Gericht bvwg entscheidungsdatum 02. 04. 2014 Geschäftszahl



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Gericht

BVwG


Entscheidungsdatum

02.04.2014



Geschäftszahl

L513 1418722-1



Spruch

IM NAMEN DER REPUBLIK!


Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M. über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamts (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 22.03.2011, XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchteil III des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, auf Dauer unzulässig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


I. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:
I.1. Bisheriger Verfahrenshergang
I.1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Türkei und der kurdischen Volksgruppe zugehörig, brachte am 03.03.2010 bei der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST einen Antrag auf internationalen Schutz ein (AS 11, 17). Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Sicherheitsorgan niederschriftlich einvernommen.
Im Rahmen der Erstbefragung am 03.03.2010 (AS 15 - 25) gab der Beschwerdeführer hinsichtlich der Fluchtgründe zu Protokoll, dass ihm in der Türkei aufgrund eines Gerichtsurteiles vom XXXX eine zweijährige Haftstrafe bevorstehe. Man habe ihn beschuldigt, einen türkischen Polizisten verletzt zu haben, der im Jahr 2006 seine damalige Freundin belästigt habe. Weiters stünde seine ganze Familie unter Druck, da diese an der kurdischen Bewegung teilgenommen hätte.
Am 24.06.2010 erfolgte eine Einvernahme vor dem Bundesasylamt (in weiterer Folge kurz als "BAA" bezeichnet) (AS 95 - 99). Hierbei brachte der BF ein Konvolut an Unterlagen in Vorlage (AS 107 - AS 197).
Konkret handelte es sich hierbei um seinen bereits vorgelegten

türkischen Personalausweis [ausgestellt am XXXX] (AS 31, 33), einen

weiteren - gefälschten - türkischen Personalausweis lautend aufXXXX

[ausgestellt am XXXX] (AS 117), einen Auszug aus dem türkischen

Familienregister [ausgestellt am XXXX] (AS 107 - 113), eine

Bestätigung von Rechtsanwalt XXXX vom 05.04.2010 (AS 159

[Übersetzung: AS 239 - 241]), eine Bestätigung des Rechtsanwaltes

XXXX (AS 161 [Übersetzung: AS 253 - 255), ein Festnahmeprotokoll vom

XXXX(AS 175 [Übersetzung: AS 317 - 319]), ein amtsärztliches

Gutachten vom XXXX (AS 177 [Übersetzung: AS 311 - 313]), ein

amtsärztliches Gutachten vom XXXX (AS 171 [Übersetzung: AS 305 -

307]), ein Vernehmungsprotokoll vom XXXX (AS 173 [Übersetzung: AS

295 - 301]), ein allgemeines gerichtsmedizinisches Gutachten

veranlasst durch die Sicherheitsdirektion XXXX (AS 163 - 167

[Übersetzung: AS 269 - 275]), ein unvollständiges Urteil des

Strafgerichtes I. Instanz,XXXX, XXXX(AS 191 - 195 [Übersetzung: AS

219 - 237]), eine Niederschrift von der Staatsanwaltschaft

XXXX[aufgenommen am XXXX] (AS 169 [Übersetzung: AS 289 - 291]), ein Beschluss über die Einstellung des Verfahrens vom XXXX (AS 197 [Übersetzung: AS 259 - 265]), ein Zeitungsartikel aus der Zeitung Yeni Özgür Politika vom XXXX bezüglich seines Großcousins XXXX und der DTP (AS 179 - 181), ein Artikel der Nachrichtenagentur Reuters bezüglich XXXX(AS 183 [Übersetzung: AS 283 - 285]), ein Fax von XXXXaus Deutschland an den BF vom 11.06.2010 (AS 185 [Übersetzung: AS 245]), die Aufenthaltsgestattung für Deutschland (AS 187, 189) ein psychiatrisches Gutachten vom 15.03.2010 (AS 119 - 129), eine Zuweisung zur fachärztlichen Untersuchung vom 27.03.2010 (AS 115) und drei vorläufige Patientenbriefe des XXXXvom 30.04.2010, 08.06.2010 und 11.06.2010 (AS 131 - 157).


Im Übrigen stimmte der BF einer Recherche durch einen Vertrauensanwalt/ Sachverständigen unter Wahrung seiner Anonymität vor den staatlichen Behörden seines Heimatlandes zu (AS 99).
Am 22.09.2010 wurde vom Bundesasylamt eine Anfrage an die Staatendokumentation gestellt (AS 323 - 333), um die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse einer näheren Überprüfung zu unterziehen und langten im Oktober 2010 die entsprechenden Antworten ein (AS 337 - 345).
Demnach sei das vom Strafgericht XXXX ausgestellte Urteil wegen aktiven Widerstandes gegen einen Polizeibeamten im Dienst echt. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig und sei der BF zu einer 15monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Übrigen wurde die vom Gericht angeordnete Maßnahme der Überwachung in Freiheit nach Verbüßung der Haftstrafe näher erläutert.
Am 10.12.2010 erfolgte eine weitere Einvernahme vor dem Bundesasylamt-Außenstelle Wien (AS 377 - 387). Hierbei gab der BF zu Protokoll, dass er Mitglied der DEHAP gewesen sei und für diese gearbeitet hätte. Nachdem es für ihn politisch eng geworden sei, habe ihm sein Onkel geraten, aus der Partei auszutreten. Danach sei er nicht mehr Mitglied bei einer Partei gewesen.
Seine Familie sei von den türkischen Sicherheitskräften als Staatsfeind angesehen worden. XXXX sei sein Cousin. Dieser sei ein PKK-Kämpfer gewesen und 1994 gefallen. Er habe den Codenamen "XXXX" getragen. Außerdem sei XXXX - ein Onkel seiner Mutter - ein Kommandant des kurdischen aufständischen Widerstandskampfes in Dersim gegen die türkische Republik im Jahr 1938 gewesen. Dessen Kinder seien damals von der türkischen Armee enthauptet worden, XXXX selbst sei nach Syrien geflüchtet und später seien auch dessen Schwestern aus dem Land vertrieben worden. Seitdem werde seine Familie von den türkischen Sicherheitskräften beobachtet.
Er hätte dem Amt die Gerichtsunterlagen vorgelegt, aus denen hervorgehe, welche Misshandlungen er erlitten hätte. Er sei permanent von türkischen Sicherheitskräften physisch und psychisch unter Druck gesetzt worden. Bei jeder Möglichkeit sei er schikaniert und verprügelt worden. Ihr Garten sei in Brand gesetzt und ihre Hunde seien erschossen worden. Die Sicherheitskräfte hätten versucht, jegliche Lebensbasis zu zerstören, damit er nicht mehr existieren könne. Man habe ihn - wie viele andere Kurden - gezwungen, als Spitzel der Sicherheitskräfte zu arbeiten, was er abgelehnt hätte. Er sei immer unter Beobachtung gestanden, mehrmals festgenommen, misshandelt und mit dem Tod bedroht worden. Als er gemeinsam mit seinem Onkel verhaftet und gefoltert worden sei, habe man sie nackt ausgezogen. Sein Onkel sei mit den Fingern vergewaltigt, mit kaltem Wasser behandelt und mit Schlagstöcken geschlagen worden. Ferner sei seinem Onkel mit einem in den After eingeführten Schlauch Wasser zugeführt worden. Einen Teil hätte er selbst gesehen, ein Teil habe ihm sein Onkel erzählt.
Er sei 25 Tage im Gefängnis gewesen. Sein Verfahren sei an die Berufungsinstanz gesendet worden. Daher wisse er jetzt nicht, ob das Urteil schon da sei und könne er nicht mit Sicherheit sagen, ob er aktuell gesucht werden würde.
Als er von der Polizei misshandelt worden sei, sei er beim Richter gewesen, um eine Anzeige zu erstatten. Er hätte sein Anliegen vorgebracht und seine Verletzungen vorgezeigt, aber der Richter habe nicht reagiert. Seine Anzeige sei nicht entgegengenommen worden.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der BF einen Bescheid der deutschen Behörden bezüglich der Asylgewährung für den Großcousin des BF XXXX (AS 389 - 395) sowie weitere medizinische Unterlagen in Vorlage (AS 397 - 399).
Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 09.02.2011 wurden dem BF die die aktuellen Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat Türkei zur Kenntnis gebracht (AS 411 - 450) und gab er hierzu keine Stellungnahme ab.
I.1.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BAA (AS 481 - 555) gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).
I.1.2.1. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig bzw. - insoweit als glaubwürdig beurteilt - nicht asylrelevant sei. Demnach hätte der BF die Türkei aus Furcht verlassen, wegen der Begehung von Strafrechtsdelikten (aktiver Widerstand gegen einen Polizeibeamten im Dienst bzw. Beleidigung von Beamten im Dienst) im Falle der Rechtskraft des gegen ihn verhängten Urteils des türkischen Strafgerichts XXXX eine Haftstrafe antreten zu müssen. Es habe aber nicht festgestellt werden können, dass eine dem BF allenfalls drohende Haftstrafe wegen der Begehung von strafrechtlichen Delikten in einem Zusammenhang mit der GFK stünde. Im Falle seiner Rückkehr könne bei Rechtskraft des Urteiles eine Haftstrafe nicht ausgeschlossen werden. Eine solche würde jedoch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bedeuten. Ferner bestünden keine Hinweise, dass der BF aus Gründen, die in der Genfer Flüchtlingskonvention genannt seien, verfolgt würde oder mit strengerer Strafe als andere in ähnliche Strafverfahren involvierte Bürger der Türkei zu rechnen hätte. Auch für unmenschliche Behandlung oder unverhältnismäßige Bestrafung hätten sich keine Hinweise ergeben. Generell wurden keine Abschiebungshindernisse festgestellt und die Ausweisung für gerechtfertigt erachtet.
I.1.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei traf das Bundesasylamt ausführliche Feststellungen, die dem BF nachweislich zur Kenntnis gebracht wurden.
I.1.2.3. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.3. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 01.04.2011 (AS 565 - 575) innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängeln erhoben.
Zunächst wurde moniert, dass die Bescheidbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 45 Abs. 2 iVm § 60 AVG genüge. Das Vorbringen werde als unglaubwürdig bzw. unsubstantiiert eingestuft und stehe damit in Widerspruch zur amtswegigen Ermittlungspflicht der Asylbehörden. Hätte die Behörde Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben gehabt, hätte sie diesbezüglich dem BF Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen gehabt. Es seien dem BF keinerlei angebliche Widersprüche vorgehalten worden. Das Parteiengehör sei dadurch verletzt worden. Der gesamten Beweiswürdigung durch das BAA liege eine offensichtliche Fehlübersetzung des vorgelegten Urteils des Strafgerichts zu Grunde. Er sei wegen zweier Urteile belangt worden. Zunächst wegen des ursprünglichen Delikts (Körperverletzung) zu einer Strafe von einem Jahr und drei Monaten und zusätzlich wegen des Umstandes, dass er einen Beamten beleidigt hätte zu einer Haftstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, wobei diese Verurteilung nicht reduzierbar sei. Der zweite Teil des Urteils bewirke, dass er - da die Gesamtstrafe über zwei Jahren liege - jedenfalls die Haftstrafe antreten werde müssen. Darüber hinaus werde im Anschluss daran ein Ausreiseverbot über ihn verhängt werden. Hinzu komme, dass die Justizbehörden erst nach seiner Heirat tätig geworden seien. Dann sei sogar in Abwesenheit verhandelt worden und dieses übermäßig lange und weit über der durchschnittlichen Haftzeit liegende Urteil gefällt worden.
Da die Frage seiner Glaubwürdigkeit wesentlich von der korrekten Übersetzung des Urteils abhänge, wurde vom BF beantragt, dieses neuerlich durch einen rechts- und sprachkundigen Dolmetscher übersetzen zu lassen. Ferner wurde zum Beweis, dass dieses Urteil übermäßig hart ausgefallen sei, die Einholung eines rechtskundigen Gutachtens beantragt.
Er hätte seine politische Vorgeschichte und die Geschichte seiner Familie ausführlich dargelegt. Sein Onkel [Großcousin], mit dem er im Jahr 1993 auch verhaftet worden sei, habe zwischenzeitig in Deutschland Asyl erhalten. So wie dieser sei er wegen seines Engagements für die kurdische Bewegung von den Behörden schikaniert worden. Es liege auf der Hand, dass dieses gegen ihn gefällte Urteil politisch motiviert sei.
Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail und des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.4. Laut dem im Zuge des dritten stationären Aufenthalts des BF erstellten psychiatrischen Gutachtens vom 29.07.2011 (OZ 5) bestehe beim BF eine psychiatrische Erkrankung iSe ängstlich depressiven psychotischen Dekompensation bei posttraumatischer Belastungsstörung. Im Rahmen der ängstlich depressiv psychotischen Dekompensation bei posttraumatischer Belastungsstörung bestünde auch weiterhin die Gefahr von Selbstgefährdung, insbesondere durch neuerlich suizidales Verhalten. Fremdgefährdung bestehe durch tätlich aggressives, situationsverkennendes Verhalten bei psychotischem Erleben.
I.1.5. Am 31.08.2012 brachte der BF die zweitinstanzliche Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils vor. Der BF sei zu insgesamt zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden (OZ 7 [Übersetzung OZ 9]).
I.1.6. Am 08.07.2013 langte beim Asylgerichtshof das von der Türkei an Österreich gerichtete Auslieferungsersuchen (OZ 14) ein.
I.1.7. Mit Schriftsatz vom 02.07.2013 brachte der BF eine Kopie des Rechtskraftvermerks (OZ 11 [Übersetzung: OZ 15]) und eine Kopie des Aufenthaltstitels des BF für Österreich in Vorlage (OZ 11).
I.1.9. Mit Schreiben vom 10.02.2014 (OZ 23Z) wurde dem BF vom Bundesverwaltungsgericht eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in der Türkei übermittelt. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, bekannt zu geben, ob sich seine persönlichen Verhältnisse (im Hinblick auf ein bestehendes Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK) geändert haben.
I.1.10. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
I.2. Basierend auf dem Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:
I.2.1. Der Beschwerdeführer
Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.
Beim BF handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der Volksgruppe der Kurden angehörigen Türken, der sich zum islamischen Mehrheitsglauben bekennt. Der Beschwerdeführer ist ein erwachsener, grundsätzlich gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten in dessen Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Vor seiner Ausreise aus der Türkei war der BF unter anderem als Schweißer beruflich tätig. In der Türkei leben noch die Eltern und eine Schwester.
Der Beschwerdeführer ehelichte im Jahr 2008 eine österreichische Staatsbürgerin mit türkischem Migrationshintergrund. Mit dieser Frau namens XXXX, geb. 1973, bewohnt der Beschwerdeführer derzeit eine gemeinsame Wohnung. Sein aus einer anderen Beziehung stammender Sohn lebt in der Schweiz.
Der BF wurde am XXXX wegen des Verdachts der Unterstützung der PKK und Unterschlupfgewährung festgenommen. Mit Beschluss der Oberstaatsanwaltschaft XXXX vom XXXX wurde dieses Verfahren gegen den BF allerdings eingestellt.
Mit - dem mittlerweile von der Berufungsinstanz bestätigten und rechtskräftigen - Urteil des Strafgerichts XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen aktiven Widerstandes gegen einen Polizeibeamten im Dienst zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und wegen Beleidigung von Beamten im Dienst zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt.
Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde auf Grund dieses Urteils ein Auslieferungsersuchen der Türkei an Österreich gestellt.
I.2.2. Die Lage im Herkunftsstaat Türkei
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich diesbezüglich den im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen sowie den nunmehr im Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht eingeführten aktuellen Berichten zur Türkei (Feststellungen der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom Jänner 2013, Feststellungen des Auswärtigen Amtes zur Lage in der Republik Türkei vom 26.08.2012) an.
Allgemeine Lage
Block 1: Staatsaufbau
Die Türkei hat je nach Schätzung zwischen 74 und 79 Millionen Einwohner.
(CIA - Central Intelligence Agency: The World Factbook, People and Society, Stand: 5.12.2012;

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/tu.html Zugriff 3.1.2013 / Auswärtiges Amt: Türkei; Stand April 2012;



http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Tuerkei_node.html Zugriff 3.1.2013)
Die Türkei hat ein parlamentarisches Mehrparteiensystem und einen Präsidenten mit limitierten Machtbefugnissen. Die Parlamentswahlen im Juni 2011 waren im Allgemeinen fair und frei. Zivile Behörden wahrten generell effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte.
(US DOS - United States Department of State: Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2011; 24.5.2012)
Die Türkei ist eine parlamentarische Republik und definiert sich in ihrer Verfassung (Art. 2) als demokratischen, säkularen und sozialen Rechtsstaat auf der Grundlage der Ideen des öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität und Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte und als besonders verpflichtet den Grundsätzen ihres Gründers Atatürk. Staatsoberhaupt mit weitgehend repräsentativer Funktion ist der Staatspräsident, die politischen Geschäfte führt der Premierminister. Durch das Referendum vom 21.10.2007 wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass der Staatspräsident künftig nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk gewählt wird.
Die Gewaltenteilung wird in der Verfassung durch die Art. 7 (Legislative), 8 (Exekutive) und 9 (Judikative) festgelegt. Art. 9 sieht vor, dass die Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte "im Namen der türkischen Nation" erfolgt.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, Stand August 2012, 26.8.2012)
Die Türkei verbindet Elemente einer modernen, westlichen, demokratisch strukturierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft mit einem lebendigen und in der türkischen Gesellschaft tief verwurzelten Islam sowie mit einem teilweise ausgeprägten Nationalismus. Sie ist geprägt von starken politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzen, die das politische System immer wieder auf eine harte Belastungsprobe stellen. Das gemeinsame Erbe aus rund 700 Jahren osmanischer und 80 Jahren türkischer Geschichte ist eine ausgeprägt starke Rolle des Staates, gegenüber dem Rechte des Einzelnen häufig zurückstehen.
Die Türkei betrachtet sich als Modell eines laizistischen Staates (Trennung von Staat und Religion) mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. Der Laizismus zählt zu den vier Grundprinzipien der Republik. Gleichzeitig übt der Staat durch das Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) die Kontrolle über den (sunnitischen) Islam aus, der weite Teile des öffentlichen Lebens in der Türkei prägt. Handlungen und Meinungsäußerungen, die einen Einfluss des Islam auf das staatliche oder gesellschaftliche Leben fordern, können strafrechtlich verfolgt werden. Das Laizismusprinzip ist immer wieder Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen, die zum Teil mit erheblicher Schärfe geführt werden. Weitere kontroverse Themen sind die Rechte der kurdischstämmigen Bevölkerung, die Anerkennung der Aleviten als eigene Religionsgemeinschaft und in inzwischen deutlich abgeschwächter Form die Stellung des Militärs.
Die Westorientierung ist Staatsprogramm der modernen Türkei. Die türkische Regierung hat den Beitritt zur EU als prioritäres Ziel ihrer Politik formuliert. Sowohl Staatspräsident Gül als auch Ministerpräsident Erdogan haben das Bekenntnis der türkischen Regierung zur Reformpolitik, die dem Wohl des Landes diene, mehrfach öffentlich betont. Sie werden darin von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Am 12. September 2010 haben sich in einem Referendum rund 58% der Türken für zuvor von der Regierung beschlossene Verfassungsänderungen ausgesprochen, die einige der in der Beitrittspartnerschaft genannten Prioritäten umsetzen. Im Oktober 2011 wurde zudem ein breit angelegter Prozess zur Erstellung einer gänzlich neuen Verfassung gestartet, der neben den im Parlament vertretenen Parteien auch alle Teile der türkischen Gesellschaft einbezieht. Erklärtes Ziel ist die Ausarbeitung einer deutlich liberaleren Verfassung, in deren Mittelpunkt die Grundrechte des Einzelnen stehen und die dadurch zur weiteren Demokratisierung und Modernisierung der Türkei beitragen soll. Nach derzeitigen Planungen soll dieser Prozess Ende 2012 mit der Verabschiedung eines neuen Verfassungstextes abgeschlossen werden.
(Auswärtiges Amt: Innenpolitik; Stand April 2012;

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_454DFB0C86BA3768516593591A4DB067/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Innenpolitik_node.html Zugriff 3.1.2013)


Block 2: Politik / Wahlen
Das türkische Parlament, die Große Türkische Nationalversammlung, wird für vier Jahre gewählt (Mehrheitswahlrecht). Die letzten Wahlen fanden am 12. Juni 2011 statt. Es gilt eine landesweite Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug einer Partei ins Parlament. Bei den Parlamentswahlen im Juni 2011 erhielt die konservative AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) 49,8 Prozent der Stimmen (+ 2,2 Prozent). Sie verfügt mit aktuell 327 der 550 Sitze über die absolute Mehrheit im Parlament. Hauptoppositionspartei ist die sozialdemokratisch-kemalistische CHP (Republikanische Volkspartei), die unter dem neuen Parteivorsitzenden Kemal Kiliçdaroglu und mit einer inhaltlichen Neuausrichtung leicht auf 25,9 Prozent (+5 Prozent) zulegen konnte und 135 Abgeordnete stellt. Zweitstärkste Oppositionskraft ist die rechts-nationalistische MHP, der mit 12,9 Prozent der Stimmen (+ 1,4 Prozent) der Wiedereinzug ins Parlament gelungen ist. Sie verfügt über 53 Abgeordnete. Die pro-kurdische BDP (Partei für Frieden und Demokratie) zog mit 35 Abgeordneten ins Parlament ein.
(Auswärtiges Amt: Innenpolitik; Stand April 2012;

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_454DFB0C86BA3768516593591A4DB067/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Innenpolitik_node.html Zugriff 3.1.2013)


Block 3: Lage in den Kurdengebieten im Südosten
Weiterhin sind Spannungen in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten und in den Ballungszentren des Landes zu verzeichnen. Allerdings sehen Regierung und Militär, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln zu überwinden sind. Seit Mitte 2010 ist jedoch die von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Erdogan in 2009 initiierte "Demokratische Öffnung" (zuvor "Kurdische Öffnung") aufgrund nationalistischer Vorbehalte und andauernder Anschläge durch die PKK zum Stillstand gekommen. Im Juni 2012 starben bei einem Gefecht zwischen kurdischen Rebellen und türkischen Truppen in der Provinz Hakkari 26 Menschen, bei dortigen Kämpfen im Juli/August 2012 wurden mindestens 115 PKK-Kämpfer und zahlreiche Soldaten getötet. PKK-interne Opposition (Ungehorsam, Befehlsverweigerung etc.) und Abfall (Desertion) von der PKK werden von dieser massiv und wohl auch teilweise drastisch sanktioniert.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, Stand August 2012, 26.8.2012)
Seit Mitte Juli 2011 kommt es wieder verstärkt zu Anschlägen gegen türkische Sicherheitskräfte sowie Militär- und Polizeieinrichtungen durch die als Terrororganisation gelistete PKK, vor allem im Südosten des Landes. In einer Erklärung der PKK-nahen Organisation "Freiheitsfalken Kurdistan" (TAK) vom 22.8.2011 heißt es, dass auch auf Zivilisten und Touristen keine Rücksicht genommen werde. Die Sicherheitsvorkehrungen befinden sich landesweit auf hohem Niveau. Angesichts von Anschlägen militanter Gruppierungen in der Vergangenheit auch gegen nicht-militärische Ziele, u. a. in Istanbul, muss in allen Teilen der Türkei weiterhin grundsätzlich von einer terroristischen Gefährdung ausgegangen werden.

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