13.01.2015
Gericht
BVwG
Entscheidungsdatum
13.01.2015
Geschäftszahl
I403 1408763-2
Spruch
I403 1408763-2/15E
I403 1408765-2/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL-GRATZEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Äthiopien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.11.2014 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG stattgegeben.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.11.2008 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz abgewiesen.
III. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.
IV. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 13.01.2016 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL-GRATZEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Äthiopien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.11.2014 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG stattgegeben.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.11.2008 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz abgewiesen.
III. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 iVm. § 34 Abs. 3 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.
IV. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 13.01.2016 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Äthiopien, reiste eigenen Angaben zufolge am 16.11.2008 gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn (Zweitbeschwerdeführer) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am darauffolgenden Tage unter der Identität XXXX, geb. am XXXX, für sich und ihren minderjährigen Sohn jeweils Anträge auf internationalen Schutz. Für ihren Sohn, den sie als XXXX bezeichnete, machte die Erstbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde hiezu am 17.11.2008 im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen und sie berief sich dabei auf folgenden Fluchtgrund: "Ich bin Mitglied der Partei Kinjit. Es gab im Jahre 2005 einen Wahlbetrug. Die andere Partei namens Woyane machte einen Wahlbetrug. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ruhe mehr vor den Mitgliedern der Woyane-Partei. Wir machten Demonstrationen. Seitdem haben wir keine Ruhe mehr. Aus diesem Grund musste ich meine Heimat verlassen". Im Falle der Rückkehr habe sie nunmehr Angst vor den Mitgliedern der Woyane-Partei.
2. In weiterer Folge wurde die Erstbeschwerdeführerin am 25.11.2008 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, niederschriftlich einvernommen. Anlässlich dieser Befragung berichtete sie ergänzend von einer siebentägigen Inhaftierung im Jahr 2005 aufgrund ihrer Parteimitgliedschaft. Konkret habe sie gemeinsam mit anderen Frauen vor den Wahlen 2005 Wahlwerbung für die Partei betrieben. Die Woyane-Partei habe die Wahl schließlich aufgrund eines Wahlbetruges gewonnen. Daraufhin habe die Partei der Erstbeschwerdeführerin Demonstrationen veranstaltet und im Zuge einer dieser Demonstrationen sei die Erstbeschwerdeführerin verhaftet, in weiterer Folge jedoch nach Erstattung einer Bürgschaft wieder freigelassen worden. Danach sei sie öfters kontrolliert worden und sie sei ständig unter Beobachtung gestanden. Als schließlich ihr Bruder Ende 2006 in den Süden Äthiopiens nach XXXX gegangen sei, wäre die Erstbeschwerdeführerin von Sicherheitsbeamten dazu angehalten worden, ihren Bruder wieder zur Rückkehr zu bewegen, da sich dieser der Oppositionspartei EPPF angeschlossen habe. Am 29.10.2008 wären die Beamten zu ihr nach Hause gekommen. Das Haus sei durchsucht und sie dabei geschlagen worden. Daraufhin habe sich die Erstbeschwerdeführerin dazu entschlossen, ihre Heimat zu verlassen. In der Heimat habe sie ihren Ehemann sowie XXXX ihrer Kinder zurückgelassen.
3. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt am 28.04.2009 wurde die Erstbeschwerdeführerin zu ihren persönlichen Familienverhältnissen befragt und gab dabei im Wesentlichen an, in XXXX geboren und bis zu ihrer Flucht ohne Unterbrechung dort gelebt zu haben. Vor ihrer Flucht sei sie in XXXX als XXXX tätig gewesen. In Bezug auf ihre Fluchtgründe berief sie sich zusammengefasst auf ihr bisheriges Vorbringen und führte ergänzend an, dass sie als Unterstützerin der Partei XXXX tätig gewesen sei. Innerhalb ihrer Arbeit habe sie Kollegen, vor allem aber Frauen dazu bewegt, XXXX zu unterstützen. Ihr Argument sei gewesen, dass nur Frauen Jobs hätten, deren Männer Mitglieder oder Unterstützer der Partei Ehadig seien. Die Partei Ehadig nenne man auch Woyane. Sie habe auch Jugendliche zur Unterstützung der Partei
XXXX mobilisiert. Am XXXX (am XXXX nach äthiopischem Kalender) habe es im ganzen Land und auch in XXXX friedliche Demonstrationen gegeben. Woyane-Soldaten seien nach XXXX gekommen und mit Gewehrkolben sei auf die Demonstranten eingeschlagen worden. An diesem Tag sei die Erstbeschwerdeführerin mit vier anderen Leuten verhaftet und sieben Tage lang ohne konkreten Vorwurf und ohne Gerichtsverhandlung angehalten worden. Während der Haft habe es Schläge gegeben. Am siebenten Tag sei sie dann aufgrund einer Bürgschaft und dem Versprechen, nicht mehr an Demonstrationen teilzunehmen, entlassen worden. Danach seien sie und ihr Bruder dauernd von Soldaten belästigt worden und jeden Tag seien die Soldaten zu ihr nach Hause gekommen. Auch ihre Kinder seien bedroht worden. Ihr Bruder sei im Jahr 2000 plötzlich verschwunden. Nach dem Verschwinden des Bruders seien die Soldaten zu zweit oder zu dritt jeden Tag gekommen, um nach dem Aufenthaltsort des Bruders zu fragen. Sie sei geschlagen worden, als sie ihnen mitgeteilt habe, dass sie den Aufenthaltsort nicht wisse. Nach sieben Monaten habe sich ihr Bruder gemeldet und mitgeteilt, dass er der Partei EPPF beigetreten sei und gegen die Regierung kämpfen würde. Am XXXX (am XXXX nach äthiopischem Kalender) seien die Soldaten neuerlich gekommen und dabei sei sie vor den Augen ihrer Kinder gefesselt, geschlagen und verhört worden. Die Soldaten würden zu diesem Zeitpunkt bereits über den Aufenthaltsort des Bruders und dessen Kampf gegen die Regierung Bescheid gewusst haben. Am nächsten Tag habe sie sich an ihren Onkel, einen jüngeren Bruder ihres Vaters, gewandt und ihm alles erzählt, worauf dieser ihr und ihrem Sohn bereits am nächsten Tag zur Flucht verholfen habe. Innerhalb von drei Tagen seien sie und ihr Sohn mit ihrem Onkel von XXXX über XXXX nach XXXX gelangt. Dort sei man mit einem Sudanesen zusammengetroffen, und sie und ihr Sohn seien am nächsten Tag mit diesem Sudanesen nach XXXX gereist. Der Onkel sei indes in XXXX geblieben. Bereits am darauffolgenden Tag (12.11.2008 bzw. 04.03.2001 nach äthiopischem Kalender) habe sie mit diesem Sudanesen Äthiopien verlassen. Die anderen Kinder habe sie zu Hause bei ihrem Ehemann und ihrer Haushälterin zurückgelassen.
4. Die zuständige Organwalterin des Bundesasylamtes gab sodann mit Schreiben vom 04.05.2009 im Wege der Staatendokumentation eine Recherche bei der XXXX Botschaft in XXXX in Auftrag und ersuchte anhand von zwölf konkreten Frage-stellungen die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu überprüfen.
5. Am 11.05.2009 wurde die Erstbeschwerdeführerin vom Organwalter des Bundesasylamtes zu ihrem Ehemann, ihrem Bruder und Onkel, den Kontakten zu den Soldaten und der Partei XXXX in XXXX sowie ihrer Funktion innerhalb der Partei befragt.
6. In seiner Anfragebeantwortung vom 16.07.2009 hielt der beigezogene Vertrauensanwalt zusammengefasst fest, dass die Erstbeschwerdeführerin in Wahrheit XXXX heiße und gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn XXXX am XXXX ein Visum zum Besuch ihres in XXXX aufhältigen XXXX erhalten habe. Die Botschaft habe ihre nicht erfolgte Rückkehr am XXXX dem Innenministerium gemeldet.
Die Erstbeschwerdeführerin habe in XXXX gelebt und sei mit einer Person verheiratet, die an der XXXX unterrichte. Sie habe als XXXX in der Nähe von XXXX gearbeitet, und das Registrierungsbüro der Verwaltung der XXXX habe bestätigen können, dass die Erstbeschwerdeführerin dort nicht als Bewohnerin registriert gewesen sei. Weiters würde es keine Volksschule mit dem von ihr genannten Namen geben, wo sie angeblich gearbeitet hätte. Sämtliche Familienmitglieder seien außerdem unbekannt. Schließlich könne nicht bestätigt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin Mitglied der XXXX gewesen sei.
Aufgrund der Wahl im Jahr 2005 sei in XXXX weder die Erstbeschwerdeführerin noch eine andere Frau verhaftet worden.
7. Mit Aktenvermerk vom 04.08.2009 hielt das Bundesasylamt fest, dass der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin, XXXX, über den XXXX Austauschdienst ein XXXX an der XXXX zuerkannt bekommen habe. Eine telefonische Anfrage habe ergeben, dass der dahingehende Verlängerungsantrag nicht bewilligt worden und der Ehegatte bis zum XXXX krankenversichert gewesen sei. Es gäbe keinen Fremdenakt hinsichtlich des Ehemannes.
8. Am 04.08.2009 fand eine neuerliche niederschriftliche Befragung der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt statt. Dabei wurde der Erstbeschwerdeführerin die oben angeführte Anfragebeantwortung der XXXX Botschaft in XXXX zur Kenntnis gebracht. Die Erstbeschwerdeführerin führte hierzu aus, dass das alles nichts mit ihr zu tun habe. Derjenige, der die Ermittlungen durchgeführt habe, habe sicher nicht ihren Onkel getroffen. Die befragten Leute würden zudem alles für sich behalten, und ihr Mann sei in Äthiopien aufhältig. Auf die Frage der Organwalterin, ob XXXX ihr Gatte sei, replizierte sie: "Nein, das ist er nicht, mein Mann heißt XXXX."
Schließlich führte sie aus, ihren Mann am XXXX (nach dem äthiopischen Kalender am XXXX) geheiratet zu haben.
9. Mit Schreiben vom 10.08.2009 brachte das Bundesasylamt der Erstbeschwerdeführerin Länderberichte zu Äthiopien zur Kenntnis und räumte ihr eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
9.1. In ihrer Stellungnahme vom 21.08.2009 betonte die Erstbeschwerdeführerin, dass die ihr übermittelten Länderfeststellungen - insbesondere jene über die Politik/Wahlen - ihre Glaubwürdigkeit untermauerten. Zusätzlich legte sie ihrem Schriftsatz einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bei und vermeinte unter Bezugnahme auf diesen, dass sie selbst einer oppositionellen Gruppe angehört habe und deshalb verhaftet worden sei. Sie sei aber auch gefährdet, da ihr Bruder Mitglied der bewaffneten Oppositionsgruppe EPPF wäre.
10. Mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.08.2009, Zl. 08 11.464-BAL, wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz vom 17.11.2008 gemäß § 3 AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen und ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Äthiopien nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien ausgewiesen. Ebenso wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.08.2009, Zl. 08 11.466-BAL, der Antrag des Sohnes der Erstbeschwerdeführerin (Zweitbeschwerdeführer) auf Gewährung von internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Äthiopien nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der Zweitbeschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien ausgewiesen.
10.1. Begründend führte das Bundesasylamt in den Bescheiden zusammengefasst aus, dass dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin kein Glauben geschenkt werden könne, wobei diese Beurteilung vor allem auf die durchgeführte Botschaftsrecherche gestützt wurde. So habe die Erstbeschwerdeführerin Äthiopien bereits im August 2008 verlassen, und sie wäre legal zu ihrem XXXX gereist, jedoch nach Ablauf ihres XXXX nicht mehr in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt. Zudem sei dem Ermittlungsergebnis zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin nie Bewohnerin der Kleinstadt XXXX gewesen sei. Auch habe die von ihr angeführte Existenz der XXXX, in welcher die Erstbeschwerdeführerin unterrichtet haben soll, in XXXX nicht bestätigt werden können. Des Weiteren hätten ihre angebliche Parteimitgliedschaft und ihre angebliche Verhaftung nicht verifiziert werden können. Die von ihr ins Treffen geführten permanenten Schikanen von Seiten des Militärs wären daher als nicht glaubwürdig zu erachten.
11. Gegen die zitierten Bescheide des Bundesasylamtes, welche der Erstbeschwerdeführerin, auch als gesetzliche Vertreterin des Zweitbeschwerdeführers, am 26.08.2009 durch Hinterlegung beim örtlich zuständigen Postamt ordnungsgemäß zugestellt worden waren, erhob die Erstbeschwerdeführerin am 08.09.2009 fristgerecht Beschwerde.
11.1. Im Beschwerdeschriftsatz kündigte die Erstbeschwerdeführerin die Übermittlung einer Beschwerdeergänzung an, zumal es ihr innerhalb der Beschwerdefrist nicht möglich gewesen sei, den Bescheid mit einem Dolmetscher zu besprechen.
Sukzedan brachte die Beschwerde vor, dass die bisher vorgebrachten persönlichen Daten bezüglich ihres Namens und ihres Wohnortes, des Namens ihres Gatten sowie ihrer Arbeit nicht, der Grund der Ausreise sehr wohl aber den Tatsachen entsprochen habe.
Tatsächlich heiße die Erstbeschwerdeführerin XXXX. XXXX habe der Name ihres Großvaters gelautet. Der Name ihres Gatten laute XXXX, und es sei auch richtig, dass sie mit ihrem Gatten zwei Monate in XXXX zusammengelebt habe. Dann habe er aber zurückgewollt, was sie angesichts der Angst vor weiteren Repressalien nicht gewollt habe. Es sei auch richtig, dass sie in XXXX gewohnt und als XXXX in XXXX in der Nähe von XXXX gearbeitet habe. Damals sei auch ihr Mann dort beschäftigt gewesen. Nunmehr sei es aber möglich, dass ihr Mann an der XXXX.
Ihr Bruder heiße XXXX und er habe bei ihr in XXXX gewohnt. Deshalb habe man ihn auch nicht gefunden und zudem sei er ihr Stiefbruder, weshalb er einen anderen Namen trage. Sie habe keinen Onkel in XXXX.
Zum Zeitpunkt, als sie Äthiopien verlassen habe, habe sich ihr Mann schon in XXXX befunden. Mittlerweile sei ihr Mann jedoch nach Äthiopien zurückgekehrt. Es sei richtig, dass sich noch weitere XXXX Kinder in ihrer Heimat befinden würden. Sie habe die XXXX Kinder zu einer alten Frau gebracht, zu der sie nunmehr keinen Kontakt mehr habe und sie sohin nicht wisse, ob die Kinder noch dort seien. Die Frau würde XXXX heißen, in XXXX leben und unter der Telefonnummer XX erreichbar sein.
Weiters monierte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie niemals ein rechtsberatendes Gespräch unter Beiziehung eines Dolmetschers gehabt habe. Hinsichtlich der Fluchtgründe verwies die Erstbeschwerdeführerin auf die bereits vorgebrachte politische Verfolgung, stellte aber richtig, dass nicht am XXXX, sondern am XXXX die Soldaten zu ihr gekommen seien. Außerdem habe sie sich nicht an ihren Onkel gewandt, sondern habe die Ausreise selbst vorbereitet. Des Weiteren seien die Soldaten nicht immer am Wochenende gekommen, sondern die Kinder hätten berichtet, dass die Soldaten da gewesen seien. Als sie von den Soldaten angetroffen worden sei, sei sie misshandelt worden. Sie werde jedenfalls aufgrund ihrer politischen Aktivitäten und der ihr unterstellten regierungsfeindlichen Gesinnung sowie aufgrund der Angehörigeneigenschaft ihres Bruders zur Partei EPPF verfolgt.
Geheiratet habe sie nach dem äthiopischen Kalender - nicht wie angegeben am XXXX - sondern erst am XXXX.
Dass sich ihr Bruder nicht unter den Verhafteten infolge der Unruhen bei der Wahl 2005 befunden habe, entspreche der Wahrheit, da er tatsächlich nie im Gefängnis gewesen sei.
Einen Personalausweis könne sie nicht nachreichen, weil sie in Äthiopien niemanden habe, der ihn ihr schicken könne, und ihren Mann wolle sie nicht kontaktieren, weil dieser ihre Rückkehr verlange.
12. Mit Abschlussbericht vom 27.09.2009 wurde die Erstbeschwerdeführerin von der Polizeiinspektion Lembach wegen Verdachts des Vergehens nach § 119 Abs. 2 FPG (Erschleichung eines Aufenthaltstitels im Asylverfahren) an die Staatsanwaltschaft Linz angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Linz trat diesbezüglich am 27.10.2010 unter Zahl 449 59 BAZ 512/09v-6 endgültig von der Strafverfolgung zurück.
13. In weiterer Folge legte die Erstbeschwerdeführerin diverse Arztbriefe vor, laut welchen sie wegen Schmerzen in der Schulter und einer depressiven Anpassungsstörung in Behandlung gewesen wäre.
In ihrer Beschwerdeergänzung vom 27.11.2009 gab die Erstbeschwerdeführerin korrigierend an, dass sich in Äthiopien tatsächlich XXXX ihrer Kinder befänden, sie jedoch nichts über deren nunmehrigen Aufenthalt wüsste. Sie hätte aus Angst, dass bei ihrem Mann nachgefragt würde und dieser falsche Informationen preisgeben würde, unrichtige Angaben zu ihrer Identität gemacht. Ihr Mann sei sehr böse auf sie und teilte dieser ihre politischen Ansichten überhaupt nicht. Dem Schriftsatz wurden weitere Arztbefunde beigelegt.
14. Mit Schreiben vom 14.07.2011 legte die Erstbeschwerdeführerin weitere ärztliche Bestätigungen vor, wonach sie zum einen in stationärer Behandlung gewesen wäre und zum anderen bei ihr eine Notstandsamenorrhoe diagnostiziert worden sei.
15. Mittels Schriftsatzes vom 11.10.2011 übermittelte die Erstbeschwerdeführerin ein Konvolut an Ambulanzberichten sowie eine Deutschkursbesuchsbestätigung und stellte einen Antrag auf Beigabe eines Rechtsberaters.
16. Mit Verfahrensanordnung vom 14.10.2011, Zl. A3 408.763-1/2009/10Z, stellte der Asylgerichtshof der Erstbeschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren antragsgemäß die Arge-Rechtsberatung, 1170 Wien, als Rechtsberaterin zur Seite.
17. In einer weiteren Beschwerdeergänzung vom 14.05.2012 führte die Erstbeschwerdeführerin mittels ihres nunmehrigen Rechtsvertreters aus, sie hätte aktuell in Erfahrung gebracht, dass ihr Gatte ein XXXX geworden sei und als solcher viele Privilegien in Äthiopien genießen würde. Nach wie vor bedränge er sie, ins Land zurückzukehren. Die Verfolgungsgefahr für sie in Äthiopien sei jedoch nach wie vor aktuell. Außerdem hätte sie sich in XXXX dem Verein "XXXX" angeschlossen, welcher immer wieder Demonstrationen gegen die Zustände in Äthiopien veranstalte, an welchen sie wiederholt teilgenommen habe. Unter Verweis auf einen beigelegten Bericht des XXXX hielt sie in diesem Zusammenhang fest, dass diese Demonstrationen von XXXX beobachtet sowie gefilmt würden. Zum Beweis ihrer Demonstrationsteilnahme beantrage sie, das Vorstandsmitglied des Vereins als Zeugen zu befragen. Schließlich würde eine Ausweisung aus XXXX ihren Sohn, den Zweitbeschwerdeführer, in seiner Persönlichkeitsentwicklung stören und sollte daher unterlassen werden. Dem Schriftsatz legte die Erstbeschwerdeführerin Auszüge aus dem "Ecoi-Net" sowie eine Vereinsbestätigung bei.
18. Mit Schriftsatz vom 27.09.2012 stellte die Erstbeschwerdeführerin im Wege ihres Rechtsvertreters einen Fristsetzungsantrag und legte unter einem eine weitere Deutschkursbesuchsbestätigung sowie eine Schulbesuchsbestätigung ihres Sohnes vor.
19. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.04.2013, Zl. A6 408.763-1/2009/17E, wurde in Erledigung der Beschwerde vom 08.09.2009 der XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, Staatsangehörige von Äthiopien, der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Ebenso wurde mit Erkenntnis vom selben Tag, Zl. A6 408.765-1/2009/10E, der Bescheid betreffend den Zweitbeschwerdeführer behoben und zurückverwiesen.
19.1. Der Asylgerichtshof führte in seinen Erwägungen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren so mangelhaft gewesen sei, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine.
Dem bekämpften Bescheid hafte deshalb ein wesentlicher Begründungsmangel an, da das Bundesasylamt seine (negative) Entscheidung ausschließlich auf das Ermittlungsergebnis der Botschaftsanfrage gestützt habe. In diesem Bezug habe die belangte Behörde entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in ihrer Beweiswürdigung überhaupt nicht mitberücksichtigt, dass sich die Qualifikation und die Vorgangsweise eines Vertrauens-anwaltes weitgehend einer Kontrolle entziehe und dieser auch nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Es erscheine daher problematisch, wenn das Bundesasylamt die Unglaubwürdigkeit der behaupteten fluchtursächlichen Gründe alleine auf die durchgeführte Recherche stütze, sich aber sonst überhaupt nicht mit dem erstatteten Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin auseinandersetze. Dementsprechend habe es das Bundesasylamt verabsäumt, Feststellungen zu der von der Erstbeschwerdeführerin genannten Oppositionspartei "XXXX", deren Mitglied sie gewesen sein will, zu treffen und diese in weiterer Folge in Relation zu ihrem Vorbringen zu setzen. Somit bleibe offen, ob diese Partei tatsächlich existiere bzw. ob diese in ihrem Heimatdorf tätig sei und ob von dieser nach den Wahlen im Jahr 2005 Demonstrationen organisiert worden sei. Letzteres könne vor dem Hintergrund, dass es gemäß den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen nach den angesprochenen Wahlen tatsächlich zu brutalen Repressionen gekommen sein soll, nicht von vornherein als gänzlich abwegig erachtet werden. In diesem Kontext wäre die belangte Behörde außerdem gehalten gewesen, die Erstbeschwerdeführerin ausführlich zu jener Partei und ihrer dortigen Tätigkeit zu befragen.
Die Erstbeschwerdeführerin habe weiters behauptet, aufgrund ihrer Teilnahme an jener Demonstration nach den Wahlen im Jahr 2005 verhaftet worden und mehrere Tage inhaftiert gewesen zu sein. Auch diesbezüglich lasse das erstinstanzliche Verfahren eine (unabhängig von dem Rechercheergebnis) sorgfältige Befragung der Erstbeschwerdeführerin sowie Auseinandersetzung mit ihren Angaben - etwa zu ihrem Gefängnisaufenthalt - vermissen.
Ebenso würden im bekämpften Bescheid Feststellungen zu der Oppositionspartei EPPF fehlen, deren Mitglied gemäß den Angaben der Erstbeschwerdeführerin ihr Bruder sein soll. In diesem Kontext habe es die belangte Behörde auch verabsäumt, ihre Ausführungen, wonach sie aufgrund jener Mitgliedschaft des Bruders von Sicherheitsbeamten bedrängt worden sein will, näher zu hinterfragen und auf ihre Asylrelevanz zu überprüfen.
Im fortgesetzten Verfahren werde sich das Bundesasylamt nicht nur mit den aufgezeigten Mängeln zu befassen haben, sondern auch mit dem von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemachten Nachfluchtgrund. So habe die Erstbeschwerdeführerin zuletzt geltend gemacht, sie habe in XXXX an - von einem Verein organisierten - Demonstrationen gegen die Zustände in Äthiopien teilgenommen, wobei sie in diesem Zusammenhang auf Beobachter aus Äthiopien verwiesen habe.
Des Weiteren werde die belangte Behörde auch ihre Ausführungen zu ihrem Gesundheitszustand sowie jene zu ihrem Ehegatten in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen haben.
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