Gericht bvwg entscheidungsdatum 11. 11. 2016 Geschäftszahl



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11.11.2016rislogo

Gericht

BVwG


Entscheidungsdatum

11.11.2016



Geschäftszahl

W147 2118445-1



Spruch

W147 2118445-1/10E


IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. November 2015, Zl. 831708004-1755999, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis IV. gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, und § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, sowie § 55 FPG, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten (W147 2118439) und ihrem ältesten Kind (W147 2118440) unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten alle am 20. November 2013 verfahrensgegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.
2. Bei der Erstbefragung am selben Tag gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin an, Tschetschenien bereits im XXXX zuerst Richtung XXXX verlassen zu haben und von dort am 12. November 2013 mit dem Flugzeug Richtung Moskau und über Weißrussland weiter nach Polen gereist zu sein. In Polen sei die Familie kontrolliert und auf die Polizeistation gebracht worden; die Fingerabdrücke seien ihnen auch abgenommen worden. Am selben Abend seien sie aufgefordert worden, in ein Lager zu gehen, was sie jedoch nicht gemacht hätten. Sie hätten einem Taxifahrer gesagt, dass sie so weit wie möglich weg von Polen fahren wollten, worauf sich dieser bereit erklärt habe, die Familie nach Österreich zu bringen. Sie seien sodann einige Tage bei dem Taxifahrer geblieben, der sie schließlich nach Österreich gebracht habe.
Als Fluchtgrund gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin an, er sei am XXXX in der Früh von unbekannten maskierten Männern mitgenommen, geschlagen und misshandelt worden sei. Sie hätten ihn nach seinem namentlich genannten Halbbruder gefragt und behauptet, dass dieser in Syrien kämpfen würde. Er habe aber nichts darüber gewusst, da der Halbbruder nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihm gelebt habe. Nach drei Tagen Anhaltung sei er mit dem Auto an den Rand seines Dorfes gebracht und rausgeworfen worden. Es sei ihm sehr schlecht gegangen. Der Besitzer der Werkstatt, in der er gearbeitet habe, hätte ihn nach Hause gebracht. Aus Angst um sein Leben habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin daher Tschetschenien mit seiner Familie verlassen. Danach seien jedoch unbekannte Männer noch zu seiner Großmutter gekommen und hätten nach ihm gefragt. Die Großmutter habe daraufhin einen Herzinfarkt erlitten. Die Großmutter habe den Beschwerdeführer daher insbesondere aufgefordert, die Russische Föderation zu verlassen.
3. Die Beschwerdeführerin führte bei ihrer Erstbefragung an, sie sei schwanger und habe Unterbauchschmerzen. Sie persönlich habe keine eigenen Fluchtgründe, sondern habe wegen der Gefahr, die für ihren Mann herrsche, die Heimat verlassen müssen. Ihr Mann sei am XXXX in der Früh von bewaffneten Männern mitgenommen worden und sei drei Tage weggewesen. Er sei geschlagen und gefoltert worden. Aus Angst um das Leben ihres Mannes seien sie ausgereist.
4. Die erstinstanzliche Behörde richtete in weiterer Folge auf Art 16 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 gestützte Wiederaufnahmegesuche an Polen. Mit einem am 26. November 2013 eingelangten Schreiben stimmte Polen ausdrücklich den Wiederaufnahmegesuchen gemäß Art. 16. Abs. 1 d der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zu.
5. Bei einer Befragung am 17. Dezember 2013 erklärte der Ehegatte der Beschwerdeführerin, er fühle sich psychisch nicht gut, sei stationär in einer Krankenanstalt gewesen und habe Medikamente verschrieben bekommen. Er legte die relevanten Befunde vor. Nach Polen wolle er nicht mehr zurück; dort ginge alles nur ums Geld.
6. Die Beschwerdeführerin gab bei ihrer Einvernahme am selben Tag an, dass sie im XXXX Monat schwanger und zu einem Termin beim Arzt angemeldet sei. Außerdem sei in Tschetschenien eine Hepatitis C festgestellt worden. Sie unterziehe sich jedoch keiner Behandlung oder Therapie. Für ihren Sohn gelten die gleichen Gründe.
7. Ein vorläufiger Arztbrief konstatierte in Bezug auf den Ehegatten der Beschwerdeführerin eine post-traumatisches Belastungsstörung mit depressiver Entwicklung und Schlafstörungen. Es wurde die Einnahme von Praxiten, Seroquel und Cymbalta verschrieben. Dazu wurde ausgeführt, dass im Falle einer Abschiebung und der damit verbundenen sozialen, therapeutischen und medizinischen Diskontinuität aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht von einer Verschlechterung des Zustands auszugehen sei. Impulshafte suizidale Handlungen und psychotische Exacerbationen seien nicht auszuschließen. Ein neurologischer Konsiliarbefund des gleichen Krankenhauses empfahl die Umstellung auf Cymbalta.
8. Eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderberichten zu Polen, die am 20. Dezember 2013 bei der belangten Behörde einlangte, führte zusammengefasst aus, dass die Situation von Schutzsuchenden in Polen sehr schlecht sei und die Statistiken einen Rückgang der Asylzuerkennungen zeigten. Bei einer Zurückschiebung nach Polen liefen daher Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen in Gefahr, in die Russische Föderation abgeschoben zu werden.
9. In weiterer Folge wurde mit Bescheid der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Prüfung des Antrages zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig ist.
10. Nach Erhebung einer fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2014, W211 2001570-1/3E, gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG behoben.
11. Mit Aktenvermerk vom 27. März 2014 hielt die belangte Behörde fest, dass die Verfahren der Beschwerdeführerin und ihrer Familie zugelassen werden.
12. Am 27. August 2014 legte der Ehegatte der Beschwerdeführerin eine Heiratsurkunde und seinen nationalen Führerschein vor.
13. Zu Beginn einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 13. Mai 2015 gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin an, die Dolmetscherin gut zu verstehen und psychisch und physisch in der Lage zu sein, die an ihn gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. An Beweismitteln legte er folgende Unterlagen vor:
* einen Auszug aus der Ambulanzkarte einer Krankenanstalt im Gebiet XXXX, ausgestellt am XXXX vor, wonach beim Beschwerdeführer eine Prellung des linken Schultergelenks und ein Hämatom an der hinteren Fläche des Brustkorbes diagnostiziert wurden. Als Zeitpunkt der Erkrankung wurde XXXX vermerkt;
* zwei ärztliche Befunde und
* eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses A1.
Er sei sei mit der Beschwerdeführerin verheiratet und nunmehr Vater zweier Kinder (W147 2118440 und W147 2118442). Diese hätten keine eigenen Fluchtgründe. Weitere familiäre Beziehungen würden in Österreich nicht bestehen. Er spreche noch nicht die deutsche Sprache, besuche einen Deutschkurs und arbeite für eine Hilfsorganisation. Im Herkunftsstaat habe er keine Berufsausbildung absolviert, sich selbst die Reparatur von Autos angeeignet und in einer Autoservicestation in seinem Dorf gearbeitet. Sein durchschnittlicher Monatslohn habe ca. Rubel 30.000,- betragen, die Kosten der Reise nach Österreich ebenfalls Rubel 30.000,- sowie €

700,-.
Sein Vater sei verstorben als er noch klein war, seine Mutter habe neuerlich geheiratet und habe er zu dieser keinen Kontakt mehr, er habe nur noch seine Großmutter väterlicherseits, die in dem von ihm genannten Dorf in einem Eigentumshaus lebe und ihren Lebensunterhalt durch den Bezug einer Rente finanziere. Er habe mit der Beschwerdeführerin und dem ältesten Kind bei seiner Großmutter gelebt. Die Beschwerdeführerin habe mehrere Verwandte im Herkunftsstaat, ihr Vater besitze ein eigenes Restaurant in XXXX.


Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates führte der Ehegatte der Beschwerdeführerin aus, er sei wegen seines Bruders verfolgt worden, es habe sich herausgestellt, dass dieser jemanden getötet hätte. Anfang XXXX sei er in der Früh von Maskierten mitgenommen worden. Sei Großmutter habe gerufen, dass nach ihm gesucht werde, das Fenster sei offen gestanden und habe er eine Maschinengewehr gesehen. Die Beschwerdeführerin habe man aufgefordert die Türe zu öffnen. Nachdem sie in das Haus gekommen seien, sei er aufgefordert worden, sich anzuziehen. Die Beschwerdeführerin und seine Großmutter seien ebenfalls im Haus gewesen und ihnen befohlen worden, das Haus nicht zu verlassen, es sei gesagt worden, man wolle nur mit ihm sprechen. Es seien drei oder vier Autos neben dem Haus gestanden und der Ehegatte der Beschwerdeführerin aufgefordert worden, einzusteigen. Er sei hinten in das Auto, ein Mann habe sich zu ihm gesetzt und ihn geschlagen, woraufhin er das Bewusstsein verloren habe. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei sein Kopf nach unten gebeugt gewesen, damit er nicht sehen könne, wohin er gebracht werde. Die Fahrt habe lange, eine halbe Stunde oder auch länger gedauert. Dann sei ihm ein schwarzer Sack über den Kopf gezogen worden und er aus dem Auto gebracht, er in den Bauch und in den Rücken geschlagen sowie mit Füßen getreten worden. Er sei in einem Keller gebracht worden und mit Handschellen an einen Heizkörper fixiert worden. Dann sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin über seinen fünf Jahre älteren Bruder väterlicherseits befragt worden. Er habe aber keine Informationen über dessen Aufenthalt gehabt, wusste nur, dass er in XXXX wohnte und viel unterwegs war. Er habe ihn nur kurz gesehen, wenn sich sein Bruder kurzfristig im Dorf aufgehalten habe und gelegentlich in telefonischen Kontakt, der letzte sei drei Monate vor seiner Festnahme gewesen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei weiter geschlagen und mit Strom gequält worden. Außer ihm seien zwei weitere Männer im Keller gewesen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin vermeine, drei Tage lang festgehalten und geschlagen worden zu sein. Dann sei ihm wieder dieser Sack über den Kopf gezogen und er in ein Auto gebracht worden. Nach einer längeren Fahrt sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin aufgefordert worden, auszusteigen und in Ruhe sitzen zu bleiben. Er habe zuerst Angst gehabt, umgebracht zu werden, hörte dann das Auto wegfahren. Als er sich getraut habe, diesen Sack runter zu ziehen, habe er gesehen, dass er sich in der Nähe der Autoservicestation, die sich am Dorfrand direkt an der Straße die in das Dorf führe, gelegen sei, befunden hätte. Er sei dorthin und habe ihn der Besitzer mit dessen Auto nach Hause gebracht. Später habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin erfahren, dass die Mutter von Kadyrov aus dem gleichen Dorf stamme wie seine Schwiegermutter. Sein Schwiegervater habe diese Verwandten kontaktiert und seine Freilassung erreicht.
Über Vorhalt, wonach infolge dieser Intervention ja alles wieder gut gewesen sei, antwortete der Ehegatte der Beschwerdeführerin, dies treffe normalerweise zu. Er sei nach diesem Vorfall sogleich nach XXXX gereist und habe dort gelebt. Sein Schwiegervater habe beabsichtigt für dessen Sohn und ihn eine Auto- und Reifenservicestation zu eröffnen. Er habe dann erfahren, dass er Blutrache gefährdet sei; Leute seien zu seiner Großmutter gekommen und hätten gesagt, dass sie seinen Bruder oder ihn töten sollen. Daraufhin sei er ausgereist.
Über weiteren Vorhalt, wonach es nicht nachvollziehbar sei, dass ihn die Männer bis zu seinem Dorf, bis zu seiner Arbeitsstätte bringen, für ihn praktisch Taxi spielen sollten, antwortete der Ehegatte der Beschwerdeführerin, er wisse dies nicht.
Befragt wann sich dieser Vorfall genau ereignet habe, führte der Ehegatte der Beschwerdeführerin aus, am XXXX XXXX. Es sei in den Morgenstunden gewesen und fing es an, hell zu werden. Das Haus sei nicht versperrt gewesen. Seine Großmutter habe ihn gerufen, dass nach ihm gefragt werde; er selbst habe noch geschlafen. Als er aufwachte, habe er ein Maschinengewehr durch das offene Fenster ragen gesehen. Man habe seine Frau aufgefordert, die Türe zu öffnen. Dann seien die Männer rein gekommen, es seien drei oder vier Personen gewesen, sein Sohn sei munter geworden und habe geschrien. Er selbst habe eine Unterhose getragen, seine Gattin ein Nachthemd. Die Männer seien alle maskiert gewesen, außer einem. Nochmals befragt, wie viele Personen es gewesen seien, antwortete der Ehegatte der Beschwerdeführerin, fünf oder sechs Männer seien in das Haus gekommen. Er sei dann aufgefordert worden, sich anzuziehen; er habe eine Jeans, welche Farbe wisse er nicht mehr und ein dunkles T-Shirt angezogen.
Befragt, weshalb ihn die Männer wieder freigelassen hätten, antwortete der Ehegatte der Beschwerdeführerin wegen der Beziehungen und des Geldes; sein Schwiegervater habe Rubel 300.000,- für seine Freilassung gezahlt, wem könne er nicht sagen. Als er nach Hause gekommen sei, sei es abends und bereits dunkel gewesen, die Beschwerdeführerin und seine Großmutter hätten sich gefreut und geweint. Gleich am nächsten Tag, glaube er, seien sie nach XXXX gefahren, zur Polizei sei er nicht gegangen.
In XXXX habe er sich behandeln lassen und eigentlich wieder nach Hause zurück wollen. Sein Schwiegervater habe aber gemeint, es wäre besser dort zu bleiben und zu arbeiten. Als ihm die Großmutter telefonisch von der Androhung der Blutrache berichtet hätte, habe er jedoch beschlossen, ins Ausland zu fahren. Befragt, weshalb er nicht innerhalb der Russischen Föderation verzogen sei, antwortete der Ehegatte der Beschwerdeführerin, ihm sei gesagt worden, dass es in Europa sicherer sei, man Asyl bekomme, Arbeiten und sicher leben könne. Über Vorhalt wonach er in seiner Erstbefragung die Blutrache mit keinem Wort erwähnt hätte, rechtfertigte sich der Ehegatte der Beschwerdeführerin, er sei nicht gefragt worden. Er sei nach seinem Grund befragt worden und habe angegeben wegen seines Bruders.
Befragt, weshalb die Männer, die an ihm Blutrache üben wollen, dies der Großmutter ausrichten sollten, antwortete der Ehegatte der Beschwerdeführerin, nicht nur diese auch die Nachbarn hätten es gewusst. Es seien nicht die gleichen Personen gewesen, die ihn damals mitgenommen hätten. Es seien Verwandte jenes Mannes gewesen, die sein Bruder getötet haben soll.
14. Bereits am 28. April 2015 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin, die befragt angab, keine eigenen Fluchtgründe zu haben, sondern auf Grund der Probleme ihres Ehegatten mit ausgereist zu sein. Auch ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe.
Im Zuge der Einvernahme gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen gleichlautende Angaben an und rechtfertigte sich ihrerseits über den Vorhalt, in ihrer Ersteinvernahme die nunmehr behauptete Blutrache nicht erwähnt zu haben dahingehend, sie seien nicht genau befragt worden. Auch über weiteren Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin zwar über die Mitnahme ihres Ehegatten im Rahmen der Erstbefragung berichtete, die nun plötzlich angeführte Blutrache jedoch nicht, antworte die Beschwerdeführerin, sie seien zu keinen Details befragt worden, es sei damals um eine mögliche Abschiebung nach Polen gegangen. Diese Probleme habe es erst im letzten Monat vor ihrer Ausreise etwa im Oktober gegeben.
Der Beschwerdeführerin wurden Länderinformationen zum Herkunftsstaat vorgehalten. Auch wurde ihr vorgehalten, dass das Bundesasylamt von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ausgehe.
15. Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 20. November 2013 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft festgesetzt.
Dem Bescheid wurden Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegt.
Die belangte Behörde stellte die Identität der Beschwerdeführerin fest. Sie leide an keinen lebensbedrohenden physischen oder psychischen Krankheiten. Die Beschwerdeführerin habe keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Der von ihrem Ehegatten vorgebrachte Fluchtgrund habe mangels Glaubhaftmachung nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie einer Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsstaat aufgrund der von ihr vorgebrachten Gründe ausgesetzt gewesen sei bzw. einer solchen im Fall einer Rückkehr ausgesetzt wäre.
Beweiswürdigend wurden im Wesentlichen Auszüge der Niederschrift zitiert und diese als nicht nachvollziehbar bzw. nicht glaubhaft gewertet.
Abweisende Bescheide ergingen ebenso an die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin.
16. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 23. November 2015 wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.
17. Am 25. November 2015 wurde der Bescheid des Bundesamtes durch persönliche Übernahme zugestellt.
18. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2015 fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde für alle Familienmitglieder erhoben und die erstinstanzliche Erledigung wegen mangelhaftem Verfahren und Rechtswidrigkeit des Inhaltes in vollem Umfang angefochten.
19. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 14. Dezember 2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
20 Am 21. September 2016 fand zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte neuerlich zu den maßgeblichen Fluchtgründen befragt wurden. Die belangte Behörde war im Vorfeld ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch mitgeteilt, dass aus dienstlichen und personellen Gründen kein Vertreter entsandt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Auf Grundlage der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation wird Folgendes festgestellt:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und trägt den im Spruch genannten Namen. Sie gehört der muslimischen Religion an, ist der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und ist strafrechtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführerin stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10. November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, war für die Dauer des Asylverfahrens nur vorläufig aufenthaltsberechtigt, hatte stets einen unsicheren Aufenthaltsstatus und lebt von der Grundversorgung.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass diese konkret Gefahr liefe, in ihrem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Abschiebung in die Russische Föderation entgegenstehen würden.
Während die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat noch Verwandte hat, befinden sich im österreichischen Bundesgebiet neben ihrem Ehegatten und den gemeinsamen Kindern, die ebenfalls lediglich zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sind, keine weiteren Verwandten.
Die Beschwerdeführerin befindet sich seit November 2013 durchgehend im Bundesgebiet. Sie hat sich keinerlei Grundkenntnisse der deutschen Sprache angeeignet. Sie ist strafgerichtlich unbescholten, lebt von staatlichen Sozialleistungen (Grundversorgung) und in einem Heim für Asylwerber, sodass nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden kann.
Es konnten keine Anhaltspunkte, welche für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführerin in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen, festgestellt werden.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
1.2. Hinsichtlich der relevanten Situation in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien wird zunächst prinzipiell auf die im Akt einliegenden und den Beschwerdeführern in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgehaltenen Länderfeststellungen verwiesen.
Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien werden insbesondere folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 20.6.2014, vgl. GIZ 2.2015c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident; zuvor war er auch 1999-2000 und 2008-2012 Ministerpräsident. Dimitri Anatoljewitsch Medwedew, seinerseits Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8.5.2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der letzten Dumawahl im Dezember 2011 hat die auf Putin ausgerichtete Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit bewahren. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, "Gerechtes Russland" und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihre Stimmenanteile ausbauen. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Seit Mai 2012 wird eine stete Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden im Sommer 2012 das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, 2013 ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen. Im Februar 2014 wurde die Extremismus-Gesetzgebung verschärft, sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, was die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zu Nichte macht (AA 11.2014a).

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