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VL: Philosophie der Evolution
Gerhard Schurz
Hinweis:

Die schriftliche Version der Vorlesung wird nach und nach in Teilen hier eingestellt, sobald die entsprechenden Teile in einer vorläufigen aber lesbaren Form fertig gestellt ist.


Genaue Autorenangaben fehlen noch.

"xx" heißt, dass hier noch etwas einzutragen ist.


1. Von der Genesis zur Evolution: die Ablösung der Evolutionstheorie aus metaphysisch-normativen Entwicklungskonzeptionen
Eine vereinheitlichende Darstellung eines diversifizierten Gebietes zu leisten erfordert voralledem eine klar Darlegung der begriffliche Grundlagen. Daher beginnen mit dem Entwicklungsbegriff. So vertraut er scheint ist dieser Begriff an sich schon subtil. Dabei verstehen wir den Begriff als Oberbegriff: Evolution ist eine Unterart von Entwicklung, die auf bestimmte, in diesem Buch zu erläuternde Weise zustande kommt  obgleich wir zum Schluss des Buches erkennen werden, dass die meisten natürlichen und kulturellen Entwicklungen evolutionäre Grundlagen haben.

Unter Entwicklung verstehen wir jede nachhaltig gerichtete Veränderung von realen Systemen (d.h. strukturierten Mengen von Entitäten) in der Zeit. Das Subtile besteht darin, dass eine Veränderung, die nachhaltig  d.h. über längere Zeit hindurch  eine bestimmte Richtung besitzt, sich auf ein Ziel hinzubewegen scheint  was nicht impliziert, dass dieses Ziel ontologisch eigenständig existieren oder wirken muss, sondern nur, dass dieses Ziel sich als hypothetischer Endpunkt der bislang konstatierten Entwicklungsrichtung konstruieren lässt.

Entwicklung ist ein Phänomen, mit dem der Mensch in seiner natürlichen Umgebung von jeher und allerorten vertraut ist. Alle biologischen Organismen, Pflanzen und Tiere entwickeln sich, vom Keim bis zum erwachsenen Organismus; Menschen entwickeln sich, in Körper und im Geist; menschliche Gesellschaften entwickeln sich; und auch jede menschlichen Handlung ist eine Entwicklung, von der Idee bzw. dem Impuls über die Ausführung zum mehr-oder-weniger erwünschten Handlungsresultat. Auch im Bereich der nichtlebenden Gegenstände auf der Erde und im Kosmos zeigen sich Entwicklungen, wie das Werden der Nacht zum Tag, des Winters zum Sommer, der Wolken zum Regen, usw.. Diese Entwicklungen sind hier in große periodisch-zyklische Vorgänge eingebunden sind, wie die Tages- und Jahreszeiten. Dasselbe lässt sich aber auch von vielen biologische Entwicklungsprozessen sagen, wie etwa die Zyklen von Leben, Tod und Geburt. Demgemäß war es von Anbeginn der metaphysischen Spekulation eine kontroversielle Frage, ob der grundsätzliche Entwicklungsverlauf der Welt ein linearer oder zyklischer sei (Fn xx). Evolutionstheoretische gesehen lautet die Antwort übrigens weder-noch: der Entwicklungsverlauf hat vielmehr die Form eines sich verzweigenden Baumes; aber bis dorthin ist es noch ein weiter Weg.

Voralledem zeigen sich die vielen Entwicklungsprozesse in der natürlichen und sozialen Umgebung des Menschen als in hohem Maße planmäßig geordnet und aufeinander abgestimmt. Die Entwicklungsprozesse der Natur scheinen sich naiv betrachtet in einer Stufenleiter der nichtlebenden und mehr-und-mehr vollkommeneren Lebewesen niederzuschlagen, in einer Scala Naturae, wie man das in der Theologie- und Philosophiegeschichte nannte, die auf den Menschen hinbezogen ist, der ihre Spitze bildet. Insbesondere tragen auch alle prä-biologischen, physikalisch-chemisch-geologischen Prozesse auf der Erde, auch wenn sie keine zielgerichteten Entwicklungen sondern einfache Zyklen sind, zur zielgerichteten Entwicklung allen Lebens harmonisch bei: die Sonne gibt Licht und Wärme, der Regen Wasser, die Erde Nahrung für die Pflanzen, diese ernähren kleinere Tiere die wiederum größere Tiere ernähren, die Nacht lässt die Lebewesen schlafen und der Tag wachhalten, Bäume spenden Schatten, viele Kräuter sind zugleich Heilmittel, Stein und Holz dient dem Menschen zum Bauen, usw.  all dies ist so harmonisch aufeinander abgestimmt dass es erscheint, als entspränge es einem großen intelligenten Plan, oder, wie man im Englischen sagt, einem intelligenten Design.

Die allermeisten Ideen der vor-modernen Philosophiegeschichte sind Systematisierungen von Vorstellungen, die in der natürlichen Kognition des Menschen bzw. dem Common Sense verankert sind. Dies trifft auch auf alle vor-darwinistischen Entwicklungstheorien zu. Dementsprechend besprechen in den nächsten zwei Kapiteln Entwicklung, so wie sie der natürlichen Kognition des Menschen erscheint. Obwohl diese, wie kognitionswissenschaftliche Forschungen zeigen (xx), in vielerlei Hinsicht enorm leistungsstark ist, haben die besten wissenschaftlichen Theorien den intuitiven Rahmen der natürlichen Kognition überschritten  so wie die moderne Physik ist auch genuin-evolutionstheoretisches Denken, wie sich zeigen wird, der natürlichen Kognition schlicht fremd. Dementsprechend haben fast alle Philosophen und Wissenschaftler vor Darwin ein evolutionstheoretisches Verständnis von Entwicklung nicht gekannt oder als denkunmöglich abgelehnt, und viele Menschen tun dies heute noch. Versucht man, die Vielzahl der vor-darwinistischen bzw. nicht-evolutionären Entwicklungskonzeptionen zu systematisieren, so kristallisieren sich letztlich zwei große Familien von Entwicklungstheorien heraus, die gleichzeitig prototypisch zwei historischen Epochen zugeordnet werden können, der Antike einerseits, und der vor-modernen christlich-fundierten abendländischen Denken andererseits. Abb. 1 stellt diese zwei großen Entwicklungskonzeptionen schematisch dar; zusätzlich sind weitere Modellvorstellungen von Veränderungsprozessen eingetragen, die dem Common Sense zufolge unmöglich Entwicklung beschreiben können.
Teleologie: Entwicklung kommt durch eine zielgerichtete Entwicklungskraft

zustande. Analogie: Wachstumsprozess eines Organismus. (Aristoteles  Antike)


Kreationismus: Entwicklung als planvoller Schöpfungsakt eines intelligenten We-

sens, oder dessen Resultat. Analogie: geplante Handlung (christliches Mittelalter

und prä-moderne Neuzeit)

nein!


Mechanisch-deterministische Entwicklung von letztlich durch Zufall gegebenen Ausgangsursachen unmöglich: Zielgerichtheit und planvolle Geordnetheit kann auf diese Weise nicht zustande kommen.
Evolutionstheorie mehr-oder-weniger außerhalb der Vorstellungskraft
Abb. 1: Zwei nicht-evolutionäre Familien von Entwicklungstheorien der natürlichen Kognition, und zwei nicht in Frage kommende Alternativen
Die Aristotelische Teleologie, die im nächsten Kapitel besprochen wird, postuliert eine eigene Art von Zweckursache bzw. Zielkraft, welche die Entwicklung in Richtung auf das Ziel hinzieht. Der religiöse bzw. christliche Kreationismus, die im übernächsten Kapitel behandelt wird, nimmt dagegen ein höheres intelligentes Wesen an, welches die planvolle Entwicklung der Welt intentional, also absichtsvoll herbeigeführt hat. Beide Entwicklungsansätze gibt es in zahlreichen konkret-naiveren oder abstrakt-rationalisierteren Versionen, aber die beiden Kerngedanken sind allen diesen Versionen gemeinsam. Die historische Zuordnung ist natürlich nur mehrheitlich zu verstehen  auch in der Antike hat es kreationistische und in der Neuzeit teleologische Ansätze gegeben. Eine mechanistische Erklärung durch Zufall und Notwendigkeit von Entwicklung wurde dagegen bis vor Darwin mit ganz wenigen Auswegen als denkunmöglich abgelehnt, denn diese Erklärung wurde immer nur im Sinne der oberen strichlierten Alternative gesehen, als eine mechanisch-determinierte Entwicklung aufgrund einmalig-zufälliger und somit astronomisch unwahrscheinlicher Ausgangsursachen  gleichsam als wenn durch Zufall Milliarden von Atomen so zusammengewürfelt werden, dass sie einen Menschen ergeben  wogegen der evolutionstheoretische Ansatz so gut wie ganz außerhalb des begrifflichen Denkrahmens lag.



1.1 Zielgerichtete Bildungskraft: Teleologie bei Aristoteles und ihre Varianten


Aristoteles (384-322) war der erste und wichtigste wissenschaftliche Philosoph der Antike. Verglichen zu seinem Lehrer Platon war Aristoteles wesentlich erfahrungsnäher orientiert. Für Aristoteles spielten biologisch-organistische Denkmodelle eine starke Rolle spielten. Deshalb nennt Mayr (866) Aristoteles einen philosophierenden Biologen, obwohl Aristoteles nicht nur das biologische, sondern das gesamte Wissen seiner Zeit systematisierte. Um die Aristotelische Teleologie zu verstehen, beginnt man einfach der Aristotelischen Kausalitätslehre, die dieser in seiner Metaphysik vornimmt. Aristoteles unterschiedet nämlich vier Arten von Ursachen, von alle vier bei allen Arten von Geschehnissen beteiligt sind:

Ursachenart (Erläuterung) Am Beispiel der Herstellung eines Möbelstücks

Stoffursache, causa materialis Das bearbeitete Holzmaterial

Formursache, causa formalis  Bewegungsgesetz Die Bewegung des Hobelns

Wirkursache, causa efficiens  auslösende Ursache Die den Hobel antreibende Muskelkraft

Zweckursache, causa finalis  Teleologie Das Möbelstück, das der Tischler herstellen möchte.
Während die ersten drei Ursachearten sich im Rahmen physikalisch-mechanischer Kausalität verstehen lassen, erscheint Aristoteles die Annahme einer vierten, nicht auf physikalische Kausalität zurückführbaren Ursachenart unerlässlich, um alle zielgerichteten Entwicklungsprozesse in der Natur erklären zu können. Diese vierte Ursachenart, die Zweckursache, ist die Grundlage von Aristoteles' Teleologie (telós  das Ziel). Physikalische Ursachen wirken immer zeitlich vorwärtsgerichtet, von der Vergangenheit in die Zukunft. Die genaue Deutung der Aristotelischen Zweckursache ist jedoch unklar. Am Tischerbeispiel könnte jemand argumentieren, was wirklich wirkt, sei nur die subjektive Vorstellung des herzustellenden Möbelstückes im Bewusstsein des Tischlers, und diese wirkt auf gewöhnliche zeitlich-vorwärtsgerichtete Weise. Doch Aristoteles' Zweckursachen sind nicht auf bewusste Zielvorstellungen beschränkt. Auch im Falle des Wachstums einer Pflanze ist es nach Aristoteles die vollendete Pflanzenform, welche als Zweckursache die keimende Pflanze antreibt, ohne dass damit eine bewusste Vorstellung und Absicht der Pflanze verbunden wäre. Daher lassen Aristotelische Zweckursachen im wesentlichen zwei metaphysische Deutungen zu: Erstens, man konzipiert die teleologische Kraft als eine zeitlich rückwärtsgerichtete Kausalität, in der das zukünftige Ziel die Prozesse der Vergangenheit zu sich heranzieht (s. hierzu von Wright xx). Oder, man fast die teleologische Kraft als eine intelligente zeitlich vorwärtsgerichtete Kraft, welche die gegenwärtigen Geschehnisse in Richtung des höheren Ziels hintreibt, was die Intelligenz erfordert, immer zu 'wissen', wo sich dieses Ziel in Relation zum gegenwärtigen Zustand befindet. Beide alternativen Versionen von Teleologie scheinen jedenfalls mit einer physikalisch-mechanischen Kausalitätsvorstellung kaum vereinbar zu sein.

Jedenfalls ist es das Kennzeichen Aristotelischer Teleologieansätze, welche diesen von dem in nächsten Abschnitt besprochenen Kreatonismus unterscheidet, dass zielgerichtete Entwicklungsprozesse damit auch erklärbar sind, ohne ein intelligentes Wesen zu postulieren, dass diese Prozesse absichtsvoll herbeigeführt hat. Verwandt mit teleologischen Theorien sind die Reifungstheorien der Entwicklung, nach denen sich das im Organismus entfaltet, was in dessen Keimanlagen schon angelegt ist. Hier ist jedoch eine subtile Unterscheidung nötig. Reifungstheorien lassen sich durchaus auch rein mechanisch verstehen, wenn man annimmt, dass den Keimanlagen schon alles enthalten sei, was die weitere Entwicklung der Pflanze determiniere, in Analogie zu einem Computerprogramm, das nur noch per Knopfdruck ausgelöst werden muss, um den weiteren Entwicklungsverlauf programmgemäß abspulen zu lassen. In diesem Fall wäre zwischen einem komplizierten mechanischen Prozess und einem organischen Wachstumsprozess kein Unterschied mehr, und eine eigene teleologische Kraft wäre unnötig. In der Tat hatte Aristoteles dieses Problem überdacht, und er argumentierte, eine reine Reifungstheorie wäre zum Scheitern verurteilt, denn sie müsse in folgende Antinomie führen (s. Crombie 150): wenn nämlich alle Teile des Erwachsenen be­reits in seinem Samen ansatzweise da wären, dann müsste auch dessen Samen im Samen ansatzweise da sein, und der Samen des Samen im Samen, usw.  in Analogie zu einem Bild, das sich selbst als echter Teil vollständig enthält, und das demnach in seinem Bild wieder sein Bild, und darin wieder sein Bild enthalten, müsste, usw. ad infinitum. Offenbar führt dies in einen unendlichen Regress und ist daher, wie Aristoteles folgert, denkunmöglich. Die Situation ist in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2 Die Antinomie der puren Reifungstheorie: das Bild im Bild (GödelEscherBach?).
Daher lehnte Aristoteles diese Auffassung ab: in Reifung vom befruchteten Samen zum Erwachsenen müssten vielmehr Teile neu ent­stehen. Und damit diese zielgerichtet entstehen, bedarf es der teleologischen Kraft. Man kann dann immer noch im übertragenen Sinn von einer Reifung bzw. Entfaltung sprechen, aber nun von der Entfaltung einer angelegten Potentialität, bei der eben im Keim noch nicht alles schon aktual fixiert ist, was daraus werden soll, weshalb eben eine zielgerichtet-lenkende teleologische Kraft nötig ist.

Auch aus moderner Sicht ist die Aristotelische Reifungsantinomie interessant. Zunächst lässt sie sich nicht einfach dadurch lösen, dass man argumentiert, der Samen müsse doch nicht dem Endprodukt bildlich gleichen, so wie ein Bild im Bild. Es genügt, anzunehmen, das die Struktur des Samens die der erwachsenen Pflanze isomorph (d.h. strukturanalog) abbildet und daher mindestens dieselbe Komplexität wie diese besitzt. Auch dann ergibt sich für ein Wesen endlicher Komplexität aus der Annahme, es besäße einen echten Teil, der gleich komplex wäre die das Ganze, sofort ein unendlicher Regress bzw. eine Unmöglichkeit (vgl. Breuer xx). Aus moderner Sicht löst sich das Problem jedoch dadurch, dass die wachsende Pflanze ständig Komplexität (bzw. negative Entropie) aus der Umgebung, in Form von Nahrung und Sonnenlicht, zu sich nicht, und das Entwicklungsprogramm nur dazu dient, diese aufgenommene Komplexität richtig einzubauen, sodass dieses Programm eine niedrigere Komplexität besitzen kann wie die erwachsene Pflanze. Dennoch schein klar zu sein, dass offene Systeme, die sich selbst reproduzieren können, eine sehr hohe Komplexität besitzen müssen. Von Neumann versuchte als erster, eine Energie aufnehmende Maschine am Reißbrett zu konstruieren, die sich selbst reproduzieren kann, mit dem Ergebnis, dass der für die Selbstreproduktion zuständige Maschinenteil mehr als 100mal zu komplex war die der gesamte Rest. Conway (Dennett 335ff) hat einen auf zellulären Automaten basierendes Computerspiel namens Life ersonnen, in dem sich Zellen in diskreter Zeit auf einem zweidimensionalen Schirm fortbewegen und abhängig von der Existenz von Nachbarzellen entweder überleben oder ausgelöscht werden. Ab Zellanordnungen von über 1000 mal 100 Zellen bilden sich interessante Makrostrukturen heraus (Freezers, Gliders, Eaters ), und es gelang sogar, Systeme zu ersinnen, die sich selbst reproduzieren, aber erst ab einer Komplexität von über Millionen mal Millionen Zellen.

Zurück zu Aristoteles, dem Vater der Teleologie. Es gibt eine interessante Stelle, an der Aristoteles fragt, ob nicht eine Naturerklärung auch ganz ohne Zweckursa­chen auskäme  und Aristoteles' Ausführungen sind so typisch für das Denkproblem, dass der Common Sense bis vor Darwin damit hat, gerichtete Entwicklung ohne Zielkräfte oder intentionale Intelligenzen zu erklären (Physik, 198b 16 - 199a 20, zit. nach Sambursky: 96f):
Es erhebt sich nun die Frage, warum man nicht annehmen kann, dass die Natur ohne Zweck wirkt und nicht, weil es so besser ist, sondern lediglich aus Notwen­digkeit: so regnet es etwa vom Himmel herunter, nicht damit das Getreide wächst, sondern weil die aufgestiegene Luft notwendigerweise abkühlt, die abge­kühlte Luft Wasser wird und als Wasser wieder herunterkommt; nur nebenbei ergibt es sich, dass das Getreide wächst, wenn dies geschieht. Dasselbe gilt, wenn etwa einem Bauern das Getreide in der Scheune verfault; es regnet ja nicht, damit das Getreide verfault, sondern beim Regen ergibt es sich eben so. Dement­sprechend scheint auch nichts die Annahme zu verbieten, dass es sich mit den Teilen eines lebenden Organismus gleich verhält, etwa dass notwendigerweise die vorderen Zähne scharf sind und geeignet, die Speise zu zerkleinern, die hinteren aber breit und tauglich dazu, die Nahrung weich zu machen; die Zähne sind nicht etwa um dieses Zweckes willen so gestaltet, sondern es hat sich bloß so ergeben.
Aristoteles fährt fort  und seine Widerlegung dieser Auffassung ist das schon erläuterte Argument des Designs oder der Geordnetheit:

Es ist jedoch unmöglich, dass es sich auf diese Weise verhält. Diese Dinge nämlich und alles, was von Natur ist, entsteht immer auf diese Weise oder doch minde­stens in der Mehrzahl der Fälle; bei dem jedoch, was zufällig und von selbst ent­steht, ist dies niemals der Fall. Es sieht nämlich durchaus nicht nach einem Zufall oder nach einem bloßen Zusammentreffen aus, wenn es im Winter immer wieder regnet, sondern nur, wenn dies in den Hundstagen [= die heißesten Sommertage, d.A.] geschieht. Ebenso ist die große Hitze kein Zufall in den Hundstagen, wohl aber im Winter. Wenn nun diese Er­scheinungen nur entweder zufällig oder auf einen bestimmten Zweck hin entste­hen können, und wenn es unmöglich ist, dass sie durch ein bloßes Zusammentref­fen und von selbst entstehen, so bleibt doch wohl nur die Annahme übrig, dass sie um eines Zweckes willen entstehen.


Aristoteles weiß sehr wohl, dass nicht jeder Prozess einen guten Zweck hat, wie etwa, wenn der Regen das Getreide zum Verfaulen bringt, statt die Pflanzen wachsen zu lassen. Aber er meint, die zweckgerichteten Prozesse seinen zumindest in der überragenden Mehrheit, und es sei ausgeschlossen, dass sie alle auf diese Weise, durch Zufall & mechanische Folgewirkung, zustande kommen. Mayr (305) meint, Aristoteles wäre zwar im Prinzip aufgrund seiner biologischen Orientierung dafür geeignet gewesen, eine Evolutionstheorie zu entwickeln; aber die der natürlichen Kognition innewohnenden und vermutlich angeborenen Ideen und Konzepte von Entwicklung waren in ihm so stark, dass sie die Konzeption einer Evolutionstheorie blockiert haben. Bis heute ist das Design-Argument eine Hauptblockade für das Verständnis der Evolutionstheorie (Mayr 309), deshalb war ihre Ausbreitung so schwierig und so vielen ideologischen Missverständnisse Kampfesansagen ausgesetzt.

Seit der Antike bis in die späte Neuzeit gibt es die Vorstellung von Urzeugung, wonach primitives Leben spontan aus unbelebter Materie entsteht. Diese Vorstellung scheint dem Common Sense zufolge ja auch empirisch belegt zu sein, denn wie beobachten, dass sich auf organischem Material spontan Schimmelpilze bilden, aus Erde spontan Grünes herauswächst, usw. Die Annahme von Urzeugung, von spontaner Umwandlung und unbelebter in primitiver belebter Materie, ist im teleologischen Weltbild ein notwendiger Bestandteil des teleologischen Gesamtprozesses der Natur, die sich niederen zu immer höheren Wesensformen fortentwickelt bis hin schließlich zur reinen Form, zur göttlichen Vernunft (Aster 86-89). Im kreationistischen Weltbild ist die Annahme von Urzeugung dagegen nicht notwendig: in biblischer Vorstellung hat Gott die verschiedenen Lebewesen in separaten Schöpfungsakten geschaffen wurden, ohne dass sich diese aus nichtlebenden Materie sich entwickeln mussten  dennoch gibt es, wie wir sehen werden, auch Varianten des Kreationismus, in denen solche Vorstelllungen eine Rolle spielen können. .

Die Konzeption der Teleologie, welche die Antike beherrschte, wird für uns Menschen von heute verständlicher, wenn man bedenkt, dass von den frühesten Weltbildern der späten Steinzeit bis zur Neuzeit das animistische Weltbild, also die Vorstellung der Beseelheit von Natur und Naturvorgängen, ein weithin akzeptiertes Erklärungsmodell war. Die ersten menschlichen Erklärungsversuche der Natur erfolgen nach Topitsch (xx) durch Projektion dessen, was dem Menschen am Vertrautesten ist, auf die Natur  und am Vertrautesten ist dem Menschen einerseits die eigen- oder fremdpsychische Erlebnissphäre und die Sozialsphäre (Topitsch spricht von soziomorphen, biomorphen und technomorphen Projektionen). Wenn es hinter den Naturerscheinungen strebende absichtsvolle Seelen gibt, dann ist die Konzeption einer zielgerichteten Naturentwicklung insgesamt an sich nahe liegend. Freilich stellt sich auch im Animismus das Problem, wie die verschiedenen beseelten Einzelwesen in Harmonie sich zu einem Gesamtplan ergänzen können  im Aristotelischen Weltbild leistet dies die teleologische Kraft; im Kreationismus dagegen ein über allem stehendes intelligentes Wesen.

Die Ontologie und die Klassifikation der biologischen Arten, und der Substanzarten insgesamt, stand von je her in Abhängigkeit zu den jeweils akzeptierten Entwicklungstheorien. Es sei daher an dieser Stelle verdeutlicht, wie weit bzw. wenig weit die Ontologie und Systematik des Aristotelischen Weltbildes entwickelt war. Die Ontologie der nichtlebenden Substanzen, sozusagen die Aristotelische Chemie, unterschied lediglich vier Arten von Grundelementen (s. Crombie 128), denen zugleich die vier heiligen Farben der Alchemie) und die vier grundlegenden Körpersäfte der Organismen zugeordnet waren. Jede medizinische Behandlung hat Ziel, ein Gleichgewicht dieser vier Elemente bzw. Säfte (wieder)herzustellen. Die vier Elemente wurden überdies auf unterschiedliche Kombinationen von nur zwei Grundqualitäten zurückgeführt:



Die vier Elemente Farben Körpersäfte Qualitäten

Wasser weiß Schleim kalt trocken

Erde schwarz schwarze Galle kalt feucht

Luft gelb gelbe Galle heiß feucht

Feuer rot Blut heiß trocken
Abb. 3: Die bis in die frühe Neuzeit akzeptierte Ontologie
Akzeptiert war weiterhin die folgende Scala Naturae (Crombie xx):
Die Hierarchie des Seienden Die Hierarchie des Geistigen

Anorganisch

Vegetativ Vegetativer Geist

Animalisch Animalischer Geist

Rational Rationaler Geist
Abb. 4: Die bis in die frühe Neuzeit akzeptierte Sclala Naturae.
Die Aristotelische Ontologie hatte sich bis in die frühe Neuzeit kaum verändert. Dasselbe gilt für die wie Aristotelische Klassifikation der Tiere (Crombie 145, Mayr 866):
Linke
Abb. 5: Die Aristotelische Klassifikation der Tiere (mit Abwandlungen bis ins 17. Jahrhundert akzeptiert)
Aristoteles' Klassifikation der Wirbeltiere hat sich bis ins 18. Jahrhundert gehalten. Seine Unterscheidung von Bluttieren und Blutlosen wurde erst von Lamarck in Vertebraten und Invertebraten umbenannt (Mayr 152). Offenbar stimmt die Klassifikation der Wirbeltiere in vielen Hinsichten mit der heute akzeptierten Klassifikation überein. Angesichts der Tatsache, dass Aristoteles nur ca. 600 Tierarten und noch weniger Pflanzenarten kannte, und diese hauptsächlich nur aus seinem geographischem Gebiet stammten, ist dies erstaunlich (Mary xx)  und wohl damit zu erklären, dass der Mensch aufgrund seiner Evolution mit den ihn umgebenden Wirbeltieren sehr vertraut ist. Allerdings werden aus heutiger Sicht biologisch bedeutsame Merkmale mit superfiziellen Merkmalen (wie z.B. behaart vs. unbehaart) durchwegs vermengt. Die Aristotelische Klassifikation der Wirbellosen ist dagegen sehr weit von heutiger bzw. spät-neuzeitlichem Wissen entfernt (s. unten).

Die Klassifikation der Pflanzen war bei Aristoteles unterentwickelt und wurde in der Antike von Theophrast (372-288) zu primär medizinischen Zwecken eingeführt und darauf aufbauend von dem spätmittelalterlichen wissenschaftlichen Philosophen und Wissenschaftler (1206-1280) wir folgt entwickelt (Crombie 145):

Linke

Abb. 6: Klassifikation der Pflanzen nach Albertus Magnus (wurde schon im 17. Jahrhundert erweitert)


Zentrale heute akzeptierte Unterscheidungen, wie die zwischen Nicht-Samenpflanzen (Bakterien, Algen, Pilze, Flechten, Moose, Farne) und Samenpflanzen, und unter letzteren die zwischen nacktsamigen (Nadelbäumen) und bedecktsamigen Pflanzen fehlen in dieser Klassifikation. Die Merkmale 'blatttragend' und 'blütentragend' sind heute keine Klassifikationskriterien, denn auch Farne haben Blätter, und Moose Blüten. Anderseits ist die Unterscheidung der (bedecktsamigen) Pflanzen in einkeimblättrige und zweikeimblättrige noch heute akzeptiert; wogegen die Unterscheidung in 'krautige' vs. 'holzige' superfiziell ist. Nebenher sei daran erinnert, dass Aristoteles in seiner Fortpflanzungstheorie annahm, nur der männliche Samen enthielte die Anlagen, welche Form und Ziele der Entwicklung bestimmen; das weibliche Ei liefere dagegen nur das Substrat. Bereits Galen (129-200 n. Chr.) hatte Aristoteles in dieser Auffassung korrigiert; er fand heraus, dass auch das weibliche Ei an der Formentwicklung beteiligt ist.

Das biologische Klassifikationsprinzip des Aristoteles gründete sich auf der Lehre des Essentialismus. Dieser Lehre zufolge, die bis vor kurzem noch die Metaphysik bestimmte, lassen sich die Eigenschaften von jedem Organismus, und von jeder Substanzart insgesamt, in essentielle (oder Wesenseigenschaften) versus akzidentelle (oder mehr-oder-minder zufällige) Eigenschaften unterteilen. Die essentiellen Eigenschaften bestimmen Wesen und die Identität des Organismus bzw. der nichtlebenden Substanzart. Im Fall biologischer Spezies bestimmen die essentiellen Eigenschaften seine Artzugehörigkeit und werden somit bereits durch den Keim des Organismus festgelegt, bzw. (wie man heute sagen würde) vererbt. Alle Individuen derselben Spezies haben dieselben essentiellen Eigenschaften und unterscheiden sich nur in ihren akzidentellen Eigenschaften  diese sind nicht vererbt, sondern variieren mit den unterschiedlichen Umgebungseinflüssen. Nur unterschiedliche biologische Genera, also über der Speziesebene stehende Gruppierungen wie z.B. Katzen versus Hunde, oder Vögel versus Säugetiere, unterscheiden sich in ihren essentiellen Eigenschaften.

Für Mayr ist der Essentialismus ein Haupthindernis für das vor-drainistischen Denkens, zum evolutionären Denken vorzudringen (Mayr xx). Es ist wichtig zu sehen, dass der Essentialismus in der Teleologie und wie im Kreationismus fest verankert ist, in beiden Weltbildern aber verschieden begründet wird. In der Teleologie legen die essentiellen Eigenschaften die Ziele der teleologische Entwicklungsrichtung des jeweiligen Wesens fest; die teleologische Kraft bewirkt, dass seine Entwicklung sich auch wirklich zu diesen Zielen hin bewegt. Im kreationistischen Modell wurden dagegen diese essentiellen Eigenschaften vom Schöpfen planvoll in den Organismus hineingelegt und liegen dort, so wie Gott sie konzipiert hat, unveränderlich fest. Im Modell der Urzeugung des teleologischen Weltbild gibt es dagegen auch die Möglichkeit einer Neuentstehung von essentiellen Eigenschaften.

Natürlich waren, wie schon oben erwähnt, nicht alle philosophischen Denkansätze der Antike teleologisch  wenngleich die Aristotelische Teleologie vorherrschend war und sich in ähnlichen Varianten bei zahlreichen anderen Philosophen findet (z.B. im Nous des Anaxagoras, xx). Es gab sogar die bekannten rein mechanistischen Erklärungsansätze, die insbesondere von Demokrit (460-380), dem Schüler des Keukipp, ausgearbeitet wurden, und in erstaunlicher Weise das moderne naturwissen­schaftliche Denken vorweggenommen hatten. Eine evolutionäre Konzeption findet sich jedoch auch dort nicht, und insgesamt konnten sich diese mechanistischen Konzeptionen nicht durchsetzen. Dagegen hat das zweite vor-evolutionäre bzw. Common-sensistische Entwicklungsmodell, der im nächsten Abschnitt besprochene Kreationismus, bereits in der Antike berühmte Vorfahren, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden.


1.2 Der planvolle Schöpfungsakt: Varianten des Kreationismus
Auch das zweite vor-darwinistische Entwicklungsparadigma, der Kreationismus, war natürlich bereits in der Antike vorhanden, erfuhr seine volle Entfaltung und Aus-Rationalisierung aber erst im Mittelalter, die europäisch-abendländische Epoche zwischen Antike und Neuzeit, in der sämtliche Wissenschaften sich auf die christliche Religion stützen bzw. theologisch mitbegründet wurden. Der gemeinsame Kern des kreationistischen Paradigmas, in Abgrenzung zum teleologischen, lässt sich so formulieren: es gibt in diesem Paradigma keine Zielursachen, sondern nur intelligente Erstursachen, oder anders gesprochen, keine post-Determination durch Ziele, sondern nur prä-Determination durch Erstursachen, allerdings nicht durch physikalische Erst-Ursachen. sondern durch intelligente Über-Wesen. Man kann den Unterschied mithilfe der Stegmüllerschen Unterscheidung von zielgerichteten und zielintendierten Entwicklungsprozessen auch so wiedergeben (Stegmüller 1969, xx): der Teleologie zufolge gibt es genuin zielgerichtete Entwicklungen (z.B. das Wachstum einer Pflanze), die nicht zielintendiert sind. Dem Kreationismus zufolge sind dagegen alle zielgerichteten Naturvorgänge auch zielintendiert, d.h. das Resultat des absichtsvollen Plans eines (oder mehrere) intelligenter Wesen(s) bzw. Über-Wesen(s). Letztlich ist das kreationistische Paradigma in der Form des Götterglaubens sowohl einfacher wie historisch älter als das teleologische Paradigma. Die antiken Philosophien zeichnen sich ja allesamt durch ein hohes Maß an Rationalisierung und somit durch eine Abkehr von naiven Götterbildern aus. In der Antike hatte Platon (427-348), der Lehrer des Aristoteles, das kreationistische Paradigma in abstrakter Form rationalisiert, nämlich in Form seiner bekannten ewigen göttlichen Ideen, welche alles irdische Werden prä-determinieren. Da die Relation zwischen Idee und Realphänomen die einer Prä-Determination ist, kann auch Platons Ideenlehre als abstrakte Abart des kreationistischen Paradigmas verstanden werden, wenngleich kein personaler Schöpfungsakt involviert ist, aber doch die Relation der Prä-Determination. Platons Ideen sind zwar göttlicher Natur  doch sie deuteten nicht auf eine einzige Gottheit hin, so wie im Christentum, denn die antike und römische Religion war bekanntlich polytheistisch, im Gegensatz zum Monotheismus von Judentum, Christentum und Islam. Wie leicht sich aber Platons Philosophie mit der christlichen Version des Kreationismus vereinigen lässt, hat später Plotin (203 n. Chr.xx) gezeigt: in seinem 'Neuplatonismus' entwickelte er die Synthese von Vernunft und Religion, und an der Spitze der platonischen Ideen steht bei ihm die christliche Gottheit.

Während die Philosophie des europäischen Mittelalters sich auf eine Rationalisierung des Christentums beschränkte, gestützt auf die Autorität der heiligen Schriften, wurde das großartige Wissen der Antike für lange Zeit in den Händen der Araber und Perser weitertradiert und war bis ins 12. Jahrhundert dem mittelalterlichen Europa weitgehend unbekannt  unter anderem deshalb, weil die Christen jahrhunderte­lang Glaubenskriege mit den Mohammedanern führten (s. Crombie: 39-44). Vermehrt ab dem 12. Jahrhundert entwickelten sich umfangreiche Handelsbeziehungen mit dem arabischen Raum, und viele Mönche machten sich Reisen zum Lebenszweck, die unentdeckten arabi­schen Schriften für das Christentum zu erobern. Ganze Schiffsladungen von antiken Schriften ins mittelalterliche Europa. Aristoteles, der im gesamten antik-griechischen und arabischen Raum als überragende Autorität anerkannt war, wurde auch von den autoritätsorientierten spätmittelalterlichen Gelehrten als solche anerkannt1, und man versuchte, Aristoteles' Lehren mit denen des Christentums zu vereinen, was jedoch große Schwierigkeiten bereitetet und gewissermaßen eine spätmittelalterliche geistige Revolution auslöste, von der das folgende Gespräch einen Eindruck vermittelt, das in den "Quaestiones Naturales" von Adelard von Bath aufge­zeichnet wurde. Der weitgereisten Adelard führt die neuentdeckten Ideen der Araber und Griechen seinem zu Hause gebliebenen Neffen vor, der die traditionel­len christlichen Ideen brav einstu­diert hatte, und den Onkel fragt (zit. nach Crombie: 27f):


Warum sprießen die Pflanzen aus der Erde? ... Wenn zuerst die Oberfläche der Erde glatt und unbewegt ist  was ist es, das dann bewegt wird, nach oben drängt, wächst und Zweige ausbrei­tet?... was für einer anderen Ursache kannst du das zuschreiben als der unfassbaren Wirkung des wunderbaren göttlichen Willens?
Adelard antwortete dass es sicherlich der Wille des Schöp­fers sei, dass Pflanzen aus der Erde sprießen sollten, aber er bestand auf seiner Meinung, dass dieser Prozess "außerdem nicht ohne eine natürliche Ursache" vor sich gehe (Crombie 27f). Als sein Neffe meint, ob es nicht besser sei, alle Vorgänge im Universum Gott zuzuschreiben, da man nicht für alle Vorgänge natürliche Er­klärungen beibringen könne, antwortet Adelard:
Ich ziehe von Gott nichts ab. Alles, was ist, ist von ihm und durch ihn. Aber die Natur ist nicht verworren und systemlos, und so weit die menschliche Erkenntnis vorgedrungen ist, sollte man auf sie hören. Nur wenn sie gänzlich versagt, sollte man zu Gott seine Zuflucht nehmen.
Es wird deutlich, wie sich bei Adelard eine Haltung abzeichnet, in der Gott aus dem wissenschaftlichen Erkenntnisgeschäft gänzlich abgezogen und ihm nur subjektiver Glaubenswert, aber kein Erklärungswert mehr zugesprochen wird.

An dieser Stelle ist es nützlich, dass wir uns vier idealtypische Auffassungen von gläubigen Menschen zur christlichen Religion bzw. zur Religion überhaupt darlegen. Erstens unterscheidet man zwischen einem (naiveren) Theismus, der einen personalen Schöpfergott annimmt, welcher immer wieder in den Weltverlauf, hilfreich oder strafend, eingreifen kann, und einem (abstrakteren) Deismus, dessen a-personaler Schöpfergott zwar die Welt einmal geschaffen hat, sich dann aber zurückzieht und jedenfalls nicht in ständigem persönlichen Kontakt zum Menschen steht. Sowohl Platons Ideenlehre wie die eben skizzierte Position des Adelard von Bath ist hier eindeutig dem Deismus zuzuordnen; das christliche Mittelalter dagegen überwiegend dem Theismus. Zweitens kann man zwischen strikteren versus liberaleren Auffassungen des Wahrheitsanspruches der heiligen Schrift unterscheiden. Während die striktere Auffassung die heilige Schrift wörtlich auslegt, erlauben liberalere Auffassungen eine metaphorisch-gleichnishafte Auslegung, in der die dort vorfindbaren Zeitangaben nicht wörtlich ausgelegt werden müssen. Beispielsweise hat sich die offizielle päpstliche Lehre des Katholizismus zu einer vergleichsweise liberalen Auffassung durchgerungen, während der heute in den USA lautstark auftretende Kreationismus zu wörtlichen Bibelauslegungen zurück will, und damit den Widerspruch zu naturwissenschaftlich etabliertem Wissen provoziert. Je mehr naturwissenschaftliches Wissen in Konflikt mit dem Wortlaut der heiligen Schrift gerät, desto mehr impliziert der Deismus auf eine liberalere Auslegung  und zweifellose vertrat Adelard wie viele andere spätmittelalterliche und neuzeitliche gläubige Wissenschaftler, wie wir sehen werden, eine liberale Auslegung, wenngleich Adelard damals nicht bewusst, in welchem Maß dies später der Fall sein sollte.

Man muss sich vor Augen halten, dass Biologie erst ab ca. dem 16. Jahrhundert als eigenständige Wissenschaft anerkannt war. Bis ins 13. Jahrhundert war das interessierten sich die Gelehrten an Botanik aus medizinischen Gründen, aufgrund ihrer Verwendung als Heilkräuter, und das Interesse an Zoologie entsprang vorwiegend dem Interesse an moralisierender Unterhaltung. Tierschauen mit exotischen waren in Kaiserhäusern und auch im Vatikan seit langem üblich; sie waren die Vorläufer moderner Zoos. Klöster und Kirchen hatten in ihren Gärten Sammlungen verschiedenster selten Naturpflanzen und Zuchtpflanzen. Der schon erwähnte Albertus Magnus (1206-1280) begann als erstes mit der systematisch-wiss. Analyse und Klassifikation der Pflanzen um ihrer selbst Willen (und nicht nur zu medizinischen Zwecken). Im Denken des Dominikaners Albertus Magnus gerieten die beiden großen vor-dar­winistischen Entwicklungstheorien, die Teleologie und der christliche Kreationismus, zum ersten Mal in enge Berührung und voralledem in Konflikt (Crombie 144). Albertus war klar, dass die Lehren des Aristoteles, bestenfalls mit einem Deismus zu vereinbaren waren, aber nicht mit einer wörtlichen Auslegung des Genesis. Beispielsweise war die Wandelbarkeit von Arten durch Züchtung schon seit der Antike bekannt, und auch Albertus wusste davon. Wandlung von Arten in Richtung Vervollkommnung bzw. Veredelung passte bestens ins Aristotelische Bild der Teleologie, aber war mit der biblischen Schöpfungslehre unvereinbar, denn Gott hat die biologischen Arten nur einmal geschaffen, am xx Tag die Pflanzen ... und am xx Tag die xxx, und seit damals sind die Arten so wie Gott sie schuf. Schon Augustinus schlug folgenden Kompromiss vor, um die Genesis mit der Wandelbarkeit von Arten in Einklang zu bringen: am 6. Tage hätte Gott die Tiere nur in ihren seminalen Ursachen, d.h. in ihren Keimen, geschaffen, worauf sie erst nach und nach in Erscheinung traten. Albertus Magnus hatte für die Wandlung von Arten ähnliche Erklärungen versucht. Thomas von Aquin, der größte Rationalisierer des christlichen Glaubens, dessen Werk im 19. Jahrhundert von der katholischen Kirche zur Grundlage der christlichen Philosophie erklärt wurde, war übrigens Schüler von Albertus. Auch Aquin trennt, wie Albertus, zwischen Vernunft- und Glaubenswahrheiten; er formulierte als erster das kirchliche  und letztlich unhaltbare  Dogma, dass Gott die Welt so eingerichtet hätte, dass sich echte Vernunft- und echte Glaubenswahrheiten sich niemals wider­sprechen können. (Wie wir im weiteren sehen werden, kann dieses Postulat, dass je nach politischer Lage gegen die vorherrschenden Vernunft- oder gegen die vorherrschenden Glaubenswahrheiten ausgelegt werden.)

Im 16. und 17. Jahrhundert gingen die Gelehrten überwiegend von davon aus, das naturwissenschaftliche Wissen müsse in Harmonie mit der biblischen Genesis stehen und diene zu deren Aus-Rationalisierung. Bishop Usher berechnete später im 17. Jh. aufgrund der in der Genesis verzeichneten Stammbüme der Nachfahren von Adam und Eva, die Welt müsse vor zirka 4000 Jahren entstanden sein (Mayr 303). Reverend Thomas Burnet erklärte in seiner Sacred Theory of Earth von 1681, die Geschichte der Erde seit ihrer Kreation bis heute, die Sintflut wurde durch das Bersten der äußeren Kruste und Eruption des subterranen Wassers ausgelöst, und John Woodward deutete 1695 alle bis damals bekannten alle Fossilien als Überreste der damals ertrunkenen Tiere. Wie Mary (308) ausführt, waren auch noch die führenden Physiker dieser Zeit, wie Descartes, Huygens, Boyle, und Newton, strikte Kreationisten und Theisten, d.h., sie glaubten an persönlichen Gott. Allerdings wurde es mit der Zunahme empirischen Wissens immer schwieriger, dieses mit einer strikten Bibel-Auslegung zu vereinbaren.



Bei der heraufdämmernden Einsicht, dass die Erde eine sehr lange Entwicklungsgeschichte hinter sich hatte und früher ganz anders ausgesehen haben musste, spielte insbesondere die Geologie als damals sich neu formierende Wissenschaft eine Rolle. So entdeckte man, dass Basaltgestein von der erstarrten Lava von Vulkanen herrührte, also Erdoberfläche irgendwann sich neu gebildet hatte (Mayr 315). Man entdeckte auch, dass Gestein oftmals aus Schichten von Sedimentablagerungen bestand, die oftmals nicht vertikal sondern schräg bis horizontal verworfen waren, so als hätten Gebirgsaufstülpungen erst später stattgefunden. Dies wurde insbesondere dadurch belegt, dass man im Gestein höher Berge oftmals Muschelfossilien fand. Da manche Schichtformationen bis zu 10 km Höhe bzw. Ausdehnung aufwiesen, und jedes Jahr durch Gesteinsablagerung nur Material in der Größenordnung von Zentimetern dazukommen konnte, ergaben sich darauf Spekulationen über viel längeres Erdalter als es die Bibel lehrte. Schon im Jahr 1779, also zur zeit von Linné  auf den wir noch zu sprechen kommen  kalkulierte er mutige Buffon das Erdalter auf mindestens 168000 Jahren, was damals natürlich als Heräsie galt. Im Jahre 1795 entwickelte Hutton eine Theorie der 'Evolution' der Erde  'Evolution' im Sinne von 'Entwicklung', und nicht im darwinistischen Sinn. Darüber hinaus wurde im 15. bis 17. Jahrhundert aufgrund zunehmender Fernreisetätigkeit die hohe Diversität der exotische Fauna und Flora anderer Länder ein Stück weit bekannt  es fragte sich: wenn alle diese Pflanzen und Tiere von Arche Noahs Landeplatz, dem Berg Ararat, entsprungen wären, warum findet man dann in verschiednen geographischen Regionen so sehr verschiedene Pflanzen und Tiere (Mayr 317). Überdies fand man, dass auch die Fossilfunde geschichtet waren, und in unterschiedlichen Gesteinsschichten andere Fossilien begraben waren (Mayr 318). Nachdem schon vorher solche Funde gemacht wurden, fand Georges Cuvier (1769-1832), der Begründer der Paläontologie, die Strata des Tertiärs im Paris Becken, und zeigte, dass jedes Stratum seine eigene Säugetierfauna hatte (Mayr 363ff). Cuvier zeigte auch, dass Fossilien nicht spontane Produkte des Felsens sein können (wie bis dahin manche annahmen). Als ad-hoc Lösung postulierten christ­liche Gelehrte, es hätte offenbar mehrere Sintfluten geben müssen, aber auch meh­rere Kreationen in denen Gott wieder neue Spezies geschaffen hatte, nachdem die alten von er Sintflut hinweggerafft wurden (Mayr 320). Ein Beispiel dafür ist die Lehre von Robinet im 18. Jahrhundert, der die Scala Naturae als Resultat von vielen speziellen göttlichen Kreationen auffasst. Rudwick Bowler entwickelte die Lehre des Progressionismis, derzufolge nach jeder Katastrophe eine neue Kreation stattfand (Mayr 374). Diese Beispiele sind theoretisch insofern wichtig, als sie zeigen, dass es zahlreiche mögliche Varianten des Kreationismus denkbar sind, die sich zwar alle von der heiligen Schrift bewegen, aber zwischen den Polen des Deismus und Theismus liegen.

Die Grundlage der Entwicklung der Biologie war das zunehmende Wissen um die Vielfalt der Arten, das seit dem 16. Jahrhundert rapide vermehrte. Wie erwähnt, kannte Aristoteles nur ca. 600 Tierarten und vielleicht 300 Pflanzenarten (für das folgende vgl. Crombie 493ff.). Während Leonhard Fuchs 1542 über 500 Pflanzen berichtet, schätze Gaspar Bauhin (1560-1624) die Anzahl der Pflanzenarten schon auf 6000, und John Ray (1627 - 1705) schätzt Ende des 17. Jh. deren Anzahl auf 18.000 (xxTierarten??). Hinzu kam die Entdeckung der Mikroflora und –faune durch die Fortschritte des Mikroskops, welches vermutlich im Niederlande des 15. Jahrhunderts erfunden wurde (auch Galilei hatte ein Míkroskop gebaut). Insbesondere Leeuwenhoek (1632-1680) lieferte zahlreiche mikroskopische Bilder von Insekten, Spermatozoen, Bakterien. In dieselbe Zeit fielen auch William Harveys (1578 – 1657) Entdeckung des Blutkreislaufes; für die Fortschritte zur Evolutionstheorie ist Harvey deshalb bedeutend, weil er als erster die seit der Antike verbreitete Lehre von der Urzeugung ablehnte, und durch mehrere Experimente die Unmöglichkeit der Urzeugung nachzuweisen versuchte. Diese waren jedoch nicht ganz schlüssig waren, da Harvey nur zeigte, dass organisches Material, wenn man es erhitzt und luftdicht abschließt, nicht zu keimen beginnt. Dagegen wurde ad-hoc eingewandt, dass Luft für Urzeugung nötig sei. Erst wesentlich später gelang es Louis Pasteur (1822-1895) mit raffiniert gebogenen aber offenen Glasröhrchen, welche ein Einwehen von Keimen durch die Luft verhinderten, die Nichtexistenz von Urzeugung überzeugend zu demonstrieren (xx Abb.).


1.3 Die Vorbereitung des Durchbruchs: biologische Entwicklungsparadigmen von Linné bis Darwin.
Damit sind bei Carl Linnaeus (1707-1778), oder kurz Linné angelangt, dem idealtypischen Endpunkt der christlich-kreationistisch basierten biologischen Systematisierung der Natur. Um 1753 kannte Linné etwa 6000 Pflanzenarten und 4000 Tierarten, er schätzte deren Gesamtzahl auf jeweils 10.000. Mayr (174) betont, dass Linnés Schätzungen konservativ waren, denn sein Zeitgenosse Zimmermann kam in seiner Schätzung von 1778 auf 150.000 Pflanzen- und 7 Millionen Tierarten.

Linné begnügte sich in seiner Taxonomie, also seinem biologischen Klassifikationssystem, mit nur vier hierarchisch angeordneten Ebenen: Klasse (oberste Ebene), Ordnung, Genus (Gattung),und Spezies (Art) als die niederste Ebene. Während die höhere Taxa häufig geändert werden mussten, wenn neue Arten bekannt wurden, war für Linné war die Gattung die natürliche Essenz (Mayr 176). Aus der biologischen Gattung verzweigen sich unterschiedliche Arten durch jeweils unterschiedliche besondere Merkmale bzw. differentia specifica. Um dies an einem Beispiel heutiger Klassifikation zu illustrieren (Mayr 206): die Spezies Hund wird zusammen mit Wölfen, Kojoten und Schakalen zum Genus Canis, der Hundeartigen, zusammengefasst; die übergeordnete Ordnung sind die Carnivora bzw. Fleischfresser, usw. Dass Linné die Gattungen mit den Essenzen identifiziert, liegt daran, dass es unterhalb der Gattungsebene einfach zu viele Aufspezialisierungen in Arten ab, um dies alles als essentiell gelten zu lassen, speziell bei den Pflanzen; ein Stück weit irdische-akzidentelle Variabilität der Arten gegenüber dem göttlichen Plan musste also auch Liné zulassen, um der empirischen Komplexität gerecht zu werden. Auch die binäre Klassifikation, also die Methode binäre Unterteilungen, benutzte Linné bis zur Gattungsebene, wobei unterhalb aber Vielfachverzweigungen auftreten konnten (nachsehen !xx).

Linne war strikter Kreationist; die Genera waren für ihn die Essenzen der biologischen Wesen, so wie sie Gott unwandelbar kreiert hat (vgl. Mayr 200; im Appendix zu seinem Genera Planetarum von 1764 führt Linné dies explizit aus). Nicht alle Gelehrten seiner Zeit und davor sahen das so; wir hatten schon Albertus Magnus erwähnt, und der Philosoph Leibniz hatte die Transformation der Tierspezies gelehrt (Mary 327)  nur deren sellische Essenzen in Form Leibnizscher Monaden seien ewig. Für die Biologen war Linné deshalb so bedeutend, weil er die Methode der 'logischen Division' (wie Mayr sie nennt) mit hoher empirischer Genauigkeit verbunden hatte Linné führte die binominale Nomenklatur ein, standardisierte die Nomenklatur, führte die Klassifikation der Pflanzen nach ihren geschlechtlichen Merkmalen, Staubgefäßen und Fruchtknoten, ein, usw. Für Linné sollte eine gute Klassifikation auch empirische Identifikationsmethoden liefern (Mayr 177).

Klassifikationen haben (zumindest standardmäßig) die Form von Verzweigungsbäumen, d.h. es gibt eine Hierarchie von immer allgemeineren Ebenen, auf denen sich die biologischen Taxa (d.h. Klassenbildungen) nach unten hin immer mehr aufzweigen (s. die Abb. xx unten). Alle Klassifikationssysteme vor Darwin waren essentialistisch im erläuterten Sinn (und oftmals binär; dazu später, d.h. es gibt nur zweifach-Verzweigungen; dazu später). Mayr (159ff) unterscheidet innerhalb des Essentialismus zwischen der Methode der downward classification (oder 'logischen Division') und jener der upward classification, die sich nach Linné durchzusetzen begann. Die downward Klassifikation beginnt 'von oben' bei der Menge aller Lebewesen und versucht, nach möglichst ökonomischen und im Regelfall binären Unterscheidungskriterien diese Lebewesen in immer kleinere Gruppen einzuteilen, bis man schließlich bei den Arten anlangt. Ein Beispiel ist die Aristotelische Klassifikation in Bluttiere vs. Blutlose; behaarte Tiere vs. Haarlose, usw. Die Gefahr dabei ist, dass dabei biologisch nebensächliche bzw. superfizielle Merkmale als Divisoren herangezogen werden. Die upward Klassifikation fängt dagegen bei den biologischen Spezies an, sammelt deren Merkmale und versucht über deren Ähnlichkeiten übergeordnete Klasse zu konstruieren, in der Hoffnung ein vollständiges (exhaustives) und trennscharfes (disjunktes) Klassifikation zu generieren. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass ein genaues Studium der untersten Taxa, nämlich der Arten, bereits einen gewissen Einblick in die biologisch relevanten Merkmale gibt, welche dann auf zur Bildung höherer Taxa verwendet werden. Schon Cesalpino (1519-1603) kritisierte an der Methode der downward Klassifikation, dass ihre Ergebnisse ganz davon abhängen, nach welchen Kriterien man zuerst unterteilt  fängt man z.B. bei Bluttieren vs. Blutlosen oder Behaarten vs. Haarlosen an. "Behaart" versus "Haarlos" ist ein Merkmal, dass nur mit wenigen weiteren biologischen Eigenschaften korreliert; es ist, wie man sagt, nicht diagnostisch effektiv (Schurz xx). Genauer gesagt kann die diagnostische Effektivität eines Taxons (bzw. 'Knotens' des Verzweigungsbaumes) definierbar als die Anzahl der diskriminativen Merkmale des Taxons2  das sind alle seine (elementaren und relevanten) Merkmale, welche nicht seinem unmittelbaren Vorgängertaxon (bzw. übergeordnetem Taxon) zukommen (dabei kommt ein Merkmal einem Taxon zu, wenn alle oder zumindest alle typischen individuellen Vertreter dieses Taxons dieses Merkmal besitzen). Die diagnostische Effektivität einer Klassifikation ist dann die Summe der diagnostische Effektivität seiner Taxone. Die Upward-Klassifikations­methode hat also den Vorteil, wesentlich diagnostisch effektivere Klassifikationen zu ergeben.

Mayr kritisiert Linné als Vertreter der "willkürlichen" Downward-Methode (179), aber seine Kritik scheint überzogen zu sein, denn wie Mayr selbst ausführt, war Linné sehr am empirischen Detail orientiert. Überraschend viele Linné-Genera sind (wie Mayr ausführt) heute noch akzeptiert. Schon vor Linné, nämlich seit John Ray, waren sich die meisten Taxonomen einige, dass in guter Klassifikation einem Taxon möglichst viele, insbesondere viele anatomische, Merkmale gemeinsam sein sollten (Mayr 193). Michel Adanson (1727-1806) erprobte 65 artifizielle Pflanzenklassifikationen, die so wie bei Linné auf nur einem Merkmal pro Unterscheidung beruhten, und kam zum Ergebnis, so würde man nie natürliche Gruppen kriegen erhalten; man müsse mehrere Merkmale heranziehen (Mayr 198). Er schlug 1763 mehr, die "deduktive" Methode von Linné durch eine "empirisch-induktive" zu ersetzen. Aber, ist die Bezeichnung "deduktiv" und "empirisch-induktiv" nicht wirklich angemessen, da aus wissenschaftstheoretischer Sicht bei der Konstruktion natürlicher Artbegriffe weder deduktiv noch induktiv, sondern in Wahrheit abduktiv vorgegangen wird (Schurz xx); die Unterscheidung "upward" versus "downward" ist daher angemessen. Generell gilt die Unterscheidung zwischen Vor- und Nachteilen der downward und upward Methode nur im allgemeinen und heuristisch: auch die upward-Methode kann zu Superfizialität führen, wenn ein Merkmal klassifikatorisch verallgemeinert wird, obwohl es nur bei einer Gattung bedeutsam ist; und umgekehrt kann die downward-Methode bei ausgefeiltem biologischen Hintergrundwissen adäquate und mit der upward-Methode koinzidierende Klassifikationen produzieren. Auch können beide Methoden kombinierten werden, mit dem Ziel, dass sie sich der Mitte treffen.
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Wirbeltiere Wirbellose

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Hunde Kojoten Wölfe Schakale


Abb. xx: Downward und Upward Klassifikationsmethode
Als "natürliches System" war lange das gemeint, welches den göttlichen Plan wiedergibt (vgl. Linné: "Systema Naturae, Hauptwerk?); aber als Macht der Theologie zurückging, beginn "natürlich" teilweise auch empirisch gut-fundiert" im Gegensatz zu "arbiträr" zu meinen (Mayr 199f). Für John St. Mill ist die beste Klassifikation diejenige, welche die größte Anzahl von an generellen Gesetzesbeziehungen ergibt. Mills Kriterium passt mit dem Kriterium der diagnostischen Effektivität gut zusammen, denn je höher diese ist, desto mehr diskriminative Merkmale pro Taxon sind miteinander strikte oder statistisch hochwahrscheinlich korreliert.

Ein bedeutender Zeitgenosse Linnés war Buffon (1704-1788), der in seiner Naturgeschichte von 1749 gegen Linné einwandte, man könne die Genera nicht so scharf abgrenzen, wie Linné meinte. Vielmehr wäre in der Natur alles kontinuierlich wie in Physik; und Genera wären mehr-oder-weniger nominalistisch, d.h. vom Menschen gemachte Abgrenzungen (die Nominalismuskritik). Es gäbe lediglich typische Eigenschaft und typische Vertreter von biologischen Arten. In Bezug auf die gegenwärtige kognitive Semantik optierte Buffon damit für eine Prototypentheorie der biologischen Arten, während Linné der klassische Vertreter der strengen Definitionsmethode ist (Margolis xx). Die Definitionstheorie sagt, dass man die biologische Artzugehörigkeit durch eine scharfe Liste von (einzeln notwendigen und zusammen hinreichenden) Merkmalen definieren kann (z.B.: x ist ein Tiger genau dann wenn x die-und-die Merkmale hat). Die Prototypentheorie meint, dies sei nicht möglich; vielmehr könne man so nur die typischen (bzw. statistisch häufigsten) Artvertreter charakterisieren (z.B. typische Tiger haben die-und-die Merkmale; aber es gibt Ausnahmen).3 Nur die Art, so Buffon, sei eine echte realistische Kategorie, definiert durch gemeinsame Fortpflanzung. Buffon bereitet aus heutiger Sicht somit den Übergang von Linné zu Darwin vor.

Nach Mary (332) ist Buffon zwar der Vater der Evolution, aber noch kein Evolutionist. 1776 spekuliert Buffon z.B., dass Esel und Pferd gemeinsam Vorfahren haben könnten, und meint, dies könne sogar auch Affe und Mensch zutreffen, aber er nimmt dies augenblicklich zurück, denn die Offenbarung lehre gegenteiliges. Die Einsicht, dass Lebewesen voneinander abstammen, und dass ihre Einteilung ihrer Abstammungsgeschichte folgen sollte, stammt so gut wie ausschließlich von Darwin ab. Die Einsicht, dass Lebewesen voneinander abstammen, und dass ihre Einteilung ihrer Abstammungsgeschichte folgen sollte, stammt so gut wie ausschließlich von Darwin ab.

Bedeutung für diesen Übergang ist auch der schon erwähnte Georges Cuvier (1769-1832). Während alle früheren Anatomisten von ihrer Ausbildung her Mediziner waren, war er nach Mayr (460) der erste Zoologe unter Sezierern. Schon 1795 erkannte er durch Sezierungen, dass Linnés Klasse der Vermes sehr heterogene Genera umfasste, und 1812 gelangte er schließlich dazu, das Reich der Tiere gemäß ihrem anatomischen Bauplan in vier Phyla (Großstammlinien) einzuteilen, nämlich Vertrebraten (Wirbeltiere), Mollusken (Weichtiere), Articulaten (Gliederfüßler), und Radiaten (Radiärsymmetrische) (Mayr 182f.). Dies ist insofern bedeutsam, als Cuvier damit die binäre Klassifikation aufgibt. In der heutigen Systematik übrigens zerfällt das Reich der mehrzelligen Tiere (Metazoa) in insgesamt 17 Stämme, von denen die Vertebrata der 17. Stamm sind; die artenreichste Gruppe sind die Artikulata oder Gliederfüßler mit über einer Million bekannten Arten, die zweiartenreichste Gruppe die Vertebraten mit über 50.000 bekannten Arten (s. Henning xx). Durch Cuviers Wendung wurde insbesondere die bis dahin akzeptierte Scala Naturae in Frage gestellt, weil unter den verschiedenen Stämmen bzw. Reichen keine klare Perfektionsskala mehr möglich ist. Dieser Meinungstendenz kam die Botanik entgegen, da dort eine Skala Naturae ohnedies unplausibel war (Mayr 201ff). Freilich, dass die Säugetiere und insbesondere der Mensch in der Hierarchie ganz oben standen, war weiterhin unbezweifelt.

Interessanterweise war Georges Cuvier (1769-1832) lebenslang Opponent von Evolution, obwohl gerade er am meisten Evidenz für die Evolution produzierte, auf die sich Darwin dann später stützte, wie z.B. die schon erwähnten Schichten von unterschiedlichen Säugetierfossilienfunde im Pariser Becken. Aber Cuvier war zu sehr Essentalist und glaubte dass nur die nicht-essentiellen Merkmale evolutionär variablen sein könnten (Mayr 365).

Ein weitere 'Vorbereitung' zum Darwinismus wurde insbesondere von den deutschen Naturphilosophen (Schelling, Oken) erbracht  die Unterscheidung zwischen bloßer Affinität bzw. Homologie, versus Analogie (Mayr 202). So seien Pinguine den Walen bloß analog; denn Vögeln aber affin, d.h. echt verwandt. Die deutschen Naturphilosophen Goethe (1749-1832), Lorenz Oken (1779-1851) und andere entwickelten auch die so genannte idealistische Morphologie (Mayr 457); Goethe war es, der den Begriff "Morphologie" eingeführt hatte. Geoffroy Saint-Hilaire entwickelte 1818 eine Theorie der reinen Morphologie, nach der es gewisse rein anatomisch-morphologische Baupläne aller Tiere gäbe. Basierend auf der Idee, echte Affinitäten bzw. Homologien seien an morphologischen Ähnlichkeiten zu erkennen, wie z.B. den Homologien von Skelett und Gliedmaßen aller Wirbeltiere (s. Kap. xx), entwickelte man die Lehre vom Unterschied zwischen Homologien und Analogien. Freilich wurde dieser Unterschied natürlich nicht evolutionär, begründet, so wie später Darwin, in dem Sinn das homologe Ähnlichkeit auf gemeinsamer Abstammung beruht; analoge Ähnlichkeit dagegen auf Anpassung an gemeinsame Umgebung trotz unterschiedlicher Abstammung. Vielmehr postuierte man essentialistisch, dass eben gewisse Merkmale biologisch-morphologisch fundamental bzw. essentiell seien; Homologie sei Ähnlichkeit in diesen Merkmalen (noch Owen 1848 fundierte seine Homologielehre auf diese Weise). Wie Mayr betont (464), liefert aber weder die idealistische noch die funktionale Morphologie eine adäquate Erklärung der universalen Skeletthomologien aller (speziell landlebenden) Wirbeltiere, denn diese Homologien sehr oft gerade nicht durch funktionsoptimierende Bauplanprinzipien zu erklären; sie sind vielmehr suboptimal (s. Kap. xx).

Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich bekanntlich die anti-klerikale Aufklärung und der Materialismus in Frankreich, und etwas später in Deutschland. Mit dem Aufkommen materialistischer Denkweisen lag auch das Wort "Evolution" in der Luft. Aber keiner der frühen Philosophen, die von Wissenschaftshistorikern als frühe Evolutionisten bezeichnet werden, war wirklich evolutionistisch im Sinne Darwins, bzw. in dem Sinn, wie wir hier Evolutionstheorie verstehen. Sondern alle vertraten Versionen von Entwicklungstheorien, die in eine der beiden Familien Teleologie versus Kreationismus hineinfallen, und die auf einem Essentualismus gründen (Mayr 328). Entweder sie verstanden naturgeschichtliche Entwicklung als Serie von Kreationen, oder als Reifung von angelegten Anlagen. Die damaligen Reifungstheorien waren insofern teleologisch, als sie alle irgendeinen der Natur innewohnenden Drang der Höherentwicklung annahmen, ohne ihn erklären zu können. Ein immer noch aktuelles Beispiel ist der auf Hegels idealistischer Philosophie basierende und von Marx begründete dialektische Materialismus: auch dieser nimmt einen inneren Impuls der Materie zur dialektischen Höherentwicklung an (Engels Anti-Dühring xx), in Richtung auf ein bestimmtes Ziel, und ist daher eine Variante einer Teleologie  freilich nicht in der Variante, in der das Ziel die Vergangenheit zu sich zieht, sondern eine Variante, die spezielle Entwicklungsgesetze zum Höheren gibt (Popper nannte solche geschichtlichen Entwicklungsgesetze auch historizistisch; Popper xx). Im selben Sinn spricht auch (der Idealist??) J. F. Blumenbach Ende des 18 Jahrhunderts vom Bildungstrieb in der Natur (Mary 339), und dieselbe Auffassung vertraten Lamarck, Spencer und andere Gelehrte, die noch besprochen werden. Man nennt solche Theorien auch orthogenetisch, und werden teils heute noch vertreten (s. xx; Kap. xx).

England war im 18. Jahrhundert und teilweise noch im 19. wesentlich kirchenfreundlicher als Frankreich, und später Deutschland. England hatte die Revolution in gemäßigter (puritanischer xx) Form schon früher durchgemacht; es dominierte unter den englischen Wissenschaftlern ein liberaler Deismus, und die Allianz Wissenschaft-Kirche war stark. Die 'naturgeschichtlichen' Naturwissenschaften Englands wurden nach Mayr (371) von der Geologie dominiert und brachte den für Darwin bedeutenden Geologen Charles Lyell hervor.

Das Design-Argument findet man in vielerlei früheren Schriften, z.B. im Alexander Pope's lyrischem 'Essay on Man'. Eine brühmte wissenschatlich-theologische Abhandlung ist William Paley, der 1802 seine Natural Theology schrieb, in der er das Design-Argument reichhaltig ausbaute und überall in der perfekten Geordnetheit der Natur die Evidenz Gottes nachzuweisen suchte. Er argumentierte, wenn jemand im Sand eine Uhr finden würde, würde er auch nicht glauben, sie sei durch Zufall entstanden, ihre Teile seien durch eine lange mechanische Entwicklungsgeschichte und durch viele Zufälle gerade so zueinander geraten, dass daraus eine funktionierende Uhr entstand; und ebenso wenig könne man das von der Natur glauben (vgl. Sober 30). David Hume hatte übrigens als erster, noch vor Paleys Formulierung, das Design-Argument in seinen Dialoges Concerning Natural Religion von 1779 kritisiert, und zwar insbesondere mit dem Hinweis, dass es zahllose alternative kreationistische Erklärungen gäbe, die dadurch ebenso gut bestätigt sein würden wie die biblische Kreationismusgeschichte; z.B. es könnten Götter die Welt in Kooperation geschaffen haben, oder nur einen Gott und ein Teufel, oder seltsame Wesen aus dem All, usw. Auch Dawkins "The Blind Watchmaker" ist eine Anspielung auf Paleys Uhrenbeispiel.

Ausnahmen von der englischen Geistesverfassung vor Darwin waren z.B. Erasmus Darwin, der Großvater Darwins, der in England spekulative 'evolutionäre' Schriften verfasste, ohne dass diese evolutionstheoretisch im engeren Sinne gewesen wären; nach Mayr hatte Darwins Großvater aber kaum Einfluss auf Darwin (Mayr 340).

Der erste zumindest 'halbe' Evolutionist, der allerdings signifikant vom späteren Darwin abweichte, war ein Assistent von Buffon, nämlich Jean Baptiste de Lamarck (1744-1829) (Mary 343 ff). Lamarck vertrat die These der langsamen kontinuierlichen Artenveränderung im Verlauf der Erdentwicklung, verbunden mit einer zunehmenden Vervollkommnung. Lamarck stütze sich auf reichhaltige Fossilienevidenz  z.B. Serien von fossilierten Muscheln, geordnet nach Ähnlichkeit, die in gegenwärtigen Muscheln enden. Man hatte damals auch schon viele ganz ausgelöschte Spezies entdeckt, z.B. die Ammoniten (krebsartige Tiere), später die Mastodone (kleine Urelefanten), usw. (Mary 347). Das Problem des Aussterbens von so vielen Arten stand im Konflikt mit der heiligen Schrift und dem Problem der Theodizee (der Rechtfertigung Gottes)  denn warum sollte ein allgütiger und allmächtiger Gott so viele von ihm geschaffene Spezies wieder aussterben lassen? Lamarcks Erklärung war, diese fossilen Spezies wären nicht ausgestorben, sondern hätten sich langsam transformiert in heutigen Spezies.

Lamarck lehrte, die Veränderung der Lebewesen ginge nach zwei Kriterien vor sich. Erstens gäbe es einen Anpassungsdrang an die Umgebung  die Anpassung an die ökologischen Besonderheiten ihrer Umgebung wurde von Lamarck genauestens studiert. Zweitens gäbe es einen intrinischen Verbesserungsdrang  also eine Art teleologische Kraft. Lamarck stützt sich hinsichtlich des ökologischen Anpassungsdrangs insbesondere auf die Beobachtung, dass Organe durch stetige Übung ihre Leistungskraft verbessern. Nun glaubte Lamarck, dass auch erworbene bzw. erlernte Merkmale biologisch vererbt werden  dass etwa ein Mensch, der als Sportler immer trainiert und eine starke Muskulatur sich erwirbt, diese tendenziell auch an seine Kinder vererbt. Aus heutigem Wissen ist dies bekanntlich als falsch anzusehen: erworbene Merkmale werden nicht vererbt. Bereits Darwin lehnte die These der Vererbung erworbener Merkmale tendenziell, aber noch nicht gänzlich ab (s. unten). Die These der Vererbung erworbener Merkmale wird auch Lamarckismus genannt, und bis heute gibt es immer wieder lamarckistische Gegenströmungen zur akzeptierten Evolutionstheorie. Wie Mary (359) ausführt, wird Lamarck heute ungerechterweise nur für seinen Fehler zitiert, nicht für alle Leistungen – denn er war der erste Evolutionist, wenn auch mit teleologischen Komponenten.



Charles Lyell (1797 - 1875) schrieb 1830-3 seine Principles of Geology. Er zeigte, wie im Verlauf der Erdgeschichte Schichten mit Fossilien entstehen  Felsen werden zerlegt durch See und Flüsse, aufgespalten durch Gletscher, usw. Ein Bild vom ungefähren damaligen Stand des Wissens um Fossilien gibt Singer (330).
Abb. (Singer).
Darwin hatte das Lyells Buch auf der Beagle (das Schiff seiner berühmten Reise, s. unten) mit; und manche Autoren sagen Darwin hätte vieles seiner Evolutionstheorie von Lyell; aber dies ist nicht korrekt. Lyell vertrat den so genannten Uniformitarismus, demzufolge in der Entwicklungsgeschichte überall dieselben Arten von Kräften wirken, wie auch anderswo in der unbelebten Natur. Die Gerichtetheit dieses Entwicklungsprozesses und den Lamarckaschen Perfektionsdrang lehnte er ab. Insofern Lyell so der Teleologie eine Absage erteilte, bereitete er den Boden für Darwin. Lyell glaubte auch, dass Spezies aussterben können, und postulierte (ohne befriedigende Erklärung??), sie würden mit konstanter Rate neu entstehen (Mayr 406). Allerdings war Lyell Essentialist; eine historische Wandelbarkeit oder gar Evolution von Arten lehnte er ab.

Es gab ein paar Autoren, die ziemlich zugleich mit Darwin ebenfalls eine Evolutionstheorie vertraten. Aber entweder fehlte ihnen die gute empirische Begründung, oder sie waren latent teleologisch. Ersteres trifft auf den Populärautor Robert Chambers zu (Mayr 382), der 1844 unter einem Pseudonym die Evolutionslehre postulierte und dafür heftig attackiert wurde. Letzteres trifft insbesondere auf Herbert Spencer (1820-1903) zu, von manche sagen, er hätte Darwin antizipiert, und andere, er sei die soziodarwinistische Konsequenz Darwins. Beides ist unrichtig (Mayr 385). Spencer ist der typische Vertreter des berüchtigten Sozialdarwinismus, der Vorstellung von Menschheitsentwicklung als Kampf um die Existenz und dem Überleben des Stärkeren. 1852 schrieb Spencer seinen ersten Essay über Evolution, also noch bevor Darwin seine Origin of Spezies herausbrachte; Spencer verstand nur wenig von Biologie und berief sich auf Chambers und Lyell. Spencers Definition von Evolution in seinem Buch von 1870 klingt zwar wie eine Leerformel (Mayr 386); aber Evolution ist für Spencer wesentlich immer eine notwendige Progression zu Höherem. Spencer war insofern ebenfalls ein Vertreter einer orthogenetioschen (teleologischen) Theorie.


1.4. Die Ausbildung von Darwins Evolutionstheorie
Damit kommen wir zu Charles (Robert) Darwin (1809-1882), dem berühmten Begründer der Evolutionstheorie (im engeren Sinne) (s. Mayr 394ff). Im Jahr 1831, also mit nur 22 Jahren, trat Darwin die Schiffsreise mit der Beagle auf die Galapagos-Inseln an, welche 5 Jahre andauerte. Als Darwin seine Reise begann, war er religiös und von Paleys 'Natural Theology' sehr beeindruckt; er berichtet, häufig aus der Bibel zitiert zu haben und dafür ausgelacht worden zu sein. Darwin sammelte diverse Vogelarten auf den Galapagos-Inseln, und er wertete seine Funde erst nach seiner Rückkehr aus, bzw. ließ sie auswerten. Zwei Jahre nach seiner Rückkehr legte Darwin seinen Glauben aufgrund der aus seiner Reise hervorgegangenen wissenschaftlichen Einsichten ab. Was war passiert?

1837 arbeitete der Ornithologie John Gould Darwins Vogelkollektionen auf und entdeckt, dass die Mockingbirds (Spottdrosseln), die Darwin mit sich brachte, auf ver­schie­denen Galapagos-Inseln jeweils spezifisch verschieden waren; so spezifisch, dass man sie als separate Arten ansehen musste (Mayr 409).4 Zudem ließen sich zwischen spezifischen Merkmalsunterschieden der Vögel und spezifischen geographisch ökologischen Inseln sogniufikante Anpassungskorrelationen finden; z.B. hatten die Spottdrosseln dort größere Schnäbel, wo die Nüsse, von denen sie lebten, größer waren und somit dickere Schalen hatten, die mit den Schnäbeln geknackt wurden. (Redley xx??, Sober xx??). Solche und diversen anderen Befunde legen einen klaren Schluss nach: dass die Spezies der Spottdrosseln vor langer Zeit einmal in die Galapagos-Inseln eingewandert, also eingeflogen war, auf verschiedenen Inseln verschiedene voneinander isolierte Populationen bildete, und sich jede Population nach und nach so veränderten, dass daraus verschiedene Spezies geworden sind, wobei auf jede Insel sich jene Varianten ausbildeten bzw. durchsetzten, die am besten auf die natürlichen Anforderungen der Umgebung passten. Dass sich die natürlichen Arten also so offenkundig wandelten, war ein so starker Schlag gegen das kreationistisch-christliche Gebäude, dass Darwins Weltanschauung eine Konversion durchmachte.

Darwin war jemand, der offenbar nur zögernd schrieb und dabei extrem genau war: er schrieb seine Einsichten erst viel später zusammen, und vorgetragen hatte er sie noch wesentlich später. Seine Origin of Species schrieb er 1858-1859 und publizierte sie 1859; aber nur unter starkem Druck von Kollegen. Der volle Titel lautete:


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