Gericht bvwg entscheidungsdatum 21. 10. 2014 Geschäftszahl



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Gericht

BVwG


Entscheidungsdatum

21.10.2014



Geschäftszahl

I403 1419154-1



Spruch

I403 1419154-1/17E


Schriftliche Ausfertigung des am 13.10.2014 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL-GRATZEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.04.2011, Zl. 10 03.441-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.10.2014 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis 13.10.2015 erteilt.
In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG idgF ersatzlos aufgehoben.
B)
V. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine äthiopische Staatsbürgerin orthodoxen Glaubens und Angehörige der Volksgruppe Amhare, stellte am 21.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.04.2010 gab sie als Fluchtgrund an: "Mein Vater ist Politiker. Als ich nach Hause kam, war alles durcheinander und zerwühlt. Mein Vater war nicht mehr da. Kurz danach kamen zwei Polizisten ins Haus und sagten zu mir, sie hätten die Erlaubnis das Haus zu durchsuchen. Sie haben mich nach meinem Vater gefragt und wollten Papiere von mir haben. Ich sagte ihnen, dass ich nichts weiß. Daraufhin wurde ich dann von beiden vergewaltigt. Ich habe das meiner Tante erzählt und sie sagte zu mir, dass sie mich von hier rausholen wird." Ihre Tante habe dann die Ausreise mittels Schlepper organisiert. Die Beschwerdeführerin erklärte, am XXXX geboren zu sein.
3. Am 28.04.2010 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines Rechtsberaters gefragt, ob sie mit einer Altersfeststellung einverstanden wäre. Die Beschwerdeführerin und ihr Vertreter stimmten zu.
4. Das Ludwig Boltzmann Institut für klinisch-forensische Bildgebung kam in seinem gerichtsmedizinischen Gutachten vom 19.05.2010 zum Schluss, dass das von der Beschwerdeführerin angegebene Alter aus gerichtsmedizinischer Sicht ausgeschlossen werden könne und zum Untersuchungszeitpunkt von einem Mindestalter von 18,5 Jahren auszugehen sei.
5. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 15.06.2010 erhielt der Jugendwohlfahrtsträger Wien die Obsorge über die Beschwerdeführerin.
6. Eine weitere Einvernahme durch das Bundesasylamt fand am 12.01.2011 statt. Eine Vertreterin des Amtes für Jugend und Familie war anwesend. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass ihr Vater keine konkrete politische Funktion innegehabt hätte, dass er aber die im Gefängnis befindliche oppositionelle Birtukan Mideksa unterstützt habe. Sie selbst sei nicht politisch interessiert. Ihr Vater sei Händler gewesen und habe viele Grundstücke besessen. Etwa einen Monat vor ihrer Flucht sei ihr Vater aufgrund von "Problemen" von Addis Abeba nach XXXX gezogen. Sie vermute, dass Spione des Regierungschefs Meles etwas von der Unterstützung ihres Vaters für die Opposition erfahren hätten. Sie wisse aber nicht, welche konkreten Schwierigkeiten ihr Vater bekommen habe, er meinte stets, sie sei zu jung dafür. Als sie dann einmal nach Hause kam, habe die Tür offen gestanden und alles sei durchwühlt worden. Zwei Polizisten hätten nach Papieren gesucht, sie wisse nicht welche. Sie wisse auch nicht, wo ihr Vater sei. Sie sei dann von den zwei Polizisten vergewaltigt worden. Ihre Tante sei dann gekommen, kurz nachdem die Polizisten gegangen seien. Zu XXXX konnte die BF keine näheren Angaben machen. Die BF erklärte hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes, dass sie seit ihrem 12.Lebensjahr an Asthma erkrankt sei. Der Beschwerdeführerin wurden Länderfeststellungen zu Äthiopien übergeben und eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme gewährt.
7. Das Bundesasylamt richtete am 12.01.2011 eine Anfrage an die Staatendokumentation, um festzustellen, wo die Stadt XXXX liege und Einzelheiten über die von der Beschwerdeführerin genannte Politikerin Birtukan Mideksa und die Partei Justice for Unity and Democracy zu erhalten.
8. Das Amt für Jugend und Familie als gesetzlicher Vertreter der Beschwerdeführerin übermittelte am 17.01.2011 eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen, in dem es für wesentlich erachtete Passagen der Länderfeststellungen des Bundesasylamtes hervorhob, etwa dass die Opposition Repression von Seiten der Regierung zu fürchten habe oder dass Frauen und Mädchen täglich geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt seien. Daher sei die Beschwerdeführerin im Falle einer Ausweisung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährdet, Eingriffe von hoher Intensität in ihre zu schützende persönliche Sphäre zu erleiden.
9. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation langte am 27.01.2011 ein. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass XXXX die Hauptstadt der XXXX sei. Die größte Oppositionspartei Äthiopiens sei "Unity for Democracy and Justice" unter der Führung von Birtukan Mideksa. Diese sei inhaftiert gewesen, aber unmittelbar nach ihrer Nominierung für den Sakharov-Preis des Europäischen Parlamentes am 06.10.2010 aus der Haft entlassen worden. Vertreter der Oppositionsparteien seien teils der Verfolgung ausgesetzt, prominente Mitglieder und ihre Angehörige seien stark gefährdet. Dagegen erfolge die Einschüchterung gewöhnlicher Parlamentarier häufig auf indirektem Weg, z.B. durch Festnahme der Parteiführer. Konkrete Hinweise, dass Personen, die sich 2010 für die Freilassung von Birtukan Mideksa eingesetzt haben, behördlich verfolgt oder inhaftiert worden seien, gebe es nicht.
10. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.04.2011 (Zl. 10 03.441 BAW) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Äthiopien ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien ausgewiesen (Spruchpunkt III.) .
10.1. Das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) stellte im angefochtenem Bescheid zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchungen zur Altersfeststellung (05.05.2010) zumindest 18,5 Jahre alt gewesen sei, weswegen ihr Geburtsdatum erlassgemäß mit XXXX [gemeint wohl: XXXX] festgestellt wurde. Die Identität der Beschwerdeführerin stehe nicht fest, es sei aber davon auszugehen, dass sie äthiopische Staatsbürgerin sei. Sie leide an Asthma und sei dagegen bereits in Äthiopien behandelt worden. Das Amt für Jugend und Familie sei mit Gerichtsbeschluss obsorgeberechtigt. Die geltend gemachten Fluchtgründe würden der Entscheidung mangels Glaubhaftmachung nicht zu Grunde gelegt. Die Beschwerdeführerin habe in Äthiopien Familie; in Österreich dagegen habe sie keine Bindungen. Sie besuche in Österreich die Schule und lerne Deutsch.
10.2. Das BAA führte im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend aus, dass an der äthiopischen Staatsbürgerschaft nicht zu zweifeln sei, ebenso wenig an der Aussage, dass ihre Tante in Äthiopien lebe. Das von der Beschwerdeführerin angegebene Geburtsdatum sei dagegen auf Basis des Gutachtens zur Altersfeststellung als unwahr festzustellen. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Fluchtgründe seien mangels Konkretisierung, mangels Nachvollziehbarkeit und mangels Plausibilität sowie vor dem Hintergrund der aufgezeigten Widersprüche nicht glaubhaft. Es sei insbesondere nicht zu erklären, warum die Beschwerdeführerin in der Erstbefragung gemeint hätte, ihr Vater sei Politiker und dann später dagegengehalten habe, er sei Händler und habe sich nur daneben politisch betätigt. Zudem habe sie die Partei "Union for democracy and Justice" in einer Einvernahme falsch (Justice for Unity and Democracy) bezeichnet und sei davon auszugehen, dass sie bei dem behaupteten Naheverhältnis ihres Vaters zu dieser Partei korrekte Angaben hätte machen können. Auch ihr fehlendes Wissen über Addis Abeba und XXXX bzw. die fehlende Bereitschaft, Informationen weiterzugeben (z.B. Straßenbezeichnung), lasse an der Glaubwürdigkeit zweifeln. Zudem habe die äthiopische Regierung die Oppositionelle Birtukan Mideksa enthaftet; es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Staat ein Interesse an der Verfolgung ihrer Anhänger habe.
10.3. Bei der rechtlichen Beurteilung führte das BAA aus, dass kein asylrelevanter Sachverhalt glaubhaft gemacht worden sei. Eine Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe sei nicht glaubhaft, daher sei der Asylantrag abzuweisen. Auch wenn die wirtschaftliche Lage in Äthiopien angespannt sei, könne nicht von einer existenzgefährdenden Lebenssituation gesprochen werden bzw. habe die Beschwerdeführerin eine solche auch nicht erwähnt. Es seien auch sonst keine außergewöhnlichen Umstände hervorgekommen, welche eine Verletzung von Art. 3 EMRK annehmen ließen. Die BF habe darüber hinaus Familie im Herkunftsstaat. Ihr Asthma sei bereits in der Vergangenheit in Äthiopien behandelt worden. Die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz würden daher nicht vorliegen. Die Beschwerdeführerin führe in Österreich kein schützenswertes Privat- und Familienleben, daher sei durch eine Ausweisung auch nicht Art. 8 EMRK verletzt.
11. Dagegen wurde fristgerecht am 21.04.2011 vom gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, dem Amt für Jugend und Familie, Beschwerde erhoben und der Bescheid des BAA vom 14.04.2011 zur Gänze angefochten. Der Fluchtgrund wurde wiederholt und erklärt, dass die Beschwerdeführerin in einem Klima der allgemeinen Rechtsunsicherheit in Äthiopien nicht davon ausgehen könne, von staatlicher Seite Schutz gewährt zu bekommen. Für den Fall ihrer Rückkehr befürchte die Beschwerdeführerin weitere Verfolgung aufgrund der politischen Aktivitäten ihres Vaters. Als Minderjährige ohne familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte wäre es ihr fast unmöglich, eine menschenwürdige Existenz aufzubauen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei glaubhaft, sie sei aus wohlbegründeter Furcht, aus politischen Gründen verfolgt zu werden, geflüchtet. Die belangte Behörde habe in ihrer Entscheidungsfindung offenbar keine Rücksicht auf die Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin und ihre dramatische Biographie genommen. Die belangte Behörde habe es ferner unterlassen, Ermittlungstätigkeiten anzustellen, um festzustellen, ob die Ausweisung eines minderjährigen Mädchens ohne Anknüpfungspunkte in einen derart unsicheren Staat nicht eine unverhältnismäßige Gefährdung für die Minderjährige darstelle. Der gesetzliche Vertreter stellte daher den Antrag, es möge ermittelt werden, ob die Situation in der Wohngegend der Beschwerdeführerin so weit als befriedet zu bezeichnen ist, dass ihre Ansiedlung dort zumutbar ist. Sie sei auch dem Risiko unmenschlicher Behandlung im Falle einer Rückkehr ausgesetzt. Die belangte Behörde habe die Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin nicht entsprechend berücksichtigt. Ihr hätte jedenfalls subsidiärer Schutz gewährt werden müssen. Es wurde beantragt, der Asylgerichtshof möge dem Asylbegehren stattgeben, in eventu die Angelegenheit an die Behörde

1. Instanz zurückverweisen, in eventu eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, in eventu die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für unzulässig erklären; jedenfalls möge von einer Ausweisung Abstand genommen werden und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden. Der Beschwerde war die Anfragebeantwortung a-7495 vom 28.01.2011 des Austrian Centre for Country of Origin & Asylum research Documentation (ACCORD) zu "Äthiopien: Unity for Democracy and Justice Party (UDJ) und Birtukan Medeksa; Vorgehen gegen Oppositionelle und ihre Angehörigen" beigelegt. Darin wird unter anderem über willkürliche Verhaftungen oppositioneller Regierungsgegner berichtet.


12. Die Beschwerde wurde am 06.05.2011 dem Asylgerichtshof vorgelegt.
13. Am 06.10.2011 stellte der gesetzliche Vertreter der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters. Es wurde ihr mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes vom 10.10.2011 die ARGE Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.
14. Ein weiterer Antrag der Beschwerdeführerin auf Beigabe eines Rechtsberaters wurde dem Asylgerichtshof am 31.10.2011 übermittelt. Dieser wurde mit Verfahrensanordnung vom 22.11.2011 zurückgewiesen, da bereits ein Rechtsberater bestellt worden war.
15. Am 29.11.2011 wurde das Externistenprüfungszeugnis über die vierte Klasse der Hauptschule vorgelegt. Die Beschwerdeführerin hatte diese mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden.
16. Am 26.02.2013 langte ein Schreiben der Beschwerdeführerin folgenden Inhalts beim Asylgerichtshof ein: "Wie ich bereits im Zuge meiner Einvernahme durch das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, angab, lebte ich vor meiner Flucht aus Äthiopien mit meinem Vater zusammen. Meine Mutter und ihre Familie habe ich nie kennengelernt. Meine Großeltern väterlicherseits sind bereits verstorben, Geschwister habe ich keine. An Angehörigen hatte ich außer meinem Vater nur noch eine Tante namens XXXX, die jüngere Schwester meines Vaters. Der Kontakt zu meiner Tante war aber - vor allem in den letzten Jahren vor meiner Flucht - nicht besonders eng, da mein Vater und ich in Addis Abeba lebten, meine Tante in XXXX. Wie ich bereits schilderte bekam mein Vater wegen seiner politischen Tätigkeit Schwierigkeiten, so dass wir etwa ein Monat vor meiner Flucht aus Äthiopien Addis Abeba verlassen mussten und nach XXXX zogen. Ein paar Wochen später wurde mein Vater aus unserem Haus in XXXX verschleppt und das Haus durchsucht. Ich war zu dieser Zeit nicht zu Hause. Als ich an diesem Tag in unser Haus zurückkehrte, wurde ich von 2 Männern praktisch schon erwartet. Sie fragten mich nach meinem Vater, seiner politischen Tätigkeit und nach Dokumenten. Ich konnte ihnen nichts sagen, da ich nichts wusste. Die Männer schlugen und bedrohten mich, schließlich vergewaltigten sie mich. Als meine Tante später am Abend vorbeikam, erzählte ich ihr, was passiert war. Meine Tante organisierte meine Flucht. Bis heute habe ich keinerlei Informationen darüber, was mit meinem Vater geschehen ist. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Auch zu meiner Tante konnte ich nach meiner Flucht keinen Kontakt mehr herstellen. Müsste ich nach Äthiopien zurückkehren, wäre ich völlig auf mich allein gestellt. Ich habe keine Verwandten oder Freunde, die mich unterstützen oder bei sich aufnehmen können. In Äthiopien existiert kein staatliches Wohlfahrtssystem, von dem notleidende Menschen Unterstützung erlangen können. Für Menschen, die - wie ich - keine Angehörigen haben und über keine eigenen Finanzmittel verfügen, ist es unmöglich, sich eine menschenwürdige Existenz aufzubauen. Allein in Addis Abeba versuchen 100.000e Straßenkinder und Obdachlose auf der Straße zu überleben. Zudem wäre ich als alleinstehende Frau massiver geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Im Falle meiner Rückkehr nach Äthiopien wäre ich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt und dem realen Risiko getötet zu werden. Ich lebe nun seit 3 Jahren ununterbrochen in Österreich. Ich habe zahlreiche Deutschkurse absolviert und spreche bereits fließend Deutsch. Im November 2011 habe ich den Hauptschulabschluss gemacht. Derzeit besuche ich das Gymnasium (Abendschule) und möchte nach Abschluss der 10. Schulstufe eine Krankenschwesternausbildung beginnen. Ich habe in Österreich bereits viele Freude gefunden und nehme intensiv am gesellschaftlichen Leben teil. Ich bin strafgerichtlich unbescholten und habe mir keinerlei Verfehlungen gegen öffentliche Ordnungsvorschriften zu Schulden kommen lassen. Wie bereits ausgeführt habe ich zu meinem Herkunftsstaat keinerlei Anknüpfungspunkte mehr. Zu meinen in Äthiopien lebenden Angehörigen - meinem Vater und meiner Tante - habe ich seit Jahren keinerlei Kontakt. Mir ist nichts über ihr Schicksal bekannt, ich weiß nicht einmal, ob sie noch am Leben sind. Mein gesamtes Privatleben spielt sich seit 3 Jahren ausschließlich in Österreich ab, Österreich ist der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen." Dem beigelegt waren Teilnahmebestätigungen verschiedener Deutschkurse (A1, A1+, A2, A2++, B1) das bereits vorgelegte Zeugnis der Externistenprüfung vom 25.11.2011 und ein UKI-Zeugnis vom 27.06.2011 (Unterstützungskomitee zur Integration von MigrantInnen).
17. Am 13.08.2013 wurde ein Empfehlungsschreiben von Frau Doris LADSTÄTTER übermittelt, welche die Beschwerdeführerin zwei Jahre zuvor über connecting people, ein Projekt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, kennengelernt hatte und ihre familiäre Beziehung zur Beschwerdeführerin beschrieb.
18. Wie in § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idgF vorgesehen, sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.
19. Das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Schreiben der Caritas vom 07.07.2014 informiert, dass die Beschwerdeführerin seit nunmehr zwei Jahren in Lebensgemeinschaft mit dem XXXX lebt und mit diesem gemeinsam in einem Zimmer des XXXX der Caritas wohnt. Sie sprächen miteinander Deutsch und hätten sich einen gemeinsamen Freundeskreis aufgebaut. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.04.2014, GZ. L514 1418622-1/34E war festgestellt worden, dass hinsichtlich des genannten Lebensgefährten die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
20. Infolge eines Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache am 25.08.2014 der Gerichtsabteilung I403 zur Entscheidung zugeteilt.
21. Am 13.10.2014 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest. Sie ist orthodoxen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Amhare an. In Äthiopien besuchte sie für einige Jahre die Schule, in Österreich schloss sie die Hauptschule mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Nach Aussage der Beschwerdeführerin hat sie zu ihrer in Äthiopien verbliebenen Tante keinen Kontakt, ob ihr Vater noch lebt, wüsste sie nicht. Weitere Verwandte hat sie nicht.
Es leben keine Familienangehörigen oder sonstige nahen Verwandten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, allerdings ist sie sozial sehr integriert. Sie hat in Österreich den Hauptschulabschluss nachgeholt und einen engen und aktiven Freundeskreis aufgebaut. Die Beschwerdeführerin spricht ausgezeichnet Deutsch und ist unbescholten. Sie leidet seit ihrem 12. Lebensjahr an Asthma. Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.04.2010 einen Asylantrag, welcher negativ beschieden und sukzedan mit Beschwerde bekämpft wurde.
1.2. Feststellungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes hat sich ergeben, dass die Beschwerdeführerin in Äthiopien keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist. Sie konnte eine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Konvention nicht glaubhaft machen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der politischen Tätigkeit ihres Vaters im Falle einer Rückkehr damit rechnen müsste, aufgrund einer tatsächlichen oder ihr unterstellten politischen Gesinnung von den äthiopischen Behörden verfolgt zu werden.
Es ist allerdings festzustellen, dass sich für die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Äthiopien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ergeben würde und dass diesbezüglich auch keine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit besteht.
Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mehrfach ausgesprochen, dass das Fehlen der Voraussetzungen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung und das Fehlen der Sicherstellung des überlebensnotwendigen Existenzminimums (siehe UBAS vom 15.12.1999, 208.320/0-IX/25/99; UBAS vom 17.07.2000, 212.800/0-VIII/22/99; UBAS vom 12.06.2002, 216.594/0-VIII/22/02, UBAS vom 22.10.2004, 227.507/0-VIII/22/02, u.a.) für ein Refoulementverbot spricht. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Zielstaat einer Abschiebung im Einzelfall entgegenstehen (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059; 09.07.2002, 2001/01/40164; 13.11.2001 2000/01/0453).
Die Beschwerdeführerin konnte glaubhaft machen, dass sie im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat als alleinstehende Frau keine Möglichkeit hätte, sich wieder in der äthiopischen Gesellschaft zu integrieren, insbesondere da sie auf keinen Familienverband zurückgreifen könnte und als Jugendliche Äthiopien verlassen hatte.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer exzeptionellen Situation als alleinstehende Frau ohne familiären Rückhalt in Äthiopien und welche schon als Jugendliche Äthiopien verlassen hatte, im Falle einer Rückkehr in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde. Der Beschwerde zu Spruchteil II. war daher unter Abwägung der persönlichen Gründe der Beschwerdeführerin Folge zu geben und die Ausweisung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) ersatzlos aufzuheben.
1.3. Feststellungen zur Situation in Äthiopien
Politische Situation
Die Parlamentswahlen von 2005 führten zur Zersplitterung der politischen Opposition. Viele Schlüsselfiguren der Oppositionsbewegung wurden damals verhaftet oder sind ins Exil geflohen. Dementsprechend war die Opposition bei den Parlaments-wahlen von 2010 schwach vertreten. Die Medrek-Koalition9 war gegenüber der Regierungskoalition Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) landesweit die einzige oppositionelle Kraft von politischer Bedeutung. Dennoch erhielten die oppositionellen politischen Parteien lediglich einen Sitz. Ein weiterer Sitz ging an einen unabhängigen Kandidaten. Die Koalitionsregierung besteht zwar aus mehreren Parteien, jedoch gibt es keine politische Auseinandersetzung zwischen den Regierungsparteien. Das niederschmetternde Resultat der Opposition widerspiegelt die repressive Politik der äthiopischen Regierung. Mitglieder von oppositionellen Parteien werden verhaftet, bedroht oder verlassen aus Angst vor staatlicher Repression das Land. So befand sich die bekannte Oppositionsführerin Birtukan Mideksa von der Unity for Democracy and Justice (UDJ) während den Wahlen 2010 in Haft. (Bertelsmann Stiftung, Ethiopia Country Report, 2014, S. 2.) Andererseits werden Mitglieder von Parteien der Regierungskoalition gemäss US State Department (USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2012, Ethiopia, 19. April 2013: www.ecoi.net/ local_link/245084/368532_de.html; Bertelsmann Stiftung, Ethiopia Country Report, 2014, S. 7) bevorzugt. Sie haben beispielsweise bessere Chancen auf eine Anstellung oder erhalten eher einen Kredit. Gemäß USDOS verlieren Lehrpersonen sowie weitere Staatsangestellte ihre Arbeitsstelle, wenn sie Mitglied einer oppositionellen Partei sind. Die Wahlbeobachterkommission der Europäischen Union kritisierte in ihrem Bericht die repressive Politik der Regierung gegenüber oppositionellen Parteien. Gemäß der Kommission verunmöglicht die Regierung die Arbeit der Opposition. Im Vorfeld der Wahlen kam es zu Einschüchterungen und Bedrohungen von Oppositionspolitikern. Zudem ist eine unabhängige Berichterstattung nicht möglich, da die meisten Medien unter staatlicher Kontrolle stehen(European Union Election Observation Mission, Ethiopia, Mai 2010, S. 1; 16-19). Im Sommer 2013 fanden zum ersten Mal seit acht Jahren regierungskritische De-monstrationen statt, die von oppositionellen Parteien organisiert wurden. Die Sema-yawi Partei (Blue Party), eine Newcomerin in der politischen Landschaft Äthiopiens sowie die Unity for Democracy and Justice Party (UDJ) organisierten in den Städten Addis Abeba, Gondar und Dessie Kundgebungen. (Amnesty International, Ethiopia, End Stifling of Peaceful Protests, 5 September 2013:

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