Gericht bvwg entscheidungsdatum 06. 04. 2016 Geschäftszahl



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3. Rolle und Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden und des Militärs
Die Polizei untersteht dem Innenministerium und übt ihre Tätigkeit in den Städten aus. Sie hat, wie auch der nationale Geheimdienst MIT (Millî Istihbarat Teskilâti), der sowohl für die Inlands- wie für die Auslandsaufklärung zuständig ist, unter der AKP-Regierung an Einfluss gewonnen.
Der Einfluss der Polizei wird seit den Auseinandersetzungen mit der Gülen-Bewegung sukzessive von der AKP zurückgedrängt (massenhafte Versetzungen, Suspendierungen vom Dienst und Strafverfahren). Der MIT ist die Institution, die am meisten Einfluss gewinnen konnte. (siehe auch Abschnitt II.1.1.)
Die Jandarma ist für die ländlichen Gebiete und Stadtrandgebiete zuständig, rekrutiert sich aus Wehrpflichtigen und untersteht dem Innenminister. Polizei und Jandarma sind zuständig für innere Sicherheit, Strafverfolgung und Grenzschutz.
Die politische Bedeutung des Militärs ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen, die AKPRegierung konnte seit Sommer 2011 bei einer Reihe von Entscheidungen das Primat der Politik unterstreichen. Die türkischen Militärs verstehen sich mehrheitlich weiterhin als Hüter der von Staatsgründer Kemal Atatürk begründeten Traditionen und Grundsätze, besonders des Laizismus und der Einheit der Nation (v. a. gegen kurdischen Separatismus).
II. Asylrelevante Tatsachen
1. Staatliche Repressionen
Es gibt grundsätzlich keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder allein wegen ihrer politischen Überzeugung. Allerdings hat sich im Zuge der zunehmenden politischen Polarisierung und insbesondere wegen des Konflikts zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung und der erneuten Eskalation des Konflikts mit der PKK der Druck auf regierungskritische Kreise deutlich erhöht. Vor diesem Hintergrund kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen (siehe nachfolgende Abschnitte).
1.1. Politische Opposition
Politisch Oppositionelle können sich prinzipiell frei und unbehelligt am politischen Prozess beteiligen. Das letzte Verbot gegen eine politische Partei wurde 2009 gegen die pro-kurdische DTP (Demokratik Toplum Partisi) verhängt, deren Nachfolgepartei BDP (Baris ve Demokrasi Partisi) jedoch spätestens mit Beginn des Dialogprozesses zwischen der Regierung und PKK-Chef Öcalan Ende 2012 als etablierte Partei im türkischen Parlament anerkannt wird. Ende April 2014 traten die BDP-Parlamentsabgeordneten mehrheitlich zur Schwesterpartei HDP (Halklarin Demokratik Partisi, Demokratische Partei der Völker) über, die als "Dachpartei" weitere linksgerichtete Organisationen umfasst und über das kurdische Spektrum hinaus weitere Wählerschichten ansprechen soll. Für die Regierung war die HDP Verhandlungspartner im Lösungsprozess.
Die HDP/ BDP ist aufgrund der engen Verbindungen insbesondere ihrer Basis zur PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans, auch in Deutschland als ausländische Terrororganisation eingestuft) von der Strafverfolgung gegen deren politische Dachorganisation KCK (Koma Ciwaken Kürdistan, Union der Gemeinschaften Kurdistans) betroffen. In diesem Rahmen wurden seit April 2009 nach Schätzungen unabhängiger Beobachter (u.a. der Europäischen Union) über 2.000 Personen in allen Landesteilen und insbesondere im kurdisch geprägten Südosten verhaftet und z.T. bereits verurteilt, darunter auch zahlreiche Bürgermeister und andere Mandatsträger der BDP. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, Mitglieder der KCK und damit einer terroristischen Vereinigung zu sein (Strafrahmen: 15 Jahre bis lebenslänglich). Die KCK hat nach Auffassung der türkischen Behörden zum Ziel, von der PKK dominierte quasi-staatliche Parallelstrukturen (z.B. Sicherheit, Wirtschaft) aufzubauen. Das umfangreichste Verfahren gegen 151 Angeklagte in Diyarbakir hat 2010 begonnen und dauert weiterhin an. Die Vorwürfe beruhen nach Ansicht der Verteidigung zum großen Teil auf illegalen Telefonüberwachungen und nicht stichhaltigen Beweisen. Alle Angeklagten wurden zwischenzeitlich aufgrund der Justizreformpakete aus der Untersuchungshaft entlassen. Bei diversen anderen Verhaftungswellen im Südosten des Landes sowie in den Ballungszentren Istanbul, Ankara und Izmir wurden seit Mitte 2011 auch Journalisten, Akademiker, Gewerkschafter und Rechtsanwälte inhaftiert. Aktuellen Erkenntnissen zufolge befinden sich in diesem Zusammenhang derzeit noch 20 bis 25 Journalisten in Haft.
Im Zuge der Auseinandersetzung zwischen den ehemaligen politischen Partnern AKP und Gülen-Bewegung zielt die Regierung Davutoglu auf eine Eliminierung paralleler Strukturen der Gülen-Anhänger in der staatlichen Verwaltung ab. Der Schwerpunkt liegt bisher auf dem Polizei und Justizbereich mit massenhaften Versetzungen und umstrittenen Gesetzesvorhaben.
Jüngste Eskalationen sind die Ermittlungen des Hohen Rates für Richter und Staatsanwälte
(HSYK) gegen ca. 100 angeblich in den "Parallelstaat" eingebundene Richter und Staatsanwälte sowie eine Kontroverse über die versuchte Freilassung aus der Untersuchungshaft von 79 seit Dezember 2014 inhaftierten, aber bislang nicht angeklagten Gülen-Anhängern durch ein mutmaßlich von Gülen gesteuertes Gericht. Die Richter, die die Freilassung verfügt hatten, wurden kurz danach durch den HSYK von ihren Ämtern suspendiert. StP Erdogan scheint weiterhin als treibende Kraft hinter den Auseinandersetzungen mit der Gülen-Bewegung zu stehen. Er sprach in diesem Zusammenhang erneut von "Vernichtung". Der enge Erdogan-Vertraute und stellvertretende
Ministerpräsident Akdogan forderte von den Oppositionsparteien Beteiligung am Kampf gegen die Gülen-Bewegung und sprach ebenfalls in drastischen Worten: "Es reiche nicht aus, der Eidechse den Schwanz abzureißen, man müsse den Kopf zerquetschen." Nach einer Welle von Versetzungen sollen Gülen-Anhänger in der Justiz, die bis 2013 von der AKP-Regierung zu Tausenden als Gegengewicht zu der früher von den "Kemalisten" geprägten Justiz eingestellt worden waren, nunmehr gänzlich aus ihren Ämtern entfernt werden. Die mit diesen Vorgängen noch sichtbarer werdende Politisierung der Justiz ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten besorgniserregend.
Diese Entwicklung wird sich negativ auf die bereits jetzt geringe Effektivität der Justiz auswirken, die wegen der überlangen Verfahrensdauer in vielen Prozessen dringend auf mehr qualifizierte Juristen angewiesen ist. Auch das traditionell gering ausgeprägte Vertrauen der Gesellschaft in die Justiz leidet unter der anhaltenden Auseinandersetzung innerhalb der dritten Gewalt.
1.2. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit
Die türkische Verfassung garantiert Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und
Pressefreiheit, in der Praxis sind diesen Rechten aber Grenzen gesetzt, die zunehmend enger werden. Die Freiheit, auch ohne vorherige Genehmigung unbewaffnet und gewaltfrei Versammlungen abzuhalten, unterliegt Einschränkungen, soweit Interessen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die Vorbeugung von Straftaten bzw. die allgemeine Gesundheit oder Moral betroffen sind.
In der Praxis werden bei pro-kurdischen oder politischen Versammlungen des linken Spektrums (z.B. marxistisch-leninistisch ausgerichteter Gruppierungen) regelmäßig dem Veranstaltungszweck zuwiderlaufende Auflagen bezüglich Ort und Zeit gemacht und zum Teil aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen Verbote ausgesprochen. Betroffen von Versammlungsverboten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind auch immer wieder Gewerkschaftsmitglieder. Fälle von massiver Gewalt seitens der Sicherheitskräfte, polizeiliche Ingewahrsamnahmen und strafrechtlichen Ermittlungen bei der Teilnahme an nicht genehmigten oder durch Auflösung unrechtmäßig werdenden Demonstrationen kommen nicht selten vor. Nicht genehmigte Versammlungen werden häufig unter Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken aufgelöst. Regierungskritische Demonstrationen nach den "Gezi-Park-Protesten" im Sommer 2013 wurden vielfach aufgelöst.
Die extensive Auslegung des unklar formulierten § 220 tStGB (kriminelle Vereinigung) durch
den Obersten Strafgerichtshof führte zur Kriminalisierung von Teilnehmern an Demonstrationen, bei denen auch PKK-Symbole gezeigt wurden bzw. zu denen durch die PKK aufgerufen wurde, unabhängig davon, ob dieser Aufruf bzw. die Nutzung dem Betroffenen bekannt war. Sie mussten mit einer Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen.
Mit dem 3. Justizreformpaket wurde die Möglichkeit zu deutlichen Strafmilderungen und Haftaussetzung für Nichtmitglieder einer Terrororganisation geschaffen und mit dem 4. Justizreformpaket die Doppelbestrafung nach ATG und StGB abgeschafft.
Das 2004 novellierte Vereinsgesetz erlaubt die Gründung von Vereinen auf der Grundlage der Zugehörigkeit u. a. zu einer Religion oder Volksgruppe innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens. Türkisch muss nur noch in der offiziellen Korrespondenz des Vereins mit staatlichen Institutionen benutzt werden. (siehe auch Abschnitt 1.8.).
Die Meinungsfreiheit wird durch die Anwendung verschiedener Gesetze (insbesondere Strafgesetzbuch, Anti-Terror-Gesetz, auch: jüngst in Teilen verabschiedetes Sicherheitspaket) eingeschränkt. Mit den Änderungen im Anti-Terror-Gesetz und Strafgesetzbuch im Rahmen des 4. Justizreformpakets vom 11.04.2013 werden Meinungsdelikte und Veröffentlichungen nur dann noch strafrechtlich verfolgt, wenn sie Gewalt oder Drohungen einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung rechtfertigen, loben oder explizit dazu aufrufen. Durch Änderung des Artikels 250 tStGB ("Loben einer Straftat oder eines Straftäters") können Äußerungen zur PKK (z.B. Bezeichnung der PKK als "Guerilla"), zum PKK-nahen Fernsehsender ROJ-TV oder zum inhaftierten Abdullah Öcalan ("Verehrter Herr Öcalan") nur noch strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen.
Die Möglichkeit, sich frei im Internet zu äußern, ist in mehrfacher Hinsicht beschränkt. Zunächst wurde durch das Gesetz zur Regulierung von Veröffentlichungen im Internet und zur Bekämpfung der Internetkriminalität" (Gesetz Nr. 5651 vom 04.05.2007) ein rechtlicher Rahmen zur Einschränkung geschaffen. Obwohl nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen bereits der Zugang zu mehr ca. 80.000 Internetseiten gesperrt ist, wurde im Zuge der Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung im Februar 2014 ein Gesetz verabschiedet, das der Telekommunikationsbehörde nun auch die Möglichkeit gibt, einzelne Sperrungen (anders als zuvor) vorübergehend ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Im jüngst verabschiedeten Sicherheitspaket enthaltene Regelungen gehen darüber noch hinaus.
Im März 2014 erfolgte auf dieser Grundlage nacheinander die Sperrung von Twitter und YouTube. In beiden Fällen wurde die Entscheidung vor Gericht angefochten und vom zuständigen Gericht (in Teilen) aufgehoben. Die Umsetzung dieses Beschlusses durch die Telekommunikationsbehörde erfolgt(e) allerdings äußerst schleppend. Hinzu kommt, dass führende Regierungsvertreter, allen voran der damalige MP selbst, in öffentlichen Äußerungen deutlich machen, dass die Bedeutung des Internets für die Verwirklichung elementarer Grundrechte der türkischen Bevölkerung nicht gesehen wird.
Im Freedom House Bericht - Freedom on the Net 2014- wird die Türkei als "partly free" bewertet (anders als im Freedom of Press Index der gleichen Organisation, hier wird sie als "not free" eingestuft). Das Internet, vor allem Facebook und Twitter sind in der Türkei ein wesentlicher Bestandteil des politischen öffentlichen Diskurses. Durch die Gezi-Ereignisse wurde es zudem in hohem Maß auch zum Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die Regierung ging gegen Facebook- und Twitter-Nutzer nach den Vorgängen um die Gezi-Proteste vor. Es wurden Dutzende festgenommen, in vielen Fällen Strafverfahren eingeleitet. Da es sich in diesen Fällen nicht um Journalisten, in vielen Fällen nicht einmal um Aktivisten handelt, sondern um "ganz normale" Bürger, wird dieses Vorgehen als eine noch weiter gehende Einschränkung der Meinungsfreiheit auch im Privaten empfunden.
Im Vergleich zur Situation vor 2002 berichtet ein Teil der Presse zwar grundsätzlich frei und
kritisch, insbesondere auch über die Regierung und Menschenrechtsverstöße. Insgesamt betrachtet gibt es aber ein tief reichendes Strukturproblem in der türkischen Medienlandschaft (Medien gehören oft zu größeren Holdings, die auch an staatlichen Ausschreibungen teilnehmen). Dies führt in vielen Fällen zu dem, was die EU-Kommission in ihrem Fortschrittsbericht 2013 "widespread self-censorship by media owners and journalists" nannte. Hinzu kommt, dass führende türkische Politiker immer wieder Medien, aber auch einzelne Journalisten öffentlich verbal angreifen, sowie eine immer noch instrumentalisierte Verwaltung bzw. Justiz (s. z.B. Steuerverfahren gegen den Unternehmer Aydin Dogan - die Dogan-Medien-Gruppe galt lange Zeit als wichtigste regierungskritische Stimme). In der im Januar 2015 veröffentlichten Rangliste zur Pressefreiheit, dem sogenannten "Press Freedom Index", der Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) belegt die Türkei Platz

149 - zum Vergleich: 2014: 154; 2013: Platz 154; 2012: Platz 148,



2009: Platz 122. Ausschlaggebend für die Platzierung ist u.a. die Zahl der inhaftierten Journalisten. RoG gibt an, dass allein seit Beginn des Jahres 2015 drei Journalisten inhaftiert wurden - die Gesamtzahl wird z.B. vom Committee to Protect Journalists mit 7 angegeben (Stand: Dezember 2014), wobei diese Zahl weder klar zu benoch klar zu widerlegen ist. Andere Schätzungen gehen von zum Teil deutlich höheren Zahlen aus.
Die Inhaftierung von Journalisten ist dabei Ausdruck einer verbreiteten Kultur der politisierten Justiz: Missliebige Personen, darunter eben auch Journalisten, werden im Rahmen von Großverfahren (so jüngst gegen die Gülen-Bewegung) mit Anklagen überzogen, ohne dass es eine ernsthafte Möglichkeit gäbe, dagegen vorzugehen. Hier wird trotz aller generellen Verbesserungen nach wie vor oftmals auf Art. 314 (Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation) zurückgegriffen.
Unverhältnismäßig lange Untersuchungshaftzeiten sind dabei nicht selten. In anderen Fällen stützt sich die Justiz v.a. auf Art. 215 ("Loben von Straftaten oder -tätern"), Art. 125 ("Beleidigung"), Art. 285 (Versuch der Beeinflussung der Justiz) oder Art. 288 tStGB (Verletzung der Geheimhaltungspflicht von Ermittlungen). Über die Kurdenthematik wird offen und über die Armenierfrage immer häufiger und kontroverser berichtet. Auch die Möglichkeiten zur Kritik am Militär haben sich deutlich verbessert. Weiterhin werden mit Verweis auf die "Bedrohung der nationalen Sicherheit" oder "Gefährdung der nationalen Einheit" Publikationsverbote ausgesprochen. Dies trifft - teilweise wiederholt - vor allem kurdische oder linke Zeitungen. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte in seiner Entscheidung "Ürper und andere./.Türkei" von 2009 Verstöße der Regierung gegen Art. 10 der EMRK - Meinungsfreiheit - fest und sprach den Klägern Schadensersatz zu. Gegenstand des Verfahrens waren die Schließung verschiedener Zeitungen (Ülkede Özgür Gündem, Gündem, Güncel, Gercek Demokrasi) und die strafrechtliche Verfolgung von Herausgebern oder leitenden Mitarbeitern.
1.3. Minderheiten
Die Türkei erkennt Minderheiten als Gruppen mit rechtlichem Sonderstatus grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Lausanner Vertrags von 1923 an, der "türkischen Staatsangehörigen, die nichtmuslimischen Minderheiten angehören, (...) die gleichen gesellschaftlichen und politischen Rechte wie Muslimen" (Art. 39) garantiert. Weiterhin sichert er den nichtmuslimischen Minderheiten das Recht zur "Gründung, Verwaltung und Kontrolle (...) karitativer, religiöser und sozialer Institutionen und Schulen sowie anderer Einrichtungen zur Unterweisung und Erziehung" zu (Art. 40). Nach offizieller türkischer Lesart beschränkt sich der Schutz allerdings auf drei Religionsgemeinschaften: die griechisch-orthodoxe (ca. 3.000), die armenisch-apostolische Kirche (ca. 60.000) und die jüdische Gemeinschaft (ca. 27.000 Mitglieder). Nicht umfasst sind z. B. Syrisch-Orthodoxe, Katholiken und Protestanten. Allerdings entschied mit dem 13. Verwaltungsgericht Ankara am 18.06.2013 nun erstmals ein türkisches Gericht, dass auch aramäische (hier: syrisch-orthodoxe) Türken und ihre Zusammenschlüsse von den Rechten des Lausanner Vertrages profitieren können. Konkret ging es um das Recht, eigene Schulen und Kindergärten zu betreiben, die auch Aramäisch unterrichten. [Zur Lage religiöser Minderheiten vgl. auch die Ausführungen zu 1.4.] Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende ethnische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Kaukasier (6 Mio., davon 90% Tscherkessen), Roma (zwischen 500.000 und 5 Mio., je nach Quelle), Lasen (zwischen 750.000 und 1,5 Mio.) und andere Gruppen in kleiner und unbestimmter Anzahl (Araber, Bulgaren, Bosnier, Pomaken, Tataren und Albaner). Türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeiten sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Neugeborenen dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Der private Gebrauch des Kurdischen (Kurmanci) und der weniger verbreiteten Sprache Zaza ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt. Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen war bis 2012 nicht erlaubt. Die türkische Regierung hat im Schuljahr 2012/2013 jedoch begonnen, bei ausreichender örtlicher Nachfrage Unterricht in Kurmanci und Zaza als Wahlpflichtfach "Lebendige Sprachen und Mundarten" an staatlichen und religiösen Schulen anzubieten. Viele Familien boykottieren das Wahlpflichtfach jedoch, weil sie Unterricht in Kurdisch gleichberechtigt als Muttersprache mit Türkisch fordern. Zudem steht das Fach in Konkurrenz zu den religiösen Wahlpflichtfächern. Das am 02.03.2014 vom Parlament verabschiedete "Demokratisierungs-Paket" ermöglicht in einem darüber hinausgehenden Schritt muttersprachlichen Unterricht und damit auch Unterricht in kurdischer Sprache an Privatschulen. Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Dörfer im Südosten ihre kurdischen Namen zurückerhalten. Die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als einziger Nationalsprache bleibt jedoch erhalten und erschwert die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen durch Kurden und Angehörige anderer Minderheiten, für die Türkisch nicht Muttersprache ist. Seit 2009 sendet der staatliche TV-Sender TRT 6 ein 24-Stunden-Programm in den Sprachen Kurmanci (Kurdisch) und Zaza. Zudem wurden alle bisher geltenden zeitlichen Beschränkungen für Privatfernsehen in "Sprachen und Dialekten, die traditionell von türkischen Bürgern im Alltag gesprochen werden" aufgehoben.
Der gewalttätige Konflikt zwischen türkischen Sicherheitskräften und kurdisch-nationalistischen Kämpfern der PKK, dem seit 1984 über

35.500 Personen zum Opfer fielen und aufgrund dessen fast 400.000 Menschen ihre Heimatprovinzen im Südosten verließen, ist einem seit Anfang 2013 andauernden Waffenstillstand gewichen. Am 21.03.2013 rief der inhaftierte PKKChef Öcalan in einer auf der zentralen kurdischen Neujahrskundgebung in Diyarbakir verlesenen Grußbotschaft zu einem Waffenstillstand und Abzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei auf. Während der Waffenstillstand bis dato grundsätzlich andauert, stoppte die PKK den Abzug Anfang September 2013 mit der Begründung, die Regierung habe anders als zugesichert keinerlei substantielle rechtliche Zugeständnisse an die Kurden gemacht. Abgesehen von Kritik nationalistischer Kreise stößt der Lösungsprozess trotzdem weiterhin auf grundsätzliche Zustimmung in der türkischen Öffentlichkeit. Offen waren noch die Frage der Waffenniederlegung durch die PKK sowie die Frage, ob die Regierung zu weitergehenden Zugeständnissen bereit ist. Im Anschluss an das mutmaßlich durch die Terrormiliz ISIS verübte Attentat von Suruç am 20.7.2015 mit 32 Toten kam es allerdings zu einer neuen Eskalationsdynamik, die zu nahezu täglichen Anschlägen und Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK führte. Mit Stand 14.08.2015 führt das türkische Militär Luftschläge gegen PKK-Stellungen im Nordirak und in der Südosttürkei. [Zur Behandlung kurdischer Parteien s.a. Abschnitt II.1.1.]


Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, hat bereits in einem Bericht von 2009 auf die schwierige Lage der Roma in der Türkei hingewiesen, deren Zahl Schätzungen zufolge zwischen 500.000 und 5 Millionen liegt. Ungeachtet der schlechten empirischen Datenlage zu den Roma sind erhebliche Diskriminierungen u.a. auf den Gebieten Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen unbestritten. Die türkische Regierung arbeitet derzeit an einem Aktionsplan zur Inklusion von Roma, der im Mai 2015 vorgestellt werden sollte. Es ist derzeit nicht bekannt, wann mit der Beendigung des Berichts zu rechnen sein wird.
1.4. Religionsfreiheit
Die Verfassung sieht die positive und negative Religions- und Gewissensfreiheit vor (Art. 24).
Sie gilt - wie alle Grundrechte - in Verbindung mit Art. 14, der den Missbrauch der Grundrechte regelt (insbesondere "Gefährdung der unteilbaren Einheit von Staatsgebiet und Staatsvolk, des Laizismus oder der Demokratie"). Die individuelle Religionsfreiheit ist weitgehend gewährt; individuelle nicht-staatliche Repressionsmaßnahmen und staatliche Diskriminierungen (z.B. bei Anstellungen im öffentlichen Dienst) kommen vereinzelt vor. Fälle von Muslimen, die zum Christentum konvertiert sind, sind besonders aus den großen
Städten bekannt. Rechtliche Hindernisse bei Übertritt bestehen nicht, allerdings werden Konvertiten in der Folge oft auch von ihren eigenen Familien ausgegrenzt. Nach wie vor begegnet die große muslimische Mehrheit sowohl der Hinwendung zu einem anderen als dem muslimischen Glauben als auch jeglicher Missionierungstätigkeit mit großem Misstrauen und Intoleranz. Die nach türkischer Lesart nicht vom Lausanner Vertrag erfassten (s.o., Abschnitt 1.3.) religiösen Gemeinschaften, darunter auch römisch-katholische und protestantische Christen, haben keinen eigenen Rechtsstatus. Sie können sich als Verein und, nach umstrittener Auslegung des 2008 verabschiedeten Stiftungsgesetzes, auch in Form einer Stiftung organisieren. Eigentumserwerb und der Abschluss von Verträgen ist nur in den genannten Rechtsformen möglich. Mit schätzungsweise 15-20 Millionen bilden die türkischen, zum Teil auch kurdischen Aleviten nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft der Türkei. Sie werden nicht als separate Konfession bzw. Glaubensgemeinschaft anerkannt und können sich nur als Verein oder Stiftung organisieren. Seit dem Parlamentsbeschluss der CHP im Februar 2015 alevitische Gebetsstätten "Cem-Haus" (Cem-Evi) mit Glaubensstätten anderer Religionen beispielsweise der Moscheen gleichzustellen, wurde der Beschluss in mehr als die Hälfte der CHP-Stadtverwaltungen umgesetzt (von insgesamt 230 Stadtverwaltungen). Trotz der faktisch verbesserten Situation erkennen nur wenige Stadtverwaltungen die alevitischen Gotteshäuser aber als religiöse Stätten an. Die bekannten Hauptforderungen der Aleviten wurden bislang jedoch nicht erfüllt. Diese Forderungen sind v.a.: Anerkennung der Cem-Häuser als religiöse Stätten und Baugenehmigungen für diese, und Gleichstellung von Cem-Häusern wie Moscheen, Verwendung alevitischer Steuern für Cem-Häuser statt für Moscheen, Abschaffung der staatlichen (sunnitischen) Religionsbehörde Diyanet und Freiwilligkeit der Teilnahme am staatlichen "Religions- und Gewissenskunde"-Unterricht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Beendigung einer perzipierten Sunnitisierungspolitik. Die ehemals rund 60.000 kurdisch-stämmigen Yeziden waren in ihren Heimatregionen, insbesondere in den 1980er und 90er-Jahren, aufgrund ihrer Religion Übergriffen muslimischer Nachbarn ausgesetzt, die große Mehrheit ist ausgewandert, viele nach Deutschland. Die überwiegende Mehrheit der Yeziden lebt in den Kreisen Viransehir/Provinz Sanliurfa und Besiri/Provinz Batman. Ihre Anzahl ist nur sehr schwer einzuschätzen; aufgrund belastbarer Untersuchungen beträgt die Mindestanzahl ca. 400 Personen; anderen Quellen zufolge, die nicht empirisch belegt werden können, soll es bis zu 2.000 Yeziden in der Türkei geben. Bei Yeziden kommt es in jüngster Zeit offenbar vermehrt zu Schwierigkeiten mitunter unter Androhung von Gewalt mit politisch gut vernetzten zumeist kurdischen Clans in der Region, wenn sie versuchen, bei Rückkehr in die Türkei in der Vergangenheit zurückgelassenes oder erstmals katastermäßig erfasstes Land als Eigentum registrieren zu lassen oder dieses tatsächlich nutzen zu wollen. Davon sind auch deutsche Yesiden betroffen. Die (kurdisch-geprägten) MR-Vereine behaupten, von diesen
Vorgängen keine Kenntnis zu haben.
1.5. Exilpolitische Aktivitäten
Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender
Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen.
Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können.
2. Repressionen Dritter
Es existieren zahlreiche militante religiöse Gruppierungen wie die "Front der Vorkämpfer des Großen Ostens" (IBDA-C) und linksradikale, terroristische Gruppierungen wie die DHKP-C
(Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi - "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front") bzw. die TKP-ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) oder die linksterroristische MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei). Trotz der andauernden Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Teile dieser Gruppierungen kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Repressionen gegenüber einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer Rasse, Nationalität oder Religion ausüben. Dies gilt in der Regel auch für die umstrittene Einrichtung der Dorfschützer, vom Staat angestellte, bewaffnete Einheimische,
die vor den Übergriffen der PKK im Südosten des Landes schützen sollen (über 80.000 in 22 Provinzen). Die türkische Hizbullah hat seit 2000 keine Gewaltaktionen mehr verübt. Anderes gilt für die PKK (vgl. Ziff. 1.3) und die DHKP-C.
3. Ausweichmöglichkeiten
Die unter Ziffer II. genannten Maßnahmen werden landesweit praktiziert, die Justiz sowie die Sicherheitskräfte haben Zugriff auf das gesamte Staatsgebiet.
III. Menschenrechtslage
1. Schutz der Menschenrechte in der Verfassung
Die Türkei gehört dem Europarat an und ist Partei der Europäischen
Menschenrechtskonvention
von 1950, des 1. Zusatzprotokolls (Grundrecht auf Eigentum) sowie des 6. Zusatzprotokolls
zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten, des

11. (obligatorische Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte), des 13. (uneingeschränkte Aufhebung der Todesstrafe) und des 14. Zusatzprotokolls.


Die Türkei ist weiterhin Vertragspartei des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von 1987. Sie gehört neben dem Europarat auch der OSZE an. Für sie gelten die menschenrechtsrelevanten Dokumente dieser Organisationen, vor allem das Kopenhagener Dokument von 1990. Der Europarat ist im Rahmen von Justizprojekten in der Türkei tätig. Darüber hinaus gehört die Türkei zu den Erstunterzeichnern des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (11.05.2011).
Die vom türkischen Parlament am 24.11.2011 beschlossene Ratifikation des Übereinkommens kann erst dann zum Inkrafttreten führen, wenn genügend Staaten dem Übereinkommen beigetreten sind.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielte im Land als Ersatz für die
bislang fehlende Verfassungsbeschwerde eine besonders wichtige Rolle. Mit der Einführung der Individualbeschwerde seit September 2012 beruft sich das Verfassungsgericht noch häufiger auf die EMRK. Der EGMR sieht nunmehr Beschwerden aus der Türkei erst dann als zulässig an, wenn der nationale Rechtsweg einschließlich Individualbeschwerde ausgeschöpft wurde, was zu einer deutlichen Verringerung der Neuverfahren vor dem EMRK führte. Die EMRK ist aufgrund Art. 90 der Verfassung gegenüber nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar. EMRK und Rechtsprechung des EGMR werden jedoch bislang von der innerstaatlichen Justiz nicht ausreichend berücksichtigt. Das türkische Justizministerium bemüht sich gemeinsam mit EU und Europarat auch durch Fortbildungen für Richter und Staatsanwälte um Abhilfe. Wiederholt befasste sich das Ministerkomitee des Europarats mit der Türkei aufgrund nicht umgesetzter Urteile wie Ülke/Türkei (Wehrdienstverweigerung) oder Xenides-Arestis/Türkei (Eigentumsfragen in Nordzypern).
Der Menschenrechtsschutz wird in der Verfassung in Artikel 2 festgeschrieben und in den folgenden Paragraphen konkretisiert. Parteien werden durch Artikel 68 Abs. 4, Abgeordnete durch ihre Eidesformel (Art. 81) auf ihre Einhaltung verpflichtet.
Die Türkei ist Partei folgender VN-Übereinkommen:
- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 (in der Türkei in Kraft seit 10.08.1988);
- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966 (in Kraft seit 16.06.2002);
- Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 (seit 27.01.1995 in Kraft) inklusive des Zusatzprotokolls betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie (seit 28.05.2002) sowie des Zusatzprotokolls betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (seit 02.03.2004).
- Europaratskonvention über den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (seit 25.11.2010)
- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979, von der Türkei am 24.07.1985 ratifiziert, und das Zusatzprotokoll von 1999, am 08.09.2000 unterzeichnet, am 26.08.2002 ratifiziert;
- Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau von 1952, am 25.05.1959 ratifiziert;
- Übereinkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, mit dem Vorbehalt, die Genfer Flüchtlingskonvention nur auf Flüchtlinge aus Europa anzuwenden;
- Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 (in Kraft seit dem 29.03.1950);
- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966: Die Türkei unterzeichnete das Abkommen am 15.08.2000. Ratifiziert wurde es am 10.07.2003, es trat am 11.08.2003 mit Vorbehalten zu Art. 13 Abs. 3 und 4. in Kraft.
- Die Türkei unterzeichnete am 15.08.2000 sowohl den Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ratifiziert am 07.07.2003; in Kraft seit dem 21.07.2003) als auch den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (ratifiziert am 10.07.2003, in Kraft seit dem 11.08.2003). Gleichzeitig hat sie jedoch mehrere Erklärungen und Vorbehalte abgegeben, die mit Verweis auf die türkische Verfassung und den Vertrag von Lausanne die Bedeutung der Unterzeichnung der Pakte im Hinblick auf die Beachtung von Menschenrechten bei extraterritorialen Einsätzen türkischer Sicherheitskräfte (Nordirak, Nordzypern) und auf die Garantie der Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten, stark einschränken. Das Fakultativprotokoll zum ersten Pakt, das eine Individualbeschwerde zu einem besonderen Ausschuss vorsieht, wurde am 03.02.2004 gezeichnet, jedoch mit einer Vorbehaltsklausel am 29.06.2006 ratifiziert (in Kraft seit 05.08.2006). Das 2. Fakultativprotokoll (Abschaffung der Todesstrafe) ist seit dem 27.12.2005 in Kraft.
- Fakultativprotokoll zu dem VN-Übereinkommen gegen Folter (OPCAT), am 14.09.2005 unterzeichnet. Das eine unabhängige, finanziell und strukturell autonome Überwachungseinrichtung vorsehende Fakultativprotokoll wurde am 23.02.2011 ratifiziert und trat am 12.03.2011 in Kraft.
- Internationales Übereinkommen zum Schutz der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (in Kraft seit dem 08.07.2004);
- Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (unterzeichnet am 30.03.2007, ratifiziert am 28.09.2009, Zusatzprotokoll unterzeichnet am 28.09.2009).
Die Türkei ist - trotz ihres Beitritts zur Organisation Islamischer Staaten (OIC) 1969 - nicht Partei der Erklärung der Islamischen Staaten zu Menschenrechten.
2. Folter
Die Regierung hat alle gesetzgeberischen Mittel eingesetzt, um Folter und Misshandlung im
Rahmen einer "Null-Toleranz-Politik" zu unterbinden: Beispielhaft genannt seien die Erhöhung der Strafandrohung (Art. 94ff. des tStGB sehen eine Mindeststrafe von drei bis zwölf Jahren Haft für Täter von Folter vor, verschiedene Tat-Qualifizierungen sehen noch höhere Strafen bis hin zu lebenslanger Haft bei Folter mit Todesfolge vor); direkte Anklagen ohne Einverständnis des Vorgesetzten von Folterverdächtigen; Runderlasse an Staatsanwaltschaften, Folterstraftaten vorrangig und mit besonderem Nachdruck zu verfolgen; Verhinderung der Verschleppung von Strafprozessen und der Möglichkeit, sich dem Prozess zu entziehen; Durchsetzung ärztlicher Untersuchungen bei polizeilicher Ingewahrsamnahme; Stärkung von Verteidigerrechten.
Trotz dieser gesetzgeberischen Maßnahmen und einiger Verbesserungen ist es der Regierung bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Vor allem beim Auflösen von Demonstrationen kommt es mit zunehmender Tendenz zu übermäßiger Gewaltanwendung. Menschenrechtsverbänden zufolge gibt es Hinweise aufgrund der Art von Verletzungen, dass die Anwendung von Gewalt und Misshandlungen nicht mehr in Polizeistationen, sondern an anderen Orten, u. a. im Freien stattfinden, ohne dass zuverlässige Informationen vorliegen.
Die Zahl der Beschwerden und offiziellen Vorwürfe, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Folter- oder Misshandlungsfällen stehen, ist nach Angaben von Menschenrechtsverbänden 2014 gestiegen. Es haben sich insgesamt 787 Personen mit Foltervorwürfen an die Menschenrechtsstiftung TIHV gewandt, von denen laut Stiftung 260 (2013:411, 2012 :548, 2011: 207; 2010: 161, 2009: 252) angaben, dass sie im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt wurden. Die insgesamt hohe Zahl ist nach Angaben des TIHV auf die Haftentlassungen im Rahmen der KCKErmittlungen zurückzuführen.
Hinsichtlich der Folter in Gefängnissen hat sich nach belastbaren Informationen von Menschenrechtsorganisationen die Situation in den letzten Jahren erheblich verbessert; es werden weiterhin allerdings Einzelfälle zur Anzeige gebracht, vor allem in Gestalt von körperlicher Misshandlung und psychischen Drucks.
Ein Problem bei der strafrechtlichen Verfolgung der Täter ist die Nachweisbarkeit von Folter
und Misshandlungen. Die seit Januar 2004 geltende Regelung, dass außer auf Verlangen des Arztes Vollzugsbeamte nicht mehr bei der Untersuchung von Personen in Gewahrsam bzw. Haft anwesend sein dürfen und das Untersuchungsergebnis direkt dem Staatsanwalt versiegelt (ohne Kopie für die Vollzugsbeamten) auszuhändigen ist, wird nicht durchgehend angewandt. Zudem sind medizinische Gutachten nur von staatlich kontrollierten Stellen zugelassen; die Ärztekammer berichtet über Druck auf einzelne Ärzte und Einschüchterungsversuche durch Androhung von Disziplinarverfahren durch das zuständige forensische Institut. Grundsätzlich kann gegen alle Sachverständigengutachten - hierzu zählt auch ein medizinisches Gutachten - Einspruch erhoben werden.
3. Todesstrafe
Die Todesstrafe ist in der Türkei abgeschafft.
4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen
Willkürliche kurzfristige Festnahmen im Rahmen von - mitunter erlaubten, aber in einigen
Fällen eskalierenden - Demonstrationen oder Trauerzügen kommen verstärkt vor. In großer Zahl war dies auch im Rahmen der landesweiten Gezi-Park-Proteste seit Juni 2013 und bei den Kurdenunruhen im Oktober 2014 der Fall. Sie werden von offizieller Seite regelmäßig mit dem Hinweis auf die angebliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. Verbreitung von Propaganda einer kriminellen Organisation gerechtfertigt. Festnahmen von Flüchtlingen, die "temporäres Asyl" beantragen (siehe Ziff. III.5.), ergehen regelmäßig ohne schriftliche Begründung; ein Rechtsschutz ist nicht vorgesehen.
In der Türkei gibt es zurzeit 355 Gefängnisse (2013:373; 2011: 377; 2010: 371, 2009:429, 2006: 382), darunter 17 sog. F-Typ-Gefängnisse für Häftlinge, die wegen Terror- oder organisiertem Verbrechen verurteilt wurden. 2014 wurden 14 (2013:10; 2012:14)) neue Haftanstalten geschaffen. In den vergangenen acht Jahren wurden insgesamt 169 Haftanstalten geschlossen. Bis 2015 wurden insgesamt 83 neue Gefängnisse eröffnet.
Die türkischen Gefängnisse waren in den letzten Jahren regelmäßig überfüllt (offizielle Angabe für 2014: 101,57%). Die Regierung bemüht sich jedoch mit ersten Erfolgen um Entlastung, indem einerseits die Kapazität der Haftanstalten auf derzeit 166.006 Personen (2013:141.775; 2011: 121.804; 2010: 114.220) gesteigert und andererseits durch Gesetzesreformen die Verhängung u.a. der Untersuchungshaft in gewissem Umfang zurückgedrängt werden konnte. April 2015 waren nach offiziellen Angaben 168.612 Personen inhaftiert (2012: 125.549; 2011: 127.831; 2010: 120.814, 2009:

116.917). Darunter befinden sich 22.950 Untersuchungshäftlinge (2013: 32.457; 2011: 54.412; 2010: 55.578, 2009: 39.877).


Die Grundausstattung der türkischen Gefängnisse entspricht nach Angaben des türkischen
Justizministeriums den EU-Standards. Auch der Ausschuss des Europarats für die Verhütung der Folter (CPT) bestätigt in seinem 2011 veröffentlichten Bericht, dass die materiellen Bedingungen in den Haftanstalten im Großen und Ganzen adäquat seien (CPT/Inf (2011) 13). Für LGTBIHäftlinge plant die Türkei offenbar die Errichtung eines Sondergefängnisses ("pink prison"), um die Gefangenen dort besser vor Übergriffen zu schützen, wie es heißt.
Die Haftbedingungen sind aufgrund der großen Überbelegung der Haftanstalten jedoch dennoch schwierig. Das CPT empfiehlt die Haftbedingungen dahingehend zu prüfen, dass überall adäquater Zugang zu natürlichem Licht und die Möglichkeit zu täglichem Freiluftsport gewährleistet wird. Der Bericht des UN-Komitees gegen Folter (CAT) konstatiert darüber hinaus einen Mangel an Gefängnis-Personal (ca. 8.000) und medizinischem Personal. Berichte über mangelnden Zugang zur medizinischen Versorgung von kranken Häftlingen sind demzufolge besorgniserregend.
Im April 2015 bestanden in der Türkei lediglich drei geschlossene Haftanstalten für Kinder
und Jugendliche (Altersgruppe 12-21 Jahre) und zwei sog. Erziehungsanstalten für strafgefangene Kinder, so dass ein großer Teil der insgesamt 2.165 rechtskräftig verurteilten oder in U-Haft befindlichen minderjährigen Personen in Erwachsenen-Haftanstalten untergebracht ist. Soweit wie möglich werden Kinder und Jugendliche dort getrennt von den erwachsenen Häftlingen untergebracht, zumindest die Gemeinschaftseinrichtungen müssen jedoch gemeinsam genutzt werden. Die Erwachsenenhaftanstalten verfügen in der Regel kaum über auf die junge Zielgruppe abgestimmte Bildungs- oder Beschäftigungsmöglichkeiten, in den Jugendhaftanstalten gibt es zumindest teilweise eine recht umfassende Angebotspalette. Vorwürfe von Gewalt und sexueller Misshandlung von jugendlichen Insassen in der (Erwachsenen )Haftanstalt Pozanti haben 2012 dazu geführt, dass 199 Minderjährige aus Pozanti in die Jugendhaftanstalt Ankara verlegt und leitende Mitarbeiter von Pozanti in andere Haftanstalten versetzt wurden. Ende Februar 2015 wurde hierzu berichtet, dass die Staatsanwaltschaft für vier kurdische Jugendliche, die auf die sexuellen Übergriffe aufmerksam gemacht haben, wegen Steinewerfens und Beschädigung öffentlicher Einrichtungen bei einer Demonstration lebenslange Haftstrafen beantragt hätte, während die Untersuchungsverfahren gegen die Bediensteten der Haftanstalt allesamt eingestellt worden seien.
Medienberichten zufolge beklagten sich Insassen über unzureichende Betreuung durch Sozialarbeiter und Psychologen in Gefängnissen. Angaben des Justizministeriums zufolge kämen auf 549 Insassen ein Psychologe und auf 986 Häftlinge nur ein Sozialarbeiter.
IV. Rückkehrfragen
1. Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer
1.1. Grundversorgung
In der Türkei gibt es keine mit dem deutschen Recht vergleichbare staatliche Sozialhilfe. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Soziale Hilfe und Solidarität gewährt. Die Hilfeleistungen werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Eine neu eingeführte Datenbank vernetzt Stiftungen und staatliche Institutionen, um Leistungsmissbrauch entgegenzuwirken. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben. Nach dem im April 2014 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 6453 über Ausländer und internationalen Schutz haben auch Ausländer, die im Sinne des Gesetzes internationalen Schutz beantragt haben oder erhalten, einen Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen. Welche konkreten Leistungen dies sein sollen, führt das Gesetz nicht auf.
1.2. Medizinische Versorgung
Das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert - vor allem in ländlichen Gegenden sowie für die arme, (bislang) nicht krankenversicherte Bevölkerung. Auch wenn Versorgungsdefizite - vor allem in ländlichen Provinzen - bei der medizinischen Ausstattung und im Hinblick auf die Anzahl von Ärzten bzw. Pflegern bestehen, sind landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet. Landesweit gab es 2013 1.517 Krankenhäuser mit einer Kapazität von 202.031 Betten, davon ca. 60% in staatlicher Hand. Die Behandlung bleibt für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten mit Ausnahme der "Praxisgebühr" unentgeltlich. Grundsätzlich können sämtliche Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern angemessen behandelt werden, insbesondere auch chronische Erkrankungen wie Krebs, Niereninsuffizienz (Dialyse), Diabetes, Aids, Drogenabhängigkeit und psychiatrische Erkrankungen. Wartezeiten in den staatlichen Krankenhäusern liegen bei wichtigen Behandlungen/Operationen in der Regel nicht über 48 Stunden. In vielen staatlichen Krankenhäusern ist es jedoch (nach wie vor) üblich, dass Pflegeleistungen nicht durch Krankenhauspersonal, sondern durch Familienangehörige und Freunde übernommen werden. Das neu eingeführte, seit 2011 flächendeckend etablierte Hausarztsystem ist von der Eigenanteil- Regelung ausgenommen. Nach und nach soll das Hausarztsystem die bisherigen Gesundheitsstationen (Saglik Ocagi) ablösen und zu einer dezentralen medizinischen Grundversorgung führen. Die Inanspruchnahme des Hausarztes ist freiwillig. War 2013 nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein Hausarzt für durchschnittlich 3.621 Personen zuständig, soll dieses Verhältnis bis 2017 auf knapp unter 3.000 pro Arzt gesenkt werden. Die Behandlung psychischer Erkrankungen erfolgt überwiegend in öffentlichen Institutionen. Bei der Behandlung sind zunehmende Kapazitäten und ein steigender Standard festzustellen. Die landesweite Anzahl von Psychiatern liegt dennoch 2014 bei unter 5 pro 100.000 Einwohnern. (OECD 2014). Insgesamt standen 2011 türkeiweit zwölf psychiatrische Fachkliniken mit einer Bettenkapazität von rund 4.400 zur Verfügung, weitere Betten gibt es in besonderen Fachabteilungen von einigen Regionalkrankenhäusern. Dem im Oktober 2011 vorgestellten "Aktionsplan für Mentale Gesundheit" zufolge sollen die bestehenden Fachkliniken jedoch zugunsten von regionalen, verstärkt ambulant arbeitenden Einrichtungen bis 2023 geschlossen werden. [Weitere Details zur Behandlung psychischer Erkrankungen siehe Anlage I] Insgesamt 32 therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige (AMATEM) befinden sich in Adana, Ankara (4), Antalya, Bursa (2), Denizli, Diyabakir, Edirne, Elazig, Eskisehir, Gaziantep, Istanbul (5), Izmir (3), Kayseri, Konya, Manisa, Mersin, Sakarya, Samsun, Tokat und Van (2).
Bei der Schmerztherapie und Palliativmedizin bestehen Defizite, allerdings versorgt das Gesundheitsministerium derzeit alle öffentlichen Krankenhäuser mit Morphinen, auch können Hausärzte bzw. deren Krankenpfleger diese Schmerzmittel verschreiben und Patienten künftig in Apotheken auf Rezept derartige Schmerzmittel erwerben.
2011 bestanden landesweit 29 staatliche Krebszentren (Onkologiestationen in Krankenhäusern), die gegenwärtig mit Palliativstationen versorgt werden. 134 Untersuchungszentren (KETEM) bieten u.a. eine Früherkennung von Krebs an, Im Rahmen der häuslichen Krankenbetreuung sind in allen Landesteilen staatliche mobile Teams im Einsatz (bestehend meist aus Arzt, Krankenpfleger, Fahrer, ggf. Physiotherapeut etc.), die Kranke zu Hause betreuen. Etwa 13% der Bevölkerung profitiert von diesen Angeboten. Eine AIDS-Behandlung kann in allen Provinzen mit Universitätskrankenhäusern durchgeführt werden. In Istanbul stehen drei, in Ankara und Izmir jeweils zwei private Krankenhäuser für eine solche Behandlung zur Verfügung.
Zum 01.01.2012 hat die Türkei eine allgemeine, obligatorische Krankenversicherung eingeführt. Grundlage für das neue Krankenversicherungssystem ist das Gesetz Nr. 5510 über Sozialversicherungen und die Allgemeine Krankenversicherung vom 01.10.2008. Der grundsätzlichen Krankenversicherungspflicht unterfallen alle Personen mit Wohnsitz in der Türkei, Ausnahmen gelten lediglich für das Parlament, das Verfassungsgericht, Soldaten/Wehrdienstleistende und Häftlinge. Für nicht über eine Erwerbstätigkeit in der Türkei sozialversicherte Ausländer ist die Krankenversicherung freiwillig, ein Krankenversicherungsnachweis ist jedoch für die Aufenthaltserlaubnis notwendig.
Die obligatorische Krankenversicherung erfasst u.a. Leistungen zur Gesundheitsprävention, stationäre und ambulante Behandlungen und Operationen, Laboruntersuchungen, zahnärztliche Heilbehandlungen sowie Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Behandlungen im Ausland möglich.
Die Beitragshöhe von in der Türkei sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen liegt bei 12,5 % des Bruttolohns, wovon 5 % von Arbeitnehmer- und 7,5 % von Arbeitgeberseite beglichen werden.
Nicht der Sozialversicherungspflicht unterfallende türkische Staatsbürger mit einem Einkommen von weniger als einem Drittel des Mindestlohns können von der Beitragspflicht befreit werden. Bei einem Einkommen zwischen einem Drittel und dem doppelten Mindestlohn gelten ermäßigte Beitragssätze. Die Berechnung des Einkommens erfolgt durch die Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität unter Berücksichtigung der sonstigen Vermögenssituation des Antragstellers und der in seinem Haushalt lebenden Angehörigen. Bis Mitte 2014 haben sich rund 12 Millionen Türken einer solchen Einkommensüberprüfung unterzogen, für rd. 8 Millionen von ihnen hat der Staat die Zahlung der Beiträge übernommen.
Bei in der Türkei lebenden Ausländern ist eine Vermögensprüfung nicht möglich, sie zahlen auch bei Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit den Beitrag von zurzeit rund 250 TL/Monat. Lediglich Personen, die unter internationalem Schutz stehen oder einen entsprechenden Antrag gestellt haben, können bei Bedürftigkeit seit dem im April 2014 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 6453 kostenlos krankenversichert werden.
Die für eine gesundheitliche Versorgung mittelloser türkischer Staatsbürger bisher geltenden
"Grünen Karten" (2011: knapp 9 Millionen Inhaber) sind ausgelaufen, ihre Inhaber sollen in die allgemeine Krankenversicherung überwechseln. Für Kinder bis zum Alter von 18 bzw. 25 Jahren, Ehepartner und (Schwieger )Elternteile ohne eigenes Einkommen besteht die Möglichkeit einer Familienversicherung. Besondere Beitragsregelungen gelten schließlich auch für Bezieher von Alters- und Erwerbsminderungsrenten.
2. Behandlung von Rückkehrerinnen und Rückkehrern
Dem Auswärtigen Amt und türkischen Menschenrechtsorganisationen, zu denen die Deutsche Botschaft engen Kontakt unterhält, ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Zu demselben Ergebnis kommen andere EU-Staaten und die USA.
Aufgrund eines Runderlasses des Innenministeriums vom 18.12.2004 dürfen keine Suchvermerke mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden. Sie kennzeichneten bis dahin Wehrdienstflüchtlinge oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen. Angaben türkischer Behörden zufolge wurden Mitte Februar 2005 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregistern gelöscht. Somit besteht für das Auswärtige Amt keine Möglichkeit mehr, das Bestehen von Suchvermerken zu verifizieren, auch nicht über die bisher damit befassten Vertrauensanwälte.
Unbegleitet zurückkehrende Minderjährige finden in der Regel Aufnahme bei Verwandten,
sonst im Einzelfall ggf. in einem Waisenhaus oder Kinderheim. Über die Rückführung Minderjähriger, die nicht von Familienangehörigen aufgenommen werden, sollten die zuständigen türkischen Behörden wie z. B. das Amt für soziale Dienste rechtzeitig informiert werden. Ferner sei das Innenministerium über die besonderen Umstände jedes Einzelfalles
zu informieren, damit die erforderlichen Vorkehrungen an der Grenze getroffen und die zuständigen Institutionen koordiniert werden könnten. Unter Bezugnahme auf die offizielle Mitteilung kann das Auswärtige Amt über die Deutsche Botschaft Ankara den voraussichtlichen Rückführungstermin sowie die (mit türkischer Übersetzung übermittelten) Informationen an das Türkische Außenministerium mit der Bitte um Prüfung der Betreuung und Unterbringung des Betroffenen in der Türkei weiterleiten. Zwischen der Benachrichtigung des türkischen Außenministeriums und dem Rückführungsdatum sollten mindestens drei Monate liegen.
3. Einreisekontrollen
Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier. Es kann vorkommen, dass türkischen Staatsangehörigen, denen in Deutschland ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt wurde, bei der Einreise oder der versuchten Einreise in die Türkei dieses Ausweisdokument an der Grenze abgenommen wird. Diese Gefahr besteht insbesondere bei Personen, deren Ausweise nicht für die Türkei gültig sind, denen jedoch befristet eine auch für dieses Land geltende Reiseerlaubnis gewährt wurde. Bei der Einreise in die Türkei wird keine Kontrolle dahingehend durchgeführt, ob eine Verwandtschaft zu Personen besteht, die im Zusammenhang mit Aktivitäten für die PKK verurteilt worden sind.
Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen.
Wenn festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen. Im sich anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten, wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert, ein Anwalt in der Regel hinzugezogen. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen. Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen.
Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbefehl an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl - der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird - dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre - sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren - sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den Akt des BFA;
* Einsicht in den Akt des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes zum ersten Asylverfahren;
* mündliche Verhandlung am 19.01.2016;
* Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, Stand August 2015);
* Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden:
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
- XXXX
2.2. Zum Verfahrensgang:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.
Dass der Beschwerdeführer mehrere Deutschkurse besucht hat und die deutsche Sprache auf einfachem Niveau spricht, ergibt sich aus den vorgelegten Deutschkursbestätigungen und den Wahrnehmungen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung.
Dass der Beschwerdeführer an der XXXX inskribiert ist und im Wintersemester 2015/2016 Lehrveranstaltungen für Asylwerbende und Asylberechtigte besuchte, geht aus dem Ausweis für Studierende der XXXX und dem Schreiben der XXXX hervor.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsicht ins Strafregister.
Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den diesbezüglich konstanten und widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers.
2.4. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
2.4.1. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er als Kurde und Angehöriger der alevitischen Religionsgemeinschaft an Demonstrationen für die Rechte der Kurden und Aleviten teilgenommen habe, weshalb er in seiner Heimat angefeindet, ausgegrenzt und von der Polizei festgenommen und gefoltert worden sei.
Der Beschwerdeführer brachte vor dem Bundesasylamt am 28.06.2011 im Rahmen seines ersten Asylverfahrens vor, dass ihm in der Zeit im Gymnasium die Unterdrückung der Kurden bewusst geworden sei, weshalb er begonnen habe sich für die Rechte der Kurden einzusetzen. Als der Direktor das erfahre habe, sei er fünf Tage vom Unterricht suspendiert und nach einer Beschwerde durch den Direktor von der Polizei auch festgenommen, beleidigt, beschimpft und gefoltert worden. Nach vier Tagen sei er freigelassen worden und habe er den Besuch der Schule fortgesetzt.
Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 28.05.2014 vermeinte der Beschwerdeführe jedoch, dass er erst nach dem Gymnasium für eine Woche von der Polizei eingesperrt worden sei. Dies würde bedeuten, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2006 von der Polizei verhaftet worden sei, was den Angaben im ersten Asylverfahren insofern widerspricht, als dass er dort ausführte, während seiner Gymnasialzeit, somit vor dem Jahr 2006, inhaftiert worden zu sein. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren eine Suspendierung mit keinem Wort erwähnt und die Dauer der Anhaltung von vier Tagen auf eine Woche verlängerte.
In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer wiederum vor, dass er bei jeder Teilnahme an einer Aktion in Gewahrsam genommen und mit Gummiknüppeln geschlagen worden sei und entgegnete auf die Frage, wann dies konkret erfolgt sei, "Es ist passiert, woher soll ich wissen, wie oft das passiert ist, ich habe ja nicht mitgezählt. Sie sehen das eh im Fernsehen, wie viele Leute im Osten umkommen."
In der Einvernahme vor dem BFA am 28.05.2014 brachte der Beschwerdeführer erstmals auch vor, dass er von türkischen Radikalen beim Gebet gestört worden sei, weshalb es zu Handgreiflichkeiten gekommen sei. Erst danach habe er an Demonstrationen der Aleviten teilgenommen. Somit stimmen auch die Beweggründe, aufgrund der sich der Beschwerdeführer für die Rechter der Kurden bzw. Aleviten eingesetzt habe, nicht überein. Wie oben bereits dargelegt, schilderte der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren, dass er sich bereits während der Schulzeit für die Kurdenrechte eingesetzt habe und nicht erst nach einem Übergriff auf ihn durch radikale Türken.
Der Beschwerdeführer war aber auch generell nicht in der Lage konkrete Angaben zu seiner Teilnahme an Demonstrationen zu tätigen. Im ersten Asylverfahren (Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.06.2011) sprach der Beschwerdeführer von Krawallen, einem Angriff auf ein Cem-Haus und dass es nach dem Angriff auf das Cem-Haus zu Protesten gekommen sei. Eine regelmäßige Teilnahme an Demonstrationen erwähnte er jedoch nicht. In der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung sprach er jedoch davon, dass er regelmäßig an Demonstrationen teilgenommen habe. Befragt nach dem Zeitraum führte er aus, nach dem Gymnasium bis zur Militärdienstzeit und nach der Militärdienstzeit demonstriert zu haben. Die genaue Anzahl, wie oft er an Demonstrationen teilgenommen hat, konnte er jedoch nicht nennen und beschränkte er sich darauf, dass es "mehrere Male" gewesen sei. Der Beschwerdeführer schwankte sohin von einmaligen Protesten nach einem Angriff auf ein Cem-Haus bis hin zu regelmäßigen Teilnahmen an Demonstrationen, dessen Häufigkeit er in weiterer Folge nicht ansatzweise benennen konnte.
Zudem stimmen auch die zeitlichen Ausführungen hinsichtlich des Angriffes auf das Cem-Haus nicht überein. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.06.2011 (erstes Asylverfahren) vermeinte der Beschwerdeführer, dass dieser Angriff im Dezember 2010 erfolgt sei. In der mündlichen Verhandlung konnte er keinen konkreten Zeitraum mehr nennen und setzte einen Zeitrahmen von 2010 bis 2012 fest, in dem es zu diesem Vorfall gekommen sei.
Neu und erstmals brachte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Asylverfahren auch vor, dass zwischen 2010 und 2012 versucht worden sei; das Haus der Familie des Beschwerdeführers zu vernichten und, dass das Haus gekennzeichnet gewesen sei.
Der Beschwerdeführer war folglich weder in der Lage die Anzahl sowie die konkrete Dauer der Festnahmen oder polizeilichen Anhaltungen - von Inhaftierungen kann mangels Vorliegens eines gerichtlichen Haftbefehles nicht gesprochen werden - zu nennen, widersprach sich in den Bewegründen für seinen Einsatz im Hinblick auf die Kurden und Aleviten und wechselte immer wieder Passagen seines Fluchtvorbringens aus, indem er eine Suspendierung vom Besuch der Schule mit keinem Wort mehr erwähnte, dafür aber ausführte, dass versucht worden sei, sein Haus bzw. das Haus seiner Familie zu zerstören.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorbringen eines Asylwerbers insbesondere nur dann glaubhaft, wenn es konkrete, detaillierte Schilderungen der behaupteten Geschehnisse enthält und frei von Widersprüchen ist. Umgekehrt jedoch indizieren unwahre Angaben in zentralen Punkten oder das Verschweigen wesentlicher Sachverhaltsumstände die Unglaubwürdigkeit, ebenso "gesteigertes Vorbringen", d.h. das Vorbringen gravierender Eingriffe nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, sondern - inhaltlich vom Erstvorbringen abweichend - erst in einem (späteren) Verfahrensstadium, d.h. nachdem sich die asylrechtliche Irrelevanz des Erstvorbringens gezeigt hat (vgl. z.B. VwGH 10.10.1996, 96/20/0361; vgl. auch VwGH 17.06.1993, 92/010776; 30.06.1994, 93/01/1138; 19.05.1994, 94/19/0049; s. dazu auch UBAS 17.06.1998, 201.149/0-II/04/98).
Aufgrund oben dargelegter Widersprüche im Zusammenhang mit dem überaus allgemein gehaltenen Vorbringen des Beschwerdeführers ist sohin von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens auszugehen und stellen die vom Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 28.05.2015 und in der mündlichen Verhandlung geschilderten (neuen) Bedrohungsszenarien eine offenkundige Steigerung des Vorbringens dar, aus der zu folgern ist, dass der Beschwerdeführer versucht, neben den bereits im ersten Asylverfahren angegeben Fluchtgründen, neue hinzuzufügen.
Was das vom Beschwerdeführer ebenfalls angeführte Gefühl der "Zweitklassigkeit" sowie nirgends akzeptiert worden zu sein, angeht, ist anzumerken, dass allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen können. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind hinzunehmen. Unter diesen Aspekt sind auch die vom Beschwerdeführer (überdies nur unsubstantiiert) behaupteten Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit unbeachtlich.
Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist weiters auszuführen, dass sich entsprechend der Länderberichte die Situation für Kurden - abgesehen von den Berichten betreffend das Vorgehen des türkischen Staates gegen Anhänger und Mitglieder der als Terrororganisation eingestuften PKK und deren Nebenorganisationen - derart gestaltet, dass momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden von diesem nicht bzw. nicht glaubwürdig vorgebracht.
Der Beschwerdeführer ist weiters Alevite. Aus den herangezogenen Länderberichten ergibt sich jedoch, dass die vorgefallenen Übergriffe auf Aleviten zu keiner Zeit ein solches Ausmaß angenommen und - auch unter Berücksichtigung anderer weniger gravierender Ausschreitungen - eine solche Häufigkeit aufgewiesen haben, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen.
Auch in der Beschwerde vermochte der Beschwerdeführer aus den oben dargelegten Erwägungen nicht, eine asylrelevante Verfolgung darzulegen. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, dass die Einvernahme vor dem BFA möglicherweise nicht richtig übersetzt worden sei, so ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer ausdrücklich die Gelegenheit gegeben wurde, seine Fluchtgründe zu ergänzen und wurde die Richtigkeit der Angaben nach der Rückübersetzung bestätigt. Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich Bedenken hinsichtlich der Übersetzung gehabt, so ist nicht ersichtlich, warum er diese nicht dem Referenten zur Kenntnis gebracht hat.
In einer Gesamtschau erstattete der Beschwerdeführer somit kein Vorbringen, aus dem eine asylrelevante Verfolgung seiner Person abgeleitet werden konnte und war es aufgrund obiger Ausführungen sowie vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen daher nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in asylrelevanter Weise gefährdet war oder ist, bzw. dass für den Beschwerdeführer aus sonstigen Gründen tatsächlich eine aktuelle und persönliche asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung bestand oder besteht.
2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den behördlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender Länderdokumentationsunterlagen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurde nicht in qualifizierter Form entgegengetreten.
Insoweit zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

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