LSG Rh-Pfalz L 3 ER 37/06 AY, B.v. 27.03.06 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8028.pdf Leistungen nach § 2 AsylbLG für geduldete Kurden aus der Türkei. Die Antragsteller reisten 2001 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragten Asyl. Das Bundesamt hat den Asylantrag abgelehnt und festgestellt, dass keine Abschiebehindernisse vorliegen. Die Entscheidung wurde 2003 bestandskräftig. Gemäß amtsärztlichen Gutachten aus 2005 besteht aus psychiatrischer Sicht wegen Suizidalität u.a. Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1).
Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsteller bereits Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Für das, was zum Lebensunterhalt unerlässlich ist, sind zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes die für den jeweiligen gesetzlich geregelten Sachbereich geltenden normativen Vorgaben zur Grundlage zu machen (vgl. OVG Münster 12 B 622/01 v. 16.10.01). Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers sollen grundsätzlich alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG die in § 2 AsylbLG vorgesehenen erhöhten Leistungen des SGB XII nach 36 Monaten erhalten.
Diese Regelung ist Ausdruck des Integrationsgedankens. Bei ausreichend langer Aufenthaltsdauer von mehr als 36 Monaten soll dem Ausländer auch eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden. Dies begründet, ihm Leistungen entsprechend der Sozialhilfe zu gewähren (vgl. BT.-Drs. 13/2746, S. 15). Es würde jedoch dem Integrationsgedanken widersprechen, Asylbewerber nach Ablauf von 36 Monaten auf abgesenkte Leistungen zu verweisen. Eine Verzögerung der für Ausländer vorgesehenen Integrationsmöglichkeiten stellt einen unzumutbaren Nachteil dar (vgl. OVG Bremen S 3 B 199/05, B.v. 06.09.05; SG Hildesheim S 34 AY 8/05 ER, B.v. 25.05.05). Aus diesem Grund ist auch keine Herabsetzung auf 80 v.H. des Regelsatzes nach dem SGB XII gerechtfertigt.
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Was im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG unter rechtsmissbräuchlich zu verstehen ist, sagt das AsylbLG selbst nicht. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass die Anwendung des SGB XII grundsätzlich für alle Fälle des § 1 AsylbLG nach 36 Monaten erfolgen soll. Ausgenommen sollten nur die Fälle sein, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufenthaltes (z.B. durch Vernichten des Passes, Angabe einer falschen Identität) selbst beeinflusst habe. Nach der Gesetzesbegründung knüpft die Regelung über die Folgen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens an den Entwurf der EU-Richtlinie zur Asylaufnahme an (BT-Drs. 15/420).
Art. 16 der Richtlinie 9/2003 v. 27.01.03 fasst Formen "negativen Verhaltens" zusammen, die auf nationaler Ebene eine Einschränkung der Leistungen erlauben, z.B. bei falscher Identitätsangabe. Dieser Fall ist jedoch nicht vergleichbar mit der Einreise über einen sicheren Drittstaat (a.A. ohne Begründung Hohm, NVWZ 2005, 388, 390). Die Antragsteller aufgrund der Erkrankung des Antragstellers zu 1) daran gehindert, Deutschland zu verlassen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich hieran seit 2005 etwas geändert hat.
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