Tagebuch ohne Fotos zum Drucken


Sonntag, 16. November 2008



Yüklə 1,55 Mb.
səhifə15/46
tarix02.11.2017
ölçüsü1,55 Mb.
#28544
1   ...   11   12   13   14   15   16   17   18   ...   46

Sonntag, 16. November 2008

Heute Morgen war ich in der Göttlichen Liturgie in der Fakultätskirche, wo im Anschluss eine Glockenweihe vorgenommen wurde, zu der sich ein Teil der Gemeinde draußen vor der Kirche versammelt hat. Für mich war dies sehr spannend zu sehen, auch wenn es an für sich nichts Besonderes war - es war nur eine kleine Andacht von etwa 20 Minuten. Ungewöhnlich fand ich jedoch die Weihwassermenge, die der Oberpriester mit einem großen Pinsel auf die Glocke träufelte und war gleichzeitig glücklich, dass er uns nicht mit dem Pinsel gesegnet hat.


Anschließend haben Elena und ich die Möglichkeiten erkundet, wie ich morgen am Besten zum Flughafen Vnukovo kommen kann, damit ich dort den Bekannten treffen kann. Es bleibt also doch nur die Möglichkeit mit dem Expresszug, der leider recht teuer ist. Und in Vnukovo habe ich dann lediglich eine halbe Stunde Zeit, bis der Express wieder abfährt. Das wird morgen wohl alles ein wenig stressig werden und ich hoffe, dass es in dem planungsunsicherem Moskau klappt.

Anschließend waren wir noch ein wenig spazieren, haben uns kurz ein karitatives orthodoxes Kloster angeschaut und sind dann zu ihrer Gemeinde gefahren, wo wir erst etwas Suppe von der Matuschka gegessen haben und dann die Akafist des Heiligen Gregor gesungen haben - in der üblichen Qualtität. Nach der Akafist wurde es wieder richtig spannend - ohne zu fragen hat mich die Matuschka zu einem Dienst verdonnert - ich sollte mit einem weiteren Gemeindemitglied ein kleines liturgisches Ölgefäß reinigen, dass wirklich mitgenommen aussah. Wir mussten nur sehr vorsichtig sein, weil noch Öl in dem Gefäß war... Anschließend gab es dann die "Belohnung": Eine große Tragetasche voll mit Lebensmitteln - also Zucker, Kekse, eine Flasche Sonnenblumenöl, Tee und noch so andere Kleinigkeiten. Das Beste kam dann aber noch zum Schluss: Sie drückte mir einen Schal in die Hand und verteilte unter den anderen Hosen, Mäntel und viele andere Kleidungsstücke, die noch alle fast wie neu waren. Und ganz zum Schluss standen auf einmal in der Ecke ein paar Winterschuhe, die mir aber ein kleines Stück zu groß waren - sonst hätten sie tatsächlich gepasst. Und Widerspruch einzulegen war eigentlich gar nicht möglich, denn kaum hatte man etwas in der Hand, war sie auch schon wieder verschwunden und hörte sich das "Nein", das mir auf der Zunge lag, gar nicht erst an. Und so bin ich mit einem vollen Rucksack wieder nach Hause gefahren und brauchte nichts mehr einkaufen und habe sogar noch einiges an meine Mitbewohner verschenkt.

Und während ich jetzt gerade schreibe, ertönt aus dem Zimmer gegenüber ein Lied von Lala Anderson...

 

 



Montag, 17. November 2008

Was für ein Tag voller Freude! Zunächst habe ich heute das erste Mal mit dem Fakultätschor in einem Gottesdienst gesungen - zu einem besonderen Anlass. Auf das Gebäude der Universität, das sich auf der anderen Seite des Flusses Moskaus hinter dem Kreml befindet, wurde heute ein Kreuz angebracht, dass vorher von Erzbischof Arßenij geweiht wurde. Und zu dem Anlass habe ich dann im Chor mitgesungen. Wir waren an für sich sogar zwei Chöre - ein männlicher und ein weiblicher. Insgesamt haben bestimmt weit über 100 Studenten gesungen, was schon ganz imposant klang. Auch wenn es heute +5°C waren, so war der Wind doch ganz schön kalt und die Luft feucht - das Wetter erinnerte in jedem Fall an Ostfriesland und so war mir recht kalt, als wir draußen gestanden haben. Auch wenn ich vor lauter Fotografieren von der Predigt des Erzbischofs nicht viel mitbekommen habe, so wirkte er doch ganz anders als seine Amtskollegen, die ich bisher erleben konnte - nicht so wie ein Herrscher oder König, sondern den Menschen wesentlich näher. Und er machte einen lustigen Eindruck während der Predigt.

 

Nach dem Gottesdienst bin ich mit Daniel und Wassilij zur Universität gefahren, um dort in der Mensa zu essen. Wir waren froh, als wir in der Metro waren, denn dort war es doch wesentlich wärmer als draußen. Auf dem Weg zur Mensa haben wir uns allerdings zweimal verfahren. Das ist mir alleine zum Glück nur in der Anfangszeit passiert - beide Male habe ich die Moskauer auf ihren Fehler aufmerksam gemacht. Da heute keine Vorlesungen mehr stattfanden, habe ich mir nach dem Essen eine Krawatte, ein weißes Hemd und eine Anzugshose gekauft für den Chorauftritt morgen. Für ein Jackett reichte das Geld zwar noch, aber das kommt ein anderes Mal dran. Alles in allem habe ich 2600p. - also etwa 73 Euro bezahlt. Wie gut die Qualität ist, weiß ich nicht, das wird sich im Gebrauch herausstellen. Ich hoffe aber, dass ich meine Zeit im Chor damit überbrücken kann.



Anschließend bin ich dann zum Kiewsker Bahnhof gefahren, um von dort zum Flughafen Vnukovo zu fahren, da ich dort einen Bekannten aus Osnabrück getroffen habe, der mir jede Menge Sachen mitgebracht hat. Einerseits eine Schürze für meine Arbeit in der Küche, dann ein kleines Buch, in dem die Göttliche Liturgie in Russisch, Kirchenslawisch, Griechisch und Deutsch steht, dann Japanisches Heilpflanzenöl und ein anderes Kabel für den Rasierapparat. Das wusste ich ja. Die größte Freude war dann aber das Schwarzbrot, was seine Begleiterin aus dem Rucksack packte! Nun kann ich endlich mal wieder ein paar Tage vernünftiges Brot essen - da werde ich gleich morgen mit anfangen. Und dann hat er mir noch eine Frankfurter Allgemeine Zeitung in die Hand gedrückt und in der Tüte habe ich noch einen Adventskalender gefunden, über den ich mich auch sehr gefreut habe, hatte ich vor ein paar Tagen doch noch über so etwas in der Art nachgedacht. Es ist allerdings kein Kalender mit Schokolade, sondern einer mit je einem Gebet oder Sinnspruch für jeden Tag im Advent und darum bin ich ebenfalls sehr froh darüber. Im Flughafen haben wir dann noch einige Neuigkeiten ausgetauscht und dann haben sich unsere Wege auch schon wieder getrennt. Eigentlich wollte ich dann noch in die Vtschernaja gehen, war aber so spät dran, dass ich dann gleich ins Wohnheim gefahren bin. Und dort habe ich mit Oleg Tee getrunken, Kekse gegessen und er hat noch ein Quark-Mehl-Zucker-Wasser-Gericht in der Pfanne gemacht. Und von ihm bekomme ich auch eine Anzugjacke für morgen für die Liturgie.

Ein total schöner Tag der Freude! Ich bin glücklich!



Dienstag, 18. November 2008 - Patronatsfest der Orthodox-humanistischen St. Tichon-Fakultät

Der Tag begann heute Morgen schon sehr früh, nämlich um kurz nach sechs Uhr. Auch wenn mir das Aufstehen an diesem Tage sehr schwer gefallen ist, so blicke ich dankbar und froh auf diesen Tag zurück, den ich erleben durfte. Grund für das frühe Aufstehen war, dass der Chor sich schon um acht Uhr bei der Studentenkirche - der Dreifaltigkeitskirche - getroffen hat und noch einmal kurz geprobt hat - allerdings nicht zur vollen Zufriedenheit von Vater Alexej. Als ich dann in die Kirche kam, habe ich festgestellt, dass zwei Chöre singen werden - ein gemischter Chor mit geschätzten 60 Studenten und dann ein reiner Männerchor mit wenigstens 30 Studenten. Bei Letzterem habe ich mitgesungen sowie viele andere Studenten aus dem ersten Kurs. Und dann ging die Liturgie los - eigentlich so, wie bei dem Metropoliten auch: Bischof Arsenij kam, ihm wurden die liturgischen Gewänder gebracht und angezogen und dann gab es eine Händewaschung. Den größten Teil hat der gemischte und gleichzeitig erfahrenere Chor gesungen. Wir durften dann zwei Troparien auf den Heiligen Tichon singen, das Milost Mira und ein paar "Amen" und "Herr, erbarme Dich." Leider muss man dazu sagen, dass wir das Amen völlig in den Sand gesetzt haben. Aber sonst war die Göttliche Liturgie noch prächtiger als die, in der der weißrussische Metropolit bei uns war. Die Chöre waren größer, es waren dieses Mal 21 Priester anwesend, sechs Diakone und natürlich ein paar Altarniki, also Messdiener. Dieses Mal war der Oberdiakon nicht Vater Michael, sondern ein anderer. Der hatte ebenfalls eine tiefe und kräftige Stimme, wusste die aber lange nicht so gut einzusetzen wie unser Oberdiakon, sondern er rief viel mehr mit tiefer Stimme, als dass er sang. Dennoch war die Göttliche Liturgie sehr beeindruckend und schön.


Nach der Liturgie bin ich dann mit einigen Studenten Essen gegangen und in der Stalowaja gab es dann eine ganz angenehme Überraschung für mich: Für alle Chormitglieder war das Essen frei. Leider stand ich nicht mit auf der Liste drauf, aber einige Studenten haben dann dafür gesorgt, dass ich auch umsonst essen kann. Und dann wurde mir gesagt, dass wir uns nicht um 17 Uhr, sondern zwei Stunden eher in der MGU treffen. Das brachte natürlich wieder meinen Zeitplan völlig durcheinander. Ich hatte also wieder angefangen, meinen Tag durchzustrukturieren. Und ich hatte eigentlich noch vor, einzukaufen und in Ruhe ins Internet zu gehen. Und dazu blieben mir jetzt noch exakt 40 Minuten inklusive zehn Minuten Hin- und Rückweg bis zu dem verabredeten Treffen mit denjenigen, mit denen ich zusammen zur MGU fahren wollte. Ich habe es selbst nicht geglaubt, dass das Vorhaben klappen würde, das tat es aber. Ich habe mir schnell in dem Supermarkt meine Sachen zusammengerafft und musste dann noch - das ist recht ungewöhnlich - fast zehn Minuten an der Kasse stehen, weil so viele im Laden waren. Und dann blieben mir noch ein paar Minuten fürs Internet - für das Abfragen und Versenden der Mails hat es noch gereicht, mehr aber auch nicht. Und so war ich pünktlich um 14:15 Uhr zurück in der Uni - mich über mich selbst wundernd, dass das geklappt hat. Den Weg zu Uni habe ich dann allerdings größtenteils mit Shenia bestritten, mit der ich mich ganz nett unterhalten habe. Wir haben uns wohl immer gegrüßt, aber noch nie richtig unterhalten und so konnte ich sie dann heute kennen lernen.

In der MGU haben wir nicht nur das Singen ein wenig geprobt, sondern auch den optimalen Abgang von der Bühne, damit dies vernünftig aussieht. Auch die anderen Chöre haben noch einmal ihre Lieder gesungen, bevor es dann für uns ernst wurde. Das war kein Konzert im klassischen Sinne, sondern eine Präsentation der einzelnen Fakultäten der PGSTU (Orthodox-humanistische St. Tichon Fakultät). Dabei zeigte sich, dass die Universität weitaus größer ist, als ich vermutet hätte. Neben der theologischen Fakultät gibt es die Möglichkeit an den einzelnen Fakultäten Informatik, Sprachen, Geschichte, (Kirchen-)Musik und noch vieles mehr zu studieren. Sehr interessant finde ich die Missionsfakultät, die tatsächlich hin und wieder Ausflüge nach Sibirien oder in Kasernen oder andere Einrichtungen machen und dort die Menschen unterrichten mit dem Ziel der Taufe. Aber auch die Arbeit an alten, verfallenen Kirchen gehört dazu. Aber auch die Fakultät der Ikonenmalerei, die ich ja an einer meiner ersten Tage hier schon erwähnt habe, übt ihren besonderen Reiz aus, ebenso wie die Fakultät, die Kirchen im Innern mit Ikonen bemalt - also an Decken und Wänden. So hat diese Fakultät beispielsweise die Decken- und Wandgemälde in der Dreifaltigkeitskirche gemacht, die oben auf den Fotos zu sehen sind. Und zwischen den einzelnen Vorstellungen in Bild und Ton sang dann ein Chor. Wir waren die ersten, die singen mussten. Vor dem Auftritt hat sich allerdings gezeigt, dass wir auch die Aufstellung im Gang des Saales hätten üben sollen, denn dort herrschte absolutes Chaos. Zunächst haben wir den Wechselgesang "Sokrovennoje Tainstvo" (Geheimnisvolles Sakrament) gesungen und dann "Vsbrannoj Voevodij" (vage Übersetzung: "Kämpfender Heerführer". Damit ist die Gottesmutter Maria gemeint, die uns im Kampf zur Seite stehen soll). Wenn wir so schlecht gesungen haben, wie sich die Aufnahmen anhören, dann waren wir nicht sonderlich gut. Zum Abschluss haben wir noch "Auf viele Jahre" gesungen, dass ich auch als Geburtstagslied kenne - wir haben es aber als Gebet gesungen. Da wir alle auf der Bühne stehen sollten, bin ich mitgegangen, obwohl ich die Noten nicht konnte. So habe ich nur lautlos mitgesungen.


Der Nachhauseweg wurde dann sehr lustig und spaßig! Bei der Garderobe sprach mich Mascha an, die gerne mit mir ins Wohnheim fahren wollte. Sie kannte ich schon, da ich hin und wieder gemeinsam mit ihr nach Hause fahre. So war ich dann zunächst mit ihr, einer weiteren Masha, Shenia und Katja unterwegs. In der U-Bahn gesellte sich dann Pjotr dazu und später in der Elektritschka noch ein weiterer Student. Zumindest waren wir sehr fröhlich, haben viel gelacht und viel herumgealbert. In der Station Kurskaja mussten wir uns dann schon von Shenia verabschieden, da sie nicht im Wohnheim wohnt. Aber auch wir sechs hatten gemeinsam unseren Spaß. In einer Metro-Station haben wir dann gemeinsame Fotos gemacht. Leider wussten wir alle nicht, dass die Wand hinter der Bank dick mit Kalkfarbe bestrichen war - nicht frisch - aber es reichte dennoch, dass wir uns stark abklopfen mussten, da überall auf den Jacken und Rucksäcken weiße Flecken waren.
Zurück im Wohnheim war ich froh, dass ich mich aus dem Anzug befreien konnte und wenigstens noch für etwa zwei Stunden in vernünftige Klamotten huschen konnte. Aber ich war nur noch müde, habe es noch nicht einmal mehr geschafft, im Tagebuch zu schreiben. Ich war aber auch total glücklich über diesen Tag, denn er war wirklich wieder wunderschön. Ich konnte ein paar neue Menschen kennen lernen, habe wieder im Chor singen dürfen und das erste Mal auftreten, ich hatte mit anderen gemeinsam Spaß und letztlich hat sich die Festlichkeit und Fröhlich der Göttlichen Liturgie durch den ganzen Tag gezogen. Es war wieder einer der Tage, für die ich dankbar bin und die ich in keinem Fall missen möchte - die das Studium zu einem wunderschönen Traum machen, der für mich in Erfüllung geht.

Mittwoch, 19. November 2008

Nach zwei Tagen ohne den mittlerweile gewohnten Lernrhythmus stand heute wieder fast ein gewöhnlicher Uni-Alltag auf dem Programm. Nur die Chorstunde ist heute ausgefallen - worüber ich einerseits froh war und andererseits etwas traurig, denn einerseits hätte ich gerne gesungen. Andererseits aber hatte ich den Nachmittag Zeit, etwas im Tagebuch und meine Weihnachtspost zu schreiben. Ich war ja selbst etwas geschockt, dass ich so früh anfangen muss, aber die Post braucht ja ein paar Tage länger als üblich nach Deutschland, da die meisten Sachen ja mit der Eisenbahn unterwegs sind. Auch die ersten Geschenke habe ich schon besorgt. Aber auch von einer Freundin habe ich schon gehört, dass die Weihnachtsmaschinerie auf der Arbeit mittlerweile auf Hochtouren läuft.

Und dann ist heute Abend der erste Schnee gefallen, der liegen geblieben ist. Gestern hatte es schon ein wenig geschneit, der Schnee ist aber gleich getaut. Abends fror es dann, heute nun den ganzen Tag über und jetzt liegt der erste Schnee. Nicht viel, aber immerhin sichtbar.

Und es gab eine kleine Überraschung heute: Der Wachposten am Tor hielt heute Post für mich bereit - meine Oma hat mir geschrieben. Da habe ich mich richtig drüber gefreut und ihr gleich ein paar Zeilen zurück geschrieben. So werde ich morgen gleich einen Abstecher zur Post machen und den Brief dort abgeben! Dennoch möchte ich noch erwähnen, dass nicht nur ich überrascht war: Zwei Studentinnen, mit denen ich heute gemeinsam in einem Kurs studiert habe, waren sehr verwundert, dass ich im Chor singe und dazu auch noch auftrete. Und dann kamen natürlich die Fragen, wie ich das sprachlich mache, vor allem dann, wenn die Lieder in kirchenslawischer Schrift sind. Ich muss sagen, dass das singen einfacher als das Sprechen ist. Und die etwas andere Schrift lesen klappt mittlerweile auch ganz gut, wenn auch noch stockend.

 
Donnerstag, 20. November 2008

Ich muss besser mit meinem Schwarzbrot haushalten! Ich bin einfach viel zu gutmütig und gebe meinen Mitbewohnern davon viel zu gerne etwas ab und habe dann nachher selbst fast nichts mehr. Und die essen das Pumpernickel mit allergrößter Begeisterung, auch wenn dem skeptische Blicke vorausgehen. Nun mache ich es mittlerweile schon so, dass ich das Brot versuche, auf meinem Teller zu verstecken und das ganze Paket schon gar nicht mehr mit in die Küche nehme. Dort hat es erst recht keine Überlebenschancen.

Über Nacht hatte es geschneit und auch jetzt am Morgen gab es hin und wieder noch ein Schneeschauer. So ist alles in ein zartes Weiß getaucht und die Welt sieht völlig anders und viel schöner aus. Zeit also, das erste Mal die Winterschuhe anzuziehen. Auch wenn sie ein gutes Profil haben, musste ich auf dem Weg zur Elektritschka-Station ganz schön aufpassen, dass ich nicht falle. Die Wege hier sind nicht so eben und es gibt so einige kleine Stolperfallen, bei denen man leicht ins Rutschen kommt. Und an den Treppen ist es durchaus sinnvoll, sich am Geländer festzuhalten. Kurz vor meinem Ziel torkelten vor mir zwei betrunkene Männer über den Weg. Ob die beiden heil die letzten Meter geschafft haben, weiß ich nicht. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sie noch mehrere Züge verpasst haben. So drollig das alles auch aussah, umso trauriger ist es, vor allem im Hinblick auf die Uhrzeit - es war um 11 Uhr morgens. Ich habe am Anfang meiner Zeit hier geschrieben, dass das Alkoholproblem wohl doch nicht so groß sei - zumindest wie in Irkutsk. Mittlerweile sehe ich es etwas anders. Bier wird beinahe wie Wasser getrunken und das Schnaps- bzw. Wodkaregal ist in einigen Läden beinahe größer als das übrige Sortiment. In dem kleinen Lebensmittelladen nahe der Station Pererwa stehen eigentlich immer nach Feierabend ein paar Männer vor mir an der Kasse, die sich meistens zwei Flaschen starken Alkohol besorgen. Noch imposanter ist es, wenn dieser kleine Laden mit neuem Alkohol versorgt wird. Und das kommt ziemlich oft vor. Es ist morgens nicht ungewöhnlich, wenn in der Elektritschka oder Metro neben mir jemand steht oder sitzt, der fürchterlich nach Alkohol riecht. Die leeren Bierflaschen  und -Dosen liegen zuhauf an der Straße oder in den Verkehrsmitteln - Schnapsflaschen allerdings sehe ich kaum. Ich sehe allerdings nicht oft, dass harte Getränke getrunken werden - im Gegensatz zum Bier, das öffentlich getrunken wird. Viele laufen mehr oder minder zu jeder Nacht- und Tageszeit mit einer Flasche Bier in der Hand durch die Gegend. Aber mit Schnapsflaschen sieht es anders aus - das scheint eher im Verborgenen zu geschehen. Nur das traurige Resultat tritt dann zu Tage. Und dann sehe ich oft die Frauen, die ihre betrunkenen Männer stützen und nach Hause geleiten, ihre unkoordinierten Küsse mit der Alkoholfahne ertragen und ihn beruhigen, wenn er etwas zu wild wird. Mir vergeht immer mehr die Lust am Alkohol und fühle mich im beinahe "trockenen" Wohnheim ganz gut aufgehoben. Beinahe deshalb, weil wir heute kurz Stephans Geburtstag gefeiert haben und er eine Flasche Wein spendiert hat, die aber nicht sonderlich lecker war, der Tee danach war viel besser.

Der Schnee, um noch einmal darauf zurückzukommen, hat nach dem Mittagessen zu einer kleinen Schneeballschlacht bei der Universität geführt, was natürlich sehr viel Spaß gemacht hat. Aber der Schnee fing schon an zu tauen, so dass er nicht mehr sonderlich schön für solche Spielereien war. Und am Abend war er dann so gut wie ganz verschwunden und es hat etwas geregnet.

 

 

Freitag, 21. November 2008



Es war noch immer recht glatt auf der Brücke zum Bahnhof, trotz des Tauwetters, so dass ich wieder gewaltig aufpassen musste, um nicht zu fallen. Das ist mir zum Glück auch gelungen. In der Innenstadt war vom Schnee dann gar nichts mehr zu sehen. Heute Abend allerdings fing es wieder an zu frieren und einige kleine Schneeschauer zogen über das Wohnheim hinweg. Aber viel ist noch nicht liegengeblieben. Aber vielleicht wird das über Nacht ja noch.

Heute habe ich wieder in der Stalowaja gearbeitet - als Tellerwäscher mit Valentina zusammen, wie das letzte Mal auch. Und kurz vor dem Ende meiner Arbeit kam dann ein neuer Joghurt-Transport in der Universität an, wo ich mitgeholfen habe beim Ausladen. Natürlich ist da wieder reichlich Joghurt für mich abgefallen, wobei ich den größten Teil allerdings schon wieder verschenkt habe. Die Chorstunde ist wieder ausgefallen und die Zeit bis zum Treffen mit denjenigen Studenten, die deutsch sprechen möchten, habe ich mit dem Schreiben der Weihnachtspost zugebracht. Es ist für mich schon ein wenig eigenartig, so früh an Weihnachten zu denken und Geschenke zu kaufen. Ich hoffe doch sehr, dass ich damit bis Anfang Dezember fertig werde.

Heute Abend habe ich mit Daniel und Andrej deutsch gesprochen - und auch Shenia war mit dabei. Sie versteht zwar kaum deutsch, hat sich aber redlich bemüht, ihre letzten Kenntnisse von vor fünf Jahren wieder ins Gewissen zu rufen. Und wenn man mit ihr mit viel Gestik und einfachen Wörtern gesprochen hat, dann konnte sie recht gut verstehen. Und so wurde es ein eigentlich recht lustiger Abend, der wieder einmal über zwei Stunden gedauert hat.

 

 



Samstag, 22. November 2008

Manchmal meine ich, dass meine Sprachkenntnisse doch langsam Fortschritte machen. Heute habe ich Nina Maximova viel besser als sonst verstanden, als wir wieder länger miteinander gesprochen haben. Sie freut sich ja über jeden, der sich mit ihr unterhält. Heute war noch eine weitere Babuschka mit dabei und so wurde es ein ganz nettes Gespräch über mein Studium und meine Ziele hier. Bis zum Treffen mit Lena habe ich noch eine Weihnachtskarte in der Mensa geschrieben, bin aber immer gestört worden, und bin dann nach „Arkadija“ ins Internet gegangen, wo ich Elena dann später getroffen habe. Wir wollten heute ins "Novospasskij-Kloster" in die Vetschernaja gehen. Das Kloster liegt eigentlich schon fast auf meinem Weg von der Uni ins Wohnheim, wenn ich mit der Metro einen anderen Weg nehmen würde. Der Eingang zur Kirche ist noch nicht restauriert und zeigt daher den Glanz vergangener Zeiten. Es sind noch alte Wandgemälde zu sehen, die zeigen, wie prächtig der Eingang einst gewesen sein muss. Es sind aber auch noch Schusslöcher in den Wänden zu sehen und andere Hinterlassenschaften aus der Zeit, in der Kloster und Kirche für andere Dinge genutzt wurden. Die Kirche von innen hat sehr schöne Ikonenmalereien, sie zeigen die gesamte Weihnachtsgeschichte. Dies erstreckt sich an der Wand einmal um die ganze Kirche. Es dauerte nicht lange nach Beginn der Liturgie, als mein Magen anfing zu rumpeln. Keine fünf Minuten später bin ich quer durch das Kloster zur nächsten Toilette geflitzt, wo dann zu meinem großen Entsetzen kein Papier war. Ich muss wohl wieder etwas Falsches gegessen haben, das ich nicht ganz vertragen habe. Ich habe mich dann noch von Elena verabschiedet und bin dann nach Hause gefahren - ziemlich traurig, weil ich noch gerne den Gottesdienst bis zum Ende miterlebt hätte. An der Elektritschka-Station Textilschschiki fing es dann an zu schneien und in Pererwa war es dann schon weiß. Es hätte so schön sein können: Am Ende des Gottesdienstes nichts ahnend nach draußen gehend und das Kloster ist in ein wunderschönes weißes Gewand getaucht.

 Am Abend ist dann noch einiges an Schnee gefallen, doch bevor ich ins Bett gegangen bin, hatte ich den Eindruck, dass es schon wieder tauen würde, außerdem stürmte es und es schien zu regnen.

 

 



Sonntag, 23. November 2008

12:00 Uhr. Heute haben wir hier in Moskau absolutes Sauwetter - eigentlich schon ostfriesisches Wetter: Es ist wesentlich wärmer geworden draußen, es stürmt und regnet kräftig. Eigentlich ein Tag, um im Bett zu bleiben, was ich dann auch länger als geplant gemacht habe. Der Wecker hat zu acht Uhr geklingelt, weil ich eigentlich in die Heilige Messe wollte, habe mich dann aber entschieden, mich noch einmal hinzulegen. So bin ich dann um halb elf aus dem Bett gekrochen. Es ist kein Wunder bei dem Wetterumschwung - erst kalt und dann auf einmal wieder wärmer, dass ich müde und kaputt bin.

21:45 Uhr. Jetzt hat sich das Wetter wieder geändert. Als ich zur Akafist in Lenas Gemeinde gefahren bin, hat es noch gestürmt und hin und wieder geregnet. Nach der Akafist haben wir noch Tee im Gemeindehaus getrunken. Vorher war noch nichts zu sehen, nur der Wind wehte kälter. Als ich dann zum Haltepunkt Savjoloska wollte, ist schon wieder etwas Schnee gefallen. Ich finde das Wetter hier eigenartig.

Die Akafist für den Erzengel Michael haben wir heute sogar mal wesentlich besser gesungen als die letzten Male und ich habe das Gefühl, dass ich immer mehr in den Chor hineinkomme. In die Gemeinde aber ebenfalls: Anna Nikivnerovna hat mich gleich im Eingang begrüßt und die andere Babuschka im Verkaufsstand rief dann: "Andruscha, Lena ist unten in der Küche!" So bin ich zu ihr in die Küche gegangen, wo ich dann Matuschkas Borschtsch gegessen habe, der vorzüglich geschmeckt hat. Irgendwann flog die Türe auf und gleichzeitig wurde der Rahmen fast vollständig von Vater Igor ausgefüllt, dem Diakon der Gemeinde. Er schaute mich verdutzt an und daraufhin habe ich ihn mit "Sdrastwujtje" gegrüßt, was er dann erwiderte. Er machte sich Tee und sagte dann zu Lena, die wie ich auf einem Stuhl saß: "Ich denke, Du hast einen Wunsch!" Lena verstand sofort und machte ihm den Platz auf dem Stuhl frei. Ich war verwundert, dass er für meinen Verstand so unhöflich zu Lena war und sie war verwundert, dass er so höflich war, denn normalerweise reicht ihm eine Handbewegung aus, um sich einen Platz zu verschaffen. Nach der Akafist wird noch das Ölkreuz durch den Priester gespendet, indem er den Gläubigen mit einem Pinsel Rosenöl ein Kreuz auf die Stirn malt. Da Lena etwas schneller war, fragte Vater Pawel schon, wo ich denn sei und als ich dann an der Reihe war, sagte er zunächst "Sdrastwuj, Andreas" und erst dann bekam ich das Ölkreuz. Und auch beim Gemeindepriester habe ich immer den Eindruck, dass er mich gerne in seiner Gemeinde sieht. Ich fühle mich auch sehr wohl in dieser Gemeinde. Wie schon angedeutet, habe ich nach der Akafist zunächst noch mit Lena alleine im Gemeindehaus Tee getrunken und etwas über den Glauben bezüglich des Todes in der Orthodoxen Kirche geredet. Es ist so, dass der Glaube herrscht, dass die Toten weiterleben und nicht einfach weg sind. Daher leben auch die Heiligen beispielsweise alle noch in einer besonderen Weise und können Wunder vollbringen. Die Verstorbenen sind auch dann noch nicht Tod, wenn sie vergessen werden, sondern leben auch dann weiter, es erinnert sich nur mehr keiner an sie. Daraus könnte eine ganz anderes Denken als wie im Westen resultieren, dass ich aber noch nicht ganz ergründet habe. Da werde ich mich aber noch einlesen oder nachfragen. Ich weiß bislang eigentlich nur, dass für die Orthodoxen Christen ein Toter nicht tot ist, sondern weiterlebt und dass deswegen eigentlich gar nicht so geweint werden muss, weil er ja noch unter uns weilt. Auf meinen Einwand, dass die Toten erst dann "tot" sind, wenn sich keiner mehr an sie erinnert, sagte sie nur, dass sie dann auch noch da sind. Aus diesem Grund gibt es einerseits das Totengedenken - die Panichida - und in jeder Kirche einen Tisch mit Kerzen, wo der Toten gedacht wird. In dessen Nähe steht meistens ein weiterer Tisch, auf dem Lebensmittel für den Toten abgelegt werden.

Heute Abend gab es im Wohnheim eine nicht so schöne Begegnung. Ilja hat wieder viel Alkohol getrunken und wollte mir in der Küche auch welchen andrehen. Als ich den mehrmals abgelehnt habe, wurde er schon fast aggressiv und sagte, dass ich gar kein Russe sei. In diesem Sinne hat er zum Glück recht. Auch gutes zureden half bei ihm heute Abend nichts mehr. Ivan setzte sich dann zum Essen dazu und auch er sollte mit ihm mittrinken. Er lehnte dies genauso ab, wie alle anderen auch, die nach und nach in die Küche kamen. Sie waren es dann auch, die mit dem gleichen geringen Erfolg versucht haben, ihn zu beruhigen. Ich hoffe, dass ich da morgen noch einmal mit drüber sprechen kann, wenn er weniger getrunken hat. Zumindest war das alle für uns eine nicht angenehme Situation: Für mich, weil er mich so vehement gebeten hat, zu trinken und für die anderen nicht, weil einige von ihnen jetzt sicherlich denken, dass ich ein schlechtes Bild von Russland oder von Russland als Gastgeber habe. Aber sie wissen genau so gut wie ich beziehungsweise weiß ich genau so gut wie sie, dass nicht alle so sind. In Sachen Alkohol sind es aber leider doch wieder viele Männer...


Yüklə 1,55 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   11   12   13   14   15   16   17   18   ...   46




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©muhaz.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

gir | qeydiyyatdan keç
    Ana səhifə


yükləyin