Gericht bvwg entscheidungsdatum 19. 05. 2016 Geschäftszahl



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Zu Spruchteil II. wurde insbesondere hervorgestrichen, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei. Es sei den Beschwerdeführen nicht gelungen, eine Bedrohung iSd. § 8 AsylG 2005 glaubhaft zu machen, weshalb im Falle ihrer Rückkehr in deren Heimatstaat nicht mit einer Gefahr im oben definierten Sinn zu rechnen sei.
Zu Spruchteil III. wurde insbesondere dargelegt, dass sich keine Anhaltspunkte für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen ergeben hätten.
Die Beschwerdeführer hätten in Österreich keine Familienangehörigen, die zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien. Eine fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet hätten sie nicht dargelegt. Die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführer seien sehr eingeschränkt.
Angesichts der öffentlichen, fremdenrechtlichen Interessen an einer Ausweisung liege keine Verletzung des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vor. Zum Privat- und Familienleben wurde ausgeführt, dass ein Eingriff in dieses im konkreten Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt sei und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im konkreten Fall höher zu bewerten sei als private Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.
Den Beschwerdeführern sei deshalb auch kein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen gewesen. Mangels Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung verbunden. Mangels besonderer Umstände wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
Gegen die angeführten Bescheide wurde mit für alle Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz, eingebracht am 01.04.2015, fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben.
In dieser wurde beantragt, den Bescheid zu Spruchpunkt I. zu beheben und den Beschwerdeführern den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation zuzuerkennen sowie die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung festzustellen in eventu die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu erteilen.
Im Rahmen der Beschwerde wurde der belangten Behörde die Führung eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens nach § 18 Abs. 1 AsylG 2005 vorgeworfen. Weiters wurde die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, zumal im Verfahren vor der Behörde eine Dolmetscherin für Russisch anwesend gewesen sei, obwohl die Beschwerdeführer (BF1 und BF2) in der Erstbefragung am 24.09.2014 und bei der Einvernahme am 02.12.2014 angegeben hätten, kaum Russisch zu sprechen.
Beanstandet wurden die Ermittlungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand des BF1. Es sei kein ärztliches Gutachten eingeholt worden, welches im Zuge der Beschwerde beantragt wurde. Darüber hinaus sei BF1 in psychisch schlechter Verfassung und fühle er sich verfolgt.
Den Beschwerdeführern sei im Übrigen nicht ausreichend Zeit eingeräumt worden, sich zu den Länderfeststellungen zu äußern und sei damit das Parteiengehör verletzt worden. Es sei lediglich eine Frist von einer Woche zur Erbringung einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt worden. Die belangte Behörde habe das Vorbringen mit den einschlägigen Länderberichten nicht abgeglichen und hätte dies nicht entsprechend gewürdigt. Die BF könnten entgegen der Ansicht des BFA deren Vorbringen auf Tschetschenisch sehr detailliert und lebensnah gestalten. Das BFA stützte die Unglaubwürdigkeit von BF1 und BF2 auf vermeintliche Widersprüche. Dies sei ebenfalls mit dem Argument der mangelnden Sprachkenntnisse in Russisch zu rechtfertigen. Weiters sei es BF1 und BF2 auf Grund der mangelnden Sprachkenntnisse nicht möglich gewesen die allerletzte Anhaltung von Ende August 2014 zu schildern. Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht erklärt, warum das Vorgehen des FSB, nämlich den BF1 sieben Tage lang festzuhalten und ohne Zahlung eines Geldbetrages freizulassen, nicht erschließbar sei. Zu den unterschiedlichen Angaben von BF1 und BF2 wegen der Kleidung des BF1 wurde entgegnet, dass diese divergieren würden, zumal BF1 nicht gefragt worden sei, was er angehabt habe, als er von zu Hause mitgenommen wurde. BF2 hingegen, könne sich nur daran erinnern, was der BF1 bei der Festnahme angehabt hätte. Darüber hinaus sei den Beschwerdeführern der Vorwurf des Widerspruchs wegen der unterschiedlichen Angaben hinsichtlich der letzten Festnahme nicht anzulasten, zumal BF1 nicht verstanden hätte, welchen Vorfall er beschreiben solle. Aufgrund der Sprachbarrieren hätte BF1 das fluchtauslösende Ereignis von sich aus nicht beschreiben können. Es handle sich um reine Mutmaßung von Seiten der Behörde, welche feststellte, dass das fluchtauslösende Ereignis als "in keiner Art logisch oder nachvollziehbar" bezeichnete. Auch der Vorwurf der belangten Behörde, dass BF1 unterschiedliche Angaben gemacht habe, wie viele Personen im Keller anwesend gewesen seien, gehe ins Leere, zumal BF1 zu den Verhören in ein anderes Zimmer gebracht worden sei. Jedes Mal, wenn er vom Kellerraum weggeführt worden sei, habe er eine Augenbinde aufgesetzt bekommen.
Zu Spruchpunkt I wurde ausgeführt, dass dieser aufgrund von erheblichen Verfahrensfehlern und einer unrichtigen Rechtsanwendung erlassen worden und daher unzulässig sei. Zum nichtgewährten subsidiären Schutz (Spruchpunkt II) wurde neben Auszügen der Länderfeststellungen zur Lage in Tschetschenien dargelegt, dass insbesondere BF3 bis BF5 seit den Kontrollen und Festnahmen ihres Vaters schreckhaft geworden seien und hätten aufgrund der Ereignisse in ihrer Heimat Angst vor uniformierten Personen. Die Behörde hätte ihre Ermittlungspflicht nicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt nicht richtig beurteilt. Zu Spruchpunkt III wurde auf die Interessensabwägung und die mangelnde Berücksichtigung des zentralen Prinzips der vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen von Seiten der Behörde verwiesen.
Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG beantragt.
Mit Schreiben vom 12.05.2015 der BF2 brachte diese ergänzend zur eingebrachten Beschwerde vor, dass sie Ende April von ihrer Mutter erfahren habe, dass der Schwiegervater verschleppt worden sei. Die Schwiegereltern hätten bereits vor langer Zeit davor gewarnt diese anzurufen, weil immer wieder Leute zu ihnen gekommen seien, die nach dem BF1 gefragt hätten.
Mit Begleitschreiben der Diakonie vom 12.08.2015 wurden ein als Bestätigungsnachweis bezeichnetes Schreiben, datiert mit 21.05.2015, eines XXXX in seiner Funktion als Vorsitzender des Amtszimmers der Minister der Tschetschenischen Republik Itschkeria sowie ein als Passport bezeichneter Ausweis, ausgestellt von der Tschetschenischen Republik Itschkeria am 15.06.2015, vorgelegt.
Am 01.12.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer die Beschwerdeführer zur Aktualität ihrer Fluchtgründe, zum Gesundheitszustand sowie zu einer mittlerweile erfolgten Integration befragt wurden.
Die Vertreterin der Beschwerdeführer gab an, dass sie nicht Zustellbevollmächtigt sei. Die Vollmacht umfasse lediglich die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Zum Gesundheitszustand befragt, gab BF2 an, dass es ihr gesundheitlich nicht gut gehe und sie schwanger sei. BF2 habe Blutungen gehabt. Sie nehme keine schweren Medikamente. Die aktuellen Bestätigungen befänden sich beim Sozialamt, welche die BF2 noch nicht zurückbekommen habe. Sie legte einen Kurzbrief eines Landesklinikums vom 03.10.2015 vor, welcher BF2 am Ende ihres stationären Aufenthaltes (25.09.-03.10.2015) mitgegeben wurde.
BF1 gab an, dass er wegen Magenbeschwerden beim Hausarzt gewesen sei. Hinsichtlich seiner Erkrankung an Hepatitis A und C habe er Medikamente bekommen. Er nehme seit zwei Monaten täglich zwei Tabletten, könne jedoch nicht angeben welche Medikamente. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, in psychologischer Behandlung zu sein.
Zu den Kindern (BF3-BF5) gab BF2 an, dass es den Kindern gut gehe. Wegen des Stresses seien Sie auch beim Arzt gewesen. In der Heimat seien Sie wegen der Vorkommnisse auch oft beim Arzt gewesen.
BF legten ein privates handschriftlich verfasstes Schreiben, datiert mit 23.11.2015, einer Journalistin vor, in dem bestätigt wurde, dass die BF gequält worden seien. Sie hätten dieses Schreiben in Österreich erhalten. Aufgrund der mangelnden Russischkenntnisse könnten sie den näheren Inhalt nicht wiedergeben. Sie hätten die Journalistin gesprochen. BF2 gab an, dass er ein schlechtes Gedächtnis hätte und daher den Inhalt nicht mehr wiedergeben könne.
Das Schreiben der Kriegsjournalistin wurde folglich übersetzt. Daraus geht hervor, dass die Journalistin seit 2010 in Österreich lebe. Sie erklärte, dass der Aufenthalt auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik für den Erstbeschwerdeführer gefährlich sei. Dies sei auch von einem Rechtsschützer der Republik Itschkeria, welcher derzeit in Straßburg lebe, bestätigt worden. Es würden auch andere Personen vom derzeitigen Regime verfolgt.
Dieser Umstand könne auch von XXXX, Präsident eines internationalen Fonds, bestätigt werden, welcher darüber hinaus bestätigen könne, dass die Mutter des BF1 zu diesem gekommen wäre und ihn weinend um Hilfe angefleht hätte. Die Journalistin ersuche um entsprechende politische und soziale Hilfe für den Erstbeschwerdeführer, zumal im Falle der Rückkehr sein und das Leben seiner Familie in Gefahr sei.
Weiters wurde ein als "Passport" bezeichneter Ausweis von BF1 vorgelegt, welchen er unter der Prämisse auf den russischen Pass zu verzichten, erhalten habe.
Die zuständige Richterin hielt dabei das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu RF/Tschetschenien, stand April 2015 zur Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführer vor. Nach Ausfolgung der vorliegenden Berichte und Feststellungen wurde den Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme unter Einräumung einer zweiwöchigen Frist eingeräumt.
Die Beschwerdeführer erstatteten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe infolge der Beschwerdeverhandlung eine Stellungnahme vom 15.12.2015.
Vorab wurde mitgeteilt, dass BF2 aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden zwei Tage stationär im Landesklinikum XXXX gewesen sei. Weiters wurden die aktuellen Länderberichte zur Lage in der Russischen Föderation und Tschetschenien erörtert. Es wurde vorgebracht, dass der Antiterrorkampf in der Russischen Föderation und insbesondere in Tschetschenien mit brutaler Härte geführt werde. BF1 könne keinesfalls mit einem fairen, rechtsstaatlichen Vorgehen der Behörden rechnen. BF1 befürchte unter diesen Umständen bei Rückkehr in sein Herkunftsland verfolgt zu werden. Vor staatlicher Verfolgung und Kollektivbestrafung könne der BF1 in keinem Teil der Russischen Föderation Schutz erhalten.
Weiters wurden im Zuge der Stellungnahme Folgende medizinische Unterlagen vorgelegt:
Zu BF2 wurde ein Kurzbrief eines Landesklinikums vom 11.12.2015 vorgelegt.
Zu BF1 ein ärztlicher Befundbericht eines Spitals vom 30.11.2015.
Per E-Mail vom 12.05.2016 langten eine Geburtsurkunde des Standesamts-und Staatsbürgerschaftsverbandes XXXX, ausgestellt am 10.05.2016 zZl. 002650/2016, betreffend des am 27.04.2016 geborenen Sohnes der BF sowie ein Pflege-und Entlassungsbericht des Landesklinikums XXXX, datiert mit 30.04.2016 ein. Letzteres beinhaltet einen Kurzbericht über die Geburt und den weiteren, unkomplizierten Verlauf im Wochenbett.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführer, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA, die vorgelegten Beweismittel bzw. Dokumente, die gemeinsamen Beschwerden vom 01.04.2015, durch die Einvernahme der Beschwerdeführer im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.12.2015 samt der im Beschwerdeverfahren vorgelegten weiteren Beweismittel, Dokumente sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu RF/Tschetschenien, Stand April 2015.
1. Feststellungen
Feststellungen zu den Beschwerdeführern:
Die Beschwerdeführer sind russische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen und sind muslimischen Glaubens (Sunnit).
Nicht festgestellt werden kann, dass den Beschwerdeführern in ihrem Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.
Den vom BF1 vorgetragenen und von BF2 ergänzten Verfolgungsgründen war die Glaubwürdigkeit abzusprechen.
BF2 bis BF5 haben keine eigenen Verfolgungsgründe vorgetragen, sondern sich auf das Vorbringen von BF1 gestützt.
Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.
Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Aus den vorgehaltenen Länderinformationen zum Herkunftsstaat geht hervor, dass adäquate medizinische Behandlungsmöglichkeiten des Krankheitsbildes der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat bestehen.
Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass die Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Erkrankungen - an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer wurde jedenfalls nicht vorgebracht.
Die Beschwerdeführer haben den Großteil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht.
Die Beschwerdeführer waren während ihres Aufenthaltes in Österreich durchgehend in Grundversorgung und haben einen Deutschkurs begonnen. Es wurden keine Aus-, Fort- oder Weiterbildungen oder eine ehrenamtliche Tätigkeit vorgetragen bzw. Unterlagen zum Nachweis hierfür vorgelegt. Es konnten keine Anhaltspunkte, welche für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen, festgestellt werden.
Festgestellt wird, dass am 27.04.2016 ein weiteres Kind der Beschwerdeführer geboren wurde.
Im Herkunftsstaat halten sich Angehörige der Beschwerdeführer auf, zu denen auch Kontakt besteht. Dort verfügen jeweils die Eltern des BF1 und der BF2 über ein Haus in ihrem Eigentum.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:
Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 20.6.2014, vgl. GIZ 2.2015c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident; zuvor war er auch 1999-2000 und 2008-2012 Ministerpräsident. Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, seinerseits Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8.5.2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der letzten Dumawahl im Dezember 2011 hat die auf Putin ausgerichtete Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit bewahren. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, "Gerechtes Russland" und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihre Stimmenanteile ausbauen. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Seit Mai 2012 wird eine stete Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden im Sommer 2012 das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, 2013 ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen. Im Februar 2014 wurde die Extremismus-Gesetzgebung verschärft, sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, was die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zu Nichte macht (AA 11.2014a).
Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. In zahlreichen russischen Regionen fanden zuletzt am 14.9.2014 Gouverneurs- und Kommunalwahlen statt. In der Praxis kam es dabei wie schon im Vorjahr zur Bevorzugung regierungsnaher und Behinderung oppositioneller Kandidaten. Wie bereits 2013 war die Wahlbeteiligung zum Teil sehr niedrig, in Moskau nur bei rund 21% (AA 11.2014a). Am einheitlichen Wahltag 14.9.2014 fanden in Russland laut der Zentralen Wahlkommission mehr als 6.000 Wahlen unter Teilnahme von 63 Parteien auf regionaler und kommunaler Ebene statt. Die Regierungspartei "Einiges Russland" hat bei den Regionalwahlen fast überall ihre Spitzenposition gefestigt. Auf der Halbinsel Krim holte sie laut der Wahlleitung mehr als 70% der Stimmen. Bei den Gouverneurswahlen in 30 Föderationssubjekten wurden alle Kandidaten von "Einiges Russland" sowie von der Partei unterstützte Kandidaten gewählt. Die Partei gewann auch alle drei Bürgermeisterwahlen in den regionalen Hauptstädten und erzielte die Mehrheit in 14 Regionalparlamenten und 6 Stadtparlamenten regionaler Hauptstädte. Zwar konnten bei den Regionalwahlen mit der Senkung der Sperrklausel von sieben auf fünf Prozent auch den demokratischen Wettbewerb stärkende Entwicklungen festgestellt werden, allerdings wurden gleichzeitig das Verhältnis- zugunsten des Mehrheitswahlrechts geschwächt und die Registrierungsvorschriften verschärft. In Moskau, wo das Wahlrecht auf ein reines Mehrheitswahlsystem geändert wurde, gewannen "Einiges Russland" und die von ihr unterstützten Kandidaten bei einer Wahlbeteiligung von 21% 38 von 45 Sitzen der Stadtduma. Die Wahlrechtsassoziation "Golos" meldete einzelne Wahlverstöße, z. B. den Ausschluss unabhängiger Wahlbeobachter aus Wahllokalen und sagte die Wahlbeobachtung im Gebiet Tjumen nach Drohungen durch Polizei und Justiz ab (GIZ 3.2015a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.4.2015


- CIA - Central Intelligence Agency (20.6.2014): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 2.4.2015
- GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/#c17900, Zugriff 2.4.2015
- GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 2.4.2015
Tschetschenien
Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Gemäß der letzten offiziellen Volkszählung 2010 hat Tschetschenien 1,27 Millionen Einwohner/innen. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).
Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015). Die Macht von Ramsan Kadyrow ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge (ÖB Moskau 10.2014).
Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zur russischen Präsidentschaft im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, Ria Novosti 5.12.2012, vgl. auch ICG 6.9.2013).
Quellen:
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg


- ICG - International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus:

The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law,

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-226-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-governance-elections-rule-of-law.pdf, Zugriff 1.4.2015
- ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation
- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 1.4.2015
- Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya,

http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html, Zugriff 1.4.2015


- Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/, Zugriff 1.4.2015


- Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin,

http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html, Zugriff 1.4.2015


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