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2.4.3 Interaktion zwischen der KE und der BE der Baldwin-Effekt und die Wilson-Regel

2.5.3.1 Die Wilson-Regel: Kulturelle Errungenschaften können die Selektionsbedingungen für Gene so verändern, dass innerhalb von 1000 Jahren sich die Allelfrequenzen ändern  entweder bereits anfangs vorhandene, oder durch Rekombination neu entstandene, aber nicht durch Neumotation. Wenn beispielsweise durch Staatenbildung die Bedeutung der verbalen Kommunikation und des Aushandelns wichtiger wird als die des Jagens, so werden sich solche Varianten besser vermehren. Auch sexuelle Selektion spielt eine Rolle  wenn durch kulturelle Tradition längerbeinige Frauen bevorzugt werden, so werden nach der Wilsonschen Zeitspanne Frauen durchschnittlich längere Beine haben  vielleicht der Grund, warum Frauen in vielen Ländern tatsächlich längerbeiniger sind als Männer.
2.5.3.2 Der Baldwin-Effekt ein Quasi-Lamarckismus: Bei der Wilson-Regel erzeugten kulturelle Varianten nur über die Veränderung der Selektionsbedingungen veränderte Genhäufigkeiten. Aber kann dies auch auftreten, ohne dass sich die Selektionsbedingungen für Phänotypen ändern? D.h., kann eine neue Variante, die in gleichbleibenden Selektionsbedingungen einen Vitalitätsfitnessvorteil bietet, wie etwa das Körbeflechten, auch die Chancen für genetische Varianten, welche Körbeflechten begünstigen, erhöhen? Der Unterschied zum früheren Fall war, das Körbeflechten immer Vorteile bietet, sodass auch eine genetische Mutation, welche Körbeflechten begünstigt, sogleich positiv selektiert werden würde, und nicht erst in Bedingungen, in denen es bereits Körbeflechter aufgrund kultureller Tradition gibt. Auch hier ist die Antwort ja, und zwar aufgrund eines zuerst von Mark Baldwin 1896 entdeckten Effektes (Dennett 103ff; BlackmoreBecker). Entscheidend dafür ist, dass ein vorteilhaftes phänotypisches Merkmal mehrere unabhängige Mutationen zugleich benötigt, um zur Ausprägung zu kommen. Dies ist beim Körbeflechten der Fall  es erfordert räumliches Vorstellungsvermögen, Zweck-Mittel-Denken, und Fingerfertigkeit  also kognitive und manuelle Intelligenz. Angenommen, zwei Allele A und B sind nötig, um das phänotypische Merkmal M zu produzieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit gemeinsamer Mutation relativ gering; und eine Entstehung von nur einem einzelnen Allel würde nicht bringen. In einer kulturellen Umwelt aber, in der Körbeflechten bereits gelernt wird, in der also zwei erlernte Fähigkeiten A* und B* (für erlerntes Vorstellungsvermögen, und erlernte Fingerfertigkeit) vorhanden sind, welche Körbeflechten M bis zu einem gewissen aber intrinsisch sehr verbesserungsfähigem Grad bewirken, wird bereits eine einzelne genetisch Mutation, etwa A, einen weiteren Selektionsvorteil, also noch besseres Körbeflechten, ermöglichen, weil B ja durch kulturellen Erwerb in gewissem Grade schon vorhanden ist. Dies erhöht die Selektionschancen für eine einzige Genmutation. Insgesamt wird dadurch, wie Dennett ausführt, aus einem sehr vereinzelten engen Fitnesspeak in der Fitnessdiagramm ein weit gestreuter flacher Fitnessanstieg, wie die Abb. zeigt.
Fitness

Varianten auf 2 genetischen Loci

Nur simultane Mutation vorteilhaft Baldwin-Effekt: Einzelmutation vorteilhaft

Spezies können also kraft ihrer erlernten Tätigkeiten die genetische Evolution beschleunigen (Morgan und Osborne; s. Dennett; Hinton und Nowland 1987 haben den Baldwin-Effekt wiederentdeckt). Der Baldwin-Effekt wurde öfter des Lamarckismus bezichtigt (Dennett 107f); es handelt sich aber um keinen biologischen Lamarckismus, sondern um ein mit der BE einwandfrei vereinbares und erklärbares Phänomen, welches man als 'quasi-lamarckistisch' bezeichnen kann.


2.5.4 Relative Vorteile von BE, KE und IE: Boyd und Richerson (1985, 98f) nehmen eine Art ‚Kulturgen’ an, das die Bereitschaft eines Individuums prägt, sich auf Traditionen der Vorgängergeneration zu stützen, oder im Gegensatz dazu seine Kenntnisse durch Eigenerfahrung zu erwerben. Eine solche genetische Disposition zur Kultur impliziert nicht, dass der Gehalt kultureller Evolution genetisch bedingt ist, sondern nur die Tendenz zu kultureller Evolution. Boyd und Richersons mathematische Modelle gelangen zu folgenden, grob zusammengefassten Resultaten. Ein Kulturgen wird sich dann ausbreiten, wenn die Fehlerrate individuellen Lernens größer ist als die Fehlerrate von Lernen durch Traditionsübernahme (102ff); dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn die Lebens­bedin­gungen von einer Generation zur anderen verhältnismäßig konstant sind. Wü­r­de jede Generation in eine komplett andere Welt hineingeboren werden, so hätte Traditions­übernahme gar keinen Sinn. Boyd und Richerson untersuchen auch die relative Vorteilhaftigkeit von kulturell versus genetisch verankerter Evolution, mit dem Ergebnis, dass wenn die Lebensbedingungen zwischen den Generationen entweder extrem stark und unregelmäßig variieren, sodass nur ein langfristiges Mittelmaß eine selektive Rolle spielt, oder aber wenn die Lebensbedingungen sich so gut wie nie ändern, eine ausschließlich genetisch basierte Evolution vorteilhaft oder zumindest nicht nachteilhaft ist; in allen anderen Fällen ist zusätzliche kulturelle Evolution von Vorteil (127).
2.5.5 Gleich- und Gegenläufigkeiten zwischen KE und BE: Wir haben oben gleichläufige Koevolutionen zwischen BE und KE kennen gelernt, etwa in der Wilson-Regel oder dem Baldwin-Effekt. Boyd und Richerson (1985) betonen auch, dass genetische und kulturelle Evolution sich gegenseitig nicht nur fördern, sondern auch hemmen bzw. unterlaufen können (286). Kann kulturelle Evolution die genetische Evolution völlig außer Kraft setzen? Soziobiologen werden hier mit einem entschiedenem „Nein. Niemals“ antworten, und dennoch sind auch solche Szenarien denkbar. Angenommen, eine Gesellschaft entscheidet sich dafür, dass jede Person genau zwei Nachkommen zeugt (bei zu natürlicher Zeugung unfähigen Personen wird eine künstliche Zeugung vom Staat finanziert). Dann ist genetische Evolution per definitionem so gut wie abgeschafft. Denn jede genetische Variante breitet sich dann mit gleicher Rate aus, auch disfunktionale Varianten, und es wird zu einem Ansteigen der Häufigkeit von körperlichen ‚Behinderungen‘ aller Art kommen – ausgenommen so schwerwiegenden Behinderungen, die ein Embryo oder Baby sterben lassen, bevor es überhaupt künstlich vermehrt werden kann.

Solche Überlegungen bringen uns schnell in ideologisch ‚heißes‘ Denkwasser; aber folgerichtige Konsequenzen zu verdrängen, weil sie ethisch unliebsam sind, wäre noch schlechter. Ein weiteres Beispiel. Angenommen, die kulturell ‚Höherstehenden‘ (die ‚Gebildeten‘) einer Gesellschaft zeugen weniger biologische Nachfahren als die kulturell ‚Tieferstehenden‘ (die vergleichsweise ‚Ungebildeten‘) – bis zu einem gewissen Grad ist dies ja in der Tat der Fall (Boyd und Richerson 1985, 286). Ist die Folge kulturelle Dekadenz, wie es Konservative und Rechte oft beschwören? Das hängt davon ab. Angenommen, kultureller Erfolg und Erbanlagen sind nicht gekoppelt. Dann passiert gar nichts – es klettern dann jede Generation neue Individuen mit Eltern aus unteren Kulturschichten die sozialkulturelle Stufenleiter hinauf. Angenommen aber, eine die kulturelle Erfolgschancen erhöhende Genstruktur existiert und wird von Eltern auf Kinder vererbt. Dann wird in der Tat diese ‚kulturell höherwertige’ Gen­struktur in ihrer Häufigkeit sukzessive, bis auf einem durch Mutationen bestimmten kleinen Wert hin, abnehmen. Intelligenz beispielsweise gemäß gegenwärtiger empirischer Evidenz zu etwas mehr als 50% angeboren und im restlichen Prozentsatz primär durch den sozialen Status des Elternhauses bedingt. In einer Gesellschaft, in der die intelligenten Schichten deutlich weniger Nachkommen bekommen, wird nach wenigen Generationen daher der durchschnittliche IQ gesunken sein. Interessanterweise würde dasselbe sogar dann passieren, wenn man annimmt, dass der soziale IQ-Anteil vorwiegend durch den IQ des Elternhauses bedingt ist, sodass eine hohe Korrelation zwischen Intelligenz der Eltern und Kinder besteht, aber diese nun auf kultureller Memübertragung beruht. Nur wenn die Intelligenz der Kinder nur sehr wenig mit jenen der Eltern korreliert ist, wird das nicht geschehen. Nun ist die geschilderte Situation in z.B. in Deutschland (und in anderen 'postmodernen' Ländern tendenziell der Fall; vgl. Pressebericht des DWI Berlin vom 24.05.2006 über die Anzahl kinderloser Frauen, die bei Frauen mit akademischem Abschluss knapp unter 30% liegt (weniger als die frühere Horrormeldung von 50%), aber deutlich höher als die von Frauen mit Fachabschluss oder nur Abitur. Frauen mit Universitätsabschluss und westdeutschem Lebenslauf bleiben zu 35% kinderlos; Frauen mit Migrationshintergrund und akademischem Abschluss im Ausland, oder Frauen aus der Ex-DDR, nur zu 10% kinderlos. Ob dieser Zusammenhang beispielsweise auch ein Grund für die Ergebnisse der Pisa-Studie in Deutschland ist, ist bislang nicht diskutiert worden, wohl weil dies wertemäßig zu sehr mit humanistischen Vorstellungen konfligiert  was aber nichts am de-fakto Bestand dieser Zusammenhänge ändert.

Generell ist das Problem folgendes: für die Aufrechterhaltung der Häufigkeit erfolgreicher Gene ist ein konstanter Selektionsdruck nötig, den man auch als bewahrende Selektion bezeichnet (Kap. xx); und wenn die kulturelle Umwelt diesen Selektionsdruck abschafft, dann werden sich disfunktionale Genmutationen ungehemmt ausbreiten und daher in ihrer Häufigkeit langsam zunehmen, da disfunktionale Mutationen immer wahrscheinlicher sind als die inversen Rückmutationen. Auch die brisante Problematik dieses Faktums im Zusammenhang mit der Frage der Eugenik gehen wir in Kap. xx ein. Hier sei aber betont, dass die Erkenntnis solcher Sachverhalte nichts Grundlegendes an unseren humanistischen Werten ändern muss und keinen Sozialdarwinismus im starken Sinne impliziert. Jeder Mensch hat unabhängig von seinem IQ dieselben grundlegenden Rechte; und Menschen spezialisieren sich entsprechend ihren Anlagen und Fähigkeiten auf verschiedenen Weisen der Existenz­sicherung bzw. auf verschiedene berufliche Schichten hin; eine Gesellschaft benötigt alle Schichten in ausgewogenem Verhältnis; es muss Handwerker, Lehrer, Denker, Politiker, Organisatoren, etc. geben. Was jedoch impliziert wird, ist, dass es langfristig für eine Gesellschaft sehr nachteilig ist, wenn sich die eine Schicht viel stärker vermehrt als die andere, denn dann kommt es langfristig zu einem Ungleichgewicht, sofern es eine Korrelation der Schichtzugehörigkeit zwischen Eltern und Kindern gibt, egal ob diese vorwiegend genetisch oder vorwiegend sozial bedingt ist.
2.6 Weitere Ebenen der Evolution, ihre Größenordnungen und Zeitfenster: eine Verschachtelungshierarchie
2.6.1 Intuitiv-kreatives Denken als unbewusster evolutionärer Prozess: Campbell (Heyes 63, xx) hat, bezugnehmend auf Poincaré und Mach, den Prozess des kreativen Denkens versuchsweise als drawinischer Prozess modelliert. Bezuggenommen wird auf den Prozess des Aha-Erlebnisses: etwa wenn zum Zwecke der Lösung eines Problems  z.B. einem Schachproblem  versunken nachgedacht wird, ohne dass man weiß, was bzw. wie man denkt, und dann plötzlich einem die zündende Idee einfällt. Gemäß Campbell laufen dabei im kognitiven Unbewussten zahllose kognitive Prozesse ab, es werden in Sekundenschnelle zahllose Kombinationen erstellt und unbewusst gefittet, und erst wenn eine kognitive Kombination genau die gewünschten Eigenschaften zu besitzen scheint, 'poppt' sie auf ins Bewusste, und es fällt einem 'die Idee ein'. Obgleich dies ziemlich spekulativ ist, ist doch aus vielerlei Studien her bekannt, dass zahlreiche kognitive Prozesse (Sehen, Gestalterkennen, Sich-Erinnern, intuitives Schließen, usw.) weitgehend unbewusst ablaufen, d.h., wir wissen zwar, dass wir 'sehen' bzw. 'denken', aber haben keine Ahnung davon, was wir dabei eigentlich genau tun (s. Schurz xx).

Dass Kreativität in der Tat ein vom allgemeinen IQ einer Person unabhängige Eigenschaft ist  ab einem gewissen IQ ist Kreativität nicht mehr mit IQ korreliert  haben Untersuchungen von Simonton (1985) gezeigt. Besonders kreative Personen haben besonders viele Ideen, sie sprühen sozusagen aus ihnen heraus, was nicht heißt, dass die meisten dieser Ideen gute Ideen sind (Cziko 25ff; sowie Fine, Ward und Smith 1992).



2.6.2 Ein weiteres Feld, in dem die darwinschen Module angewandt wurden, ist die Immunologie (Cziko 19f): gemäß der klonalen Selektionstheorie von Antikörpern werden zunächst zufällig gewisse Antikörper produziert; diejene, welche sich mit gegebenen Antigenen, d.h. feindlichen Krankheitserregern verbinden und diese so unschädlich machen, werden über die Gedächtniszellen beibehalten und dann gezielt in größeren Mengen produziert (xx). Für Cziko (15ff, Heyes/Hull) ist dies ein weiterer Beleg dessen, was er die universal selection theory nannte.
2.6.3 Präbiotische Evolution der RNA-Moleküle: Bereits auf präbiotischer Stufe, also vor der Entstehung der ersten primitiven Zellen und damit des Lebens, kommt es zur Evolution von RNA-Ketten, welche sich replizieren, dabei gelegentlich mutieren, und um Nukleotide als Nahrungsbestandteile im Meer konkurrieren, und auf diese Weise selektiert werden. Dieser Prozess ist ebenfalls ein genuiner darwinscher Prozess, welche in Kap. xx näher besprochen wird. Wir werden hier sehen, dass es dabei sogar zu interessanten Kooperationsstrukturen zwischen RNA-Molekülen kommt. Damit sich längere RNA-Ketten nämlich weitgehend fehlerfrei replizieren können, benötigen sie Enzyme, die ihnen dabei helfen, und die bei allen Zellen durch Proteine bewerkstelligt werden, welche ihrerseits durch längere RNA-Ketten synthetisiert werden. Eigens Paradox besagt: ohne Proteine keine lange RNA-Ketten, ohne lange RNA-Ketten keine Enzyme. Wie man seit kürzerer Zeit herausfand, wurde diese enzymatische Funktionen in einer Phase der Erdgeschichte, als Proteine noch nicht in großem Maße vorhanden waren, ebenfalls durch RNA-Moleküle übernommen. Erst später wurde die enzymatische Funktion von RNA-Ketten durch Proteine abgelöst. Die erste Lösung ist der Eigensche Hyperzyklus; RNA-Ketten organisieren sich in einen Zyklus, wo jedes Glied sowohl altruistisch dem nächsten hilft, sich zu replizieren, wie vom vorhergehenden bei seiner eigenen Replikation unterstützt wird. Das Problem des Modells ist die Anfälligkeit gegenüber egoistischen RNA-Ketten, die sich nur helfen lassen, aber nicht selber helfen (Trittbrettfahrerproblem). Die längerfristig stabilere Lösung ist der Einschluss, die Separation, die Kompartimentierung. Ein intermediäres Modell ist der Einschluss in kleine Räume der Felsenoberfläche vulkanischen Gesteins. Diese Gesteine haben weiters die Eigenschaft, dass sich Lipidmoleküle daran anlagern. Membranen sind Lipiddoppelschichten, die hydrophoben Schwänze (gelagert an Gestein), gehen zusammen, nach außen hydrophile Köpfe. Bei Ablösung einer Lipidschicht vom Felsen entsteht die Doppelung, und außerdem ist die Kugelform energetisch begünstigt. Wenn sich darin zufällig ein Eigenscher Hyperzyklus einschließt, hat man so etwas wie eine erste Protozelle.
2.6.4 Präevolution physikalischer und einfacher chemischer Strukturen auf der Basis von begrenzter Variation und Retention

Schon Dawkins bezeichnete das 'Überleben des Bestangepassten als Sonderfall vom Fortbestand des Stabilen' (40). Und er erwähnt auch Kristalle als einfache Replikationsstrukturen (45). Insbesondere Campbell erläutert den Prozess des Kristallwachstums als Instanz seines Variations-Selektions-Retentions-Modells von Evolution (55). Beim Kristallwachstum, dem Auskristallisieren eines Salzes in flüssiger Lösung welche auskühlt, handelt es sich um folgenden Prozess: nur einige wenige regulär-geometrische Nachbarschaftsbeziehungen der Anionen und Kationen des Salzes sind chemisch stabil, d.h. energetisch tiefliegend, und eine solcher Anordnungszustand ist viel stabiler als die anderen. Dadurch, dass die Lösung eine gewisse Wärme und daher molekulare Anregung besitzt, werden nichtoptimale Nachbarschaftsanordnungen wieder gelöst, und nur die Anordnung, die besonders günstig ist  und die eben die Kristallsymmerie ergibt  setzt sich langfristig durch. Man spricht dabei auch von einem Boltzmann-Prozess bzw. einer Boltzmann-Maschine (Rojas 320ff)  durch das thermische Rauschen hat jedes Molekül genügend Zeit, den optimalen Platz zu finden; derselbe Prozess findet etwa bei Abkühlen eines Metalls statt, oder wenn Eisenfeilspäne über einem Magnetfeld angestoßen werden, damit sie sich letztlich alle in Richtung des Magnetfeldes orientieren.

Offenbar handelt es sich dabei um nicht um potentiell unbegrenzte Reproduktion, sondern um Retention. Eine begrenzte Anzahl von Molekülen, die variierende Positionen bzw. Zustände einnehmen, wird einem Selektionsprozess unterworfen, in dem die optimalen Zustände beibehalten werden  danach ist der Prozess zu Ende; der Kristall ist gebildet. Erstens ist diese Art von Evolution nicht unbegrenzt kumulativ ist, und zweitens ist der Möglichkeitsraum der Variationen begrenzt. Ich ziehe es vor, in diesem Fall nicht von Evolution, sondern von Präevolution zu sprechen. Und dies deshalb, weil derartige präevolutiven Prozess bereits in der Evolution des Kosmos und speziell in der Evolution von Planetensystemen sowie in der Evolution von simplen höheren Atomen sowie simplen Molekülen eine Rolle spielen. Campbell selbst übrigens kommt von seinem Modell des Kristallwachstums dann dazu, auch die Bildung von chemischen Molekülen ebenfalls als Instanz von Evolution zu bezeichnen (55). Denn auch in einem simplen chemischen Prozess, wie z.B. der Bildung von Eisenoxid etc., finden die beteiligten Atome schließlich jene Anordnung und Bindungsstruktur, die energetisch am günstigsten ist. Die Ausgangskonfiguration, die erwünschte Endkonfiguration, und evtl. andere Konfigurationen, stehen bei entsprechender Temperatur in einem reversiblen Gleichgewicht, das durch Abkühlung unter die 'Reaktionsschwelle' natürlich unterbrochen wird. Diese Prozesse sind so stark verschieden von echt-evolutionären Prozessen, dass ich sie durch den Begriff Präevolution davon abgrenzen will.

Auch in der Entwicklung unseres Kosmos finden zahlreiche prä-evolutionäre Prozesse statt, insofern sich dabei kurzlebige Strukturen längst verloren haben und nur mehr die ganz langlebigen anwesend sind  wobei es, wenn wir mit starken Teleskopen in sehr entfernten Regionen unseres Universums blicken, zu einer gewaltigen Zeitverschiebung kommt, da wir den Zustand des Universums zu dem Zeitpunkt beobachten, als das Licht auf seiner Reise zu uns es verlassen hat. Insbesondere die Entwicklung von einfachen chemischen Molekülen, sowie die Entwicklung von Planetensystemen aus Gaswolken, die um eine Sonne herum rotieren, gehorcht interessanten prä-evolu­tionären Strukturen, die wir in Kap. xx besprechen werden. So werden die Elemente des Periodensystems im Inneren von Sonnen ausgebrütet, speziell wenn die Wasserstoffkernverschmelzung zu Ende ist, beginnen weitere Kernreaktionen. Kohlenstoff benötigt zur Entstehung eine 3er Kollision: 2 He geben Be-Kern und fast gleichzeitig ein dritter He-Kern. Das innere junger Sterne, die selbst rotierende Scheiben sind, wird durch Explosionen entlang der senkrechten Achse zur Scheibe ausgeschleudert, und es bilden sich rotierende Wolken kleinere Atome und Moleküle, von sehr sehr geringer Dichte, um die Sonne. In der rotierende Wolke bilden sich einige größere Klumpen, die dann mehr und mehr Körper an sich ziehen  je größer ein Klumpen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er sich vergrößert. In der Fütterungszone (feeding zone) der Erde kämpften viele kleine Körper darum, zu wachsen, durch Gravitation restliche Teilchen anzuziehen (von 10 Mikrometer bis 10 km) – schließlich überlebte nur Erde. (Ähnlich wie sich ein Flussbett formt!!). Unterhalb des Jupiters ist der innere Asteroidengürtel, hier konnte kein Planet entstehen, weil Jupiter größere Stücke, die sich bilden, verschluckt. Wir haben folgende Beziehungen:



Evolution Protoevolution, Beispiel Planetensystem

Organismus Massenklumpen

ökolog. Nische Zone nichtvernachl. Gravitation (feeding zone)

Phänotyp. Merkmale Position (Umlaufbahn), Größe

Variation der Merkmale Variation von Größe, Position

Reproduktion Retention der Position (Größe kann wachsen)

Fitness =Reprod.srate Überlebenswahrscheinlichkeit

Selektion = untersch. R.rate untersch. Überleb.w.

Häufigkeit (evolut. Erfolg) Größe

Positive Häufigkeitsabhängigkeit entspricht: positive Abhängigkeit der Fitness von der Größe. Eine solche ist im fall der Protoevolution des Planetensystems gegeben.


2.6.5 Die evolutionäre Verschachtelungshierachie evolutionärer Systeme

Nach einem Vorschlag von Campbell ordnen sich evolutionäre Systeme und ihre Ebenen in einer Art Verschachtelungshierarchie an. Dies ist zwar kein exaktes, sondern nur grobes Modell, aber wir haben in untenstehender Abbildung versucht, diese Verschachtelungshierarchie mit ihren spezifischen räumlichen Größenordnungen und zeitlichen Größenordnungen  'Zeitfenster', wie man sagt  darzustellen.

Jahre km

Kosmos (inkl. Evol. Sonne und Elemente) 106 - 1010  1023

Planetensystem (inkl. chemische Mikroev.) 2.109  109

Chem. Makroevol. und biol. Evol auf der Erde 3.109 104 - 105

Kult Evolution von Gesellschaften 102-105 101-103

Indiv. Evol., Lernen 100-102 10-1

Einzelner Denkakt als Evol. 105 105
Die Verschachtelungsstruktur ist angegeben. Die Evolution des Planetensystems fand vor der chemisch-biologischen Evolution der erde statt. Die beiden sind auch zeitlich nicht dimensionsmäßig separiert, nur räumlich. Alle anderen sind verschachtelt, und zeitlich wie räumlich dimensionsmäßig separiert  d.h., die jeweiligen Subsysteme sind um 10er-Potenzen kleiner.
2.7 Das anthropische Prinzip  ein neuer Rettungsanker des deistisch-liberalen Kreationismus?
Aus der kosmologischen bzw. extraterrestrischen Evolutionsforschung  die weitgehend indirekt-theoretisch ist, da man noch kein extraterrestrisches Leben gefunden hat  geht es um die Frage, wie wahrscheinlich die Entstehung von Leben im Kosmos insgesamt ist. Aus verschiedenen Gründen hat man in jüngerer Zeit herausgefunden, dass die Entstehung von Leben gewissen äußerst fein tarierten Bedingungen zu verdanken ist, welche nicht mit physikalischer Notwendigkeit vorgeschrieben sind, sondern 'Zufälligkeiten' unseres Kosmos, unseres Sonnensystems, bzw. unserer Erde zu verdanken sind.

So diskutiert man, dass die Naturkonstanten, wie z.B. das Verhältnis von Protonen- und Elektronenmasse, die Elementarladung, Gravitationskonstante, vermutlich nicht physikalisch notwendig sind, sondern in anderen Universen durchaus andere sein könnten. Wäre aber die Gravitationskonstante nur etwas grösser als sie ist, dann könnten nur kleine Sterne entstehen. die schnell ausbrennen würden, und es würde nicht zur Bildung von Kohlenstoff oder zu stabilen Planetenbahnen kommen (Smolin 39). Wäre die Elektronenmasse nicht ungefähr gleich der Differenz von Neutronen- und Protonenmasse, so gäbe es keine stabilen Atomkerne (ebd 30). Wäre die kosmologische Konstante, die Energiedichte des Universums, die 1048, beträgt, mehr als 1040, dann würde das Universum in ein schwarzes Loch kollabieren. Wäre die starke Kenkraft, welche die Abstoßung zwischen den Protonen eines Atomkerns kompensiert, etwas stärker als sie es ist, dann gäbe es keine Kernreaktionen und es käme nicht zur Produktion der chemischen Elemente; wäre sie 50% schwächer oder mehr, wären die Atomkerne instabil. Würden die Parameter der Naturkonstanten des Universums durch Zufall gewählt werden, dann würde die Wahrscheinlichkeit eines Universums, in dem Sterne entstehen können, nach Smolins Abschätzung nur etwa 10229 betragen.


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