Globale Entwicklungszusammenarbeit nach der Monterrey-Konferenz



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Globale Entwicklungszusammenarbeit nach der Monterrey-Konferenz

Ergebnisse und Perspektiven des Financing-for-Development Prozesses


von Jens Martens, WEED1

Die Konferenz der Vereinten Nationen über Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development – FfD), die vom 18.-22. März 2002 im mexikanischen Monterrey stattfand, hat die Debatte über die Zukunft der Nord-Süd-Kooperation wiederbelebt. Trotz des öffentlich proklamierten Konsens von Monterrey verläuft diese Debatte kontrovers. Umstritten sind sowohl die Formen als auch die Inhalte der Kooperation. Dies gilt auch für die Bewertung der Monterrey-Konferenz selbst. Die einen sehen in ihr ein weiteres Beispiel erfolgloser UN-Diplomatie und symbolischer Weltpolitik ohne Wirkung. Andere betonen ihren innovativen “multi-stakeholder”-Ansatz, der erstmals die UNO, den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO) sowie Wirtschaftsvertreter und NGOs zusammenbrachte, um gemeinsam Lösungen für die Probleme der Entwicklungsfinanzierung zu finden. Für sie ist die FfD-Konferenz das Paradebeispiel eines Globalen Politiknetzwerks (Global Public Policy Network), das den Kern künftiger Global Governance Strukturen bilden kann.


Gleichermaßen kontrovers werden die Ergebnisse der FfD-Konferenz beurteilt. Für die einen manifestiert sich im Monterrey Konsens nichts anderes als der neoliberale “Washington Konsens unter’m Sombrero” (John Foster, North-South Institute). Andere sehen in ihm eine “umfassende politische Agenda zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung” (Heidemarie Wieczorek-Zeul, BMZ).
EU und USA haben sich im Vorbereitungsprozess der Konferenz vehement dagegen gesträubt, aus Monterrey einen Globalisierungs-Gipfel zu machen. Das Leitmotiv des ersten Entwurfs des Abschlussdokuments lautete noch: “Auf dem Weg zu einer alle einschließenden und gerechten Globalisierung” (“Towards a fully inclusive and equitable globalization”2. Es wurde auf Druck von USA und EU aus dem Monterrey Konsens gestrichen. Dennoch zog sich die Auseinandersetzung über die negativen Folgen der Globalisierung und mögliche Alternativen zu den vorherrschenden neoliberalen Ansätzen wie ein roter Faden durch den gesamten FfD-Prozess. Entscheidend für die endgültige Beurteilung der FfD-Konferenz wird daher auch sein, ob die Impulse und Arbeitsaufträge, die in dieser Hinsicht von Monterrey ausgingen, genutzt werden, um jenseits der Partnerschaftsrhetorik zu gerechteren Governance-Strukturen und einem fairen Interessenausgleich zwischen Nord und Süd zu kommen.


1. Der FfD-Prozess: Exempel eines neuen Multilateralismus ?

Für viele Teilnehmer der Monterrey-Konferenz, so etwa die holländische Entwicklungsministerin Eveline Herfkens, war der FfD-Prozess “einzigartig”, weil nicht nur Regierungen und NGOs sondern auch die Internationalen Finanz- und Handelsinstitutionen sowie private Unternehmen umfassend in die Vorbereitungen einbezogen wurden. Auf der Agenda der Konferenz standen neben der traditionellen Entwicklungshilfe auch die Themen Handel und Investitionen, der Aufbau heimischer Finanzmärkte, die Auslandsverschuldung sowie Reformen im internationalen Finanzsystem, allesamt Themen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten von IWF, Weltbank und WTO sowie ihren nationalen Pendants, den Finanz- und Wirtschaftsministerien, dominiert wurden. Nur folgerichtig, dass die Vereinten Nationen von Anfang an versuchten, diese Akteure in den Prozess zu integrieren. Sie versprachen sich davon eine politische Aufwertung der Konferenz und eine höhere Legitimation ihrer Ergebnisse. Während die Weltbank frühzeitig ihr Interesse an einer Beteiligung signalisiert hatte, blieb das Engagement von IWF und WTO zurückhaltend. Der IWF warnte in den Vorbereitungstagungen immer wieder vor Eingriffen in seinen Kompetenzbereich und verhinderte im Monterrey Konsens erfolgreich jeden konkreten Vorschlag für seine Reform.


Ein weiteres Novum stellte im FfD-Prozess die weitgehende Beteiligung der Privatwirtschaft dar. Erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen erhielten nicht nur Wirtschaftsverbände sondern auch einzelne Unternehmen die gleichen Akkreditierungsrechte wie NGOs. Neben zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Third World Network oder terre des hommes konnten damit auch Konzerne wie Cisco Systems oder die Deutsche Bank an den Verhandlungen teilnehmen. Mit dieser Entscheidung wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der die bisherigen Beteiligungsregeln für nichtstaatliche Organisationen, wie sie zuletzt 1996 in einer Resolution des ECOSOC3 definiert wurden, faktisch unterläuft. Welche völkerrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, ist noch nicht absehbar. Die Regierungen vollzogen damit jedenfalls einen weiteren Schritt der Integration privater Wirtschaftsinteressen in die Arbeit der Vereinten Nationen.

Box: Big Business auf der FfD-Konferenz
Folgende Unternehmen und Wirtschaftsverbände waren bei den offiziellen Roundtables der Monterrey-Konferenz vertreten:
AB Volvo, Sweden

African Business Round Table

Allied Zurich, United Kingdom

AMBAC Financial Group Inc., United States

Barra Mexicana Colegio de Abogados ,Von Wobeser y Sierra, SC, Mexico

BRED Banque Populaire, France

Business Coordinator Council

Business Council for Sustainable Development - Mexico, Mexico

Business Council for the United Nations, United States

Business Council on Sustainable Development - Argentina, Argentina

Calvert Funds, United States

Capital Markets Credit Society, United States

CEMEX, Mexico

China Online, China

Cisco Systems, United States

Cisneros Group of Companies, Venezuela

COPARMEX, Mexico

Daimler Chrysler Mexico, Mexico

Deutsche Bank Research, Germany

Dogan Sirketler Grubu A.S., Turkey

EFG Private Bank S.A., Switzerland

Electolux, Sweden

ESKOM, South Africa

Eurorient, United States

Evian Group, Switzerland

Federation of Israeli Chambers of Commerce and Industry, Israel

Financial Services Volunteer Corps (FSVC), United States

FireXchange, United States

Frank Russell Company, United States

GF Securities, China

Grameen Phone, Bangladesh

Grupo Empresarial Olmeca, Mexico

Grupo Emyco Mexico

GRUPO ICA, Mexico

Grupo IMSA, Mexico

GTFI Fund Management, Poland

Infrastructure Leasing and Financial Services, India

Institute of Liberty and Democracy, Peru

International Chamber of Commerce (ICC), France

KfW, Germany

Miranda Guimaraes Associados Advocados S/C, Brazil

Money Matters Institute

Moody's Investors Service, United States

ONDEO Suez, France

Potomac Associate, United States

Samuels Associates, United States

Securitas, Sweden

Securities Industries Association (SIA), United States

Societe du Louvre, France

Soros Fund Management, United States

Spring Investment Corporation, United States

Standard and Poor's, United States

State Street Global Investor Services Group, United States

Suez, France

Total Fina Elf, France

Uganda Small Business Enterprise, Uganda

Ultraquimia Group, Mexico

United Bank of the Philippines, Philippines

Upstart Business Strategies, South Africa

Violy, Byorum & Partners Holdings, United States

Vistech Corporation, United States

World Economic Forum, Switzerland

Zurich Group, Switzerland

Damit setzt sich in den Vereinten Nationen zunehmend ein Konzept von Global Governance durch, das angesichts der globalen Probleme die Regierungen an den Grenzen ihres Handlungsspielraumes sieht und für neue Formen multilateraler Kooperation staatlicher und privater Akteure eintritt.4 Wolfgang H. Reinicke, Direktor des UN Vision Project on Global Public Policy Networks, und seine Kollegen stellten dazu fest:


Regierungen und internationale Organisationen allein sind nicht länger in der Lage, sich immer komplexeren weltpolitischen Themen zu widmen. Der Unternehmenssektor und die Zivilgesellschaft sind wichtige Akteure in fast allen weltpolitischen Bereichen. Ihre aktives Engagement ist ein entscheidender wenn nicht zwingender Bestandteil, um politische Ergebnisse zu liefern, die aktuell, wirkungsvoll und legitim sind.”5
Der Bericht dieses Projektes sieht in Globalen Politiknetzwerken staatlicher und privater Akteure die Zukunft internationaler Zusammenarbeit jenseits des traditionellen Multilateralismus der Nationalstaaten.6 Kofi Annans Initiative für einen Global Compact zwischen UNO und Wirtschaft (www.unglobalcompact.org) und die von der Bundesregierung in den Jahren 2000 und 2001 lancierten Resolutionen der Generalversammlung mit dem Titel “Auf dem Weg zu globalen Partnerschaften” basieren auf eben diesem Ansatz.7
Der Monterrey-Prozess zeigt aber auch deutlich die Grenzen Globaler Politiknetzwerke. In vielen Bereichen ließen die Interessengegensätze von NGOs und Wirtschaftsvertretern keinen Konsens zu, ihre Beiträge neutralisierten sich praktisch gegenseitig (Beispiel: Devisenumsatzsteuer). Zudem standen viele der in der Gruppe der 77 (G-77) zusammengeschlossenen Entwicklungsländer der weiteren Öffnung der UNO gegenüber NGOs und Privatwirtschaft skeptisch gegenüber, weil sie den Verlust zwischenstaatlicher Souveränität fürchteten. Die USA demonstrierte im gesamten Vorbereitungsprozess und verstärkt nach dem 11. September ihr Desinteresse an jeglichen multilateralen Übereinkommen unter dem Dach der UNO. Für sie hätte es ausgereicht, wenn als Ergebnis der Monterrey-Konferenz eine Deklaration von einer Seite verabschiedet worden wäre, die die drei nach US-Ansicht wichtigsten “Verpflichtungen und Ideale” festgeschrieben hätte: Frieden, Freiheit und Kapitalismus.8 Viele sahen angesichts der amerikanischen Dominanz und der vom US-Präsidenten in Monterrey zur Schau gestellten “Arroganz der Macht” in der FfD-Konferenz daher weniger das Exempel eines neuen Multilateralismus sondern vielmehr den Ausdruck seiner akuten Krise. Der Suchprozess über neue Formen internationaler Kooperation wird sich daher auch nach Monterrey fortsetzen.


2. Das Leitmotiv: Washington Konsens unter’m Sombrero

Die Entscheidung über die Durchführung einer eigenständigen UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung war Ende 1997 unter dem Eindruck der asiatischen Finanzkrise gefallen. Damals wurden die Defizite eines Entwicklungsmodells überdeutlich, das primär auf Marktöffnung, Liberalisierung und Deregulierung ausgerichtet war. Im Vorbereitungsprozess zur Monterrey-Konferenz sollte auch dies thematisiert werden.


Es ging bei der Konferenz also um weit mehr als ”nur” um Geld. Letztendlich sollte die Frage beantwortet werden, wie angesichts des Scheitern der staats- und marktfixierten Entwicklungsentwürfe der letzten Jahrzehnte das aussieht, was etwas hochtrabend als ”neues Entwicklungsparadigma” eingefordert wurde. Zur Disposition stand damit vor allem das neoliberale Entwicklungskonzept, das seinen Niederschlag in konzentrierter Form im sogenannten Washington Konsens gefunden hatte (siehe Box). Es kam nicht von ungefähr, dass das Ergebnis der FfD-Konferenz den Titel Monterrey Konsens erhielt. Damit sollte endgültig die Abkehr vom Washington Konsens demonstriert und eine Alternative präsentiert werden. Aber Totgesagte leben länger. Durch den Monterrey Konsens ziehen sich wie ein roter Faden einige der Leitmotive seines Washingtoner Vorgängers: Den privaten Kapitalflüssen wird eine zentrale Rolle in der Entwicklungsfinanzierung beigemessen. Die Rahmenbedingungen zur Förderung und zum Schutz ausländischer Direktinvestitionen sollen daher verbessert werden. Handel wird als “Motor der Entwicklung” angesehen, die Handelsliberalisierung sei ein wichtiges Element in der Nachhaltigkeitsstrategie (sic!) eines Landes.
Diese Grundorientierung wird an anderen Stellen des Abschlussdokuments eher halbherzig relativiert. So heißt es z.B., die Liberalisierung der Kapitalflüsse sollte “in einem geordneten und schrittweise abgestimmten (well sequenced) Prozess im Einklang mit den Entwicklungszielen”9 erfolgen. An anderer Stelle betonen die Regierungen: “Wir erkennen an, dass die angemessene Rolle des Staates in marktorientierten Wirtschaften von Land zu Land variieren wird.”10
Die blinde Marktgläubigkeit früherer Jahre ist zweifellos passé, der Monterrey Konsens präsentiert als Alternative ein entschiedenes “Sowohl als auch”. Dies wird auch in seiner diplomatisch ausgewogenen Beurteilung der Globalisierung deutlich:
Die Globalisierung bietet Chancen und Herausforderungen. Die Entwicklungsländer und die Länder mit Ökonomien im Übergang stehen besonderen Schwierigkeiten gegenüber, um auf diese Herausforderungen und Chancen zu antworten. Die Globalisierung sollte alle einschließen und gerecht sein, und es besteht ein starker Bedarf nach Politiken und Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene, formuliert unter voller und effektiver Beteiligung der Entwicklungsländer und der Länder mit Ökonomien im Übergang, um ihnen zu helfen, auf diese Herausforderungen und Chancen wirksam zu reagieren.”11
Viele NGOs und Wissenschaftler fordern als Antwort auf die ökonomische Globalisierung der vergangenen Jahre eine “Wiedereinbettung” der Wirtschaft in die Politik. Monterrey ist diesem Ziel zwar einen Schritt näher gekommen, aber wir müssen uns offensichtlich auf einen langen Abschied vom Washington Konsens einstellen.

Box: Der Washington Konsens
Im Jahr 1989 stellte der US-Ökonom John Williamson12 eine Liste von Maßnahmen auf, die seiner Ansicht nach erforderlich seien, um ein in Zahlungsschwierigkeiten geratenes Entwicklungsland aus der Krise zu führen. Die Liste wurde unter dem Namen “Washingtoner Konsens” Grundlage der Strukturanpassungspolitik von IWF und Weltbank. Der Konsens umfasst in seiner ursprünglichen Fassung folgende 10 Elemente:


  1. Hauhaltsdisziplin (d.h. in der Regel Senkung der Staatsausgaben)

  2. Priorität bei den öffentlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung

  3. Steuerreform, einschl. Senkung der Grenzsteuersätze, Erweiterung der
    Steuerbemessungsgrundlage, Verbesserung der Verwaltung und Besteuerung
    der Kapitalflucht

  4. Deregulierung des Finanzsystems

  5. Einheitlicher wettbewerbsfähiger Wechselkurs

  6. Einseitige Handelsliberalisierung

  7. Ersetzen quantitativer Handelsbeschränkungen durch (progressiv sinkende) Zölle

  8. Liberalisierung der Regelungen für ausländische Direktinvestitionen

  9. Privatisierung und Deregulierung

  10. Eigentumsrechte

3. Das offizielle Ergebnis: Der (Minimal-) Konsens von Monterrey

Das offizielle Ergebnis der FfD-Konferenz spielte in Monterrey selbst kaum eine Rolle. Es war - fast ein Novum in der Geschichte von Weltkonferenzen – bereits bei der letzten Vorbereitungstagung im Januar 2002 fertiggestellt worden. Dies war nicht zuletzt auf enormen Druck der USA geschehen, die eine Teilnahme ihres Präsidenten an der Konferenz davon abhängig gemacht hatten, dass Monterrey nicht von ungelösten Konflikten um das Schlussdokument überschattet würde.


Herausgekommen ist nach den fast zweijährigen Verhandlungen ein Kompromisspapier von 16 Seiten und 73 Punkten, das den Minimalkonsens der Regierungen reflektiert, der in der globalen Entwicklungspolitik derzeit offensichtlich möglich ist13. Dieser Monterrey Konsens befasst sich in seinem Hauptteil mit den sechs großen Themenfeldern, die im Mittelpunkt der FfD-Verhandlungen standen:


  1. Mobilisierung heimischer Ressourcen

  1. Auslandsinvestitionen und andere private Kapitalflüsse

  1. Handel

  2. Internationale finanzielle und technische Zusammenarbeit

  3. Auslandsverschuldung

  4. Systemische Fragen: Verbesserung der Kohärenz und Konsistenz der internationalen Geld-, Finanz- und Handelssysteme

Weitgehend einig waren sich die Regierungen darüber, dass die heimischen Ressourcen und Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess spielen. Das Abschlussdokument der Monterrey-Konferenz betont daher die Bedeutung einer guten Regierungsführung (“good governance”), von Demokratie und Menschenrechten, eines effizienten Steuersystems und eines funktionsfähigen heimischen Finanzsektors. Der Forderung der USA nach Verankerung ihrer drei Grundprinzipien “Frieden, Freiheit und Kapitalismus” im Abschlusstext wurde weitgehend Rechnung getragen. Lediglich der Begriff “Kapitalismus” wurde durch “marktorientierte Politiken” ersetzt.


Auch über die verstärkte Förderung ausländischer Direktinvestitionen bestand zwischen Industrie- und Entwicklungsländern Einvernehmen. Forderungen aus der Wirtschaft, vor allem das Investitionsklima in den Entwicklungsländern zu verbessern, damit Unternehmen “effizient und profitabel” operieren können, finden sich im Text wieder. Auf die von der EU propagierten Verhandlungen innerhalb der WTO über ein Multilaterales Investitionsabkommen (“multilateral framework on FDI”) geht der Text nicht mehr ein. Gestrichen wurden auf Druck der G-77 aus vorherigen Entwürfen auch Hinweise auf die OECD-Guidelines für Multinationale Unternehmen und den Global Compact. Die Unternehmen werden lediglich aufgefordert, neben wirtschaftlichen und finanziellen auch ökologische, soziale, geschlechtsspezifische und entwicklungsbezogene Folgen ihrer Aktivitäten “zu berücksichtigen”. Die von NGOs geforderte weitergehende Verankerung von Pflichten und Standards für ausländische Investoren wurde von nahezu allen Regierungen abgelehnt.
Die Passagen zum Thema Handel beschränken sich im Kern darauf, die Positionen und Ergebnisse der vierten WTO-Minsterkonferenz von Doha zu bestätigen. Besonders hingewiesen wird auf die Notwendigkeit der besonderen und differenzierten Behandlung (spezial and differential treatment) der Entwicklungsländer. Die entsprechenden Regelungen in Handelsabkommen sollten “präziser, wirksamer und operationaler” gemacht werden. Um sinkende Exporteinnahmen zu kompensieren, sieht der Monterrey Konsens multilaterale Hilfe als notwendig an. Verwiesen wird dabei vor allem auf die Compensatory Financing Facility des IWF.
Der Monterrey Konsens macht unmissverständlich deutlich, dass ein substanzieller Anstieg der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) notwendig ist, um die international vereinbarten Entwicklungsziele zu erreichen. Zahlreiche Vorschläge aus dem Vorbereitungsprozess vielen jedoch dem selbstauferlegten Konsenszwang und dem Druck der USA zum Opfer. Dies betraf auch die Initiative zur umgehenden Verdoppelung der ODA um 50 Mrd. US-Dollar. Statt sich, wie ursprünglich diskutiert, auf einen verbindlichen Stufenplan zur Erhöhung der ODA zu einigen, enthält das Konsenspapier lediglich den Hinweis, einen “Zeitrahmen zu prüfen”. Ersatzlos gestrichen wurden alle Passagen über die Finanzierung Globaler Öffentlicher Güter – trotz aktiver Unterstützung dieses Themas u.a. durch die französische und schwedische Regierung. Neue Finanzierungsinstrumente, allen voran die Devisenumsatzsteuer (“Tobin-Steuer”), wurden in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Widerstand der USA erst gar nicht in den Verhandlungstext aufgenommen. Mann einigte sich lediglich darauf, die beim UN-Generalsekretär in Auftrag gegebene Studie über neue Finanzierungsinstrumente in den “angemessenen Foren” zu studieren.
Auch im Bereich der Auslandsverschuldung bringt der Monterrey Konsens kaum Neues. Er fordert, die erweiterte HIPC-Initiative unverzüglich umzusetzen und bei der Beurteilung der Schuldentragfähigkeit auch verschlechterte Wachstumsaussichten und Terms of Trade zu beachten. Erst bei zukünftigen Untersuchungen der Schuldentragfähigkeit sollten zudem die Auswirkung von Schuldenerlassen auf die Verwirklichung der Millenniumsziele (Armutsreduzierung etc.) berücksichtigt werden. Bemerkenswerte Fortschritte hatte es im Vorbereitungsprozess zur Monterrey-Konferenz bei der Diskussion über die Einführung eines fairen und transparenten Schiedsverfahrens bei der Entschuldung – analog zum nationalen Insolvenzrecht – gegeben. Letztendlich ist davon im Abschlussdokument lediglich die Empfehlung übrig geblieben, in den zuständigen Foren einen internationalen “debt workout mechanism” zu prüfen.
Die sogenannten “systemischen Fragen” auf der Agenda der FfD-Konferenz blieben bis zum Schluss der Verhandlungen am heftigsten umstritten. USA und EU widersetzten sich bis zuletzt Forderungen nach konkreten institutionellen Reformen im internationalen Finanzsystem. Übrig geblieben sind Appelle, die Entwicklungsländer stärker in die Entscheidungsprozesse der Internationalen Finanzinstitutionen einzubeziehen und die Vereinten Nationen, insbesondere die Generalversammlung und den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), zu stärken. Im Folgeprozess von Monterrey sollen vor allem die gemeinsamen Frühjahrstreffen von ECOSOC und Bretton-Woods-Institutionen sowie der alle zwei Jahre stattfindende Hochrangigen Entwicklungsdialog der Generalversammlung eine zentrale Rolle spielen. Der Generalversammlung wird dabei ausdrücklich die Kompetenz zugewiesen, sich auch mit der entwicklungspolitischen Kohärenz und Konsistenz des internationalen Währungs-, Finanz- und Handelssystems zu befassen. Dies wird vor allem von Vertretern der G-77 als substantielle Aufwertung der Vereinten Nationen gegenüber IWF, Weltbank und WTO interpretiert.
Als ihren Erfolg wertete die G-77 auch die Entscheidung, eine FfD-Folgekonferenz zu veranstalten. Über die Modalitäten der Konferenz soll spätestens im Jahr 2005 entschieden werden. Es ist zunächst kaum nachzuvollziehen, was die Entwicklungsländer sich angesichts der Widerstände und Blockaden im bisherigen FfD-Prozess von einer weiteren Konferenz versprechen. Ihr Hauptmotiv ist offensichtlich die Hoffnung, auf diese Weise die harten wirtschafts- und finanzpolitischen Themen dauerhaft auf der Agenda der Vereinten Nationen zu verankern.


4. Die Zugaben: Mehr Geld von EU und USA

Nachdem im Abschlussdokument der FfD-Konferenz vorab keine konkreten Verpflichtungen zur Erhöhung der öffentlichen Entwicklungsmittel vereinbart worden waren, erwarteten Viele von der EU und den USA, dass sie mit unilateralen Finanzzusagen über den Minimalkonsens von Monterrey hinausgingen. Tatsächlich kamen George W. Bush und seine europäischen Kollegen nicht mit leeren Händen nach Mexiko. Es war wohl eine Mischung aus öffentlichem Druck, politischem Kalkül und der Einsicht in die realen Notwendigkeiten, die dazu geführt hatte, dass EU und USA im gegenseitigen “Schönheitswettbewerb” um die entwicklungspolitische Vorreiterrolle unmittelbar zur Konferenz die Erhöhung ihrer Entwicklungshilfeleistungen ankündigten.


Die Staats- und Regierungschefs der EU entschieden auf ihrem Gipfeltreffen in Barcelona am 16. März, ihre Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2006 im EU-Durchschnitt auf 0,39% des BSP zu steigern. Für Deutschland bedeutete dies eine Erhöhung von 0,27% (2001) auf 0,33%. Insgesamt sollte auf diese Weise die Entwicklungshilfe der EU von derzeit 25 auf dann 32 Mrd. US-Dollar steigen. Diese Entscheidung war bis zuletzt vom Bundesfinanzministerium (BMF) blockiert worden und erst im letzten Moment durch das Einlenken des Bundeskanzlers selbst zustande gekommen. Aus dem BMF wurde postwendend signalisiert, dass diese Entscheidung keineswegs rechtsverbindlich sei und unter dem üblichen Haushaltsvorbehalt stünde. Dennoch markiert der Beschluss der EU eine politische Trendwende.
US-Präsident Bush gab zur gleichen Zeit bekannt, er werde die amerikanischen Entwicklungsausgaben bis zum Jahr 2006 stufenweise von 10 auf 15 Mrd. US-Dollar erhöhen (2004: +1,66 Mrd., 2005: +3,33 Mrd., 2006: +5 Mrd.). Die Vergabe der Mittel sollte allerdings an strikte, von der US-Administration einseitig festzulegende Konditionen geknüpft werden. Angesichts dessen liegt die Vermutung nahe, dass das Geld eher als Wohlverhaltensprämie für die treusten Alliierten der USA im Kampf gegen den Terror verwendet wird. Dass Bush fast im selben Atemzug ankündigte, den amerikanischen Militäretat im kommenden Jahr um 48 Mrd. US-Dollar zu erhöhen, macht die tatsächliche Prioritätensetzung in der herrschenden US-Politik deutlich.
Eben diese 48 Mrd. US-Dollar wären nach Weltbankangaben pro Jahr in etwa zusätzlich nötig, um die auf dem Millenniumsgipfel vereinbarten internationalen Entwicklungsziele zu erreichen.14 Oxfam International hat nachgerechnet und kommt auf Grundlage von Zahlen der Weltbank sowie der Commission on Macroeconomics and Health zu dem Schluss, dass die Zusatzkosten weltweit sogar bei rund 100 Mrd. US-Dollar jährlich liegen (s. Tabelle).
Die von EU und USA in Monterrey angekündigten zusätzlichen Mittel machen zusammen aber gerade 12 Mrd. US-Dollar aus – und in dieser Höhe erst ab dem Jahr 2006. Vorausgesetzt sie würden vollständig für Zwecke der Armutsbekämpfung verwendet, wäre dennoch nur ein Bruchteil des Finanzbedarfs gedeckt. Im Klartext: Mit den verfügbaren Mitteln kann weder der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, bis zum Jahr 2015 halbiert werden, noch sind bis dahin die anderen internationalen Entwicklungsziele zu erreichen. Wird nicht umgehend nachgebessert, bedeuten die unzureichenden Finanzzusagen von Monterrey faktisch den Abschied von den Millenniumszielen.


Tabelle: Die zusätzlichen Kosten zur Verwirklichung der Millenniumsziele
(pro Jahr, in Mrd. US-Dollar)



Halbierung der extremen Einkommensarmut

46



15Quelle: Oxfam International






Box: Die Millenniumsziele der Vereinten Nationen
“Wir treffen ferner den Beschluss,

  1. bis zum Jahr 2015 den Anteil der Weltbevölkerung, dessen Einkommen weniger als 1 Dollar pro Tag beträgt, und den Anteil der Menschen, die Hunger leiden, zu halbieren, sowie bis zu demselben Jahr den Anteil der Menschen, die hygienisches Trinkwasser nicht erreichen oder es sich nicht leisten können, zu halbieren;

  2. bis zum gleichen Jahr sicherzustellen, dass Kinder in der ganzen Welt, Jungen wie Mädchen, eine Primarschulbildung vollständig abschließen können und dass Mädchen wie Jungen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungsebenen haben;

  3. bis zum gleichen Jahr die Müttersterblichkeit um drei Viertel und die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren um zwei Drittel der derzeitigen Rate gesenkt zu haben;

  4. bis dahin die Ausbreitung von HIV/Aids, die Geißel der Malaria und andere schwere Krankheiten, von denen die Menschheit heimgesucht wird, zum Stillstand gebracht und allmählich zum Rückzug gezwungen zu haben;

  5. Kindern, die durch HIV/Aids zu Waisen wurden, besondere Hilfe zukommen zu lassen;

  6. bis zum Jahr 2020, wie in der Initiative "Städte ohne Elendsviertel" vorgeschlagen, erhebliche Verbesserungen im Leben von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern erzielt zu haben.”16


5. Die unerledigten Aufgaben von Monterrey
Es wäre falsch, den Erfolg oder Misserfolg der Monterrey Konferenz allein an ihrem offiziellen Abschlussdokument und der Höhe der zusätzlichen Entwicklungsgelder zu messen. Unabhängig von den Ergebnissen auf dem Papier spielen Weltkonferenzen eine wichtige Rolle im politischen Diskurs. Nicht selten werden durch sie neue Themen in die internationale Diskussion gebracht und damit erst “politikfähig” gemacht. Neue Debatten werden im Zuge der Vorbereitungen auf nationaler wie internationaler Ebene entfacht, die öffentliche Wahrnehmung für globale Probleme geschärft. Dies geschah auch im FfD-Prozess. In der fünfjährigen Vorbereitungsphase entstanden eine Unmenge neuer Ideen und Initiativen, von denen nur ein Bruchteil Eingang in den Monterrey Konsens gefunden hat. Viele Vorschläge blieben kontrovers, viele Ideen müssen im Folgeprozess weiterentwickelt werden. Bestes Beispiel sind die Empfehlungen aus dem Bericht des Zedillo-Panels vom Juni 200117. Zu den wichtigsten Themen, die in Monterrey nicht abgeschlossen wurden und die weiter auf der internationalen Agenda stehen, gehören:
1. Die Verantwortung der Privatwirtschaft
Der Monterrey Konsens betont die positiven Wirkungen privatwirtschaftlichen Engagements und plädiert einseitig für die Förderung und den Schutz von Auslandsinvestitionen. Jeder Hinweis auf die Notwendigkeit, die Entwicklungswirkungen dieser Investitionen zu prüfen und durch internationale Regelsetzung zu beeinflussen, fehlt. Die negativen Folgen zunehmender Privatisierung und Kommerzialisierung werden ebenso wenig thematisiert wie der Einfluss transnationaler Konzerne auf die Politik. Im Folgeprozess muss die Balance wieder hergestellt werden. Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg bietet dafür die nächste Gelegenheit. Im Vorfeld des Gipfels hat sich eine internationale Kampagne gebildet, die u.a. eine verbindliche Konvention zur Verantwortung der Wirtschaft (corporate accountability) fordert. Wichtige Elemente eines solchen Regelwerkes wären: Ein weltweit gültiges Haftungsrecht, weitgehende Publizitätspflichten, ein internationales Wettbewerbsrecht, das monopolistische Marktstrukturen und Kartellbildung verhindert, sowie die internationale Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, um den weltweiten Steuerwettlauf nach unten zu stoppen.
2. Die Verwirklichung der Millenniumsziele

Die auf dem Millenniumsgipfel der Staats- und Regierungschefs im Jahr 2000 vereinbarten Entwicklungsziele bilden weiterhin eine wichtige normative Grundlage der internationalen Entwicklungspolitik, auch wenn ihre Verwirklichung in Monterrey nicht finanziell abgesichert wurde. Sie sollen im Rahmen einer Öffentlichkeitskampagne der UN in den kommenden Jahren verstärkt propagiert werden und gewinnen dadurch sicherlich an öffentlicher Aufmerksamkeit. In der Auseinandersetzung über die Verwirklichung der Ziele sollte die Verantwortung des Nordens und die Frage, wie die notwendigen Finanzmittel aufgebracht werden, weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Aber auch die Ziele selbst und ihre politische Funktion sollten diskutiert werden. Denn die öffentlichkeitswirksame Reduktion von Entwicklung auf einige wenige quantitative Ziele, vor allem im Bereich der Armutsreduzierung und sozialen Grundversorgung, birgt die Gefahr einer Abkehr von umfassenderen Entwicklungsansätzen und einer Entpolitisierung des Diskurses.


3. Das Konzept der Globalen Öffentlichen Güter

Als neuer Referenzrahmen für die Auseinandersetzung über globale Umwelt- und Entwicklungspolitik bildete sich in den letzten drei Jahren das Konzept der Globalen Öffentlichen Güter (Global Public Goods - GPGs) heraus18. Im Vorbereitungsprozess der Monterrey-Konferenz wurde das Thema intensive diskutiert. Am Ende fiel es dem Widerstand der USA und der Verhandlungstaktik der G-77 zum Opfer. Tot ist dieses Thema damit noch lange nicht. Schweden und Frankreich haben bereits angekündigt, eine internationale Task Force zu initiieren, die sich mit der Definition und der Finanzierung von GPGs befassen soll. Eine entscheidende Frage wird dabei sein, ob das Konzept angesichts des von ihm konstatierten globalen Marktversagens in bestimmten Bereichen zu einer erhöhten Legitimation zwischenstaatlichen Handelns und multilateraler Kooperation führen kann. Außerdem wird zu diskutieren sein, wie sich die Öffentlichkeit und Privatheit von Gütern, und damit indirekt auch die Zuständigkeitsbereiche von Markt und Staat, neu definieren, und wer letztlich die Definitionsmacht darüber besitzt.


4. Innovative Finanzierungsinstrumente

Angesichts der mangelnden Bereitschaft der Industrieländer, ihre Entwicklungshilfe im erforderlichen Umfang zu erhöhen, und der dadurch offenkundigen Finanzierungslücke gewann in Monterrey die Auseinandersetzung über neue Finanzierungsinstrumente an Dynamik. Internationale Steuern und Abgaben spielen dabei eine zentrale Rolle, weil sie neben der reinen Aufbringungs- auch wichtige Lenkungsfunktionen übernehmen können.19 Bestes Beispiel ist der Vorschlag für eine Devisenumsatzsteuer (“Tobin Steuer”). Er hat im Zuge einer weltweiten Kampagne von NGOs und Gewerkschaften erheblich an politischer Unterstützung gewonnen. Große Resonanz fand in Monterrey eine Veranstaltung des BMZ, bei der die Studie des Frankfurter Wirtschaftsprofessors Paul Bernd Spahn über die Machbarkeit einer Devisenumsatzsteuer präsentiert wurde. Die Bundesentwicklungsministerin betonte in ihrer Rede auf der Plenarsitzung der Konferenz ausdrücklich die Vorteile einer solchen Steuer. Unterstützt wurde sie neben anderen auch vom französischen Staatspräsidenten Chirac. Weitergeführt wird die Debatte auf internationaler Ebene im Rahmen einer Studie, die UN-Generalsekretär Kofi Annan beim Forschungsinstitut der UN University WIDER in Helsinki in Auftrag gegeben hat. Die Fertigstellung der Studie wurde immer wieder verzögert. Sie soll nun im Frühsommer 2002 abgeschlossen sein. Neben der Devisenumsatzsteuer wird sie sich auch mit anderen innovativen Finanzierungsinstrumenten, darunter Konzepten für internationale Umweltsteuern, befassen. Wichtige Impulse sind dazu bereits kurz vor der Monterrey-Konferenz von einem Sondergutachten des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) mit dem Titel “Entgelte für die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter” ausgegangen. Es beschäftigt sich vor allem mit internationalen Abgaben auf die Nutzung des Luftraumes und der Meere.


5. Die Reform des internationalen Schuldenmanagements

Die Überwindung der internationalen Schuldenprobleme bleibt auch nach der Monterrey-Konferenz eine vordringliche Aufgabe. Die erneut drohende Überschuldung einiger HIPC-Länder macht die Grenzen dieser Initiative überdeutlich. Die Finanzkrise Argentiniens macht endgültig klar, dass die Entschuldung von hochverschuldeten Ländern mit mittlerem Einkommen nicht länger Tabu sein kann. Die Vorschläge von NGOs und Wissenschaftlern für ein grundsätzlich neues Schuldenmanagement im Rahmen fairer und transparenter Schiedsverfahren (Fair and Transparent Arbitration Procedures - FTAP), die sich am nationalen Insolvenzrecht orientieren, haben im Laufe des FfD-Prozesses erheblich an Unterstützung gewonnen. Selbst der IWF spricht sich mittlerweile für vergleichbare Ansätze aus. Auch in die Debatte über die Indikatoren für eine “tragfähige Verschuldung” ist Bewegung gekommen. Forderungen der NGOs, die Indikatoren menschlicher Entwicklung bei der Ermittlung der Schuldentragfähigkeit eines Landes zu berücksichtigen, sind ansatzweise sogar im Monterrey Konsens selbst berücksichtigt worden. Um weitere Fortschritte zu erzielen, wird es nötig sein, den zivilgesellschaftlichen Druck im Kontext der kommenden Tagungen von IWF und Weltbank und der G-7/8-Gipfel (zunächst im Juni 2002 in Kananaskis) aufrechtzuerhalten.


6. Governance des internationalen Wirtschafts- und Finanzsystems

Der FfD-Prozess hat in die Auseinandersetzung über die Regulierungsdefizite und institutionellen Schieflagen im internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem frischen Wind gebracht. Im Abschlussdokument hat sich dies allerdings kaum niedergeschlagen. Immerhin besteht unter den Regierungen ausdrücklich Konsens darüber, dass die Beteiligung der Entwicklungsländer in den Entscheidungsorganen der internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank, IWF u.a.) gestärkt werden muss. Die “Demokratisierung” von IWF und Weltbank steht damit auf der offiziellen Agenda. Auch die künftige Rolle der G-7/8 ist in der Diskussion. Durch ihre demonstrative Öffnung für Staatschefs anderer Regionen, speziell aus Afrika, versucht die Gruppe nun offensichtlich, der Kritik an ihrer Exklusivität den Wind aus den Segeln zu nehmen und Legitimationsprobleme zu überwinden. Dennoch wurden in Monterrey selbst aus dem Kreis der G-7/8 die Forderungen nach einem neuen internationalen Entscheidungsgremium für Weltwirtschaftsfragen, das repräsentativer ist als die G-7/8, unterstützt. Jacques Chirac forderte in seiner Rede in Monterrey die Einrichtung eines wirtschaftlichen und sozialen Sicherheitsrates (Economic and Social Security Council), dessen Aufgabe u.a. das nachhaltige Management von Globalen Öffentlichen Gütern sein sollte. Auch Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach sich erneut für die Gründung eines solchen globalen Rates aus: “Aus meiner Sicht ist die Einrichtung eines hochrangigen Global Council ein lohnender Vorschlag, um die gegenwärtig ungenügende Vertretung der Entwicklungsländer in internationalen Foren zu überwinden,” sagte sie in ihrer Rede. “Solch ein Global Council könnte wichtige Wirtschafts- und Finanzfragen diskutieren und kohärente politische Strategien entwerfen.”20 Es wird nun erwartet, dass Frankreich bei der diesjährigen Herbsttagung der UN-Generalversammlung eine Resolution zu diesem Thema einbringen wird.




6. “Staying Engaged” - Multilateralismus am Scheideweg

Die Konferenz von Monterrey spiegelt in ihrem Verlauf und ihren Ergebnissen das Dilemma des Multilateralismus wider: Wie effektiv die Staatengemeinschaft auf globale Probleme gemeinsam reagieren kann, hängt von der Bereitschaft aller 189 UN-Mitgliedstaaten zum Konsens ab. Dabei wiegt die fehlende Kompromissbereitschaft der USA zweifellos schwerer als die von Santa Lucia. Die Blockade eines Landes kann unter diesen Bedingungen jeglichen Fortschritt unmöglich machen. Dafür allerdings die Vereinten Nationen verantwortlich zu machen und schwache Resultate als Argument gegen multilaterale Politikansätze zu nutzen, wäre grundfalsch und würde den Propagandisten nationalistischer Alleingänge in die Hände spielen. Statt dessen ist es vor allem Aufgabe der Zivilgesellschaft, die Bremser kooperativer Politikansätze zu attackieren und zunächst im eigenen Land auf politische Veränderungen hinzuwirken. Dies gilt zweifellos in besonderem Maße für die USA. Die neuen Ansätze globaler sozialer Bewegungen, wie sie sich zuletzt beim Weltsozialforum in Porto Alegre manifestierten, können dabei eine zentrale Rolle spielen.


Zugleich ist auf zwischenstaatlicher Ebene als Lehre aus dem FfD-Prozess zu prüfen, inwieweit im Rahmen von Weltkonferenzen auch multilaterale Initiativen gleichgesinnter Regierungen möglich sind, die über einen globalen Minimalkonsens hinaus gehen – praktisch also “Konsens minus x”-Lösungen. Bei den Klimaverhandlungen Im Kyoto-Prozess wurde dies bereits ansatzweise praktiziert. Es ist zu erwarten, dass der Gipfel von Johannesburg im Sommer 2002 dafür das nächste Experimentierfeld bietet.
Weitere Informationen: www.un.org/esa/ffd und www.weedbonn.org/ffd

Kommentare an: jens.martens@weedbonn.org




1 Dieser Artikel erscheint zuerst im Social Watch Deutschland Report 2002.

2 UN Doc. A/AC.257/25 vom 18. September 2001

3 ECOSOC Res 1996/31 vom 25. Juli 1996.

4 Vgl. dazu auch Dirk Messner (2001): Weltkonferenzen und Global Governance: Anmerkungen zum radikalen Wandel vom Nationalstaatensystem zur Global Governance-Epoche. In: Thomas Fues/Brigitte I. Hamm: Die Weltkonferenzen der 90er Jahre: Baustellen für Global Governance. Bonn, S. 13ff.

5 Jan Martin Witte/Wolfgang H. Reinicke/Thorsten Brenner (2000): Beyond Multilateralism: Global Public Policy Networks. In: International Politics & Society 2/2000. (Übersetzung JM)

6 Vgl. Wolfgang H. Reinicke/Francis M. Deng (2000): Critical Choices. The United Nations, networks, and the future of global governance. Ottawa. Siehe auch die Internetseite des Projektes: www.globalpublicpolicy.net.

7 Vgl. A/RES/56/76 vom 11. Dezember 2001 und A/RES/55/215 vom 21. Dezember 2000.

8 So der US-Delegierte Terry Miller in einer Rede auf der dritten Tagung des FfD-Vorbereitungsausschusses (PrepCom 3) im Oktober 2001.

9 Draft Monterrey Consensus (UN Doc. A/AC.257/L.13 vom 30. Januar 2002), para. 25.

10 Draft Monterrey Consensus (UN Doc. A/AC.257/L.13 vom 30. Januar 2002), para.12.

11 Draft Monterrey Consensus (UN Doc. A/AC.257/L.13 vom 30. Januar 2002), para.7.

12 Eben dieser John Williamson schrieb 12 Jahre später als Sekretär des Zedillo-Panels den Entwurf des Berichtes, der im Juni 2001 als Zedillo-Bericht eine der Grundlagen des “Monterrey Konsens” bildete.

13 Vgl. Draft Monterrey Consensus (UN Doc. A/AC.257/L.13 vom 30. Januar 2002). Das endgültige Abschlussdokument lag in seiner offiziellen Fassung bis zum Redaktionsschluss dieses Berichts noch nicht vor.

14 Die Weltbank spricht in ihren Kalkulationen von 40-60 Mrd. US-Dollar. Vgl.: World Bank (2002): The Costs of Attaining the Millennium Development Goals. Washington, D.C..

15 Oxfam International (2002): Last Chance in Monterrey. Meeting the Challenge of Poverty Reduction. Washington, D.C., S. 8.

16 Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen (A/RES/55/2 vom 8. September 2000), para. 19.

17 Vgl. UN Doc. A/55/1000 vom 26. Juni 2001.

18 Auslöser war das von den UNDP-MitarbeiterInnen Inge Kaul, Isabelle Grunberg und Marc A. Stern 1999 herausgegebene Buch "Global Public Goods. International Cooperation in the 21st Century".

19 Vgl. James A. Paul/Katarina Wahlberg (2002): Globale Steuern für globale Prioritäten. Bonn (WEED-Arbeitspapier).

20 Statement of the Government of the Federal Republic of Germany, Ms Heidemarie Wieczorek-Zeul (MP), Plenary session of the International Conference on Financing for Development, Monterrey, Mexico, 21 March 2002.




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