Gericht bvwg entscheidungsdatum 21. 10. 2014 Geschäftszahl



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Gericht

BVwG


Entscheidungsdatum

21.10.2014



Geschäftszahl

I403 1418517-2



Spruch

I403 1418517-2/10E


Schriftliche Ausfertigung des am 20.10.2014 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL-GRATZEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.04.2012, Zl. 08 06.909-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.10.2014 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG idgF ersatzlos aufgehoben.
B)
V. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine äthiopische Staatsbürgerin orthodoxen Glaubens und Angehörige der Volksgruppe Amhare war am 05.08.2008 illegal in Wien Schwechat eingereist.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.08.2008 erklärte sie, zwei Monate zuvor von zu Hause zu Fuß nach XXXX gegangen und von dort mit dem Bus weiter nach Addis Abeba gereist zu sein. Dort habe sie für zwei Monate bei Freunden ihres Vaters gewohnt, ehe sie nach Wien geflogen sei. Nach dem Fluchtgrund befragt erklärte sie: "Mein Vater war politisch aktiv. Er wurde deshalb umgebracht. Er hat zuhause Dokumente gehabt. Meine Familie versteckte diese Dokumente. Deshalb wurde unser Haus von äthiopischen Behörden durchsucht bzw. hat man mich verfolgt." Bei einer Rückkehr in ihr Heimatland befürchte sie getötet zu werden. Als Geburtsdatum gab die Beschwerdeführerin "XXXX" an.
3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 11.08.2008 gab die Beschwerdeführerin - aufgrund ihrer Minderjährigkeit im Beisein eines gesetzlichen Vertreters des Amtes für Jugend und Familie - an, nie einen Reisepass besessen zu haben; ihre Dokumente seien zuhause zerstört und verbrannt worden. Nach Österreich sei sie mit einem gefälschten Reisepass eingereist, den sie vom Schlepper bekommen habe. Sie erklärte, nicht vorbestraft und nie im Gefängnis gewesen zu sein; sie sei auch nie Mitglied einer Partei gewesen. Sie habe in Äthiopien 8 Jahre die Grundschule besucht, könne aber nicht sehr gut lesen und schreiben. Sie gab an, von den Behörden aufgrund eines Haftbefehls gesucht zu werden. Sie wiederholte den Fluchtgrund, den sie auch vor der Polizei zu Protokoll gegeben hatte: "Mein Vater war politisch aktiv, er wurde deshalb verfolgt und unser Haus durchsucht." Sie erklärte während der politischen Karriere ihres Vaters für ihn Dokumente, "Propagandamaterial und Kritiken", transportiert zu haben. Ihr Vater habe im Untergrund für die Ethiopia HSB Arbenutsch gearbeitet; er sei vor zwei Jahren von zu Hause abgeholt und im Gefängnis misshandelt worden; dann sei er zu Hause gestorben. Der Rest ihrer Familie habe keinen Kontakt zur Partei gehabt, daher habe nur sie flüchten müssen. Ihre Familie lebe nun seit etwa zwei Monaten in XXXX, wie es ihr gehe, wisse sie nicht. Auf die Frage, ob sie ihre Angaben irgendwie belegen könne, etwa durch eine Sterbeurkunde ihres Vaters, antwortete die Beschwerdeführerin, dass sie nichts habe und auch nichts beschaffen könne.
4. Per Telefonat am 12.11.2008 ersuchte das Projekt CARAVAN, die Betreuungsstelle, in welcher die Beschwerdeführerin untergebracht war, um Richtigstellung des Geburtsdatums auf den XXXX.
5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 13.11.2008 wurde das Amt für Jugend und Familie, MA 11, 1100 Wien als gesetzliche Vertretung aufgefordert, binnen vier Wochen identitätsbezeugende Dokumente sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 01.12.2008, eingelangt per Fax beim Bundesasylamt am 03.12.2008, gab das Amt für Jugend und Familie als gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin, folgende Stellungnahme ab: "Sie gab, kurz zusammen gefasst, glaubhaft an, von äthiopischen Behörden verfolgt worden zu sein. Ihr Vater war Mitglied der Partei Äthiopia HSB Arbenutsch und war für diese im Untergrund tätig. Er wurde aufgrund seiner politischen Aktivität ins Gefängnis gebracht und dort geschlagen. Zu Hause ist er dann verstorben. Der Vater hatte zu Hause Dokumente versteckt. Deshalb wurde die Familie der Ast verfolgt und ihr Haus durchsucht. Die Ast hatte, während der Vater noch lebte, für ihn Dokumente transportiert und war somit in unmittelbarem Kontakt mit dessen Partei gekommen. Aus Angst vor weiterer Verfolgung verließ das Mädchen das Land und konnte sich in Österreich in Sicherheit bringen. Ihre wohl begründete Furcht bezieht sich somit auf Repressionen, gegen die sie durch staatliche Akteure nicht im erforderlichen Ausmaß geschützt werden kann." Aus § 15 Asylgesetz könne nicht abgeleitet werden, dass der Antragstellerin oder ihrem gesetzlichen Vertreter aufgetragen werden könne, Unterlagen von Behörden des Verfolgerstaates anzufordern. Ein Asylwerber habe nur die ihm zur Verfügung stehenden Dokumente vorzulegen. Eine Kontaktaufnahme mit den Behörden des Verfolgerstaates würde die Sicherheit der Antragstellerin gefährden. Der Verfahrensanordnung könne nach sorgfältiger Abwägung daher nicht entsprochen werden. Einen Suchantrag bezüglich der im Heimatland verbliebenen Familienangehörigen über das Österreichische Rote Kreuz habe die Beschwerdeführerin abgelehnt, da sie um die Sicherheit ihrer Angehörigen fürchte.
6. Bei einer weiteren Einvernahme durch das Bundesasylamt am 12.03.2009 erklärte die Beschwerdeführerin, dass ihr Vater 2006 verstorben sei, das genaue Sterbedatum würde sie sich aber nicht merken können. Die neue Adresse ihrer Mutter in XXXX oder ihre Telefonnummer wisse sie nicht, sie habe keinen Kontakt zu ihr. Sie habe nicht daran gedacht, sie habe eigene Probleme. Beim Umzug ihrer Mutter seien dieselben Freunde ihres Vaters beteiligt gewesen, welche auch ihr bei der Flucht geholfen hätten. Ihre Namen seien

XXXX und XXXX, Kontaktdaten, wie Adresse oder Telefonnummer, wisse sie aber von ihnen nicht. Nach dem Tod ihres Vaters seien sie zu ihr und ihrer Mutter gekommen. Ihre Großmutter lebe noch immer in XXXX, sie heiße XXXX. Hinsichtlich des Fluchtgrundes wiederholte die Beschwerdeführerin, dass ihr Vater eine Oppositionspartei unterstützt habe. Er sei Mitglied der EPPF gewesen und wenn ihr Vater zur EPPF nach XXXX gefahren sei, habe er sie, seit sie zwölf sei, mitgenommen. Als Tarnung gab er vor, Lebensmittel zu kaufen, die er dann weiterverkaufte. Nachdem die Mitgliedschaft ihres Vaters bei EPPF entdeckt worden sei, sei er festgenommen und zwei Wochen lang inhaftiert worden. Nach seiner Freilassung sei er krank gewesen; er sei dann immer wieder inhaftiert worden und nach seiner letzten Freilassung sei er gestorben. Ihre Familie habe auch ein Grundstück besessen, das ihr weggenommen worden sei. Ihre Wohnung sei in Brand gesteckt worden, weil man dort Dokumente vermutet habe. Sie selbst sei nach dem Tod ihres Vaters auch immer wieder mitgenommen und nach anderen Anhängern der EPPF befragt worden. Sie sei oft mitgenommen und auf das Bezirksamt in XXXX gebracht worden. Bei EPPF handle es sich um eine verbotene Organisation; man habe sich in einem Appartement am Rande von XXXX getroffen, die Adresse wisse sie nicht, es gehöre XXXX und liege in der Umgebung des Montagsmarktes. Ihr Vater habe ihr bei einem Besuch im Gefängnis aufgetragen, die Namen der anderen Mitglieder nicht zu verraten. Sie sei dann immer wieder befragt worden; beim letzten Mal habe man ihr gesagt: "Genau wie dein Vater wirst du sterben." Die Beschwerdeführerin wurde gebeten, den genauen Gesprächsinhalt wiederzugeben und mehr Details zu schildern. Sie antwortete mit den Worten: "Die letzte Warnung war: Hast du deinen Vater gesehen, wie er gestorben ist? Dann wirst du auch genau wie dein Vater sterben, wenn du nicht sagst die Mitglieder deines Vaters." Auf weitere Nachfrage meinte sie, sie habe diese Warnung 15 Tage vor ihrer Abreise von XXXX mündlich im Gefängnis erhalten; nähere Details schilderte die Beschwerdeführerin nicht. Auf die Frage nach ihrem Alter erklärte die Beschwerdeführerin, dass ihr Vater ihr bei Schuleintritt gesagt habe, sie sei sieben Jahre alt und seit damals würde sie die Jahre zählen. Sie werde im August 18 Jahre alt. Nachdem ihr vom Bundesasylamt vorgehalten wurde, dass aufgrund ihres Erscheinungsbildes eine Minderjährigkeit unglaubwürdig sei, stimmte die Beschwerdeführerin einer Untersuchung zur Altersfeststellung zu. Sie gab auch ihr Einverständnis zu einer Recherche in Äthiopien, solange ihre Großmutter dadurch keine Probleme bekäme.


7. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12.03.2009 wurde ein Befundbericht des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien (AKH) vom 11.03.2009 vorgelegt; diagnostiziert wurde eine posttraumatische Belastungsstörung, eine mittelgradige depressive Episode und Spannungskopfschmerz. Eine Medikation (Trittico, Risperdal) wurde als unbedingt erforderlich erachtet. Weiters wurde eine "psychologische Stellungnahme", erstellt von Mag. Irene NIEDERMAYER, Psychologin und zuständig für die sozialpädagogische Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, in welcher die Beschwerdeführerin seit 13.08.2008 untergebracht war, vorgelegt. Bei der "Stellungnahme" handelte es sich im Wesentlichen um eine Selbstauskunft zu Fluchtgeschichte und psychischer Anamnese. Die Fluchtgeschichte stimmte mit der Schilderung gegenüber dem Bundesasylamt überein.
8. Die Beschwerdeführerin wurde zu einer ärztlichen Untersuchung beim Chefärztlichen Dienst in der Sicherheitsdirektion Wien am 23.03.2009 geladen. Der entsprechende Befund vom 23.03.2009 liegt dem Akt in Form einer "Alterseinschätzung - Polizeiamtsärztliche Stellungnahme" bei. Dieses Formular bietet in der Zusammenfassung die Möglichkeit, entweder "Aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes kann mit absoluter Sicherheit von einem/einer Jugendlichen ausgegangen werden" oder "ist fraglich, ob es sich um eine/n Jugendliche/n handelt" anzukreuzen. Im gegenständlichen Fall wurde die zweite Möglichkeit angekreuzt, dh vom Chefarztstellvertreter der Bundespolizeidirektion Wien am 23.03.2009 festgehalten, dass fraglich sei, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Jugendliche handle.
9. Das Magistrat der Stadt Wien als gesetzlicher Vertreter der Beschwerdeführerin übermittelte dem Bundesasylamt am 14.04.2009 eine Stellungnahme des Vereins Projekt Integrationshaus, in dem im Wesentlichen festgestellt wurde, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine psychisch schwer belastete Heranwachsende handeln würde, welche durch große Schüchternheit und Bescheidenheit auffalle.
10. Die Beschwerdeführerin wurde zu einer MRT-Untersuchung zur Altersfeststellung geladen; am 21.04.2009 erklärte das Magistrat der Stadt Wien, dass die Beschwerdeführerin daran nicht teilnehmen könne, da aus Sicht der Universitätsklinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters dringend davon abzuraten sei. In dem entsprechendem ambulanten Kurzbefund vom 20.04.2009 wurde dies bestätigt und weiter ausgeführt, dass aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht keine eindeutigen Hinweise bestünden, dass das von der Beschwerdeführerin angegebene Alter nicht ihrem tatsächlichen Alter entsprechen würde.
11. Das Bundesasylamt stellte in einem Schreiben vom 22.04.2009 an das Amt für Jugend und Familie, MA 11, 1100 Wien als gesetzliche Vertretung der Beschwerdeführerin den Kurzbefund der Universitätsklinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters in Frage, da dieser nicht schlüssig und nachvollziehbar sei, sei doch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen von einer MRT-Untersuchung Abstand zu nehmen sei. Für die Vorlage entsprechender fachärztlicher Gründe bzw. Befunde wurde eine Frist von einer Woche eingeräumt. Es stehe der gesetzlichen Vertretung frei, innerhalb von vier Wochen die MRT-Untersuchung selbständig zu organisieren. Ausdrücklich wurde auf die Möglichkeit der Behörde hingewiesen, bei fehlender Mitwirkung die Volljährigkeit von Amts wegen festzustellen.
12. Das Amt für Jugend und Familie, MA 11, 1100 Wien als gesetzliche Vertretung der Beschwerdeführerin übermittelte am 27.04.2009 den Befund einer Ärztin für Allgemeinmedizin, dass die Beschwerdeführerin vom 21.04.2009 bis 24.04.2009 an einem grippalen Infekt erkrankt sei und ihre Wohnung nicht habe verlassen können.
13. Eine weitere Stellungnahme des Amtes für Jugend und Familie, MA 11, 1100 Wien als gesetzliche Vertretung der Beschwerdeführerin langte am 27.04.2014 beim Bundesasylamt ein. Das Amt führte aus, dass es die Beschwerdeführerin auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen habe, jedoch keinen Einfluss auf ihre Handlungen habe und man ihr auch nichts gegen einen fachärztlichen Befund anraten könne.
14. Die vom Bundesasylamt eingeforderte fachärztliche Begründung für die Verweigerung des MRT langte mittels klinischer Bestätigung des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien, Universitätsklinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters am 30.04.2009 beim Bundesasylamt ein. Es wurde ausgeführt, dass aufgrund der diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung und Angstsymptomatik das Risiko bestehe, dass durch eine MRT-Untersuchung der Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst werde; daher habe man trotz der Kopfschmerzsymptomatik bisher auch von einem MRT abgesehen.
15. Das Amt für Jugend und Familie, MA 11, 1100 Wien als gesetzliche Vertretung der Beschwerdeführerin übermittelte am 08.05.2009 einen äthiopischen Taufschein der Beschwerdeführerin in Kopie. Das Bundesasylamt gab eine Übersetzung in Auftrag, welche laut Poststempel am 08.06.2009 einlangte.
16. Eine weitere Ladung für eine ärztliche Untersuchung wurde der Beschwerdeführerin am 13.05.2009 für einen Termin am 03.06.2009 übermittelt.
17. Bei der polizeiärztlichen Untersuchung am 03.06.2009 erklärte die Beschwerdeführerin eine MRT-Untersuchung strikt abzulehnen und auch große Angst davor zu haben. Der polizeiärztliche Befund erklärt abschließend, dass auf Basis der vorgelegten Befunde und des Gesprächs mit der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht die Durchführung einer MRT-Untersuchung derzeit nicht zu empfehlen sei.
18. Am 21.07.2010 erfolgte eine Urkundenvorlage durch das Caritas Asylzentrum. Vorgelegt wurden der Taufschein, Semesternachricht und Abschlusszeugnis des "BAJU"(Basisausbildung für Jugendliche und junge Erwachsene)-Lehrganges des Integrationshauses sowie die Deutschkurszertifikate des Integrationshauses und des Lern- und Sprachinstitutes "lernaktiv".
19. Eine weitere niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesasylamt fand am 25.08.2010 statt. Die Beschwerdeführerin wurde gefragt, wie sie in den Besitz des Taufscheines gekommen sei. Sie erklärte, ihr habe ein äthiopischer Priester geholfen (XXXX), dieser sei aber inzwischen wieder in Äthiopien. Sie sei weiterhin in psychiatrischer Behandlung und nehme Medikamente. Die Beschwerdeführerin weigerte sich auf Nachfrage weiterhin, sich einer MRT-Untersuchung zu unterziehen. Der Beschwerdeführerin wurde vorgehalten, dass im Taufschein der XXXX und nicht der XXXX als Geburtsdatum vermerkt sei. Sie erklärte, sie habe dem Priester ihre Adresse gegeben, er habe den Taufschein besorgt. Nach dem Fluchtgrund befragt erklärte die Beschwerdeführerin: "Mein Vater war Mitglied einer politischen Partei. Auf Nachfrage der EPPF. Mein Vater ging immer nach XXXX, um bei den Verhandlungen dabei zu sein. Es gab auch Leute, die aus Addis Abeba kamen. Sie redeten über politische Themen. Ich ging mit ihm. Jemand sah dann meinen Vater, dass er an diesen Versammlungen teilnimmt und mein Vater wurde dann von jener Person verraten. Dann wurde mein Vater von zu Hause abgeholt und auf der Polizeistation festgehalten. Er blieb dort 15 Tage. Er wurde dort misshandelt. Man warf ihm vor, politisch tätig zu sein. Die haben ihn gezwungen, dass er Dokumente hergibt. Er wurde also von ihnen missbraucht und deshalb starb mein Vater. Nachdem er verstarb, 2006, also zwei Jahre bevor ich das Land verließ, da kamen sie, holten mich ab und forderten mich auf zu sagen, wer die Freunde meines Vaters waren. Weil die Arbeit meines Vaters aber nützlich ist für unser Land habe ich nichts gesagt. Die Polizei wollte aber von mir, dass ich die Leute, die mit meinem Vater arbeiteten, mit Namen und Adresse bekannt gebe. Die haben gesagt, dass wenn ich ihnen sage, wer die Leute waren, dann werden sie uns das Land, das wir früher bewirtschafteten und welches sie uns weggenommen haben, zurückgeben. Wir würden in Ruhe leben können, das sagten sie auch noch. Ansonsten drohten sie mir, mich umzubringen und mich zu missbrauchen. Am Schluss bedrohten sie mich mit dem Umbringen. Es gab einen Händler, der aus XXXX kam, Ich habe auch geweint. Ich habe dann mit ihm gesprochen und gefragt, was ich denn machen soll. Er hat dann zwei Freunden meines Vaters die Geschichte erzählt und die meinten, ich solle mich beruhigen, sie würden mir helfen. So kam es, dass ich Äthiopien verließ." Ihre Nachbarn würden ihre Geschichte bestätigen. Ihr Haus sei einige Monate vor dem Tod des Vaters niedergebrannt worden, danach habe die Familie am Hof ihrer Großmutter gelebt.
20. Ein Fachärztlicher Befundbericht von Dr. Irene AUST, FA für Psychiatrie und Neurologie in 1040 Wien vom 23.08.2010, diagnostizierte eine Anpassungsstörung und Cephalea und verschrieb der Beschwerdeführerin weiterhin Trittico 75 mg.
21. Das Bundesasylamt richtete am 04.10.2010 eine Anfrage an die Staatendokumentation, welche mit Bericht des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 12.01.2011 folgendermaßen beantwortet wurde:
21.1. Ist die Antragstellerin und deren Familie in der angeblichen Wohngegend bekannt? Existieren die bekannt gegebenen Nachbarn? Was wissen die Nachbarn über die Antragstellerin und deren Familie zu berichten (z.B. über die politische Tätigkeit des Vaters; dessen Schwierigkeiten mit der Polizei bzw. über die Schwierigkeiten der Ast. Mit den Behörden). Was ist in der Nachbarschaft über den Fluchtgrund der Ast. bekannt? Was wissen die Nachbarn über die Großmutter der Ast. zu berichten? Was ist in der Nachbarschaft über den Aufenthaltsort der Mutter und der Geschwister bekannt?
Antwort des Vertrauensanwaltes: Die Antragstellerin und ihre Familie waren tatsächlich im Dorf XXXX bekannt. Die erwähnten Nachbarn gibt es dort auch. Es wurde von den Nachbarn bestätigt, dass die Antragstellerin am behaupteten Ort gemeinsam mit ihrer Familie lebte. Jedoch wüssten die Nachbarn nichts über die politischen Aktivitäten des Vaters sowie der Antragstellerin selbst. Tatsächlich haben die Nachbarn bezeugt, dass der Vater eine neutrale Person war und bekannt für keine politische Zugehörigkeit war und das gleiche galt auch für die Antragstellerin selbst. Sie haben weiters bestätigt, wonach die Großmutter der Antragstellerin noch an der behaupteten Adresse lebt, während die Mutter der Antragstellerin mit den Geschwistern in eine andere Stadt, namens XXXX, übersiedelt ist.
21.2. Lebt die Großmutter der Antragstellerin an der angegebenen Wohnörtlichkeit? Was weiß die Großmutter über die angegebenen Fluchtgründe (z.B. über die politische Tätigkeit des Vaters)? Was weiß die Großmutter über die Aufenthaltsörtlichkeit der Mutter und Geschwister der Antragstellerin? Steht die Großmutter mit der Mutter der Ast und den Geschwistern der Ast. in Kontakt?
Antwort des Vertrauensanwaltes: Die Großmutter der Antragstellerin lebt an der genannten Adresse. Jedoch war es uns nicht möglich die Großmutter zu interviewen. Dennoch haben wir Nachbarn und ein enges Familienmitglied befragt und wir fanden heraus, dass die Antragstellerin Äthiopien verlassen hat und in ein arabisches Land reiste, um dort zu arbeiten (normalerweise gehen viele junge äthiopische Mädchen in verschiedene arabische Länder, um zu arbeiten und sich selbst und ihre Familien zu erhalten). Sie haben auch überprüft, ob die Mutter der Antragstellerin und die Geschwister in XXXX leben und dass sie davon ausgehen, dass die Großmutter Kontakt mit ihnen hat. Jedoch können wir dies nicht als Tatsache bestätigen, da es nicht möglich war, mit der Großmutter zu sprechen.
21.3. Gibt es die genannte Schule, die die Antragstellerin besucht haben will, tatsächlich? War die Ast im genannten Zeitraum Schülerin dort?
Antwort des Vertrauensanwaltes: Die Schule namens XXXX existiert in XXXX und es ist wahr, dass die Ast dort die Grundschule besuchte.
21.4. Bitte um Recherche, ob der vorgelegte Taufschein echt ist bzw. inhaltlich richtig. Insbesondere ob die Ast. tatsächlich in der orthodoxen Kirche XXXX getauft wurde und ob der angegebene Taufpriester bzw. die Antragstellerin dort bekannt sind.
Antwort des Vertrauensanwaltes: Es existiert eine Kirche namens XXXX und der erwähnte Priester arbeitet auch dort. Jedoch können wir bestätigen, wonach die Antragstellerin in XXXX, XXXX geboren wurde. Und ihre Familie übersiedelte nach XXXX, als sie ein kleines Kind war, daher konnte sie nicht in der genannten Kirche in XXXX getauft sein. Folglich sehen wir uns gezwungen anzunehmen, dass die vorgelegte Geburtsurkunde eine Fälschung ist.
21.5. Was ist in der Kirche über die Familie der Ast. bekannt? Ist der Vater der Ast. tatsächlich wie angegeben 2006 verstorben? Was ist über das Ableben des Vaters der Ast. (Nachbarschaft, Kirchengemeinde, Pfarre usw.) bekannt?
Antwort des Vertrauensanwaltes: Die Familie ist in der Kirche bekannt. Allerdings starb der Vater der Antragstellerin nicht im Jahr 2006, wie von der Antragstellerin behauptet. Vielmehr haben wir herausgefunden, wonach der Vater der Antragstellerin bereits früher als in diesem Jahr aufgrund einer schweren Krankheit verstorben ist.
22. Das Bundesasylamt übermittelte den Bericht des Vertrauensanwaltes, zusammen mit allgemeinen Länderfeststellungen zu Äthiopien, an die Beschwerdeführerin. In einer Stellungnahme vom 01.02.2011 führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Recherche des Vertrauensanwaltes im Wesentlichen ihre Angaben bestätigen würde. Dass die Nachbarn nichts über die politische Aktivität des Vaters und seinen Tod im Jahr 2006 wüssten, würde sich dadurch erklären lassen, dass die Beschwerdeführerin ihre ersten Lebensjahre bei ihren Großeltern mütterlicherseits verbracht hatte und den Namen ihres Großvaters XXXX erhalten habe, während ihr Vater XXXX geheißen habe. Offenbar sei es durch die abweichende Namensgebung zu einer Verwechslung gekommen; ihr Großvater sei nicht politisch tätig gewesen und vor dem Jahr 2006 an einer schweren Krankheit verstorben. Zudem habe man das politische Engagement aus Furcht vor Repressionen geheim gehalten. Dass die Nachbarn nach der Ausreise der Beschwerdeführerin gedacht hätten, sie sei in ein arabisches Land gereist, sei eine reine Vermutung der Nachbarn gewesen. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes sei nicht zu entnehmen, wie er darauf komme, dass die Beschwerdeführerin in XXXX geboren sei. Dies sei auch nicht korrekt, sie sei in XXXX geboren und habe bis zwei Monate vor ihrer Ausreise dort gelebt. Der Taufschein sei keine Fälschung. Der Stellungnahme waren auch Berichte über Repressionen (Verhaftungen, Folter etc.) gegenüber Mitgliedern von Oppositionsparteien wie der EPPF beigefügt. De Beschwerdeführerin informierte zudem darüber, dass sie den Vorbereitungslehrgang für den Hauptschulabschluss an der VHS Meidling erfolgreich bestanden habe und nun für den Lehrgang "Hauptschulabschluss nachholen" zugelassen und angemeldet sei.
23. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2011 (Zl. 08 06.909-BAW) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) Im Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen, und im Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien ausgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass die geltend gemachten Fluchtgründe mangels Glaubhaftmachung der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt würden. Die Beschwerdeführerin habe ihr Vorbringen ständig abgeändert und modifiziert und habe keine konkreten, detailgenauen Angaben getätigt. Auch die Recherche der Österreichischen Botschaft habe keinen Hinweis ergeben, dass den Fluchtgründen Glauben zu schenken wäre. Es sei auch nicht feststellbar, dass ihr im Falle einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Äthiopien eine Gefahr im Sinne des § 50 FPG drohe. Im Ergebnis würden bei der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK die öffentlichen Interessen an der Ausreise der Beschwerdeführer ihre privaten deutlich überwiegen.

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