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KG Berlin 25 W 218/01, B.v. 22.03.02, InfAuslR 2002, 315; NVwZ-Beilage I 2002, 109; IBIS C1708



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KG Berlin 25 W 218/01, B.v. 22.03.02, InfAuslR 2002, 315; NVwZ-Beilage I 2002, 109; IBIS C1708 [Erfordernis eines "Abschiebehaftbefehls", solange der Ausländer sich nicht strafbar illegal aufhält] www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1708.pdf

Der Besitz der noch nicht abgelaufenen Duldung steht der Rechtmäßigkeit der von der Ausländerbehörde zur Durchsetzung der Abschiebung veranlassten Freiheitsentziehungsmaßnahme durch die Polizei vom 6. Mai, 6.30 Uhr bis 7. Mai 13.30 Uhr entgegen. Der Antragsteller hat trotz der am 17.05.01 erfolgten Ablehnung des von der Ausländerbehörde gestellten Haftantrags durch das AG Schöneberg aufgrund Art 19 Abs. 4, 104 Abs. 2 GG ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu die neuere Rspr. des BVerfG, EuGRZ 1997, 374; NJW 1997, 2165; NJW 1998, 2432; NJW 1999, 3773; Beschluss BVerfG v. 05.12.01).

§ 13 Abs. 2 FEVG sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, eine Verwaltungsmaßnahme, die sich als Freiheitsentziehung darstellt, im gerichtlichen Verfahren anzugreifen. Das LG ist nicht der Auffassung des AG gefolgt, wonach die "zum Zwecke der Direktabschiebung" angeordnete Maßnahme als "genehmigungsfreie Freiheitsentziehung" angesehen werden könne, weil die Abschiebung zunächst für den 17.05.01 vorgesehen war. Bei der Abgrenzung einer bloßen Freiheitsentziehung i.S.v. Art 104 Abs. 1 GG von der dem Richtervorbehalt unterliegenden Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 GG sind zwar vorübergehende Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit insbesondere im Zusammenhang mit körperlichen Zwangsmaßnahmen auszuklammern, doch sollten die vorgesehenen Maßnahmen weit über dem mit einer Direktabschiebung verbundenen "unmittelbaren Zwang" hinausgehen. Der Betroffene sollte nicht nur aus seiner Wohnung geholt und zum Flugzeug gebracht werden, sondern es war vorgesehen, dass er gegen seinen Willen für mehr als einen Tag im Abschiebegewahrsam bleiben sollte. Wenn eine Person gegen ihren Willen in einem Haftraum untergebracht wird und sich der Abschiebevorgang über viele Stunden erstreckt, liegt jedenfalls eine Freiheitsentziehung i.S.v. § 2 Abs. 1 FEVG vor (vgl. Fundstellen ...).

In einem solchen Fall ist entsprechend Art 104 Abs. 2 S. 2 GG und § 13 Abs. 1 S. 1 FEVG für die an sich nur nach vorangegangener richterlicher Entscheidung zulässige Freiheitsentziehung unverzüglich eine richterlicher Entscheidung nachzuholen.

Das Wort "unverzüglich" in Art 104 GG schließt eine regelmäßige Ausschöpfung der in Art 104 GG genannten Maximalfrist zur richterlichen Überprüfung der Festnahme ("bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen") im Rahmen einer "üblichen Verwaltungspraxis", auf die die Ausländerbehörde verweist, aus. Welcher Zeitraum als sachlich legitimiert angesehen werden kann, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Selbst wenn die Ausländerbehörde von einem rechtlich möglichen Vorabhaftantrag abgesehen haben sollte, weil sie dann ein Untertauchen des gewarnten Betroffenen nicht für ausgeschlossen hielt, hätte sie den Haftantrag zumindest vorbereiten und am Morgen des 16.5. sogleich dem AG per Fax zuleiten können, um eine sofortige richterliche Vorführung zu ermöglichen. Am fraglichen Wochentag war ein Haftrichter verfügbar. Es ist nicht erkennbar, dass eine vorherige Verbringung in Abschiebegewahrsam bei einer Ingewahrsamnahme, die von der Ausländerbehörde selbst zeitlich vorher bestimmt werden kann, organisatorisch unvermeidbar wäre.

Es sprechen auch Gründe der Prozessökonomie für den Ausschluss des Verwaltungsrechtswegs und die Übertragung der Rechtsmäßigkeitskontrolle insgesamt auf den Haftrichter der ordentlichen Gerichtsbarkeit, es bleibt also insoweit bei der Zuständigkeit des AG Schöneberg für die Rechtsmäßigkeitskontrolle (wird ausgeführt).

Da die Ausländerbehörden nach dem Ausländerrecht nicht befugt sind, selbst ohne richterliche Vorabanordnung Maßnahmen zur Durchsetzung von Abschiebungshaft zu treffen (vgl. Fundstellen ...), kann sich eine Ermächtigungsgrundlage für die Festnahme des Betroffenen nur entweder aus dem Berliner Polizei- und Ordnungsrecht oder aus dem Strafprozessrecht ergeben. Die Festnahmerechte nach § 127 Abs. 1 StPO können nur ausnahmsweise eine von der Ausländerbehörde veranlasste kurzzeitige Freiheitsentziehung tragen, wenn jemand auf frischer Tat getroffen wird und der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Die Festnahmerechte nach § 127 Abs. 2 StPO stehen ohnehin nur der Staatsanwaltschaft und der Polizei zu, nicht jedoch den Angehörigen der sonstigen Verwaltungsbehörden.

Bei der Prüfung der Legitimation der Ausländerbehörde zur Freiheitsentziehung kann nicht an Stelle der für die Ingewahrsamsnahme geltenden Spezialregelung des § 30 ASOG (Berliner Allgemeines Sicherheits- und Ordungsgesetz) auf die Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG zurückgegriffen werden, denn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff kann stets nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der speziellen Eingriffsnorm zugelassen werden. Es fehlt auch eine landesrechtliche Grundlage für eine Freiheitsentziehung auf Anordnung der Ausländerbehörde. § 30 ASOG gestattet es nur der Polizei und nicht der Ausländerbehörde, eine Person in Gewahrsam zu nehmen, wen dies unerlässlich ist, um eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.

Nach § 92 AuslG wird bestraft, wer sich ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung im Bundesgebiet aufhält. Soweit durch eine polizeilich in eigener Verantwortung veranlasste Festnahme, selbst wenn diese im Zusammenhang mit einem Hinweis der mit der Ausländerüberwachung betrauten Ordnungsbehörden steht, mit der Vorführung beim Abschiebehaftrichter eine beschleunigte Abschiebung und damit die Fortsetzung des illegalen Aufenthalts verhindert werden soll, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, dafür ausnahmsweise eine ordnungsrechtliche Grundlage aus dem ASOG abzuleiten. Zumindest wenn mit der Festnahme und kurzfristigen Ingewahrsamsnahme das Untertauchen unterbunden würde, was der Fall sein kann, solange die freiwillige Ausreise möglich ist und keine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung besteht KG, STrV 1999, 95), kann es nicht grundsätzlich rechtswidrig sein, wenn die nicht zu entsprechenden Anordnungen berechtigte Ausländerbehörde die mit entsprechenden Präventivbefugnissen ausgestattete Polizei aus das drohenden Untertauchen eines ihr bekannten illegal aufhältlichen Ausländers und die umgehend beabsichtigte Haftantragstellung hinweist, solange dies nicht als eine für die Polizei verbindliche Haftanordnung gefasst ist oder verstanden wird.

Sowohl das BVerwG (BVerwGE 62, 317, 320) als auch der BGH (NJW 1993, 3069f.) haben durchaus die Möglichkeit einer Festnahme auf Grundlage von landesrechtlichen Vorschriften des Polzeirechts offen gelassen. Soweit das KG darauf hingewiesen hat (InfAuslR 1997, 34 und FGPrax 2001, 40), dass ein vorläufiger Verwaltungsgewahrsam dem Freiheitsentziehungsrecht fremd ist, wäre klarzustellen, dass dies nicht für Maßnahmen gilt, die im Einzelfall zur Verhinderung von Straftaten polizeiordnungsrechtlich geboten erscheinen. Da es auch im AuslR Straftatbestände gibt, scheint es nicht geboten, einen polizeirechtlichen Unterbindungsgewahrsam in solchen Fällen grundsätzlich auszuschließen, nur weil auch in Abstimmung mit der Ausländerbehörde die Vorführung beim Abschiebehaftrichter erfolgen soll. Es muss jedoch klar sein, dass die Verantwortlichkeit bei den insoweit allein zuständigen Polizeikräften liegt Vorliegend stellt es sich jedoch so dar. dass die Polizei bei der Festnahme einer Anordnung der Ausländerbehörde gefolgt ist, für die es an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt.

Selbst wenn vorliegend nur eine bloße Mitwirkung der Ausländerbehörde stattgefunden hätte, hätte es an den Voraussetzungen für einen polizeiliches Unterbindungsgewahrsam rechtfertigenden Straftatbestand des § 92 AuslG gefehlt, da die Duldung des Betroffenen noch gültig war, abgesehen davon, dass stets auch die Verwirklichung eines subjektiven Tatbestandes für ein solches nur vorsätzlich begehbares Delikt zu prüfen wäre. Am Vorsatz fehlt es jedoch, solange der Betroffene vom Bestehen eines Ausreise- oder Abschiebungshindernisses ausgehen darf. Es bedarf nach § 56 Abs. 6 stets eines schriftlichen Widerrufs des begünstigenden Verwaltungsakts, damit der Betroffene sich strafbar macht und gegen ihn noch vor Ablauf des Duldungszeitraums Abschiebemaßnahmen eingeleitet werden können. Im vorliegenden Fall war eine Benachrichtigung vom Eingang des Passes bei der Ausländerbehörde schon deshalb geboten, weil der betroffene ohne diesen auch nicht freiwillig ausreisen könnte, so dass ihm wegen seines Verbleibs in Deutschland kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden könnte.


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