Schleswig-Holstein Ministerium für Bildung


Mein schulischer und beruflicher Werdegang in Begleitung durch das LFS



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Mein schulischer und beruflicher Werdegang in Begleitung durch das LFS



Lars-Ole Wandel


Seit dem Jahr 1999 begleitet mich nun schon das Landesförderzentrum Sehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals mit meiner Mutter zum ersten Mal in Schleswig im Internatsgebäude übernachtet habe. Das war der Anfang von etwas, was mein ganzes Leben beeinflussen sollte.

Die ersten Kurse waren noch sehr ungewohntfür mein junges Ich. „Alleine" mit bis zu zwölf anderen Kindern, die eine Sehbehinderung haben oder blind sind. So war das also für meine Mitschüler, jemanden vor sich zu haben, der Texte sehr nah vor sein Gesicht halten muss und besonders behandelt wird.

Da ich an einer Regelschule beschult wurde und nicht, wie manch anderer Sehbehinderter, an einer Schule für Sehbehinderte, konnte ich mit den Behinderungen der Anderen erst nichts anfangen. Schnell merkte ich, wie wichtig es ist, dass man seine Behinderung akzeptiert, mit ihr zu leben lernt und anderen vermittelt, wie sich die Behinderung auswirkt und welche Hilfestellungen man braucht. Neben dieser sehr wichtigen Fähigkeit habe ich

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auch einige andere Sachen gelernt. Darunter waren solche Sachen wie Kochen, Orientierung im Straßenverkehr und vieles mehr.

Ein- bis zweimal im Jahr kam ein Lehrer des LFS auch zu mir in die Schule und hat sich mit Lehrern und Schülern darüber unterhalten, wie man mit Schülern, die eine Sehbehinderung haben, umgehen sollte und was es bedeutet, eine Sehbehinderung zu haben.

Wichtig war auch, die vielen Hilfsmittel kennenzulernen, die einem zur Verfügung stehen, wenn man sie braucht. Bei jedem Kurs, den das LFS in seinem eigenen „Kurshaus" angeboten hat, habe ich mehr und mehr von ihnen kennen und lieben gelernt.

Als ich dann mit der Schule fertig war, wurde mir nach einigen Praktika, die auch vom LFS begleitet wurden, klar, dass ich einen handwerklichen Beruf lernen wollte. Aufgrund meiner Sehbehinderung schickte mich die Agentur für Arbeit, nach einem Beratungsgespräch, nach Soest in NRW. Dort sollte ich alle Grundlagen lernen, die für eine handwerkliche Ausbildung im Metallbereich notwendig waren. Nach dieser einjährigen Berufsvorbereitung musste ich mich dann entscheiden: Mache ich meine Ausbildung in Soest, weit weg von zu Hause, aber dafür bei Ausbildern, die den Umgang mit Behinderten kennen? Oder mache ich die Ausbildung in Schleswig-Holstein, wo ich herkomme? Hier gibt es jedoch die Hürde einen Betrieb zu finden, der mit meiner Behinderung bereit ist zu arbeiten. Die Frage war nicht leicht. Aber zum Glück wusste das Landesförderzentrum auch dafür eine Lösung. Dem Betrieb wurde ein Lehrer des LFS an die Seite gestellt, der bei Fragen Rede und Antwort geben konnte.

So kam es dazu, dass sich ein Betrieb bereit erklärte, diese Aufgabe zu schultern. Also fing ich im Jahr 2013 meine Ausbildung zum Industriemechaniker beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Kiel-Holtenau (WSA) an. In der Ausbildungswerkstatt standen zwar noch einige alte Drehmaschinen, welche noch analoge Anzeigen aufwiesen. Doch mein Ausbilder hat gleich nach der Probezeit eine der Maschinen auf Digitalanzeigen Umrüsten lassen. Außerdem bekam ich vom LFS einen digitalen Höhenreißer, mit dem man Orientierungslinien auf Werkstücke anreißen kann. Die Zeichnungen und Arbeitsblätter, nach denen wir arbeiten mussten, bekam ich sowohl im Betrieb als auch in der Berufsschule eine Nummer größer kopiert. Irgendwann stand dann die Zwischenprüfung an. Für diese habe ich in Absprache mit dem LFS einen Antrag auf Nachteilsausgleich bei der IHK gestellt, deshalb durfte ich eigene Hilfsmittel benutzen. Dazu kam eine Zeitverlängerung sowohl für den praktischen als auch den schriftlichen Teil der Prüfung. Diese wurden genehmigt.

Dank dieser Hilfsmittel und trotz der Sehbehinderung habe ich meine Ausbildung ein halbes Jahr früher, also schon nach drei Jahren, im Sommer 2016 abgeschlossen. Nachdem ich dann ein Jahr in meinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet habe, mache ich nun seit dem Herbst 2017 meine Fachhochschulreife im Bereich Technik nach mit dem Ziel, an die Fachhochschule zu gehen und dort Maschinenbau zu studieren.


Ohne die Hilfe des LFS wäre das alles deutlich schwerer, wenn nicht sogar unmöglich gewesen.


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Vom Norden und vom Süden



Erwin Denninghaus und Theo Wenker


Nahezu revolutionär war die Errichtung der staatlichen Förderschule Sehen in Schleswig im Jahr 1983. Konsequent wurde und wird seitdem die Beratung und Unterstützung von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern in Schulen am Wohnort durchgeführt und nicht an der Schule in Schleswig. Dieses Prinzip galt und gilt auch im berufsbildenden Bereich bis heute.

Lehrerinnen und Lehrer des Berufsschulteams unterstützen nicht nur im Unterricht an der Berufsschule, sondern sie begleiten sowohl den Prozess der Berufsorientierung und Berufswahlentscheidung als auch die betriebliche Ausbildung. Damit gestaltete das Land Schleswig-Holstein den Übergang von der Schule in den Beruf für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler neu. In enger Abstimmung mit der damaligen Bundesanstalt für Arbeit wurden unbekannte Wege beschritten, um das Ziel der beruflichen Eingliederung zu erreichen.

Schon damals war den Initiatoren bewusst, dass Inklusion nicht nur den schulischen Bereich umfassen kann und die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe das eigentliche Ziel sein muss. Denn nur, wer sein eigenes Geld verdient und unabhängig von sozialen Transferleistungen ist, kann ein selbstbestimmtes Leben führen.

Das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig besaß und besitzt Strahlkraft und hat teilweise Leuchtturmcharakter. Aus diesem Grund ist es ein Anziehungspunkt für viele Experten und Delegationen, auch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, um sich zu informieren und inspirieren zu lassen. Das Förderzentrum hatte und hat den Mut, Neues auszuprobieren und neue Wege zu gehen.

Ist inklusive Bildung immer der richtige Weg zu beruflicher Teilhabe? Irritiert nahm die Fachwelt zur Kenntnis, dass die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen in Dänemark nach 30 Jahren inklusiver Bildung niedriger ist denn je*. (* Rodney, Peter: Stolpersteine auf dem Weg zur Inklusion - 30 Jahre lnklusion blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler in Dänemark -Ein Erfolgsmodell? In: blind- sehbehindert Zeitschrift des Verband es für Blinden-undSehbehindertenpädagogik e.V. (VBS), Ausgabe 4/2011, S. 218 -228.

Auch sieben Jahre inklusiver Bildungspolitik in NRW haben nicht zu den erwarteten Erfolgen geführt. Inklusive Bildung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen ist offensichtlich nicht per se



Josef Adrian während des Sommerfestes 2012



der Königsweg, genauso wenig wie die Beschulung an einer Förderschule zu beruflicher und gesellschaftlicherTeilhabe führen muss.

Maßgebend sind zielführende Konzepte der schulischen und beruflichen Bildung, deren konsequente Umsetzung durch Schulen und berufliche Bildungseinrichtungen sowie deren auskömmliche Finanzierung durch die verantwortlichen Kostenträger. Das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig gehört sicherlich zu den Institutionen, die eine schlüssige Konzeption vorweisen, die von kompetentem Personal umgesetzt wird, und das über die dafür notwendigen Ressourcen verfügt, um die Bildungsziele seiner Schülerinnen und Schüler erfolgreich unterstützen zu können.

Der Föderalismus im Bildungsbereich ist mitunter sehr mühsam, bietet aber auch Chancen. Im Fall des staatlichen Förderzentrums Sehen in Schleswig können wir uns alle freuen, dass eine historische Chance genutzt und über viele Jahre erfolgreich weiterentwickelt wurde. Für die Zukunft ist es wünschenswert, dass die Diskussion über die Bildung blinder und sehbehinderter Menschen sich stärker am Ziel der beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabe orientiert und nichtvon Ideologien, sondern vom Bemühen um optimale Rahmenbedingungen im Einzelfall geprägt ist.

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