Ludberga bis 23 95



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Amor war ausser sich; die ganze Reise, die mühseligen Recherchen, Unmengen von Bakschisch, und die teuren Telefonate mit ‘Hermes Investigators’ schienen umsonst gewesen: Cherub-A und -W waren nicht umzustimmen. "Da wird einem die Frau entführt, man jagt sie durch die halbe Alte Welt und da machen einem zwei gefiederte Wichtigtuer wegen eines lächerlichen Losungswortes einen Strich durch die Kalkulation, fuchteln mit Feuerwaffen, plustern sich wie Kugelfische und tun, als wären sie die Vögel des Styx!" – "Sachte, sachte, gerupfter Paläopterix, wir stutzen Dir auch noch Dein Flatterzeug; willst Du zum Phönix werden, dann noch EIN unfreundliches Wort!" – "Harpyiengeschmeiss!" – "Dreh auf Reduktionsflamme, Cherub-W, ich mach den Jüngling zu Email!" – Aber auch Amor zog blank, d.h. er zückte den Bogen, strich ihn übers Ambrosiaharz, legte einen Pfeil aus dem Schulterköcher ein und schoss aus der Hüfte, wie immer, ohne zu zielen, einen Volltreffer auf Cherub-W. Der, verdutzt ob des ungewohnten kriegerischen Widerstandes, griff sich an den Nabel, wo bei Cherubim möglicherweise das Herz liegt, sengte sich am herabfallenden Schwert die Schurzfedern, stammelte ein reichlich unverständliches "Cheruba!" und sank vor dem alphatischen Kollegen in den Staub. Schnell ein zweiter Schuss und auch dieser war im Nu kampfunfähig, weil um "Cherubo" bemüht, ihn tröstend aufzurichten, das himmelblaue Federhemd zu streicheln den Ärmsten von Kopf bis Fuss mit Küssen einzudecken, die Blessüre mit Carubabalsam aus dem Proviantbeutel zu bestreichen. Omega liess sich das dankend gefallen und erwiderte bereits die Zärtlichkeiten Alphas mit grunzendem Vergnügen und griff auch schon mal dem mehr als mütterlichen Zwilling ins rosa Flaumgefieder. Dieweil stürmte Amor durch die unbewachte Pforte Edens, ungeachtet der komplizierten Geographie des illustren Ortes.
Es dauerte nicht lange und es erschienen neue Gäste, die, wären sie mit Amor zusammengestossen, uns einen gut Teil der Geschichte abgenommen hätten: nämlich Herkules, Deianeira und Psyche. Als bewegliche Olympier besassen sie ebensowenig Reisegepäck wie Amor, nur hatten sie sich der herrschenden klimatischen Bedingungen anbequemen müssen: sie waren vor einem widrigen Scirocco stark nach Norden abgedriftet und sahen dementsprechend zerzaust aus. Psyche lamentierte unentwegt, ihren Kamm auf Gibraltar vergessen zu haben und zupfte ohne Unterlass Knoten aus den wallenden Locken. Die Höflichkeit forderte von dem Trüppchen am unbemannten Gatter Edens zu klopfen; Herkules zertrümmerte fast ein Drittel des Schlagbaums, aber von den Cherubim lugten nur vier verschlungene Füsse und ein Vielfaches an Flügelspitzen zweierlei Couleurs unter einem Lorbeerbusch hervor; vom Flammenschwert ragte nurmehr ein angeschmorter Knauf aus einer dampfenden Obsidianmasse in der Wegmitte. Deianeira kicherte bei der perversen Vorstellung zweier sich liebender Cheruben und Psyche witterte einen Scherz ihres Gemahls, da sie in dieser Hinsicht so ihre Erfahrungen gemacht hatte und jeweils in Gesellschaft unter den Spuren dessen Unfugs litt, weil sie fast pathologisch für ihre Reputation zu fürchten pflegte.
"Ist da wer?" polterte Herkules um dem Anschein genüge zu tun, keinen Hausfriedensbruch zu begehen und führte die Damen ins Innere Edens, ohne die Cherubim auf geringste gestört zu haben. Als Olympier befanden sie sich in monotheistischem Feindesland, aber noch bestand mangels engagiertem Publikum kein ausdrücklicher Kriegszustand. Keiner glaubte an die Existenz des andern, nahm aber dessen Dasein faktisch mit stoischer Toleranz hin. Zuweilen grüsste man sich über die Hecke und einmal hatte Demeter sogar in Gottvaters Abwesenheit die Rosen geschnitten. Zu Neujahr begegneten sich die respektiven Postboten Gabriel und Hermes unweit der Dardanellen und tauschten die unter zivilisierten Wesen üblichen Höflichkeiten. A propos: auf einen Wink Deianeiras hob Herkules einen Oleanderstrauch mitsamt dem Wurzelwerk aus der Rabatte: man war ja schliesslich unangemeldet auf Besuch...
"Sag mal Adam, sollen wir wirklich zu dem Termin?" fragte Eva den mit Kieselwerfen beschäftigten Gemahl und steckte sich die blonden Haare auf. Nein, sie trüge doch besser einen Zopf; oder offen? Ophis hätte sicher eine eindeutige Ansicht vertreten und sich zur vorteilhaftesten Tracht bekannt. Schade, dass er nur eine Schlange war, bei so viel Manieren; auch die nuschelige Aussprache trübte das Gesamtbild..."hörst Du mich?" – "siebzehn Dreisprünge, fünf Vierer und ein Siebener." – "Nichts als Seitensprünge im Kopf. Kommst Du mit, oder geh ich allein?" – "Wohin denn?" – "Zu Ophis' Obstgarten, wegen des Sex; nur mal reinschauen vorerst..." – "Bei Dir peepsts wohl, Du hast doch den miesen Verführer nicht ernst genommen!" – "Dann halt ohne Dich, lass mir meine Neugier. Ich liebe Unterhaltung, Aufmerksamkeit und hin und wieder einen Scherz." – "Ist das ein Vorwurf?" – "Gewissermassen ja." – "Du meinst im Ernst, ich solle gegen diesen Wurm antreten? WER ist Dein Beschützer, Ernährer, Lehrer und Freund, wer tröstet Dich, trägt Dich über den Bach, isst Deine Beeren, duldet Deine Launen, schreibt Deine Steuererklärung!?" – "Musst Du mir immer alles aufrechnen? Nimm doch das Leben mal von der leichteren Seite. Von Ophis kannst Du sicher allerhand lernen. Auf bald, guter Freund!" – "Warte!" – "Na endlich [ – nein dieser Mann!]!" und Adam trabte hinter Even her, als trüge er die Lasten des Atlas.

Der Pfad wand sich in verwachsenen Serpentinen zum Mittelpunkt Edens hinan und die Sonne warf schon beider lange Schatten zur Linken in die Blaubeerbüsche, die sich wie ein Teppich zum Berge Zion emporwellten.– "Übrigens, Eva, sollten wir Gottvater begegnen, darf er nicht erfahren, dass wir unseren Intelligenzquotienten mit Dörrobst aufgebessert haben; gib Dich natürlich, Kleines." – "Damit DU vor ihm brillierst. Typisch Mann." – "Zweitens, lass Dir ja nicht von Ophis jedwelche Frucht aufschwatzen; und wenn, dann mache ICH die Kilopreise." –

"Da ssind wir ja!" tönte es vom Ast der Erkenntnis, wo sie Ophis zuletzt gesucht hätten, denn mehrfach hatte es in ihrer Nähe verdächtig geraschelt.
Vom Wintergarten tönte englische Musik (wenn ich mich nicht sehr täusche war es "the jellow submarine" einer jener Schlager, den man nur auswärtigen Gästen vorzusingen pflegte, um sie nicht mit allzu gregorianischer Monotonie einzuschläfern). Aber ein jäher Tumult liess vermuten, dass sich neue Ankömmlinge einfanden, sich gegenseitig begrüssten, vorstellten, mit stark verdünntem Ambrosia anstiessen und die Gründe ihres Erscheinens an so geweihtem Orte zu rechtfertigen suchten. Eine riesige Keule wurde durchs Fenster in einen leeren Regenwasser-Bottich gestellt, auf dem Sims begannen sich Schleier, Reisehüte, ein Löwenfell zu häufen; ein Handtäschchen, das seinen Inhalt an Lippenstift, Puder, Silberspiegel und einem Parfümaryballos losward, fiel ins Amaryllisbeet. Uriel topfte wortlos auf der Veranda den entwurzelten Begrüssungsstrauss ein, Lachen erscholl und die würdig-sonore Grossvaterstimme des Hausherrn liess hin und wieder den Geräuschpegel auf Ambassadorenempfangsniveau sinken.
Psyches helle Stimme gab gerade Phosphoros' Ver- und Entführungskünste zum besten – sie schminkte ihren Part nicht unvorteilhaft-unschuldig – als ein gefiederter Schatten die Verandatreppe erstieg, am Fenster horchte – und horchte – und horchte und dann, als man aus dem donnernden Gelächter die peinliche Zurückverwandlung Luzis heraushörte, sich auf Zehenspitzen wieder dem Garten zuwandte, über die Schulter nach dem umgehängten Bogen griff, dem Köcher einen Pfeil entnahm, auf dessen Spitze spuckte und sich sachte sachte dem Baume der Erkenntnis näherte...
Apfelfall und Sündenschuss
Ophis alias Aspis alias Diabolus alias Satan alias Beelzebub alias Belial alias Luzifer alias Phosphor alias Mephisto alias Antichrist, kurz Luzi, glaubte sich am Ende seiner Mühen, als das Paar die Lichtung betrat.

Nun galt es gewissermassen, Gottes Schöpfung zu vollenden, den Sündenfall zu inszenieren, das Pünktchen auf den Anton, nein, das "i" zu setzen. denn ohne diesen Fall, diesen Apfelfall nicht weit vom Stammvater des Universums, das war der gesamten Belegschaft Edens klargeworden, konnte das System, die Idee, der Mechanismus, Theonomie, -gonie, -genie, -dizee, -sophie und Teleologie der Erfindung nicht funktionieren. Die Ununterscheidbarkeit von Gut und Böse wäre ja für die Menschheit noch hinzunehmen gewesen (und ist es bekanntlich bis heute!), doch schön und hässlich, anziehend und abstossend, tugendhaft und verworfen, hochmütig und demutsvoll, süss und bitter nicht auseinanderhalten zu können war einem menschenwürdigen Wesen mit gottähnlicher Architektur nicht zuzumuten. Das lust- und ziellose Vegetierer- und Vegetariertum ohne Höhen und Tiefen, ohne Liebe und Hass, ohne Sehnen und Erfüllen, ohne Mut und Verzagtheit, ohne Ruhe noch Unrast, ohne Tod und Gefahr, das ja auch in entsprechenden Grenzen die gesamte Fauna und Flora miteinschloss, war s o nicht lebensfähig noch lebenswert.


Luzi musterte die vollendete Figur Evas und erinnerte sich seufzend der Umarmungen Psychens, die er nur wenige Schritte von hier in berauschender gesellschaftlicher Umgebung wusste; nicht einmal Lucy würde ihn auf seinem Baum als begehrenswert empfinden!

Was nützte ihm sein schillerndes Schuppenhemd, wenn’s dem verliebten Recken nicht gelingt, es mit fiebernder Hand in der Hitze des Turniers abzustreifen!

In diesen sauren Apfel musst du beissen, deklamierte er zynisch in sich hinein, sich selbst bedauernd aber auch an die Adresse Evens, indem er um den schönsten aller Äpfel (Gravensteiner, Boskop oder Granny? oder war's gar eine Bio-Sorte?) eine leibhaftige Schlinge legte.

Luzi rang nach Worten, als das Paar mit verschränkten Armen erwartungsvoll zu ihm aufblickte. Adam kaute an einem Grashalm und wirkte spöttisch. Eva hatte sich ihr Wiedersehen mit Ophis prickelnder vorgestellt, zumal sie vor dem Fussmarsch noch schnell ein wenig Dörräpfelchen genascht hatte und nun schlagfertig auf einen witzsprühenden Wortschwall und –abtausch an Galanterien, Zweideutigkeiten, Komplimenten und geistreichen Zitaten gefasst war.

Nun sollte er ausgerechnet über Sex dozieren! Er, der doch stets ein so vollendeter Herzensbrecher war und anderes mehr! Er fühlte eine beklemmende Röte in sich aufsteigen, hundert Rippen lang, die dem Abendrot trotzte und den Apfel in seiner Mittelschleife erblassen liess.
"Ssexs isst..."– wenn man ihn trotzdem macht, hätte er sich fast versprochen. Eigentlich wollte er über Erotik reden, was ihm, dem alten Verführer, weitaus besser lag. Wenn Schlangen überhaupt schwitzen, dann tat er das nun ausgiebigst.

"...isst, wass man macht, wenn..." verfluchter Narr, der Du bist, Versager, Schlappschwanz, Rohrkrepierer!


"...wenn man unbefugt eine Frau verführt, beziehungsweise entführt, oder auch ganz ohne vorhergehende Beziehung raubt!" sprachs übertrieben sachlich, wie aus dem nächstgelegenen Dornbusch geklopft, trat hierfür, grüsste behutsam das verschreckte Paar, legte an und schoss den Ehebrecher vom Ast der Erkenntnis. Eros, in der Meinung, er habe Sexus, den Rivalen, tödlich getroffen, schob den vorbereiteten zweiten Pfeil in den Köcher zurück und wandte sich stolz und gelassen der Veranda zu, sich unter die Partygäste zu mischen. Luzi war zwar schreckensstarr wie eine Dartscheibe zur Erde geplumpst, aber der Pfeil stak in seiner nun wieder rötesten Mitte, dem Apfel.
"Alle Neune!" staunte Luzi, kaum hatte er sich von Schreck und Sturz erholt " – hätte daneben gehen können! Unabssehbare Konssequenzsen." und zu Adam: "Ssehn Ssie, man darf in der Liebe keinen Nebenbuhler haben. Immer der einzsige und ersste ssein. Sso ein Apfel könnte Ihnen dabei behilflich ssein." – "Wieso das? Soeben haben Sie mit ihm ihr Leben riskiert." – "Zsum einen vermittelt diesse Frucht die nötige Luzsidität unbedachte Sschritte zsu vermeiden, die man bereuen könnte. Zsum anderen sschärft ssie die pssychologische Einfühlungssgabe. Dann potenzsiert ssie die Logik und die geisstige Beweglichkeit, trainiert das Gedächtniss und öffnet den Weitblick auf künftige Konzsepte, ja vermittelt ein Gefühl von Mut, Überlegenheit und Energie." da Adam sah, dass sich Eva gerade mit einem Schmetterling befasste, fragte er schnell mit unterdrückter Stimme: "Muss man den Apfel unbedingt teilen? Ich meine, mit Eva?" – "Alss Frauenrechtler würde ich ssagen: Du Sschurke; aber von Mann zsu Mann –" – "Was habt Ihr da zu tuscheln! Dürfte ich endlich wissen, was es mit diesen Äpfeln auf sich hat, was auch immer Sex ist, sind sie ihm förderlich oder nicht." – "in vernünftigen Quanten genosssen zsweifelloss. Nur ein intelligentess, erfindungssreichess und nach Abwechsslung trachtendess Liebessleben ist dauerhaft. Eine Frau wie Ssie, Madam, würde Ihre Reizse vervielfältigt ssehen, wie durch die Facsetten einess Diamanten, da mit dem Charme geisstigen Reichtumss die Weiblichkeit ersst zsur eigentlichen Blüte reift. Männer mit Rassse fängt man nur mit dem vielssagenden Blick des gewitzsten Mitwisssertums, einess vielfältigen Charakterss, geisstreichen Humorss." – "Geben Sie her. Aber sagen Sie mir noch, wieviel ich davon Adam abgeben müsste, oder, ob überhaupt?" – "Ein harmonisschess Zsuzsweit verlangte einen gewisssen Aussgleich. Aber eine überdimenssionierte Geisstesorientierung führt beim Manne zsu Potenzsproblemen. Es liegt an Ihnen, Ihren Idealmann zsu programmieren, Madam." – "Ich denke, ein Drittel und der Griebsch würde genügen." – "Wie Ssie wollen, aber passsen Ssie auf, dasss er nicht den Pfeil versschluckt." – "Adam! Wo bist Du schon wieder? Schälst Du mir das Äpfelchen da, bitte?"



Allah wollte aufbrechen, denn nur noch die Spitze des Zionberges war vom Abendrot übergossen und er liebte es, der Sonne nachzureisen wie ein Komet. Jahwe suchte ihn zum Bleiben zu überreden; man hätte ja noch ein Gästezimmer auf dem Dachboden; die Seraphime würden nur eben die Wäsche abhängen, die Hemden und Schurze, die an der Schaffung Bertas beteiligt gewesen waren... Herakles hatte soeben Eros entdeckt, der sich gerade dem Hausherrn vorzustellen gedachte und schaufelte sich strahlend mit ausgestreckter Pranke durchs Gedränge von Gästen, geflügelten Mundschenken, Leibwächtern, Sängern wie Musikanten und allerhand Getier, das sich in das nun hell erleuchtete Gartenhäuschen verlaufen hatte. Deianeira sah sich prompt in den Erzengel Michael verliebt, der ihr gerade vorprahlte, wie er Luzifer habe zur Hölle fahren lassen. Raphael erklärte Psychen soeben, wie sie es anstellen solle, Luzis traurige Gestalt hochamtlich regenerieren zu lassen, als sie ihren Gemahl erblickte und ohnmächtig zu Boden sinken wollte. Sie fiel in Herkules' ausgestreckten Arm und wurde so ganz wohlbehalten in Amors Grusshand übergeben und gehörig durchgeschüttelt, was sie wieder zum Leben erweckte und ihr die lebensnahen Seufzer entrang, den Gemahl von ihrer schrecklich-gewalttätigen Entführung zu überzeugen.



Gott wunderte sich nicht wenig über seine sonderbaren Besucher, erkundigte sich nun eingehender nach Genealogie, Heimat und Beruf der Einzelnen und gab die neuen Informationen mit verstärkter Stimme und aufmerksamem Nicken an Allah weiter, der reisefertig mit eingerolltem Teppich, sich unentwegt den Bart streichend, aber ebenso aufmerksam nickend, zur Verandatüre drängte. "Ach Sie sind der Amor!" – "Ja, oh Weltenschöpfer." – "Ist Ihnen Ihre Bewaffnung nicht lästig? Legen Sie doch ab; Uriel bring Herrn Amors Gerätschaften in die Garderobe, auch gleich den Kleiderberg im Fenster. Und, sagen Sie, ist ihr Beruf nicht recht anstrengend?" – "Noch nicht, oh Demiourgos, solange es sich um Götterintrigen handelt; aber sollte ich mit Ihnen ins Geschäft kommen, mit der Sache Adam, Eva und Nachkommen, dürften sich Arbeit und Umsatz gewaltig erhöhen. Möglicherweise müsste ich sogar einen Nachhilfekurs im Freischiessen belegen." – "Sie pflegen kaum zu zielen, nicht wahr? Aus Kalkül oder Kurzsichtigkeit?" – "Tja, mal aus Kurz-, mal Weit-, Nach-, Vor-, Ein-, Aus-, Zu-, Um- und Absicht, je nach Bedarf oder Bedürftigkeit des Opfers, oh Donnerer, pardon, Herr Jahve." – "Interessant; wir hatten mal hier einen Kollegen, der in Ihrer Richtung engagiert war; gescheiter und adretter Typ, nur etwas vorlaut; Luzifer mit Namen; kennen Sie ihn etwa?" – "Ja, flüchtig, Herr Fernhintreffer äh, oh..." – "Er sollte in Kürze unter uns weilen; ich werde Ihnen Luzi vorstellen müssen, da ich ihn ob seiner Vorwitzigkeit etwas verwandeln musste." – "Ich weiss, Hochwürden." – "Ach; Sie sind ja glänzend über uns unterrichtet, Herr Amor; Sicher wird sich Luzi über Ihren Besuch freuen." – "Nein, Erlaucht." – "Wie bitte?" – "Ich muss Ihnen gestehen, Majestät, ich habe unlängst Ihren Kollegen erschossen." – "Na so was. Was hat er Ihnen denn angetan. Und Ihre Schüsse verwunden doch für gewöhnlich nur vorübergehend in Herznähe." – "Ich hatte äh, oh Chirurgos, versehentlich die Pfeilspitze bespuckt; das bedeutet Liebestod, bzw. Herztod, Coitus interfectus, Amok, Lustmord." – "Aber, Herr Amok, war das nötig? Luzifer ist relativ harm- , -voll, -wollte ich sagen; für schwächere Charaktere." – "Nun, er hatte meine Frau Psyche, diese hier, darf ich vorstellen? Schon geschehen? – Psyche, das ist Jupp- , der Herr Gott von Nebenan, Du weisst schon–" – "Ich weiss, und er ist Künstler; für den Schönheitswettbewerb damals – äh, stands nicht im Rheinischen Merkur? gewann er den Förderpreis; nicht wahr Monsieur?" – "In der Tat, Madame, sie waren die schönste; noch ein Schlückchen Ambrosia?" – "Danke, ich bin schon bedient worden..." – "Aber sagen Sie, hat denn Luzifer selig Ihnen etwas angetan? Ich wäre empört!" – "Nicht gerade. Aber... nichtsdestotrotz glaube ich, ich bin schwanger." – "Von Luzi entführt und vergewaltigt! Zum Teu-! Herr Amor, ich danke für Ihren Schuss." – "Keine Ursache." – "Ach Allah, Bester, ich vergass, Du wolltest unbedingt gehen; vielleicht hast Du recht, denn die Sache mit Luzi ist unversehens geplatzt; ich werde mir etwas anderes einfallen lassen müssen. Ohne Deine Hilfe wären wir indessen alle nicht hier! Ich lass Dich rufen, wenn wir den Sündenfall feiern; also auf hoffentlich bald; Salon!" – "Salam, es war ein göttlicher Abend, Bruderherz, möge ein guter Stern über Dich wachen!" sprach’s und zwängte sich durch die Verandatür, um seinen Teppich zur Startbahn zu rollen; doch da, direkt unter seiner rechten Sandale erhob sich ein ohrenzerreissendes Quieken, Allah spürte eine ungewöhnliche Wölbung, die sich mit einem Ruck entzweiteilte, sah einen schillernden Blitz im hohen Bogen ins Partyzimmer sausen. Als schmerzgewundenes Knäuel im Ausschnitt einer aufschreienden Deianeira landen, den um ein Viertel gekappten Leib prüfen, einen jämmerlichen Pfeifton in S-Moll von sich geben, "Gut Freund, Gut Freund!!" schreien, war eins, denn schon satzte Herkules zum Fenster, nach der Keule zu greifen, die aber bereits in die Garderobe verschleppt worden war; der Griff ins Leere erinnerte ihn an seine Kindheits-Würgegriffe – schon war er über Deianeira – alles schrie, rief nach Löschwasser, mehr Licht, nach der Garde, tobte im Zwiste der Meinungen, was mit dem schwanzlosen Luzi geschehen sollte, aber schon legten sich die unbarmherzigen Fäuste des Alkmenesohnes um den röchelnden Hals natürlich Luzifers, – da:
– liess jemand ein gutturales "Ughhh!" an der Türe vernehmen und eine Art riesiger Erzengel, der rückseitig von Kopf bis nahezu den Füssen buntgefiedert zu sein schien, sonst aber in fransiges Leder verpackt war, bückte sich herein, zwei arg verstrubbelte, sich nur noch müde widersetzende Cherubim ehemals bläulicher und rötlicher Originalfederfärbung, jetzt aber staubverklebt und verfilzt, an den Füssen nach sich ziehend. Manitu warf die zappelnde Beute in die Zimmermitte, hob die Rechte und ging ungeachtet der staunend verstummten Gesellschaft auf Gottvater zu, ihn ehrerbietig, aber wortlos zu begrüssen. Selbst Herkules hatte sein tödliches Werk unterbrochen, stand, den stocksteif hangenden, nach Hilfe gurgelnden Luzi am Halse gepackt, unschlüssig im Raum, dieweil der Hausherr nach einem Glase griff, es am Rockzipfel eines Seraphim blänkte und spannungsdämpfenden Ambrosia kredenzte.

"Schön, dass auch Du mich heute besuchst, man würde meinen, ich hätte Geburtstag! Aber was bringst Du mir da als Gastgeschenk? Eine Oleanderstaude hätte auch genügt, wegen der Symmetrie" denn Gott hatte seine Wach- und Trutzgardisten erkannt. Manitu sog einen langen Atemzug durch die Zähne, wohl abmessend, wie lang seiner kurzen Rede Sinn sein werden solle, und gab sich offensichtlich gesprächig: "Die zwei komischen Vögel gingen mir vor einer Stunde am Snake River auf den Leim; ein paar schöne Federn hab ich behalten, der Rest ist ungeniessbar; da ich meine Jagdgründe kenne, müssen sie aus Deinem Garten entflogen sein, Ughh." – "Entwichen! Getürmt! Dienstverweigerer! Deserteure!" ging es durch den Raum und hin und wieder ein klägliches "Hiiilfe!". Nur die Olympier wussten mehr, oder etwas weniger mehr, Bescheid. Aber es kümmerte sie herzlich wenig, weil solcherlei Kabalen ja zur Alltäglichkeit Elysiens gehörten...


Manitu schritt auf den Herkulier zu und deutete auf den verstümmelten Luzifer "Darf ich höflichst Bleichgesicht 'Lebenden Schrank' um Freigabe der heiligen Schlange bitten."

Herakles zuckte die Achseln und legte den erschöpft nach Luft japsenden Luzi in den Schoss Psychens, während Allah, der all dem Debakel schliesslich doch noch beigewohnt hatte, da er ja der Verursacher war, mit spitzem Schaudern das fehlende Gliedmass Luzis herbeitrug und zum Rest garnierte, dieweil es Amor in den Fingern zuckte, die einzige unvollendete Arbeit des Argiden selbst zu vollstrecken...


Es erhob sich ein Chor von Lamentos, Beteuerungen, Schwüren und Beschuldigungen: die Cheruben behaupteten, man hätte sie mit Pfeilen vergiftet, ihre Flucht sei im Wahne erfolgt; Luzi schwor beim Barte Allahs, der Propheten, der Olympier, Manitu und der unbärtigen Engelschar, er hätte Psyche nicht verführt, geschweige vergewaltigt und besässe ein paradiesisches Alibi; Psyche schluchzte, ein fliegender Händler der Hermes Investments hätte sie in Metaphormose, Methadormose, Mepharmadose ach, was auch immer, versetzt und sich für einen gewissen Phosphoros ausgegeben; Deianeira trat endlich für Luzi ein und meinte man müsse ihn um Gotteswillen verbinden; Manitu meinte "Ughh!" und man solle die Vögel doch zum Lobe Quetzalcoatls ausstopfen; der Schlangengott habe seinen Repräsentanten sicher nicht ohne Grund hierhergeschickt; Amor wollte eine areopagitische Untersuchungskommission ins Leben rufen; Herakles das delphische Orakel befragen. Schliesslich wusste niemand mehr um was es eigentlich ging. Nur Psyche erlaubte sich eine Initiative des Mitleids: sie träufelte Ambrosia auf eine streifig gefaltete Serviette und wollte sie soeben um Luzis vereinte Stümpfe legen, als just im selben Moment dieser in letzter Verzweiflung zu Gottvater hinüberrief: "Meisster, ich kam doch nur um Dir zu ssagen: ess isst vollbracht! der Apfel isst gegesssen!" Da: ein Knall, von dem nur Psyche wissen konnte, wie er zustande kam, der aber auch von der Meldung ausgehen mochte, die da im Raume hing oder besser fiel und zerschellte wie eine fliegende Untertasse, nur so gewaltig, dass die Kerzen allesamt verloschen, einen Windzug entfachte, der selbst Herkules' Keule aus der Garderobentür fegte, alle gewahr werden liess, dass draussen ein Gewitter losgebrochen war und der Blitz in den Baum der Erkenntnis eingeschlagen hatte.

Aber niemand sah, dass nun alle seine Äpfel im Grase lagen; manche hatten Adam und Eva getroffen, die sich dort engumschlungen kosten und auch der ersten schweren Regentropfen nicht achteten, die auf sie niederprasselten...


Im Hause rief man nach Licht, stolperte übereinander her, suchte, fand und verlor sich wieder, bis ein Ersatzcherub mit einem Reserveflammenschwert den Raum notdürftig erleuchtete. Als die Lichtverhältnisse endlich wiederhergestellt waren, entdeckte man einen neuen, vermutlich letzten Gast inmitten der Gesellschaft: einen etwa dreiunddreissigjährigen jungen Mann bleicher Gesichtsfarbe, mit ovalen, strengen, doch melancholischen Zügen, einem Lippenbärtchen und ebenso schwarzen strähnigen Haaren, die glattgeölt und messerscharf mittelgescheitelt das etwas fliehende Haupt umklebten. Ein Vatermörder mit schwarzer Fliege teilte den sehnigen Hals; ein tadelloses Rüschenhemd verlor sich im etwas zu grossen Frack und tauchte in gestärkten Manschetten wieder auf. Die Streifenhosen standen wie metallische Gewächse auf den Lackgamaschen, unter denen die schwarzweissen Charlestonpumps hervorlugten. Mit weissen Seidenhandschuhen servierte ER auf einem Silbertablett Kristallgläschen mit Nektar pur, während ein weissgesticktes Mundtuch über der Armbeuge lag. Die etwas wächsernen Züge liessen fast vergessen, dass er ein randloses Monokel trug, das dem ebenmässigen Gesicht eine befreiende Asymmetrie verlieh. ER, den unsere Gesellschaft wie ein fremdes Wesen aus dem zoologischen Garten (sic!) umdrängte (unter dem Vorwande, vom Nektar zu kosten und gehörig nachgeschenkt zu bekommen), war vollendet höflich und zuvorkommend; ein silbernes Lächeln huschte über die Lippen, wenn er die Damen bediente; zuweilen entrang er sich eines schmeichelhaften Wortes und Psychen gegenüber glaubte man ihn einmal seufzen gehört zu haben. Diese war verstört in einen Sessel gesunken und nestelte unentwegt an einer streifig gefältelten Serviette.
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