Evangelisches Gemeindelexikon


Theodizee -» Gott Theologie



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Theodizee -» Gott Theologie

Nach dem Wortsinn heißt T. »Lehre von Gott«. Innerhalb dieser allgemeinen Um­schreibung sind aber verschiedene Differen­zierungen üblich, insbesondere:



  1. NATÜRLICHE THEOLOGIE.

Die Vertreter 'der n.T. nehmen an, der Mensch sei mittels seiner —» Vernunft einer gewissen Gotteserkenntnis fähig, ebenso seien ihm bestimmte Gewissenforderungen (oft mit den —> Geboten gleichgesetzt) ange­boren. Die vom Platonismus abhängigen altkirchlichen Theologen sprachen von ei­ner abbildenden Teilhabe an den ewigen Ideen (Gottes), welche die Seele erlange, wenn sie sich denkend oder in mystischer Versenkung zur Berührung mit dem ewigen Licht erhebe. Die aristotelische T. (Thomas v. Aquin) hielt die Teilhabe an den ewigqn Ideen dagegen für angeboren, ebenso eine gewisse Kenntnis des ewigen Gesetzes (S. d. T. I/n 91,2). Aufgrund der Annahme einer »natürlichen Teilhabe am ewigen Gesetz in der rationalen Kreatur« schufen die spani­schen Spätscholastiker (Suarez, Vasques) ein umfassendes System der natürlichen Got­teserkenntnis und des natürlichen Rechts, das dann von der Aufklärungsphilosophie aus dem theologischen Zusammenhang ge­löst wurde (Grotius, Pufendorf) und in letz­ter Konsequenz die Offenbarung überflüssig machte (Rousseau). Durch die Kritik Kants, welcher der Vernunftreligion nur noch ethi­sche Postulate zuerkannte, wurde die Posi­tion der n.T. erschüttert, und weitgehend aufgehoben wurde sie durch den Natur- und Wissenschaftsbegriff der modernen Wissen­schaft, die den Bereich des natürlich Er­kennbaren auf die welthafte Wirklichkeit beschränkt. Abgelehnt wurde die n.T. auch durch die »dialektische T.« (K. -> Barth). Man verweist darauf, daß Paulus zwar in Röm i,i8ff. eine ursprüngliche Erleuchtung des Geschöpfs voraussetzt, derzufolge dieses den Schöpfer aus seinen Werken erkennen

Zum Artikel: Theologie



Übersicht über dogmatische Stichworte des Lexikons

  1. Vorfragen der Dogmatik:

Theologie, Wahrheitsfrage, Vernunft, Apologetik, Ideologie, Pluralismus,

Bibel, Biblische Theologie, Biblizismus, Fundamentalismus

  1. Erster Glaubensartikel

Gott, Atheismus, Säkularismus, Synkretismus,

Schöpfung, Geschichte, Weltbild, Wunder,

Mensch, Wille, Seele,

Böse, Sünde, Teufel, Krankheit, Tod

  1. Zweiter Glaubensartikel

Jesus Christus, Jungfrauengeburt, Auferstehung, Wiederkunft

  1. Dritter Glaubensartikel

Geist, Charismen,Bibel,

Erlösungsplan, Heil, Heilsgeschichte, Gnadenzeit,

Erwählung, Prädestination, Erweckung, Berufung, Bekehrung, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Glaube, Heilsgewißheit, Sakramente, Taufe, Abendmahl, Bibel, Predigt, Gemeinde, Endzeit, -erwartung, Reich Gottes, Antichrist, Wiederkunft, Auferstehung,- Allversöhnung, Universalismus




konnte. Wegen der Sünde aber wurden die Menschen einem »unverständigen Sinn« dahingegeben und ihr Herz verfinsterte sich (i,21). Demzufolge wäre eine T. der Schöp­fung erst in der Erleuchtung durch den Glauben wieder möglich.

  1. OFFENBARUNGSTHEOLOGIE.

Christliche T. gründet auf Offenbarung, d.h. auf der Selbstmitteilung Gottes in seinem Wort. Dieses Wort ist geschichtliches Wort, überliefert im Zeugnis der Apostel und Pro­pheten, d.h. in der Hl. Schrift Neuen und Al­ten Testaments. Aber weil das geschichtli­che Ereignis immer auch als Gottes Handeln verkündet wird, ist das Zeugnis davon zu­gleich theologische Aussage. Indem z.B. Paulus den Tod Jesu als Sühnetod »für uns« verkündet, ist das Wort vom Kreuz zugleich Botschaft von der —» Rechtfertigung des Sünders. Von der —» Auferstehung Jesu Chri­sti her wird unsere eigene Auferstehungs­hoffnung theologisch begründet (iKor 15). Die Evangelien verkünden, indem sie Jesu Taten berichten, daß er der Sohn Gottes ist. Gerade die historische Forschung hat ge­zeigt, daß den Evangelien Kerygma (Bot­schaft), nicht Biographie zugrunde liegt. Da­her sind die biblischen Berichte schon T., wenn auch noch nicht als reflektierte Lehre, sondern als Zeugnis vom Handeln Gottes. Der Schritt zur reflektierten Lehre und zum Dogma ist von hier aus berechtigt. Der An­fang findet sich bereits in den thematischen Ausführungen der Paulusbriefe oder in den Bekenntnisformeln wie Röm 1,3-4; 10,9; iKor 8,6; 15,3-7; Phil 2,6-11; iTim 6,13; iPetr 3,18, die dann im sog. Apostolikum münden und weiterführen zur vollen Aus­bildung des trinitarischen und christologi- schen Dogmas im 5. Jh. Das Interesse der T. war ursprünglich ein praktisches: Taufun­terricht, Bekenntnis, Polemik und Verteidi­gung (Apologie). Problematisch wurde die Sache, als die vom Platonismus und Aristo- telismus abhängigen Theologen die T. in den vorgegebenen Rahmen einer allgemeinen ontologischen Wissenschaft integrierten: Gott ist nun das höchste Allgemeine (Sein an sich, Erstursache, ewiges Gesetz), als sol­ches Basis eines Systems von Wesensbegrif­fen, die in Analogie zum höchsten Sein ge­bildet sind (Allgemeinheit, Möglichkeit, Zweckbestimmung, Aktualisierung). In die­ses System wird dann auch die als Lehrtradi­

tion interpretierte Offenbarung eingebaut: Christus ist ewiger Logos, sein Werk wird zum Verdienst, welches sich mit dem Schulddefizit verrechnen läßt und so die Seinsordnung wieder herstellt. Die Ontolo­gie ist der Rahmen der T. im —» Mittelalter, dann wieder in der Orthodoxie und in der Aufklärungst. Erst im 19. Jh. suchte die hi­storische T. dann die Lehre geschichtlich zu begründen {—» liberale T.). Aber man ging von einem allgemein-wissenschaftlichen Geschichtsbegriff aus und fragte nach all­gemeinen, in der —> Geschichte zu eruieren­den Vernunftwahrheiten (Wesen der Reli­gion, des Christentums, des Menschen). Die großen wissenschaftlichen Leistungen der historischen T. sind unbestreitbar. Anderer­seits ist kaum zu verkennen, daß die dem allgemeinen Wissenschaftsbegriff verpflich­tete Hochschultheologie (—» Wahrheitsfrage) eigentlich immer das Denken und die Wis­senschaft der Zeit in die Kirche hineingetra­gen hat - weil sie die Diener der Kirche aus­bildet -, wogegen biblische Erneuerungsbe­wegungen weithin eher aufgehalten bzw. von der theologischen -» Ausbildung fern­gehalten wurden. T. ist Lehre der Kirche, trotzdem ist auch heute, nach dem Ende des Staatskirchentums, die staatliche Hoch­schule immer noch Ausbildungsstätte der Theologen. Die Frage stellt sich, ob nicht zumindest als Alternative ein neues, kirch­liches Ausbildungskonzept geprüft werden müßte, in dem praktische Lehre und Ein­übung in das christliche Leben vereinigt wä­ren.

Lit.: O. Weber, Grundlagen der Dogmatik I, 1955 —


  1. J. Iwand, Glauben und Wissen, 1962 - W. Pan­nenberg, Grundfragen systematischer T., 1967 - J. Moltmann, Perspektiven der T., 1968 - G. Sauter (Hg.), T. als Wissenschaft, 1971 - K. Schwarzwäl- ler, Die Wissenschaft von der Torheit, 1976

Flückiger

Theologie, Neuere

Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über die theologiegeschichtliche Entwicklung seit Schleiermacher. Die Ar­beit der letzten zehn Jahre (etwa nach 1965) kann nur noch angedeutet werden, da die Langzeitwirkung der einzelnen Beiträge noch nicht abzusehen ist.



  1. Von Schleiermacher bis etwa 1-870

1. schleiermacher. Als »Kirchenvater« des 19. Jh.s und Vater der m.Th. gilt weithin D.

  1. E. Schleiermacher. Fast alle theologi­schen Richtungen des 19. und 20. Jh.s sind entweder von ihm beeinflußt oder stehen in Auseinandersetzung mit ihm. Sein Anliegen war die Versöhnung von Theologie und Wis­senschaft, Glaube und Bildung. Dabei setzt er Glaube mit Religion gleich, der frommen Erhebung des Gemüts, dem »Sinn und Ge­schmack fürs Unendliche«, dem »schlecht- hinnigen Abhängigkeitsgefühl«. Die Glau­benslehre als Beschreibung des christlichen frommen Gemütszustandes tritt an die Stelle der Dogmatik. Dem Glauben und der Theologie wird somit ein sturmfreier Be­reich zugewiesen, denn Metaphysik, Moral und Historie haben nunmehr mit dem Glau­ben und der Theologie nichts mehr zu tun. Wo man bisher von Gott redete, spricht man jetzt vom Menschen; anstößige Heilstatsa­chen wie —> Jungfrauengeburt, Versöhnung, Auferstehung und Himmelfahrt, —> Wie­derkunft werden entbehrlich. Die —> Bibel kann der radikalen historischen und sachli­chen Kritik preisgegeben werden, ohne daß der Glaube darunter leidet. Der Absolut­heitsanspruch der Bibel als Offenbarungs­quelle wird aufgegeben, denn die Bibel »ver­bietet keinem anderen Buche auch Bibel zu sein oder zu werden«. In der Fortentwick­lung und Auseinandersetzung mit Schlei­ermacher finden sich die spekulative, kon­fessionelle und Erweckungstheologie.

  1. die erweckungstheologie. Sie erwächst der —» Erweckungsbewegung. Ihre Haupt­vertreter sind A. -» Neander (Kirchenhisto­riker, Berlin) und A. —» Tholuck (Exeget, Hal­le). Ihre Theologie wird von ihrer Frömmig­keit getragen; ihr wissenschaftlicher Eifer konzentriert sich auf die historische Theo­logie. Tholuck prägt darüber hinaus als Pre­diger und Seelsorger viele Studenten und Pfarrer. Zu einer systematischen Besinnung über das Wesen der erwecklichen Frömmig­keit kommt es zunächst leider nicht. Das wird im hailenser Bereich eine Generation später von M. -» Kähler nachgeholt, der frei­lich nicht von der eigenen Frömmigkeit, sondern vom evangelischen Grundartikel der —» Rechtfertigung aus seine Dogmatik gestaltet. Auch in der -» Erlanger Theologie, in der sich bekenntnisgebundenes Luther­tum und persönliche Wiedergeburtsfröm­migkeit treffen (»Allein vom Erleben der Wiedergeburt her kann der ganze Komplex der lutherischen Lehre angeeignet werden«), kommt es zur systematischen Reflektion. Während im Bereich der Schriftauslegung die —» Heilsgeschichte den hermeneutischen Schlüssel reicht, ist in der Systematik das persönliche Erlebnis der —> Wiedergeburt der Ausgangspunkt (»Ich der Christ bin mir dem Theologen eigenster Stoff meiner Wissen­schaft««). —> Biblizismus

  2. DIE KONFESSIONELLE THEOLOGIE. Im Gefolge der Restauration bildet sich eine neue luthe­rische Hochorthodoxie heraus, die freilich weniger auf Luther als auf die altprotestanti­sche Dogmatik zurückgreift und sich mehr kirchenpolitisch als theologisch-wissen­schaftlich profiliert. Die hervorragendsten Vertreter der konfessionellen Theologie wa­ren E. W. —» Hengstenberg (Preußen), Th. -> Kliefoth (Mecklenburg) und A. -> Vilmar (Hessen).

  3. die spekulative Theologie. Noch zu Lebzei­ten Schleiermachers kam es in der spekula­tiven Theologie zu einer neuen Verbindung von Dogma und Philosophie. P. Marhei- neke (1780-1846 Berlin) und K. Daub (1765-1836 Heidelberg) wollten mit Hilfe der Philosophie Schellings und später —» He­gels das Dogma und die Offenbarung wis­senschaftlich entfalten und als objektive, universale Wahrheit beweisen. Trotz ortho­doxem Anschein führte das zum Verlust der geschichtlichen Verwurzelung des Glau­bens, ja, im Ausbau einer neuen Metaphysik verfiel man ähnlich wie im Rationalismus erneut dem Intellektualismus.

s. die -> liberale Theologie. Dabei war schon eine neue theologische Arbeitsweise im Werden: die »freie Theologie««, wie sie ihr dogmatischer Führer, A. E. Biedermann (1819-1885) nannte. Als liberale Theologie ist sie noch heute bekannt. »Frei«« erachtete sie sich von aller kirchlichen Überlieferung und dogmatischen Bindung, berufen zur kri­tischen Durchleuchtung derselben in aus­schließlicher Bindung an die Gesetze der Lo­gik unter Betonung des Rechts der freien Forschung. Aus der kritisch bearbeiteten Schrift erhob die wissenschaftliche Theolo­gie die von Verstandeswidersprüchen gerei­nigte religiöse Erkenntnis. Die Methode der freien Theologie wurde die historisch-kriti­sche Forschung in ihren verschiedenen Spielarten. Während sie für die Kenntnis der historischen Welt der Bibel Großes leistete, hat sie durch unzählige Irrungen, vor­schnelle Verabsolutierung von Arbeitshypo­thesen und Vergötzung einer zeitgebunde­nen Wissenschaftlichkeit samt deren ge­schlossenem Weltbild, der Glaubwürdigkeit des Evangeliums stark geschadet.

Die wichtigsten Vertreter dieser For­schungsrichtung waren D. F. Strauß und F.



  1. Baur (-» Liberale Theologie).

6. DIE VERMITTLUNGSTHEOLOGIE.

Einen Brückenschlag zwischen den ver­schiedenen Richtungen versuchte die Ver­mittlungstheologie mit C. I. Nitzsch (1787-1868) und R. Rothe (1799-1867) als Hauptrepräsentanten. Die Vermittlung reicht schließlich weit über Form und Me­thode hinaus und greift die Substanz an. Das Problem Glaube-Kultur suchte Rothe so zu lösen, daß die Kirche an das unbewußte Christentum in der Welt anknüpft, den Staat durchdringt und sich in ihn hinein auflöst. Hier tauchen Gedanken auf, die sich heute in der ökumenischen Theologie nach Upp­sala (1968) wiederfinden.



  1. Von 1870 bis zum Ersten Weltkrieg In der Zeit zwischen 1870 und 1914 verlagert sich in der liberalen und positiven Theologie das Gewicht auf die historische Forschung. Die philosophische Arbeit tritt zurück; die Dogmatik fühlt sich verpflichtet, den Glau­ben nicht mehr so stark vor der Philosophie, wohl aber vor der Historie zu rechtfertigen.

  1. ÜBERWINDUNG DER TÜBINGER SCHULE. Das geschah einmal durch überzogene Ge­schichtskonstruktionen von Schülern, die die Vorstellungen des Lehrers (Baur) ad ab­surdum führten (Zeller, Schwegeler, Bruno Bauer); zum anderen durch den erzwunge­nen Übertritt von Hauptvertretern dieser Richtung in andere Fakultäten und schließ­lich durch die grundlegende Lösung der syn­optischen Quellenfrage (Weiße, Wilke, Holtzmann), die das Baur'sche Geschichts­bild als unhistorisch entlarvte.

  2. die liberale Theologie nach 1870. Die her­vorstechendste Theologengestalt war zu­nächst Albrecht Ritschl, 1822-89, der von der Tübinger Schule F. C. Baurs herkom­mend, sich von der Geschichtskonstruktion des Meisters befreite und sich unter Rück­griff auf Kant gegen die Metaphysik in der Theologie und den zunehmenden Materia­lismus in der Gesellschaft wandte. In der Re­ligion geht es um die Selbstbehauptung der sittlichen Persönlichkeit gegenüber der ma­terialistischen Verflechtung. Nicht zu Welt­

erkenntnis, sondern zur sittlichen Weltbe­herrschung führt der Glaube. Nicht »Sein-«, sondern »Werturteile« sind gefragt. Das Christentum verwirklicht sich vor allem in der Berufstreue und Pflichterfüllung. Die dogmatische Tradition ist an den histo­risch-kritisch erfaßbaren Grundzügen des tätigen Lebens Jesu zu revidieren. Hier triumphiert der Optimismus des Bis- marck'schen Bürgertums und der Berufs­ethos des preußischen Beamtentums. Der glanzvollste seiner Schüler ist A. v. Harnack (1851-1930), begabter historischer For­scher, genialer Organisator wissenschaftli­cher Institutionen (Preußische Staatsbiblio­thek, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft), ausge­zeichneter und geehrter Vertreter seines Zeitalters. Im Apostolikumsstreit achtet er das Apostolikum für revisionsbedürftig, wird aber nicht wie manch anderer, der ebenso denkt, aus dem Amt entfernt. Als Hi­storiker wollte er Theologe sein und faßte sein Verständnis des Evangeliums in der Vorlesung »Das Wesen des Christentums« (später gedruckt) zusammen. Das Dogma ist Frucht der Hellenisierung des Christen­tums. Es gilt zurückzukehren zu dem dog­menlosen Christentum Jesu. Jesus selbst ge­hört nicht ins Evangelium, denn er verkün­dete lediglich die väterliche Liebe Gottes, die Bruderschaft aller Menschen und den unendlichen Wert der Menschenseele. Die Kirche machte irrtümlich daraus das Evan­gelium von Jesus und hielt dazu noch fäl­schlicherweise am Alten Testament fest. Diese Synthese von Humanismus und Christentum reflektiert den weltweiten Op­timismus der wilhelminischen Zeit und en­det in den Schützengräben des ersten Welt­krieges.

  1. DIE RELIGIONSGESCHICHTLICHE SCHULE. Paral­lel dazu brach sich auf dem Gebiet der alt- und neutestamentlichen Forschung die reli­gionsgeschichtliche Schule Bahn, deren füh­rende Männer, zunächst aus der Schule Ritschls und Baurs stammend, sich der Fest­stellung des Göttinger Orientalisten Paul de Lagarde, 1827-91, verschrieben, daß Theo­logie »eine ausschließlich historische Dis- ciplin sei« und der neutestamentliche Ka­non »die Sammlung der Bücher, welche die altkatholische Kirche in ihrem Kampf mit den Ketzern und Sekten des zweiten Jahr­hunderts geeignet betrachtete, als Beweis­mittel zu dienen«. Die Vorläufer der Bewe­gung waren A. Hausrath (1837-1909) (erste neutestamentliche Zeitgeschichte) und A. Hilgenfeld, 1833-1907 (erkannte Bedeu­tung der jüdischen Apokalyptik). E. Schürer, 1844 — 1910, sah das Christentum noch aus­schließlich im Rahmen des Judentums. O. Pfleiderer, 1839-1908, der eigentliche Vater der Schule, hat die in der damals blühenden archäologischen und paläographischen For­schung gewonnenen religionsgeschichtli­chen Erkenntnisse dazu verwandt, das Ur­christentum konsequent als Produkt der re­ligiösen Entwicklung im Zusammenhang seiner Zeit darzustellen. H. Gunkel, 1862-1932, brachte dazu den Begriff des Mythischen wieder ein. Der Entwicklungs­gedanke wird konsequent auf die Bibel an­gewandt. Die Bibel ist lediglich ein qualita­tiv gleichwertiger Ausschnitt aus der vor­derasiatischen Religionsgeschichte; das Christentum wird in die orientalischen Re­ligionen der hellenistischen Zeit eingeeb­net. Bedeutende Beiträge lieferten u.a. W. Bousset, 1865 — 1920, und W. Heitmüller, 1869-1926, (NT), H. Gunkel (AT), J. Well­hausen, 1844 — 1918 (AT und NT) und E. Troeltsch, 1865-1923 (Systematik). -» Bultmann, 1884-1976, führte das Erbe wei­ter. Positiv ist zu vermerken, daß die völlige Isolierung des Urchristentums von seiner Umwelt, wie es sich noch bei Harnack und Ritschl findet, durchbrochen wird. Die Le­ben-Jesu-Darstellungen des Rationalismus und Liberalismus werden als Spiegel- oder Wunschbilder der Verfasser entlarvt (A. Schweitzer, 1875-1965, »Geschichte der Leben Jesu Forschung«). Man erkennt: das Fremdartige der Schrift ist nicht zu elimi­nieren; als Lokalkolorit ist es Zeichen der Echtheit. Negativ ist zu notieren, daß das Problem Geschichte und Offenbarung neu akut wird und die Fragen nach der Autorität der Bibel und der Absolutheit des Christen­tums wieder entbrennen. Der Systematiker der Schule, E. Troeltsch, resigniert darüber und wechselt in die philosophische Fakultät über. Die Ungelöstheit dieser Frage lastet heute als schwere Hypothek auf der ökume­nischen und Missionstheologie. Unmöglich wird es weiterhin, ein Bild Jesu zu zeichnen, nachdem —» Bultmann im Rahmen der formgeschichtlichen Methode, die lediglich ein weiterer methodischer Zweig am Baum der religionsgeschichtlichen Schule ist, fast die ganze Jesusüberlieferung als Gemeinde­produkt verstehen wollte. Es bleibt lediglich das »Daß« des Lebens Jesu. Den Mythos will Bultmann freilich nicht eliminieren, son­dern unter Hinzuziehung der Heideg- ger'schen Existentialphilosophie für sein Zeit- und Existenzverständnis gültig inter­pretieren. Es sind ausgesprochene Fehler dieser Schule, die bis heute fortwirkt (s. IV), daß sie den Blick für die Eigenart der Bibel verlor, religionsgeschichtliche Parallelen auf Kosten bestehender Unterschiede über­betonte, die zeitliche Einordnung der Quel­len oft eklatant mißachtete und z.T. einem ausgesprochenen Skeptizismus gegenüber Bibel und Tradition verfiel, der ungerecht­fertigt ist (vgl. C. Colpe, »Die religionsge­schichtliche Schule«, 1961). In allem blieb man dabei dem geschlossenen physikali­schen Weltbild des 18. und 19. Jh.s total ver­haftet.

4. die POsmvE Theologie. In der positiven Ge­genbewegung treten nur wenige ausgeprägte Gestalten auf. A. -» Schiatter, gebürtiger Schweizer erwecklicher Herkunft und aus­gesprochen schöpfungsbejahend, geht trotz der erkannten Vielfalt von der Überzeugung der wesentlichen Einheitlichkeit des neute- stamentlichen Zeugnisses aus, sieht im ei­genen^ lauben eine notwendige Vorausset­zung zur sachgemäßen Darstellung des neu- testamentlichen Glaubens, betont in der exegetischen Arbeit vor allem den Sehakt und erkennt im palästinensischen Judentum den eigentlichen Verstehenshintergrund des NT. Sein Freund, H. —» Cremer, arbeitet auf dem Gebiet der biblischen Lexikographie und bereitet den Weg für Kittels »Theologi­sches Wörterbuch zum NT« vor. M. —> Käh- ler, Neutestamentler und Systematiker in Halle, betont, daß das biblische Christusbild der eigentliche Grund des Glaubens ist, denn sonst lebt der Christ von der Gnade des Historikers. Auf dem Gebiet der Systematik suchen K. —> Heim und W. —> Lütgert neue Wege aufzuzeigen. Schiatters Arbeit im an­tiken Judentum wird bis heute weiterge­führt durch u.a. H. Rengstorf (*1903), J. Je­remias (*1900), O. Michel (*1903) und M. Hengel (‘1926). Kählers Anliegen wurde vor allem von —> Schniewind und im systemati­schen Bereich von Iwand (1899-1960) auf­gegriffen. Biblizismus I

schon einige Linien bis in die Gegenwart ge­zogen, so ist noch auf die Neuentwicklung nach den Schrecken des ersten Weltkrieges hinzuweisen, der den liberalen Kulturprote­stantismus bis in die Wurzeln erschütterten. Der Fortschrittsoptimismus war gebrochen, die Sündhaftigkeit des Menschen neu er­kannt. Die Frage nach dem Inhalt der Predigt stellte sich verschärft. In dieser Krise gelang K. Barth mit seinem Römerbriefkommen­tar (1.919) ein Schritt nach vorn. Er wurde der Vater der Dialektischen Theologie, die vor allem eine Zuwendung zu Gott und seinem Wort, das von außen auf uns zukommt, sein wollte. Ein scharfes Nein zu natürlicher Of­fenbarung (gegen Emil —► Brunner), aller Be­wußtseins- und Erfahrungstheologie (in li­beraler Theologie, in Pietismus und Erwek- kungsbewegung - vgl. »Geschichte der prot. Theologie«) und zur Ableitung des Christen­tums aus den Religionen (religionsge­schichtliche Schule).erschallte. Gott ist der unverfügbare »Ganz-andere«. Freilich taten sich in der Einschätzung der Schrift als Of­fenbarungsquelle und in der Frage des Um­fangs und der Aneignung der Versöhnung neue Probleme auf. Dazu blieb der ethische Bereich unterbelichtet. Nach dem Kirchen­kampf und im Zuge der Entmythologisie- rungsdebatte verlor die dialektische Theolo­gie an Bedeutung.



  1. Neue Schritte nach dem Zweiten Welt­krieg und bis in die Gegenwart.

Unter den Bultmannschülern wurde der Versuch unternommen, erneut ein Bild vom historischen Jesus zu zeichnen, da man ein­sah, daß der Glaube vom Daß des Lebens Jesu allein nicht leben kann (E. Käsemann,

  1. Bornkamm, G. Ebeling). Man wagte sich wieder von der Detailforschung zu Gesamt­entwürfen (alt- und neutestamentliche Theologie, Redaktionsgeschichte). Vor al­lem aber zeigte sich in den sozialen Ausein­andersetzungen der ausgehenden sechziger Jahre, daß der extrem skeptizistische und existentialistisch-individualistische Ansatz Bultmanns nicht durchzuhalten ist. Bult­mann wurde noch zu seinen Lebzeiten über­lebt. In der konsequenten Weiterführung seiner Linie gelangte man zu der Eliminie­rung Gottes (Gott-ist-tot-Theologie: van Bu­ren, Altizer, Soelle, Braun), zur Aufhebung aller ethischen Normen (Situationsethik). Der Versuch, auf dem ethischen Gebiet un­ter Beibehalt seines theologischen Grundan-

Satzes über Bultmann hinauszuführen, brachte die politische Theologie, die Theo­logie der —> Revolution (Moltmann) und die Theologie der Befreiung (Bonino) hervor. Durch die starke Missionstätigkeit der letz­ten 150 Jahre machen sich zunehmend au­ßerwestliche theologische Stimmen hörbar, fordern die Entwestlichung der Theologie und gleichzeitig ihre Kontextualisierung in der Dritten Welt. Die alte Frage nach der Ab­solutheit der biblischen Offenbarung, die schon in der Aufklärung und wiederum in der religionsgeschichtlichen Schule an- stand, die in den missionstheologischen Konferenzen (Jerusalem 1928, Tambaram 1938 - H. Kraemer, Neu Dehli 1961, Bang­kok 1972/3) nicht geklärt wurde, stellt sich in neuer Schärfe in der theologischen Kon- textualisierungsdebatte (Schwarze Theolo­gie, Afrikanische Theologie) und im Dialog­programm der Ökumene (—» Synkretismus, —» Mission, —» ökumenische Bewegung). Positiv ist zu vermerken, daß es bei jüngeren Theologen zu einem neuen Ernstnehmen des biblischen Textes kommt (Roloff, Stuhlmacher u.a.). Der heilsgeschichtliche Ansatz findet - unter neuhegelschen Vor­zeichen - erneut Beachtung (Pannenberg). Wie wei_t der —> evangelikale Aufbruch sich in der Schultheologie niederschlagen wird, ist noch nicht abzusehen.

Im wesentlichen haben die gleichen Fragen die Theologie über die letzten 200 Jahre be­gleitet: Glaube und wissenschaftliches Weltbild, Offenbarung und Geschichte, Christentum und Religionen, die persönli­che Aneignung und der Bereich des Glau­bens; die Anwendbarkeit philosophischer Erkenntnistheorien auf die theologische Ar­beit und die rechte theologische Methode allgemein. Es gibt in der Theologie keinen Stillstand. »Der Glaube, (der) ein für allemal den Heiligen übergeben ist« (Jud 3), ist im­mer neu zu formulieren, in den wechselnden Zeitläufen zum Leuchten zu bringen und vor den Angriffen der verschiedensten Lager zu rechtfertigen und zu verteidigen.

Lit.: K. Barth, Die protestantische Theologie im 19. Jh., i960'1 - H. Stephan/M. Schmidt, Geschichte der evangelischen Theologie in Deutschland seit dem Idealismus, 197 3-1 - W. G. Kümmel, Das Neue Testament, Geschichte der Erforschung seiner Probleme, 19692 - H. J. Kraus, Die biblische Theo­logie - ihre Geschichte und Problematik, 1970 - A. Köberle, Der Weg der ev. Theologie in der Neuzeit, in: Christliches Denken, 1962

Egelkraut



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