OVG Bremen 1 HB 497/98 v. 18.05.99, NVwZ-RR 2000, 58, IBIS C1517 Leitsätze: "1. Das Wohlwollensgebot des Art 34 S. 1 GK schließt es aus, die Einbürgerung eines Konventionsflüchtlings allein deshalb abzulehnen, weil dieser nur über eine Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG verfügt. 2. Hat sich ein statenloser Konventionsflüchtling schon vor Eintritt seiner Staatenlosigkeit und vor Beginn seiner Staatenlosigkeit mehrere Jahre zum Zweck eines Studiums in Deutschland aufgehalten, ist diese Tatsache bei der Ermessensentscheidung über seine Einbürgerung (§ 8 Abs. 1 RuStAG, Art. 34 S. 1, 32 S. 1 StlÜbk) in die Abwägung einzustellen."
Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des §§ 85, 86 AuslG, weil er keine Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung besitzt. Ein Anspruch folgt auch nicht aus Art. 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit, da Voraussetzung dafür ist, dass er in Deutschland geboren ist und die Einbürgerung vor Vollendung seines 21. Lebensjahres beantragt hat. Der Kläger kann daher allein nach der Ermessensvorschrift des § 8 RuStAG eingebürgert werden. Für die Einbürgerung von Flüchtlingen enthalten Art 34 GK sowie Art 32 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (StlÜbk, abgedr. bei Huber, HdA, A 520) ein innerstaatlich unmittelbar anwendbares Wohlwollensgebot, auf dessen Beachtung die Begünstigten einen Anspruch haben. Die Einbürgerung von Flüchtlingen darf nur abgelehnt werden, wenn überwiegende staatliche Belange entgegenstehen. Die Einengung der Ermessensfreiheit findet ihren Grund darin, dass die begünstigten Personen typischerweise des Schutzes entbehren, den sonst ein Staatsangehöriger durch seinen Heimatstaat erhält, und dass die Bundesrepublik Deutschland deswegen ihnen gegenüber eine Fürsorge übernommen hat, die eine angemessene Regelung ihrer Staatsangehörigkeit einschließt.
Durch die generelle Ablehnung der Einbürgerung unter Verweis darauf, dass der Antragsteller keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, würde das Wohlwollensgebot geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Die Verleihung einer nur befristeten Aufenthaltsbefugnis ist nämlich unmittelbar Folge des Flüchtlingsstatus.
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Anmerkung: das Wohlwollensgebot der Art 34 GK sowie Art 32 StlÜbk enthält die Verpflichtung, für Flüchtlinge und Staatenlose die Einbürgerung "soweit wie möglich" zu erleichtern und die Kosten des Einbürgerungsverfahrens "soweit wie möglich herabzusetzen".
VG Stuttgart 7 K 4267/00, U.v. 20.09.01, InfAuslR 2001, 528; NVwZ-Beilage I 2001, 126; IBIS C1692 Über die nach § 38 Abs. 2 StAG [ebenso nach § 90 Satz 3 AuslG] "aus Gründen der Billigkeit" vorgesehene Gebührenermäßigung oder -befreiung bei der Einbürgerung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine Gebührenbefreiung kann sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Gründen zulässig sein. Vorliegend ist als persönlicher Grund zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von Sozialhilfe lebt, die Gebühren für die Einbürgerung jedoch vom Träger der Sozialhilfe nicht übernommen werden können (kein notwendiger Lebensunterhalt nach § 12 BSHG bzw. Regelbedarf nach § 22 BSHG; vgl auch VGH Ba-Wü zu Passverlängerungskosten nach BSHG in InfAuslR 1996, 346, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1135.pdf), und die Einbürgerung an der Mittellosigkeit des Antragstellers zu scheitern droht. Als sachlicher Grund für eine Gebührenermäßigung ist zu berücksichtigen, dass die Einbürgerungsgebühr von 500.- DM die durchschnittlichen Verwaltungskosten der hier beantragten Kindereinbürgerung nach § 40b StAG um etwa das Doppelte übersteigt (vgl. BR-Drs 53/01 v. 26.01.01: durchschnittliche Verwaltungskosten bei Ländern und Gemeinde je Einbürgerung = ca 200 bis 250 DM).
VGH Ba-Wü 13 S 2667/00, B.v. 21.02.01, InfAuslR 2003, 112 Ein gewichtiger Grund für den Erlass der Einbürgerungsgebühr liegt vor, wenn der Einbürgerungsbewerber mittellos ist.
OVG Lüneburg, 4 LB 79/02, Urteil vom 26.06.02, info also 2002, 273; FEVS 54, 121 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2050.pdf Muss ein Sozialhilfe beziehender Ausländer für seine Einbürgerung eine Verwaltungsgebühr in nicht unerheblicher Höhe (hier: 100.- DM) entrichten, kann das einen Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Leistung aus "besonderem Anlass" (§ 21 Abs. 1 a Nr. 7 BSHG) begründen. (für Fälle, in denen die vor dem 01.01.2000 geltende Fassung des § 90 AuslG anzuwenden ist).
VGH Hessen 12 UE 1473/02, U.v. 19.08.02, IBIS M3112, www.asyl.net/Magazin/Docs/2003/M-3/3112.txt Leitsätze:
1. Bei der Prüfung ausreichender Deutschkenntnisse im Einbürgerungsverfahren kann grundsätzlich auf die Fähigkeit, eigene oder fremde Gedanken schriftlich in deutscher Sprache wiederzugeben, nicht verzichtet werden.
2. Verwaltungsvorschriften eines Landes, die eine schriftliche Sprachprüfung bei Einbürgerungsbewerbern nach § 85 AuslG oder § 8 StAG nicht vorsehen, sind mit Bundesrecht nicht vereinbar.
3. Es besteht keine rechtliche Verpflichtung, bei der Einbürgerung von anerkannten Asylberechtigten oder Konventionsflüchtlingen geringere Sprachkenntnisse genügen zu lassen als allgemein bei Anspruchs- oder Ermessenseinbürgerungen üblich; das besondere Schicksal anerkannter politischer Verfolgter kann aber im Einzelfall auch bei der Deutschprüfung berücksichtigt werden.
VG Stuttgart 7 K 2494/01 U.v. 09.10.02, IBIS M3103, InfAuslR 2003, 164 www.asyl.net/Magazin/Docs/2003/M-3/3103.rtf Für die Einbürgerung ausreichende deutsche Sprachkenntnisse gem. § 86 Nr. 1 AuslG setzen nicht die Fähigkeit voraus, einen deutschsprachigen Text schreiben zu können; die Einbürgerungsbehörde muss selbst prüfen, ob ausreichende Sprachkenntnisse vorliegen, und kann sich nicht blind auf die Prüfung einer beauftragten Institution verlassen.
BVerwG 1 C 19.02, U.v. 03.06.03, InfAuslR 2003, 445, www.bverwg.de Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung möglich.
Sachverhalt: Ein aus Österreich stammender Unternehmensberaters hatte in seinem Einbürgerungsantrag angegeben hatte, dass gegen ihn keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anhängig seien. Tatsächlich wurde gegen ihn in Österreich wegen des schweren gewerbsmäßigen Betruges mit erheblichem Schadensvolumen ermittelt. Als dies der Behörde im Jahr 2000 bekannt wurde, nahm sie die 1999 erfolgte Einbürgerung zurück.
Gründe: Das BVerwG hat eine auf den Tatbestand der vorsätzlichen Täuschung gestützte Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung nach dem VwVfG (hier: Art. 48 BayVwVfG) für zulässig. Das verfassungsrechtliche Verbot des Entzugs der deutschen Staatsangehörigkeit (Art. 16 GG) steht dem nicht entgegen; es bewahrt nicht vor der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung.
Das BVerwG hat den Rechtsstreit an den VGH zurückverwiesen. Der VGH muss sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinandersetzen, die unterlassene Angabe habe nicht auf einer bewussten Täuschung beruht. Außerdem muss der VGH aufklären, ob der Kläger nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit wieder die österreichische erlangen kann oder - wie er behauptet – staatenlos wird und damit auch seine Rechte aus der EU-Bürgerschaft verliert.
OVG Lüneburg, 4 LB 79/02, Urteil vom 26.06.02, info also 2002, 273; FEVS 54, 121 Muss ein Sozialhilfe beziehender Ausländer für seine Einbürgerung eine Verwaltungsgebühr in nicht unerheblicher Höhe (hier: 100.- DM) entrichten, kann das einen Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Leistung aus "besonderem Anlass" (§ 21 Abs. 1 a Nr. 7 BSHG) begründen. (für Fälle, in denen die vor dem 01.01.2000 geltende Fassung des § 90 AuslG anzuwenden ist).
VG Bremen 4 K 232/04, U.v. 26.04.04, InfAuslR 2004, 357, IBIS M5704, Asylmagazin 11/2004, 42, www.asyl.net/Magazin/11_2004c.htm - K1
Unter Hinweis auf Art. 34 GK und § 90 Satz 3 AuslG und sein nur knapp über der Sozialhilfe leidendes Einkommen beantragt der als Flüchtling anerkannte Antragsteller Gebührenbefreiung, hilfsweise Ermäßigung. Das VG verurteilt die Einbürgerungsbehörde, die eine Ermäßigung um 50 % auf Grund geringen Einkommens gewährt hatte, zur Neubescheidung. Der hier maßgebliche Erlass lasse ausdrücklich auch eine weitergehende oder vollständige Befreiung zu, bei der Ermessensausübung wurde die Flüchtlingsanerkennung pflichtwidrig überhaupt nicht berücksichtigt.
BVerwG 5 B 26.05 / 5 C 26.05, B.v. 20.10.2005 www.asyl.net/Magazin/Docs/2005/M-5/7430.pdf
Die Revision gegen das Urteil des OVG Bremen 1 A 197/04 v. 31.05.05 ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Revision kann zur Klärung der Frage beitragen, inwieweit sich aus Art. 34 GK eine Verpflichtung ergibt, die Kosten der Einbürgerung herabzusetzen.
VG Göttingen 1 A 12/05, U.v. 01.09.05, Asylmagazin 12/2005, 35 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7360.pdf Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes durch Geburt in Deutschland gemäß § 4 Abs. 3 StAG wird nicht durch ein während der Geburt laufendes, aber noch nicht abgeschlossene Asylwiderrufsverfahren verhindert. Der Asylwiderruf wird erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit wirksam, § 73 Abs. 6 AsylVfG. Dessen ungeachtet entscheidet über den weiteren Aufenthalt nach Widerruf der Asylberechtigung die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen und ohne "Erlöschensautomatik" (BVerwG v. 20.02.03, NVwTZ 2002, 1275, Asylmagazin 7/2003, 43). Auch der Widerruf der Niederlassungserlaubnis entfaltet lediglich Wirkungen für die Zukunft.
Die Wirkung des Asylwiderrufs wird auch nicht durch die Geburt eines Kindes "unterlaufen", da im Vordergrund des § 4 Abs. 3 StAG die Integration des Kindes und nicht die der Eltern steht.
OVG Rh-Pfalz 7 A 10700/05.OVG, U.v. 04.10.05, IBIS M7547, InfAuslR 2006, 92 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7547.pdf
Kosovo-Albanern ist die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unzumutbar. Der Wegfall der Verbindlichkeit der Flüchtlingsanerkennung während des Widerrufsverfahrens nach § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG ist unerheblich, wenn ein Anspruch auf Einbürgerung auch ohne die Flüchtlingsanerkennung besteht.
VG Aachen 7 K 2270/02, U.v. 09.09.05, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7773.pdf Bei der Ermessensausübung über den Erlass der Einbürgerungsgebühr für einen anerkannten Flüchtling ist Art. 34 GFK zwingend zu berücksichtigen.
BVerfG 2 BvR 669/04, U.v. 24.05.06, InfAuslR 2006, 335; NVwZ 2006, 807, www.bverfg.de , www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8260.pdf Die Rücknahme einer durch Täuschung (Vorlagen einer falschen Lohnbescheinigung) erwirkten Einbürgerung verstößt nicht gegen Art. 16 Abs. 1 GG. Das Verbot der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit erstreckt sich nicht auch auf den Fall einer erschlichenen Einbürgerung.
BVerwG 5 C 26.05, U.v. 16.11.06, InfAuslR 2007, 203, http://bverwg.de/media/archive/3890.pdf Art. 34 Satz 2 GK gebietet nicht, die nach § 90 Satz 3 AuslG bereits wegen seiner wirtschaftlichen Lage ermessensfehlerfrei reduzierte Gebühr für die Einbürgerung eines Einbürgerungsbewerbers allein wegen seiner Stellung als anerkannter Flüchtling zusätzlich zu ermäßigen oder vollständig zu erlassen. Die Flüchtlingseigenschaft ist für den Fall, dass wegen der wirtschaftlichen Situation des Einbürgerungsbewerbers eine Entscheidung über eine Gebührenermäßigung oder einen Gebührenerlass zu treffen ist, zu dessen Gunsten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.
Aus persönlichen Gründen kommt eine Billigkeitsermäßigung etwa dann in Betracht, wenn der Einbürgerungsbewerber auf Leistungen nach SGB II oder XII angewiesen ist, ohne dass dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 StAG die Einbürgerung hindert, und absehbar ist, dass sich hieran in einem überschaubaren Zeitraum nichts ändern wird.
BVerwG 5 C 3.06, U.v. 03.05.07, ZAR 2007, 410 www.bverwg.de/media/archive/5243.pdf Einbürgerung von Kosovo-Albanern unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit.
Von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) ist jedenfalls nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG abzusehen, wenn der Herkunftsstaat zwar nicht allen Staatsangehörigen, aber doch einer großen, nach der Volkszugehörigkeit bestimmten Personengruppe die Entlassung regelmäßig verweigert. Hat ein Angehöriger der Personengruppe, der durch eine nach ethnischen Kriterien diskriminierenden Entlassungspraxis betroffen ist, keine Möglichkeit, seine Entlassung auf legale Weise, insbesondere ohne Bestechung, und in zumutbarer Zeit zu erreichen, ist ihm auch kein Entlassungsantrag abzuverlangen.
BVerwG 5 C 4.07, U.v. 14.02.08, InfAuslR 2008, 318 www.asyl.net/Magazin/Docs/2007/M-9/13207.pdf Die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung achteinhalb Jahre nach Aushändigung der Einbürgerungsurkunde ist nicht mehr zeitnah und kann daher nicht auf § 48 VwVfG (hier: i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin) gestützt werden (im Anschluss an BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 2 BvR 669/04 www.asyl.net/Magazin/Docs/2007/M-9/8260.pdf).
Die vom Berliner Innensenator verfügte Aufhebung der Einbürgerung wegen "Identitätstäuschung" u.a. für Kurden aus dem Libanon war daher zurückzunehmen, vgl. zum Hintergrund Presseerklärung Flüchtlingsrat Berlin v. 14.02.08, www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe.php?sid=393
VG Oldenburg 11 A 3178/06, U.v. 16.04.08 www.asyl.net/Magazin/Docs/2007/M-9/13246.pdf Auch eine objektiv unzutreffende Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen führt zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt gem. § 4 Abs. 1 StAG.
Literatur und Materialien:
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Renner, G. Prüfung der Deutschkenntnisse von Einbürgerungsbewerbern, tabellarische Übersicht zur Praxis in den Bundesländern, ZAR 2002, 426
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Renner, G. Streitpunkte: Mehrstaatigkeit und Deutschkenntnisse, ZAR 2002, 339
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