Athen geworden.

1204 muß Bischof Michael Akominatus, dessen Elegie am Anfang dieses Kapitels steht, seinen Bischofssitz auf der Akropolis den Eroberern Athens abtreten: den Kreuzfahrern. Den christilche Ritter, Kreuzritter, hatten das christliche Athen, das christliche Byzanz, eingenommen. Und damit stellen sich zwei Fragen. Ersrens: Wie konnte es dazu kommen, daß Kreuzritter nicht das mohamedanische Jerusalem erstür-men, sondern das christliche Konstantinopel und Athen ? Und zweitens: Was geschah in Griechenland in jenen sieben Jahrhunderten, die seit dem Dekret347 des Kaises Justinians verflossen waren ?



Wir wissen es nicht. Oder jedenfalls, wir wissen es nicht im einzelnen. Do-ch zur gleichen Zeit, da ein bayerischer König und bayerische Beamte sich nach Kräft-en bemühten, das befreite Griechenland zu europäisieren, glaubte ein bayerische Gele-hrter das Rätsel gelöst zu haben:

‘Eure schwärmerische Teilnnahme ist verschwendet an ein entartetes Ge-schlecht, an die Abkömmlinge jener slawischen Unholde, die in fünften, sechsten und in den folgenden Jahrhunderten über das Byzantinische Reich hereinbrachen und die hellenische Nationalität mit Stumpf und stil ausrotten’. Schwärmten die Philhellenen vielleicht allzu romantisch von Hellas, so donnerte ihnen nun Jakop Philipp FALL-MERAYER entgegen: ‘Kein Tropfen alten Hellenenblutes fließt ungemischt in den Adern der jetzigen Neugriechen...Die heutigen Bewohner von Attika sind von einem Ende der Provinz zum anderen eingewanderte, auf den Ruinen des Altertums angesie-delte, christliche Albaner, Albanesen, Skiptaren- eine Art doppelsprachiger frommer Barbaren der anatolischen Kirche,ein Viehzucht und Ackerbau treibendes Volk mit ei-nem eichenem Dickschädel und rüstigem, schlankem348Körper, ein durchaus gesundes und unverdorbenes Blut, arbeitsam, gewerbig, nüchtern, aber ohne Literatur, ohne Bu-ch und selbst ohne Alphabet’. Harte Worte für das Ohr der dem humanistischen Gym-nasium entsprossenen Griechenfreunde. Doch ist Falllmerayer nur das andere Extrem. Seine >Slawentheorie<, die Behauptung, Griechenland sei in der Völkerwanderung vollkommen slawisiert349 und erst Jahrhunderte später von Byzanz aus regräzisiert wo-rden, ist inzwischen widerlegt. Doch nicht nur Philhellenen, die sich persönlich am gri-echischen Freiheitsjampf beteiligten, auch jeder Tourist unserer Tage wird in der Arm-seligkeit Altkorinths oder im Gewimmel Neuathens ziemlich vergeblich nach den >blonde Achäern< Homers Ausschau halten.350 Der Schock, den es da zu überwinden galt und gilt, ist aber- siehe oben- unserer eigenen Ignoranz zuzuschreiben. Zweifellos sind im frühen Mittelalter Slawen verschiedener Stämme über Griechenland herienge-brochen, und sicher haben sich in der Turkenzeit starke albanische Siedlungen in Grie-chenland gebildet.Nur- das wußte man auch schon vor Fallmerayer. Der streitbare Pro-fessor, der sich in seine eigene Theorie vernarrte und verrannte, hat aus diese Tatsa-chen teils irrtümliche, teils zu weit gehende Schlüsse gezogen. Von allem aber: die Frage ist falsch gestellt. Sie geht von der Voraussetzung aus, daß die Griechen der kla-ssischen Zeit eine einheitliche Rasse gewesen wäre, und sie identifiziert den Genus des hellenischen gewesen wären, und sie identifiziert den Genius des hellenischen Geistes mit dieser imaginären hellenischen Rasse. Nun ist es aber einigermaßen willkürlich, ausgerechnet die Griechen des 5. Jahrhundert vor Chr. als Maßstab anzusetzen; und se-lbst wenn es zu diesem Zeitpunkt eine einheitliche hellenische Rasse gegeben hätte, so wäre noch immer zu bedenken, daß gerade die größten Leistungen der Griechen aus den kleinasiarischen Kolonien stammen, aus jenen Regionen also, in denen die Grie-chen in geistlichen wie biologischer Hinsicht fremder Beeinflussung am stärksten aus-gesetzt waren. Und schließlich erobert sich der griechische Geist ein ganzes Weltreich, eben das des Hellenismus, in dem die Griechen zahlenmäßig nur noch eine verschwi-ndende Minderheit ausmachen. Was das alte mit dem neuen Hellas verbindet, ist nicht das ungemischte Blut, sondern die ungebrochene geistliche Überlieferung und deren Instrument, die Sprache. Als Barbaren, nämlich Stammler, bezeichneten die alte Grie-chen nicht nur den rassisch Anderen oder den politischen Gegner, sondern ganz einfa-ch jeden, der schlecht griechisch sprach, zum Beispiel die stammverwandten Makedo-nier.351Umgekehrt hätte jedem Leser des Homer oder Thukidides auffalen können, daß es nicht unbedingt slawischer Überflutung bedurfte, um die Griechen List und Hinter-list, Erwerbssinn und Korruption, Phantasie und Lüge, Individualismus und Eigensu-cht, Spontaneität und Wankelmut, Taktik und Verrat zu lehren.(Auch Byzantiner,R.I.)

Wie aber steht es mit der anderen Frage: Wie konnte es gestehen, daß nach Römern, Awaren, Goten, Bulgaren und Albanessen nun christliche Heere das christli-che Byzantinische Reich angriffen ? Weil es eben inzwischen ein latenisches Christe-ntum gab mit dem Zentrum in Rom und ein orthodoxes mit dem Zentrum in Konstanti-nopel. Weil einer der großen Humanisten, Petrarca, verkünden konnte: ‘Wir mögen die Ungläubigen hassen, aber doppelt hassen wir die Schismtiker des Ostens’. Weil das ni-cht die Meinung eines einzelnen Dummkopfs war, sondern herrschende Ansicht im Abendland. Und weil die Handelsstadt Konstantinopel für die Handelsstadt Venedig eine unliebsame Konkurrenz darstellte, und weil das Kreuzfahrerheer auf die Hilfe der venezianischen Flotte angewiesen war. So gelang es dem Dogen Dandolo, der vierten Kreuzzug nach Byzanz umzuleiten. Das Byzantinische Reich aber hatte fast ein Ja-hrtausend das Abendland vor dem Anstrom Asiens bewahrt. Seit den Perserkriegen ist Griechenland die Flankendeckung Europas. Mit der Einnahme Konstantinopel ging di-ese Deckung des Christentums verloren, von innen her aufgerollt durch ein Heer chri-stlicher Kreuzritter. Ein Meisterstückt venezianischer Politik, das die Einheit des Abe-ndlandes endgültig zerriß, halb Osteuropa den Moslems auslieferte. Was mit der Ero-berung Konstantinopel durch die Kreuzritter begann, endete mit der Belagerung Wiens durch Türken.

Von der Beute fielen griechisches Festland und Kykladen-insel an die Kre-uzritter, die in der Mehrzahl französischen Ursprungs waren. Angehörige des Hauses de la Roche wurden Herzöge von Theben. Athen, wie in der byzantinischen Zeit nur Nebenresidenz, kam in der Folge unter katalanische Herrschaft, bis schließlich ein Flo-rentiner Finanzmann, Rainer Acciajuoli, dem bereits Korinth gehörte, 1394 Herzog von Athen wurde. Die längst zugemauerten Propyläen umschlossen den Herzogspalas, über ihrem Südflügel (hinter dem Niketempel) erhob sich der sogenannte Rankenturm, der im ganzem Mittelalter als Wahrzeichen Athens galt und erst 1874 auf Kosten Hei-nrich Schlimanns abgebrochen wurde.

1204 hatten die Kreuzritter Konstantinopel eingenommen. Unter Graf Baldu-in von Flandern gründeten sie das ‘Lateinische Kaisertum’. Schon sechzig Jahre später wurde Konstantinopel von den alten Herrschern zurückerobert, aber die Lebenskraft des Byzantinischen Reiches war durch den europäischen Angriff gebrochen. Die Tür-ken engten Byzanz immer weiter ein, schließlich eroberte 1453 Sultan Mehmed II. die Hauptstadt. Der letzte Kaiser, Konstantin XI. Palaiologos, fiel in der Schlacht. Damit war das Schicksal Griechenlands und die Balkanhalbinsel besiegelt. In rascher Folge drangen die Türken nach Norden vor, erst Prinz Eugen gebot ihnen Einhalt. Grie-chenland aber wurde ödeste türkische Provinz. 1458 hatte der letzte Accjajuoli die Akropolis an Ömer Beg übergehen; hundert Jahre entbrannte in Europa ein ernsthafter Gelehrtenstreit über die Frage, ob Athen denn überhaupt existierte.

Daß die Griechen während der Türkenherrschaft nicht völlig untergegangen sind, verdanken sie einesteils der Unterdrückung, die als Gegenreaktion ein griechisi-ches Natonalbewußtsein erst eigentlich hervorrief,352 andererseits dem türkischen Ver-waltungssystem, das den Gemeinden eine gewisse Selbstständigkeit beließ und die Or-thodoxe Kirche duldete, ja förderte und damit auch die griechische Sprache am Leben erhielt. Das kam nicht so sehr von der Menschenfreundlichkeit der neuen Herren, als vielmehr von ihrem Wunsch, mit möglichst geringem Aufwand zu regieren. Das ursprüngliche Ziel der fanatischen Moslems: Tod allen Ungläubigen ! konnte bei der wachsenden Zahl der eroberten christlichen Gebiete nicht mehr praktiziert werden. Als Ausweg erfand man die Kopfsteuer, mit der sich die christlichen Untertanen ihr an si-ch verwirktes Leben Jahr für Jahr von Sultan zurückkauften.

Überdies war es Mehmed II. selbstverständlich klar, daß nur die Kirchenspa-ltung West- und Osteuropa so weit voneinander getrennt hatte, daß Konstantinopel er-obert konnte, ohne daß das Abendland eingriff.

Mit der Formel ‘Lieber den Turban den Sultans als die Mitra des Paptes !’ hatte man in Konstantinopel die Unterwerfung unter den papstlichen Primat verweige-rt, der die Voraussetzung für eine Unterstützung gegen die Türken durch den Westen gewesen war. Es gehört zu den traurigsten Rezultaten dogmatischer Verhärtung in der abendländlischen Geschichte, daß sich diese Einschätzung der Lage durch die Byza-ntiner als durchaus realistisch erwies. Denn während also die griechisch-orthodoxe Ki-rche von der römischen verdammt und bekämpft wurde, fand sie bei den türkischen Moslems Unterstützung und Schutz. Das Patriarch von Konstantinopel wurde in allen Rechten bestätigt, der christliche Patriarch hatte zugleich den Rang eines türkischen Paschas von drei Roßschweifen. Mit Gennadios machte der Sultan genau den Mann zum Patriatchen, der auf dem Konzil von Florenz (1438-39), auf dem zum letzenmal (vergeblich) ein Versuch zur Einheit des Christentums gemacht wurde, die starre Linie der Orthdoxie vertreten hatte. Die hohe griechische Geistlichkeit genoß den Schutz des Regimes (solange sie ihm diente) und war ihm zugleich auf Gnade und Ungnade aus-geliefert (wenn sie sich zu widersetzen wagte). Ähnliches gilt von den Primaten, den führenden griechischen Familie, die, wenn sie nicht Geld und Kopf verlieren wollten, willfährige Diener der Sultan sein mußten. Da dies zugleich in ihrem Interesse lag, ge-hörte schon eine gehörige Portion von Patriotismus und Verschlagenheit dazu, griechi-sch zu denken und zu handeln und doch am Leben zu bleiben. Es ist also kein Wunder, wenn man die Primaten oft als >christliche Türken< brandmarkte, es ist andererseits offensichtlich, daß viele von ihnen die Unterdrücker, in deren Auftrag sie handelten und von deren Gnade sie abhingen, zu übertöpeln vermochten. Eine ganz besondere Virtuosität in dieser Hinsicht entwickelten die Maniatenbeys, die Fürsten der Halbinsel Mani am Südzipfel der Peloponnes, denen wir in unserer Geschichte noch mehrfach begegnen werden. Sie alle spielten ein doppeltes und dreifaches Spiel, in dem die Ur-enkel des Odysseus ihre ganze Schlaucheit zusammennehmen mußten, um zu überleb-en. Und viele von ihnen haben das gefährliche Unternehmen doch mit dem Tode bezahlt. (Aristid Vucetic 1935. Jahr schrieb, Odysseus war Irrfahrender in Adria, R.I.)

Noch mehr als die Primaten Griechenlands befanden sich die Phanarioten Konstantinopels in der Zwickmühle. Ihr Name kommt von Phanar her, dem Stadtvie-rtel, in dem sich das griechische Element Konstantinopels konzetrierte, und die führen-den phanariotischen Familie behaupteten, die letzten Abkömmlinge des byzantinischen Kaiser zu sein. Genealogisch ist dieser Anspruch meist nur mühsam zu beglaubiegen, aber die Phanarioten übernahmen doch die Tradition der byzantinischen Fürsten. Sie waren die gebildetste Schicht des Griechentums; sie waren Verräter an der griechi-schen Sache, indem sie den Türken in hohen Staatsstellungen dienten; doch nur weil sie Einfluß hatten, konnten sie ihren Landsleuten helfen, weil sie Geld hatten, konnten sie an europäischen Universitäten studieren und so später zusammen mit den aufge-klärten Auslandsgriechen das befreite Griechenland, dessen Entwicklung seit dem Mittelalter stillgestanden hatte, an die europäische Zivilisation heranführten. Die Pha-narioten machten sich als Dolmetscher und Diplomaten der Pforte unentbehrlich, und einige von ihnen schwangen sich schließlich zu Hospodaren353 auf, zu Fürsten, die pra-ktisch von Konstantinopel unabhängig die Fürstentürmen an der Donau- und an der Moldaumündung im damaligen russisch- türkischen Grenzgebiet beherrschten.354

Aber noch immer haben wir nicht alle Figuren des Spiels beisammen, das schließlich zum griechisches Aufstand und zur Berufung eines bayerischen Prinzen auf Hellas Thron führen sollte. Während die reichen, gescheiten und oft auch charakter-losen Phanarioten das Türkische Reich indirekt schwächten, indem sie für sich und ihre Familien Macht ansammelten und indem sie die Tradition der griechische-by-zantinischen Kultur weitertrugen (und zwar in der Höhle des Löwen, in Konstantino-pel selbst), flüchteten sich am geographisch und sozial anderen Ende Griechenlands arme Hirten, die nichts mehr zu verlieren hatten, in die Berge, um dort ein frees Leben zu führen: Klephten, Räuber zu Wasser und zu Lander. Sie erhielten soviel Zuzug dur-ch politische Flüchtling, daß der Schiimpfname Klephten (Räuber) auf die Dauer ein Ehrentitel, Bezeichnung für diejenigen, die die Freiheit gewählt hatten.355

Vier Elemente also retten in der Türkenzeit die griechische Welt vor dem Untergang: die Orthdoxie Kirche, die durch ihre Herkunft aus dem Cäsaropapismus356 des Byzantinischen Reiches zugleich auch die alte Reichsidee bewahrt; die Phanario-ten und die Primaten, die Bildung und Macht besitzen und damit tatsächlichen politi-schen Einfluß ausüben können; die Klephten, die arm, einfach, ungebildet, räuberisch und heldenmütig ein Leben archaischer Freiheit führten, und schließlich die Gemein-den, die sich großenteils selbstverwalten und so an die Polis-Idee der Antike anknüp-fen. Vier Elemente, die zueinander passen wie Feuer, Wasser, Luft und Ende.

Ihre Eroberungszüge hatte die Türken bis über die Donaumündung geführt, an die Westküsten des Schwarzen Meeres, auf die Halbinsel Krim. Sie waren damit Nachbarn und natürliche Gegner des Deutschen und des Russischen Reiches. Während aber die deutschen Kaiser sich als Nachfolger der Cäsaren fühlten und bezeichneten und eben daraus ihren Führungsanspruch über das Abendland ableiteten,357 überne-hmen die russischen Zaren die Tradition von Byzanz. Als Patriarch Jeremias 1588 vor den Türken nach Moskau flüchtete, weihte er den Mertopoliten Hiob als Patriarchen von Moskau und als Haupt der Griechischen Kirche in Rußland und verkündete: ‘Das alte Rom ist gefallen durch die apollinarische Häresie. Das Zweite Rom, das ist Konstantinopel, ist von den Hagarsöhnen, den gottlosen Türken, unterjocht. Dein gro-ßen russisches Reich, o frommer Herrscher, das Dritte Rom, überragt sie alle an Frö-mmigkeit, und alle frommen Reiche sind allein in deinem vereint, und du allein wirst unter dem Himmel christilicher Zar gennant in der ganzen Welt bei allen Christen’. Noch im Exil verkörperte der Patriarch von Konstantinopel nicht nur das griechische, sondern eben ganze morgenländische Christentum von Kleinasien biz zum Eismeer. (Rußische Kirche blieb es als einzige, Nachfolger Ochrids und Konstantinopels, R.I.)

War der Kampf gegen die Türken für das lateinische Abendland eine politi-sche Auseinandersetzung, so war er für die orthodoxen Russen zugleich ein ‘heiliger Krieg’, ein Befreiungsfeldzug für die unterdrückten Brüder im wahren Glauben. We-stliche Kreuzritter- hätte es sie noch gegeben- würden von der Grabskirche in Jerusa-lem geträumt haben. Östliche Kreuzzugspolitiker hatten die Hagia Sophia in Konsta-ntinopel im Visier. Das eine war ein frommer Wunsch, das andere ein konkretes Ziel. Denn Konstantinopel, das war ja nicht nur die Hagia Sophia, das war zugleich die He-rrschaft über die Dardanellen, der Zugang zum Mittelmeer, das Tor zur Welt.

Mit dieser >Notwendigen Vorerinnerung< (wie die Romantiker sagten) ist nun also in gröbsten Manier der Hintergrund gezeichnet, vor dem sich das philhelleni-sche Abenteuer der Wittelsbacher abspielte. Zwei Jahrtausende bauten an die Bühne, auf der dann in dreißig Jahren das Drama abrollte, von dem hier die Rede ist, das Dra-ma: Otto, König der Hellenen, oder: Wie die Bayern nach Griechenland kamen, was sie dort taten, wie sie vertrieben wurden und was von ihnen geblieben ist. Aber noch hat unser jugentlicher Held die Bühne nicht betreten.358

Die Venezianer mußten ihr politisches Kreuzzugspiel teuer bezahlen... Nach-dem die Inseln vor der kleinasiatischen Küste, nachdem Kykladen und Sporaden türkisch geworden waren, konzetrierte sich der Konflikt auf die beiden Sprungbretter zwischen Venedig und den Dardanellen, auf Korfu und Kreta. Kreta fiel in türkische Hand (nicht ohne Hilfe des phanariotischen Dolmetscher Panayiotis), Korfu konnte (unter dem Befehl des Grafen von der Schulenburg) aller Belagerung widersehen...von Korfu stammte der erste Präsident des befreiten Griechenland. Aber noch ist er, Graf Johann KAPODISTRIAS, nicht griechischer Präsident, sondern russischer Minister, Günstling des Zaren Alexander.

Am Ende des 18. Jahrhunders versuchten Rußland und Österreich gemein-sam, die orientalische Frage radikal zu lösen. Tie Türken sollten aus Europa vertrieben werden, ein neues Byzanz unter russischer Obhut enstehen, Serbien, Bosnien und Ve-netien an Östereich fallen...


Yüklə 1,22 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   19   20   21   22   23   24   25   26   ...   29




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©muhaz.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

gir | qeydiyyatdan keç
    Ana səhifə


yükləyin