§ 62 AufenthG, § 57 AuslG, § 14 Abs. 4 AsylVfG - Abschiebungshaft
Inhaftierung Asylsuchender
LG Berlin 84 T XIV 188/98 B v. 25.8.98, IBIS C1331, NVwZ-Beilage 1998, 127 Leitsatz: "Stellt ein Ausländer nach Festnahme, aber vor richterlicher Anordnung der Abschiebungshaft erstmals einen Antrag, als Asylberechtigter anerkannt zu werden, so steht die dadurch erworbene Aufenthaltsgestattung der Anordnung von Abschiebungshaft auch dann entgegen, wenn er sich seit seiner Einreise länger als einen Monat in Deutschland aufgehalten hat". Die der Inhaftierung regelmäßig vorangehende Festnahme und das anschließende Ingewahrsamhalten bis zur richterlichen Anordnung ist jedenfalls keine Sicherungshaft i.S.v. § 57 AuslG.
LG Berlin 84 T XIV 138/98 B v. 1.7.98, IBIS C1332, NVwZ-Beilage 1998, 127 Leitsatz: "Stellt ein Ausländer, der sich nach unerlaubter Einreise bis zum Beginn der Sicherungshaft länger als einen Monat im Bundesgebiet aufgehalten hat, aus der Haft einen Asylerstantrag, dann kann die Aufrechterhaltung oder Verlängerung der Sicherungshaft nicht auf § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG gestützt werden, denn diese asylverfahrensr echtliche Vorschrift ist generell unanwendbar, weil sie eine inhaltslose Rechtsfolge an einen unerfüllbaren Tatbestand knüpft. Die vom Gesetzgeber mit ihrer Einführung maßgeblich beabsichtigte Einführung eines zusätzlichen Vorbereitungs- oder Sicherungshaftgrundes ist nicht in der den Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entsprechenden Form Gesetz geworden."
Vgl. auch LG Berlin 84 T XIV 207/98 B v. 2.10.98, InfAuslR 1999, 90 zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebehaft bei fehlender Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht wegen in der Haft gestelltem Asylfolgeantrag eines früher abgelehnten, illegal wieder eingereisten Asylsuchenden.
OLG Brandenburg 8 Wx 20/02, B.v. 05.02.02, InfAuslR 2002, 481 Ein Rechtsschutzinteresse, die Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft festzustellen, besteht auch dann, wenn zwar die Haftanordnung unanfechtbar geworden ist, der Betroffene aber in den Vorinstanzen erfolglos einen Aufhebungsantrag gestellt hat.
Bei aus der Abschiebehaft gestelltem Asylantrag endet die Haft kraft Gesetzes spätestens 4 Wochen nach Eingang des Asylantrags beim BAFl. Ob das Bundesamt den Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt hat ist unerheblich, wenn der Bescheid dem Betroffenen nicht vor Ablauf der Frist zugestellt wird.
BGH V ZB 49/02, B.v. 21.11.02, InfAuslR 2003, 202 Zu den Anforderungen an ein beim Abschiebehaftrichter gestelltes Asylgesuch www.bundesgerichtshof.de
Leitsätze: 1. Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers setzt einen förmlichen Asylantrag voraus.
2. Ein Asylgesuch setzt mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus; hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen oder sonstige tatsächliche Umstände, die erkennen lassen, daß er Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen politischen Verfolgung sucht.
Inhaftierung Minderjähriger
KG Berlin 25 W 64/04, B.v. 18.03.05, IBIS M6342; InfAuslR 2005, 268, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2073.pdf zur Begründung der Inhaftierung Minderjähriger. Das KG erklärt die Inhaftierung eines 16jährigen Mädchens aus Liberia in der Abschiebehaft für rechtswidrig.
Dabei stützte sich das KG auf OLG Köln 16 Wx 164/02, B.v. 11.09.02, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2074.pdf, das feststellt, dass „gerade Minderjährige von der Vollziehung einer Haftanordnung erheblich betroffen werden und hierdurch dauerhafte psychische Schäden davontragen.“
In diesem Sinne verweist das KG auch auf die Rspr. des OLG Köln v. 02.02.03, NVwZ-Beilage 2003, 48; OLG Braunschweig 6 W 26/03 v. 18.09.03, InfAuslR 2004, 119, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2076.pdf und OLG Frankfurt/M 20 W 245/04 v. 30.08.2004, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2075.pdf. In diesem Zusammenhang stellt sich nach Auffassung des Gerichts die Frage der Verhältnismäßigkeit des Handelns der Ausländerbehörde, die die Verantwortung für die Haftanordnung trägt. Mildere Mittel wie die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung, Meldeauflagen, räumliche Beschränkungen des Aufenthaltsortes u.a. muss die Ausländerbehörde zur Vermeidung von Abschiebungshaft vorrangig prüfen.
OLG München 34 Wx 037/05, B.v. 09.05.05, IBIS M6668, Asylmagazin 7/2005, 53; InfAuslR 2005, 324 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/6668.pdf Die Verhältnismäßigkeit der Abschiebungshaft gegen Minderjährige erfordert regelmäßig , dass die Ausländerbehörde prüft, ob mildere Mittel zur Sicheurng der Ausreise in Betracht kommen, z.B. die Unterbringung in einer Jugendeinrichtung (wie KG Berlin InfAuslR 2005, 268, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2073.pdf, OLG Köln 16 Wx 164/02, B.v. 11.09.02, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2074.pdf)
OLG Zweibrücken 3 W 36/06, B.v. 09.03.06, InfAuslR 2006, 376 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8419.pdf Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Abschiebungshaft für minderjährige Jugendliche gelten erhöhte Anforderungen. zu prüfen sind mildere Mittel wie z.B. die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung. Es ist die Pflicht des Haftrichters, von Amts wegen das Alter des Betroffenen aufzuklären, den Betroffenen hierzu anzuhören und ggf. sachverständigen Rat einzuholen.
BGH V ZB 41/12, B. v. 07.03.12, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2389.pdf Nach § 62a Abs. 1 AufenthG sind bei Unterbringung in einer JVA Abschiebungsgefangene getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Nach § 62a Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 17 RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) sind die besonderen Belange von Minderjährigen zu berücksichtigen, was die Beschränkung der Haft auf den äußersten Fall und die kürzestmögliche Dauer umfasst sowie geeignete Freizeit- und ggf. Bildungsangebote.
Die Ausführung der Ausländerbehörde, ihr sei keine andere geeignete Einrichtung als die JVA München-Stadelheim bekannt, weist der BGH zurück. Damit sei weder etwas gesagt zur Trennung von Strafgefangenen noch zur Frage, ob die JVA altersgemäße Bedürfnisse des Jugendlichen berücksichtige. Die Ausländerbehörde trifft die Darlegungslast, dass eine getrennte Unterbringung von Strafgefangenen und bei Minderjährigen die weiteren Anforderungen nach § 62a Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 17 RL 2008/115/EG erfüllt sind.
Anmerkung: Vgl. LG Dresden 2 T 372/11, B.v. 17.05.11, das die gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen in einer Zelle moniert, und LG Leipzig 07 T 104/11, B.v. 20.09.11, das die gemeinsame Unterbringung mit Untersuchungshäftlingen in einer Zelle für unzulässig erklärt.
Abschiebehaftverfahren
VG Berlin 35 F 69/98 v. 4.11.98, InfAuslR 1999, 80, Der beim VG gestellte Antrag auf Haftentlassung hat Erfolg. Der Haftrichter ist nur für die Beurteilung der Haftgründe im engeren Sinne zuständig, ob demgegenüber die Ausländerbehörde die Abschiebung zu Recht betreibt, fällt ausschließlich in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Hailbronner, AuslR, § 57, RN 48, 49). Die ordentlichen Gerichte müssen, da sie nur einen Teil der für die Rechtmäßigkeit der Haft erforderlichen Voraussetzungen prüfen dürfen, geradezu zwangsläufig immer wieder zumindest für einen bestimmten Zeitraum materiell rechtswidrig entscheiden, wenn der Haftrichter z.B. wegen Fluchtgefahr Abschiebungshaft anordnet, während sich später im Verfahren vor dem VG herausstellt, dass - aus welchem Grund auch immer - der Betroffene gar nicht abgeschoben werden darf: Haft zur Sicherung einer zu Unrecht angeordneten Abschiebung kann niemals rechtmäßig sein.
LG Darmstadt 23 T 297/99 v. 24.11.99 IBIS e.V. R5143 Keine Abschiebehaft per Formular: Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache zurück zu verweisen, weil sich das Verfahren des Amtsgerichts als grob fehlerhaft erweist. Es hat beim Amtsgericht am 15.11.1999 keine ordnungsgemäße Anhörung im Sinne von § 5 Abs. 1 FEVG stattgefunden. Dem Betroffenen wurde ausweislich des Protokolls lediglich der Verlängerungsantrag vorgelesen und übersetzt, worauf er Gelegenheit hatte, hierzu eine Erklärung abzugeben. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass das Amtsgericht bei der Anhörung der von Amts wegen zu ermittelnden Frage nachgegangen ist, ob der Betroffene, dessen Haft nunmehr auf über 3 Monate verlängert werden soll, das Abschiebungshindernis, nämlich die Notwendigkeit der Beschaffung von Passersatzpapieren, zu vertreten hat (§ 57 Abs. 2 S. 4 AuslG). Weiterhin genügt die auch in anderen Verfahren immer wiederkehrende Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 6 Abs. 1 FEVG. Erforderlich ist eine einzelfallbezogene Begründung, aus der sich die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen des Gerichts vollständig ergeben. Die formularmäßige Bezugnahme auf die Haftanordnung des AG Frankfurt/M vom 16.8.1999 genügt dem schon deswegen nicht, weil sich diese Entscheidung - was damals wegen der Erstanordnung einer dreimonatigen Haft auch nicht erforderlich war - nicht mit der Frage des Vertretenmüssens des Abschiebungshindernisses auseinandersetzt.
BVerfG 2 BvR 347/00 v. 15.12.00, EZAR 048 Nr. 48, NVwZ-Beilage I 2001, 26, InfAuslR 2001, 116, IBIS R9481. Die Haftgerichte sind verpflichtet, die Voraussetzungen für die Abschiebungshaft in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auch daraufhin zu überprüfen, ob die Ausreisepflicht aufgrund einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung entfallen oder die Abschiebung für längere Zeit unmöglich ist. Die Abschiebehaft ist auszusetzen, wenn aufgrund eines erfolgreichen verwaltungsgerichtlichen Eilantrags die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
BVerfG 2 BvR 527/99 u.a., B.v. 05.12.01, IBIS M1630; InfAuslR 2002, 132; EZAR 048 Nr. 49, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1630.pdf, dazu Pressemitteilung Nr. 16/2002 v. 15.02.02 www.bverfg.de/entscheidungen/rs20011205_2bvr052799
Zur Rechtmäßigkeit/Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft - Rechtschutz und Feststellungsinteresse nach erfolgter Haftentlassung.
Leitsatz: Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung (hier: Abschiebungshaft) indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art. 19 Abs. 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist. Die Gewährung von Rechtsschutz kann hier weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann (Ergänzung zu BVerfGE 96, 27).
Die Beschwerdeführer (Bf) waren auf richterliche Anordnung in Abschiebungshaft genommen worden und hatten hiergegen sofortige Beschwerden eingelegt, die vom LG und vom OLG als unzulässig zurückgewiesen wurden. Alle OLG-Entscheidungen sind damit begründet, dass die Bf kein Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung der Haftanordnungen mehr hätten, da die Haft aus unterschiedlichen Gründen im Zeitpunkt der OLG-Entscheidung nicht mehr fortbestanden habe.
Das BverfG hat die Verfassungsbeschwerden für zulässig und begründet erklärt. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht, dass die Gerichte Auskunft über die Rechtslage geben, wenn dies praktisch keine Konsequenzen mehr hat. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Betroffene ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse hat, z. B. weil Wiederholungsgefahr droht oder eine diskriminierende Fortwirkung der Maßnahme zu befürchten ist.
Die Inhaftierung einer Person ist ein schwerwiegender Eingriff in das besonders hochrangige Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Zudem kann jede Inhaftierung eine diskriminierende Wirkung entfalten, denn die staatlich angeordnete Freiheitsentziehung lässt stets vermuten, dass der Betroffene sich rechtswidrig verhalten hat oder zu verhalten beabsichtigt. Der Rechtsschutz gegen die jeden Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit berührende Inhaftierungsmaßnahme kann nicht davon abhängen, wann diese Maßnahme sich erledigt oder ob nach der Prozessordnung typischerweise Rechtsschutz vor Ende der Haft erlangt werden kann. Vielmehr besteht im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen gegebene Rehabilitierungsinteresse ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen Maßnahme auch nach deren Beendigung.
AG Kiel 43 XIV 16/02, B.v. 24.01.02, IBIS M1556 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/M1556.pdf [Vollzug der Abschiebungshaft in Eisenhüttenstadt mangels Grundlage rechtswidrig] Der Antrag auf Abschiebehaft wird zurückgewiesen. Gründe: Es ist lediglich ein Haftplatz in der JVA Eisenhüttenstadt vorhanden. Eine rechtliche Grundlage für die Verhängung der Abschiebungshaft in Eisenhüttenstadt ist vorliegend nicht vorhanden, da hier die Abschiebungshaft zwar nach § 57 AuslG durchzuführen wäre, allerdings der Vollzug der Abschiebungshaft nicht gesetzlich geregelt ist. Es besteht lediglich eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Schleswig-Holstein und Brandenburg. Dies ist für den Vollzug der Haft nicht ausreichend.
AG Berlin-Schöneberg 70 XIV 4359/01, B. v. 10.12.01, InfAuslR 2002, 246 Einem Ausländer steht nach dem FEVG kein vorbeugender Unterlassungsanspruch zu, der Ausländerbehörde zu verbieten, ihn zum Zweck der Abschiebehaft festnehmen zu lassen. Das AG Schöneberg ist für diese Frage sachlich nicht zuständig. Es handelt sich um eine Streitigkeit , für die nach § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.
AG Berlin-Schöneberg 70 XIV 2929/01, B. v. 14.02.02, InfAuslR 2002, 247 Bei einem zu kurzfristig gestelltem Haftverlängerungsantrag (hier: am Tag des Ablaufs der Haftfrist) ist die Anhörung des Betroffenen zu vertagen und dieser aus der Haft zu entlassen. Dem Gebot des fairen Verfahrens und der Anhörung eine eventuell anwaltlich vertretenen Betroffenen kann nicht mehr Rechnung getragen werden. Auch eine einstweilige Haftverlängerung kommt, ohne dass dies beantragt worden wäre, gleichfalls nicht in Betracht, da dies nicht verhältnismäßig wäre.
OLG Brandenburg 8 Wx 32/02, B.v. 28.08.02, InfAuslR 2002, 478 Das Gericht darf Abschiebehaft nicht für einen längeren Zeitraum als von der Behörde beantragt anordnen. Macht ein abgelehnter Asylbewerber geltend, er dürfe wegen nachträglich eingetretener Umstände (hier: Eheschließung mit einer Deutschen) nicht abgeschoben werden, hat ihm der Haftrichter Gelegenheit zu geben um (vorläufigen) verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen und das Freiheitsentziehungsverfahren so zu gestalten, dass dem Betroffenen effektiver Rechtsschutz gewährt wird.
LG Koblenz 2 T 451/02, B.v. 05.09.02, IBIS M2644, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/M2644pdf Keine Abschiebungshaft, solange noch eine wirksame Duldung besteht, da eine Abschiebung erst nach Widerruf der Duldung möglich ist.
KG Berlin 25 W 158/01 B.v. 05.06.02, IBIS M2169 Zulässigkeit einer Gegenvorstellung bei unanfechtbarer Entscheidung in Abschiebungshaftsache (in Anschluss an BVerfG, B.v. 05.12.01 - 2 BvR 527/99); Anhörung in Freiheitsentziehungsverfahren muss zu den entscheidungsrelevanten Punkten erfolgen und nachvollziehbar vermerkt werden; die Begründung gem. § 6 Abs. 1 FEVG setzt konkrete tatsächliche Feststellungen und die Darstellung der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen voraus, keine ausreichende Begründung bei formelhaften Floskeln oder einfacher Wiedergabe des Gesetzestextes.
LG Berlin 88 T 192/02, B.v. 14.08.02, IBIS M2425, www.asyl.net/Magazin/Docs/2002/M-2/2425.pdf
Soll ein Ausländer im Anschluss an Strafhaft direkt in Abschiebungshaft genommen werden, muss vor Ende der Strafhaft ein richterlicher Beschluss über die Abschiebungshaft getroffen werden.
LG Berlin 84 T 210/02 u. 84 T 222/02, B.v. 28.08.02, IBIS M2430 www.asyl.net/Magazin/Docs/2002/M-2/2430.pdf Abschiebungshaft ist unverhältnismäßig, wenn die Ausländerbehörde während der vorangehenden Strafhaft des Betroffenen es unterlassen hat, die Abschiebung mit der größtmöglichen Beschleunigung – insbesondere bei der Beschaffung von Passersatzpapieren – vorzubereiten.
BGH V ZB 281/11 v. 30.08.12, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2509.pdf ebenso BGH V ZB 31/12 v. 27.09.12 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2508.pdf Abschiebungshaft ist ohne Aushändigung des Haftantrags an den Betroffenen rechtswidrig - "Heilung" dieses Verfahrensfehlers durch spätere Akteneinsicht des Rechtsanwalts - wenn überhaupt- nur für die Zukunft und nur nach erneuter Anhörung des Betroffenen möglich.
Art. 104 GG - Richtervorbehalt bei Festnahme zwecks Abschiebung bzw. Abschiebehaft
OLG Zweibrücken 1Ss 227/01, U.v. 14.12.01, NVwZ-Beilage I 2002, 71; IBIS C1707 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1707.pdf
Keine Festnahme ohne Richter - Erfordernis eines Abschiebehaftbefehls zur Festnahme. Der Angeklagte lebt mit Frau und Kind als Asylsuchender in Deutschland. Nach Ablehnung seines Asylantrages wurde er zur Ausreise aufgefordert, kam dem jedoch nicht nach. Die Ausländerbehörde ersuchte darauf die Polizei, den Angeklagten festzunehmen, um anschließend beim zuständigen Haftrichter Abschiebehaft zu beantragen. Der Angeklagte widersetzte sich in seiner Wohnung der Festnahme und verletzte zwei Polizisten.
Das OLG hat den Angeklagten freigesprochen. Das Eindringen der Polizisten in die Wohnung war rechtswidrig und seine Gegenwehr deshalb gerechtfertigt. Mit seiner Festnahme haben die Polizisten ohne gesetzliche Ermächtigung in dessen verfassungsmäßig garantierte Freiheitsrechte eingegriffen, gegen den Richtervorbehalt verstoßen und dadurch eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit verletzt. Somit waren die Diensthandlungen, gegen die sich der Angeklagte zur Wehr setzte, im strafrechtlichen Sinn nicht rechtmäßig (§ 113 Abs. 3 StGB).
Die Voraussetzungen für Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Abschiebehaft bestimmen sich nach § 57 AuslG, §§ 1, 3, 5, 11 FEVG, Art. 2 Abs. 2, 13 Abs. 1, 2, 104 Abs. 1, 12GG. Grundsätzlich bedarf deshalb jede von der Ausländerbehörde veranlasste auf Abschiebung gerichtete Freiheitsentziehung der vorherigen richterlichen Anordnung. Eine besondere Ermächtigung der Behörde, den Ausländer zum Zwecke der Vorführung beim Abschiebehaftrichter festzunehmen, besteht nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach Aufhebung der Ausländerpolizeiverordnung aus dem Jahr 1938 durch § 55 Abs. 2 Satz 1 AuslG ein Bedürfnis für eine Sicherung der Abschiebung durch vorläufigen Polizeigewahrsam verneint und auf das Verfahren der vorherigen richterlichen Entscheidung verwiesen (in Eilfällen nach § 11 FEVG). Die Zwangsmaßnahmen waren auch nicht durch landesrechtliche Bestimmungen zum Polizeigewahrsam gerechtfertigt, der eine Gefahr für Leib oder Leben oder eine drohende Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung voraussetzt (§ 14 POG).
Die Festnahme war schließlich auch nicht als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs nach Polizeirecht zulässig (§ 57 POG, § 65 LVwVG). Zwar erlauben diese Bestimmungen der Ausländerbehörde (und in ihrem Auftrag der Polizei) die sogenannte zwangsweise Direktabschiebung bis zur Staatsgrenze, die als bloße freiheitsbeschränkende Maßnahme nicht dem Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG unterliegt. Dies war im vorliegenden Fall jedoch nicht beabsichtigt. Da das Vorgehen der Polizeibeamten somit von keiner Eingriffsnorm gedeckt und die Diensthandlungen rechtswidrig waren, entfällt die Strafbarkeit der Gegenwehr des Angeklagten.
KG Berlin 25 W 218/01, B.v. 22.03.02, InfAuslR 2002, 315; NVwZ-Beilage I 2002, 109; IBIS C1708 [Erfordernis eines "Abschiebehaftbefehls", solange der Ausländer sich nicht strafbar illegal aufhält] www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1708.pdf
Der Besitz der noch nicht abgelaufenen Duldung steht der Rechtmäßigkeit der von der Ausländerbehörde zur Durchsetzung der Abschiebung veranlassten Freiheitsentziehungsmaßnahme durch die Polizei vom 6. Mai, 6.30 Uhr bis 7. Mai 13.30 Uhr entgegen. Der Antragsteller hat trotz der am 17.05.01 erfolgten Ablehnung des von der Ausländerbehörde gestellten Haftantrags durch das AG Schöneberg aufgrund Art 19 Abs. 4, 104 Abs. 2 GG ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu die neuere Rspr. des BVerfG, EuGRZ 1997, 374; NJW 1997, 2165; NJW 1998, 2432; NJW 1999, 3773; Beschluss BVerfG v. 05.12.01).
§ 13 Abs. 2 FEVG sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, eine Verwaltungsmaßnahme, die sich als Freiheitsentziehung darstellt, im gerichtlichen Verfahren anzugreifen. Das LG ist nicht der Auffassung des AG gefolgt, wonach die "zum Zwecke der Direktabschiebung" angeordnete Maßnahme als "genehmigungsfreie Freiheitsentziehung" angesehen werden könne, weil die Abschiebung zunächst für den 17.05.01 vorgesehen war. Bei der Abgrenzung einer bloßen Freiheitsentziehung i.S.v. Art 104 Abs. 1 GG von der dem Richtervorbehalt unterliegenden Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 GG sind zwar vorübergehende Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit insbesondere im Zusammenhang mit körperlichen Zwangsmaßnahmen auszuklammern, doch sollten die vorgesehenen Maßnahmen weit über dem mit einer Direktabschiebung verbundenen "unmittelbaren Zwang" hinausgehen. Der Betroffene sollte nicht nur aus seiner Wohnung geholt und zum Flugzeug gebracht werden, sondern es war vorgesehen, dass er gegen seinen Willen für mehr als einen Tag im Abschiebegewahrsam bleiben sollte. Wenn eine Person gegen ihren Willen in einem Haftraum untergebracht wird und sich der Abschiebevorgang über viele Stunden erstreckt, liegt jedenfalls eine Freiheitsentziehung i.S.v. § 2 Abs. 1 FEVG vor (vgl. Fundstellen ...).
In einem solchen Fall ist entsprechend Art 104 Abs. 2 S. 2 GG und § 13 Abs. 1 S. 1 FEVG für die an sich nur nach vorangegangener richterlicher Entscheidung zulässige Freiheitsentziehung unverzüglich eine richterlicher Entscheidung nachzuholen.
Das Wort "unverzüglich" in Art 104 GG schließt eine regelmäßige Ausschöpfung der in Art 104 GG genannten Maximalfrist zur richterlichen Überprüfung der Festnahme ("bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen") im Rahmen einer "üblichen Verwaltungspraxis", auf die die Ausländerbehörde verweist, aus. Welcher Zeitraum als sachlich legitimiert angesehen werden kann, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Selbst wenn die Ausländerbehörde von einem rechtlich möglichen Vorabhaftantrag abgesehen haben sollte, weil sie dann ein Untertauchen des gewarnten Betroffenen nicht für ausgeschlossen hielt, hätte sie den Haftantrag zumindest vorbereiten und am Morgen des 16.5. sogleich dem AG per Fax zuleiten können, um eine sofortige richterliche Vorführung zu ermöglichen. Am fraglichen Wochentag war ein Haftrichter verfügbar. Es ist nicht erkennbar, dass eine vorherige Verbringung in Abschiebegewahrsam bei einer Ingewahrsamnahme, die von der Ausländerbehörde selbst zeitlich vorher bestimmt werden kann, organisatorisch unvermeidbar wäre.
Es sprechen auch Gründe der Prozessökonomie für den Ausschluss des Verwaltungsrechtswegs und die Übertragung der Rechtsmäßigkeitskontrolle insgesamt auf den Haftrichter der ordentlichen Gerichtsbarkeit, es bleibt also insoweit bei der Zuständigkeit des AG Schöneberg für die Rechtsmäßigkeitskontrolle (wird ausgeführt).
Da die Ausländerbehörden nach dem Ausländerrecht nicht befugt sind, selbst ohne richterliche Vorabanordnung Maßnahmen zur Durchsetzung von Abschiebungshaft zu treffen (vgl. Fundstellen ...), kann sich eine Ermächtigungsgrundlage für die Festnahme des Betroffenen nur entweder aus dem Berliner Polizei- und Ordnungsrecht oder aus dem Strafprozessrecht ergeben. Die Festnahmerechte nach § 127 Abs. 1 StPO können nur ausnahmsweise eine von der Ausländerbehörde veranlasste kurzzeitige Freiheitsentziehung tragen, wenn jemand auf frischer Tat getroffen wird und der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Die Festnahmerechte nach § 127 Abs. 2 StPO stehen ohnehin nur der Staatsanwaltschaft und der Polizei zu, nicht jedoch den Angehörigen der sonstigen Verwaltungsbehörden.
Bei der Prüfung der Legitimation der Ausländerbehörde zur Freiheitsentziehung kann nicht an Stelle der für die Ingewahrsamsnahme geltenden Spezialregelung des § 30 ASOG (Berliner Allgemeines Sicherheits- und Ordungsgesetz) auf die Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG zurückgegriffen werden, denn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff kann stets nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der speziellen Eingriffsnorm zugelassen werden. Es fehlt auch eine landesrechtliche Grundlage für eine Freiheitsentziehung auf Anordnung der Ausländerbehörde. § 30 ASOG gestattet es nur der Polizei und nicht der Ausländerbehörde, eine Person in Gewahrsam zu nehmen, wen dies unerlässlich ist, um eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
Nach § 92 AuslG wird bestraft, wer sich ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung im Bundesgebiet aufhält. Soweit durch eine polizeilich in eigener Verantwortung veranlasste Festnahme, selbst wenn diese im Zusammenhang mit einem Hinweis der mit der Ausländerüberwachung betrauten Ordnungsbehörden steht, mit der Vorführung beim Abschiebehaftrichter eine beschleunigte Abschiebung und damit die Fortsetzung des illegalen Aufenthalts verhindert werden soll, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, dafür ausnahmsweise eine ordnungsrechtliche Grundlage aus dem ASOG abzuleiten. Zumindest wenn mit der Festnahme und kurzfristigen Ingewahrsamsnahme das Untertauchen unterbunden würde, was der Fall sein kann, solange die freiwillige Ausreise möglich ist und keine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung besteht KG, STrV 1999, 95), kann es nicht grundsätzlich rechtswidrig sein, wenn die nicht zu entsprechenden Anordnungen berechtigte Ausländerbehörde die mit entsprechenden Präventivbefugnissen ausgestattete Polizei aus das drohenden Untertauchen eines ihr bekannten illegal aufhältlichen Ausländers und die umgehend beabsichtigte Haftantragstellung hinweist, solange dies nicht als eine für die Polizei verbindliche Haftanordnung gefasst ist oder verstanden wird.
Sowohl das BVerwG (BVerwGE 62, 317, 320) als auch der BGH (NJW 1993, 3069f.) haben durchaus die Möglichkeit einer Festnahme auf Grundlage von landesrechtlichen Vorschriften des Polzeirechts offen gelassen. Soweit das KG darauf hingewiesen hat (InfAuslR 1997, 34 und FGPrax 2001, 40), dass ein vorläufiger Verwaltungsgewahrsam dem Freiheitsentziehungsrecht fremd ist, wäre klarzustellen, dass dies nicht für Maßnahmen gilt, die im Einzelfall zur Verhinderung von Straftaten polizeiordnungsrechtlich geboten erscheinen. Da es auch im AuslR Straftatbestände gibt, scheint es nicht geboten, einen polizeirechtlichen Unterbindungsgewahrsam in solchen Fällen grundsätzlich auszuschließen, nur weil auch in Abstimmung mit der Ausländerbehörde die Vorführung beim Abschiebehaftrichter erfolgen soll. Es muss jedoch klar sein, dass die Verantwortlichkeit bei den insoweit allein zuständigen Polizeikräften liegt Vorliegend stellt es sich jedoch so dar. dass die Polizei bei der Festnahme einer Anordnung der Ausländerbehörde gefolgt ist, für die es an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt.
Selbst wenn vorliegend nur eine bloße Mitwirkung der Ausländerbehörde stattgefunden hätte, hätte es an den Voraussetzungen für einen polizeiliches Unterbindungsgewahrsam rechtfertigenden Straftatbestand des § 92 AuslG gefehlt, da die Duldung des Betroffenen noch gültig war, abgesehen davon, dass stets auch die Verwirklichung eines subjektiven Tatbestandes für ein solches nur vorsätzlich begehbares Delikt zu prüfen wäre. Am Vorsatz fehlt es jedoch, solange der Betroffene vom Bestehen eines Ausreise- oder Abschiebungshindernisses ausgehen darf. Es bedarf nach § 56 Abs. 6 stets eines schriftlichen Widerrufs des begünstigenden Verwaltungsakts, damit der Betroffene sich strafbar macht und gegen ihn noch vor Ablauf des Duldungszeitraums Abschiebemaßnahmen eingeleitet werden können. Im vorliegenden Fall war eine Benachrichtigung vom Eingang des Passes bei der Ausländerbehörde schon deshalb geboten, weil der betroffene ohne diesen auch nicht freiwillig ausreisen könnte, so dass ihm wegen seines Verbleibs in Deutschland kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden könnte.
BVerfG 2 BvR 2292/00, B.v. 15.05.02, InfAuslR 2002, 406, IBIS M2222. Auch bei 'Direktabschiebung' ist eine polizeiliche Freiheitsentziehung (hier: für 11 Stunden) nur nach richterlicher Prüfung zulässig. Die richterliche Anordnung ist grundsätzlich vor der Freiheitsentziehung herbeizuführen, nachträglich ist sie nur in Ausnahmefällen zulässig, muss dann aber unverzüglich nachgeholt werden.
Volltext: www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs20020515_2bvr229200
Pressemitteilung BVerfG: www.bverfg.de/bverfg_cgi/pressemitteilungen/frames/bvg63-02
Leitsätze: "1. Aus Art. 104 Abs. 2 GG folgt für den Staat die Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters - jedenfalls zur Tageszeit - zu gewährleisten und ihm auch insoweit eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben zu ermöglichen.
2. Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG setzt dem Festhalten einer Person ohne richterliche Entscheidung mit dem Ende des auf das Ergreifen folgenden Tages eine äußerste Grenze, befreit aber nicht von der Verpflichtung, eine solche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen."
Vorliegend wurde das an die Festnahme um 15.30 anschließende Polizeigewahrsam bis zum Folgetag 3 Uhr zwecks anschließender (erfolgter) Abschiebung um 7.30 Uhr früh ab Flughafen H. im Nachhinein für verfassungswidrig erachtet, da die Polizeihaft ohne richterlichen Beschluss erfolgte (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG - Unverletzlichkeit der Freiheit der Person - i.V.m. Art. 104 Abs. 2 GG - Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehung). Der bloße Hinweis auf den "Dienstschluss" des zuständigen Amtsgerichts als Grund für die unterlassene richterliche Entscheidung reicht nicht aus, weil es allgemein festgelegte Dienstzeiten für Richter nicht gibt.
LG Hamburg 303 O 50/03, B.v. 17.04.03, IBIS M3614, Asylmagazin 6/2003, 40, www.asyl.net/Magazin/6_2003c.htm - G2 (Prozesskostenhilfeverfahren) Amtshaftungsanspruch auf Schmerzensgeld (100.- Euro) und Schadensersatz f(bei der Festnahme zerstörte Wohnungstür) wegen von der Ausländerbehörde veranlasster rechtswidriger Festnahme durch die Polizei. Die Festnahme war rechtswidrig, weil kein Haftbefehl vorlag.
LG Hildesheim 5 T 297/04, B.v. 08.09.04 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/5701.rtf Eine Inhaftierung geduldeter Ausländer im Rahmen der „Gefahrenabwehr“ auf der Grundlage des Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (NSOG) ist rechtswidrig. Die Bezirksregierung hatte beim Amtsgericht den Haftbeschluss erwirkt, weil die Inhaftierung unerlässlich sei, „um die unmittelbare Fortsetzung einer Straftat“ zu verhindern. Die der Familie zur Last gelegte „Straftat“ beschränkte sich auf den Vorwurf des „illegalen Aufenthalts“. Die Familie hielt sich seit 9 Jahren im Bundesgebiet auf, besaß eine Duldung und nahm regelmäßig Termine bei der Ausländerbehörde wahr.
„Für eine Ingewahrsamnahme in der Nacht vor der beabsichtigten Abschiebung fehlen ... die gesetzlichen Voraussetzungen. Wenn die Abschiebung nicht sofort erfolgen kann oder die Abschiebung ohne Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde, ist nach § 57 AuslG lediglich das Mittel der Abschiebehaft in Form der Sicherungs- und Vorbereitungshaft gegeben, soweit deren im Ausländergesetz näher geregelte Voraussetzungen vorliegen. Für eine verwaltungstechnische Maßnahme nach dem NSOG besteht daher kein Handlungsbedarf. Der Antrag des Antragstellers hätte daher richtigerweise vom Amtsgericht zurückgewiesen werden müssen.“
BVerfG, 2 BvR 447/05 B.v. 13.12.05 www.bverfg.de/entscheidungen/rk20051213_2bvr044705.html
Das BVerfG stellt in diesem sehr ausführlich begründeten Beschluss (der somit auch Maßstäbe für die Freiheitsziehung von Ausländern nach dem Aufenthaltsgesetz.setzt) fest, dass die Ingewahrsamnahme von Teilnehmern einer Sitzblockade gegen den Castortransport nach Gorleben im November 2001 Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (Freiheit der Person), Art. 104 Abs. 2 GG (Richtervorbehalt, Gesetzesvorbehalt) sowie Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtschutzgarantie) verletzt hat. Die Beschwerdeführerin hat dabei nicht nur Zulässigkeit und Dauer der Freiheitsentziehung, sondern auch Art und Weise des Vollzugs des Gewahrsams zum Streitgegenstand erhoben, auch hiermit haben sich die Fachgerichte nur unzureichend befasst.
BVerfG 2 BvR 1925/04, B.v. 01.04.08, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2188.pdf Richtervorbehalt bei geplanter Festnahme. Ergeht vor der geplanten Ingewahrsamnahme eines abgelehnten Asylbewerbers entgegen §§ 6 Abs. 1 und 11 FEG (Freiheitsentziehungsgesetz) kein begründeter Gerichtsbeschluss (vorläufige Haftanordnung, § 11 FEG), so ist die Freiheitsentziehung verfassungswidrig.
Dies gilt auch dann, wenn die Freiheitsentziehung in der Zeit zwischen Festnahme und Abschiebungshaftbeschluss nur zwei Stunden andauert. Jede Freiheitsentziehung unterfällt - unabhängig von ihrer Dauer - dem Richtervorbehalt und ist ohne richterliche Anordnung grundsätzlich rechtswidrig, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG (Freiheit der Person); Art. 104 GG (Richtervorbehalt).
Haftgründe, Freiwilligkeitserklärung
LG München 1 T 19 291/00, B.v. 02.11.00, IBIS e.V. R9414; NVwZ-Beilage I 2001, 63; Asylmagazin 1-2/2001, 44 'Offenes Kirchenasyl' ist kein Haftgrund im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, wenn die Ausländerbehörde stets Kenntnis vom Wohnort bzw. Aufenthaltsort des Betroffenen hatte, er also gerade nicht beabsichtigte seinen Aufenthalt zu verheimlichen.
OLG Hamm 19 W 112/01, B.v. 14.09.02, InfAuslR 2002, 478 Meldet sich der betroffene Ausländer noch von dem Antrag auf Sicherungshaft unaufgefordert bei der Ausländerbehörde, lässt dies jeden - möglicherweise zuvor bestehenden - Haftgrund entfallen.
OLG Köln 16 Wx 238/05 v. 10.02.06 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8513.pdf Abschiebungshaft (hier: Sicherungshaft) ist rechtwidrig, wenn feststeht, dass Reisepapiere nicht beschafft werden können. Der Betroffene war – da er nicht ausreisen will - nicht bereit, bei der Vorführung gegenüber den iranischen Behörden zu erklären, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen. Nur bei Abgabe einer solchen Freiwilligkeitserklärung ist jedoch die Ausstellung eines Passersatzes möglich. Das OLG stellt klar, dass die Abgabe einer solchen (unwahren) Erklärung nicht zu ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten gehört.
BGH V ZB 193/09, B.v. 06.05.10 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2333.pdf Die Weigerung, zum Zweck der Passbeschaffung bei der Botschaft des Herkunftslandes eine Freiwilligkeitserklärung abzugeben, ist abschiebehaftrechtlich ohne Belang. Sofern ohne diese ein Heimreisepapier nicht zu beschaffen ist, ist die Haft nach § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG rechtswidrig. Andernfalls käme der Sicherungshaft Sanktionscharakter zu, was haftrechtlich nicht erlaubt ist.
BSG B 7 AY 7/12 R v. 30.10.13 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2607.pdf Keine Kürzung nach § 1a AsylbLG und auch kein Ausschluss von § 2 AsylbLG, weil die Klägerin sich geweigert hat, bei der Botschaft zu erklären, sie wolle "freiwillig" in ihr Heimatland zurückkehren. Zwar war die Klägerin verpflichtet, Deutschland zu verlassen; gleichwohl beruhte dies nicht auf ihrem freien Willen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann ihr deshalb nicht die fehlerhafte Erklärung abverlangt werden, "freiwillig" nach Mali zurückkehren zu wollen; auch nach § 49 AufenthG ist dies nicht zulässig.
AG Berlin-Tiergarten 382 XIV 256/13 B B.v. 10.04.14 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2636.pdf
Polizeiliche Ingewahrsamnahme nach erkennungsdienstlicher Behandlung (hier: Inhaftierung von UMF über Nacht für die Dauer von 11 Stunden im Anschluss an eine 5stündige Einreisebefragung und ED-Behandlung) ohne richterlichen Beschluss ist rechtswidrig.
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Anmerkung: Es dürfte im übrigen auch nicht zulässig (und wohl auch strafbar) sein, durch Beugemaßnahmen (Zwangsgeld pp) den Ausländer zur Abgabe einer solchen unwahren Erklärung zu veranlassen (so Melchior, Rundbrief zur Abschiebungshaft 08/2006, www.abschiebungshaft.de)
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siehe auch: Wolf, T., Haftgründe, Haftdauer und Haftverlängerung der Abschiebungshaft, Asylmagazin 3/2002, 10 und 4/2002, 15, online unter www.asyl.net
Beiordnung eines Anwalts, eines Dolmetschers
LG Hamburg 329 T 77/00, B.v. 02.03.01, InfAuslR 2001, 292; IBIS C1647. Artikel 5 Abs. 4 EMRK i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG räumen dem mittellosen und der Gerichtssprache nicht kundigen Betroffenen im Abschiebungshaftverfahren auch für Gespräche mit dem bevollmächtigten Rechtsanwalt einen Anspruch auf unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers ein. Der Anspruch kann nicht mit dem Hinweis auf das Prozesskostenhilfeverfahren abgelehnt werden, dessen Voraussetzungen hier nicht vorlagen, denn vorliegend fielen die Dolmetscherkosten bereits im Stadium der Ermittlung der Erfolgsaussichten des Begehrens an - eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren sieht das Gesetz aber nicht vor. Art. 103 Abs. 1 GG versprechen den Anspruch auf rechtliches Gehör bei Gericht, auch dies ist (zusammen mit Art 2 Abs. 1 GG) Ausprägung eines umfassenden Rechts auf ein faires Verfahren, auch die Beiordnung eines Anwalts gehört, wenn eine Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen anders nicht möglich ist, zu den Begleitumständen des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG, NJW 1975, 1597, NJW 1986, 767 und NJW 1997, 2103). Wenn im vorliegenden fall die Voraussetzungen der Beiordnung der Anwältin als Verfahrensbevollmächtigte vorlagen, müssen jedenfalls auch die hieraus entstehenden Dolmetscherkosten aus der Staatskasse erstattet werden; ohne Dolmetscher nämlich liefe die Einschaltung eines Rechtsanwalts leer.
AG Offenbach 29 XIV 461/00, B.v. 18.08.00, InfAuslR 2001, 349 Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Abschiebehaftverfahren ist nicht einfachgesetzlich normiert. Einer solchen Normierung bedarf es aber auch nicht, denn sie folgt zwingend aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des fairen Verfahrens als eigenständigem Prozessgrundrecht (Art 19 IV GG) und ist grundsätzlich erforderlich, wenn der Betroffene sich ersichtlich nicht selbst ausreichend vor Gericht vertreten kann (vgl. Fundstellen BVerfG ...; BGH ...). Die Beiordnung ist hier erforderlich, da sich der Betroffene nicht ausreichend selbst vor Gericht vertreten kann. Er beherrscht die Gerichtssprache nicht. Da ihm keine Übersetzung der Gerichtsbeschlüsse und der gestellten Anträge zur Verfügung gestellt wird, ist er gänzlich auf die Erläuterungen in der mündlichen Anhörung und ihrer Übersetzung durch den Dolmetscher im Termin angewiesen. Er stammt aus einem völlig anderen Kultur- und Rechtskreis und sieht sich einer Fachbehörde gegenüber, die aufgrund der Vielzahl der von ihr vor Gericht vertretenen Fälle über einen Vorsprung an Kenntnissen verfügt, der es ihm erschwert, demgegenüber seiner Sicht der Dinge Geltung zu verschaffen und sich im Verfahren angemessen zu verhalten. Aufgrund seines unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes hat er überdies auch erhebliche Schwierigkeiten, das deutsche Rechtssystem, insbesondere auch des Unterschied zwischen Asyl- und Abschiebungshaftverfahren und die verschiedenen Zuständigkeiten zu verstehen. Die für die Entscheidung über die Abschiebungshaft wesentlichen Gesichtspunkte können in der mündlichen Anhörung aber nicht vollständig zur Sprache gebracht und erklärt werden. Entscheidend ist darüber hinaus, das die Bedeutung des Verfahrens, bei dem über eine mehrmonatige Freiheitsentziehung zu entscheiden ist, seine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich macht. Vorliegend hat sich der >Betroffene über 3 Monate in Gewahrsam befunden und die Haft soll noch verlängert werden. Diese Wertung steht auch in Einklang mit § 140 I Ziff. 5 StPO, wonach ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, wenn sich der beschuldigte mindestens 3 Monate in Haft oder einer Anstalt befunden hat, sowie mit der Praxis in Unterbringungsverfahren, wo schon aufgrund der Bedeutung der Maßnahme regelmäßig ein Verfahrenspfleger bestellt wird.
BVerfG 2 BvR 2118/01, B.v. 07.10.03, www.bverfg.de Einem ausländischen Untersuchungsgefangenen dürfen nicht ohne Differenzierung im Einzelfall sämtliche Kosten für die Übersetzung zur Kontrolle seines Briefverkehrs auferlegt werden.
LG Braunschweig 3 T 1120/04, B.v. 22.11.04, InfAuslR 2005, 62 (nur Leitsatz der Redaktion) Die Staatskasse hat auch in Abschiebehaftsachen gemäß Art 6 Abs. 3 EMRK die Kosten für die Beiziehung eines für die Verständigung und sachgemäße Vertretung mit dem Rechtsanwalt erforderlichen Dolmetschers zu tragen. Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung (BVerfG NJW 2004, 50) ist auch auf Freiheitsentziehungen außerhalb eines Strafverfahrens zu übertragen.
OLG Oldenburg 13 W 09/05, B.v. 09.02.05, InfAuslR 2005, 206; Asylmagazin 9/2005, 34, www.asyl.net/Magazin/Docs/2005/M-5/6816.pdf Dolmetscherkosten bei Abschiebungshaft - Art 6 Abs. 1 EMRK. Kann sich der Betroffene mit seinem Verfahrensbevollmächtigten nicht verständigen, hat er für ein Gespräch über den Sachverhalt Anspruch auf bewilligung eines Dolmetschers auf Kosten der Staatskasse.
OLG Celle 22 W 12/05 v. 05.04.05, IBIS M6548, Asylmagazin 7/2005, 54; InfAuslR 2005, 394 www.abschiebungshaft.de/OLG-Celle-vom-5-April-2005.doc Die Dolmetscherkosten bei der Abschiebehaft sind von der Staatskasse zu tragen, soweit dies für eine Verständigung im Prozess notwendig ist. Befindet sich ein Ausländer in Abschiebehaft, hat die Staatskasse die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers zu tragen, soweit dies für eine sachgemäße Vertretung des Betroffenen erforderlich ist.
Dazu Anmerkung RA Fahlbusch, Hannover www.abschiebungshaft.de/Rundbrief-09-2005.doc
KG Berlin 25 W 20 u. 21/05, B.v. 13.04.05, InfAuslR 2005, 424 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/6826.pdf Eine Entscheidung über die Beiordnung eines Dolmetschers zur Vorbereitung der Haftbeschwerde durch den bevollmächtigten Anwalt kann vor Begründung der Haftbeschwerde verlangt werden (Gebot des fairen Verfahrens, Art 103, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG, Art. 6 EMRK).
LG Braunschweig 3 T 517/05 (026), B.v. 10.06.05 www.asyl.net/Magazin/Docs/2005/M-5/6827.pdf Anspruch auf kostenlose Hinzuziehung eines Dolmetschers im Abschiebungshaftverfahren; die Ablehnung der Übernahme der Dolmetscherkosten durch das Gericht ist mit der Beschwerde nach § 18 FGG anfechtbar.
BVerfG 2 BvR 1206/04, B.v. 19.01.07, InfAuslR 2007, 244, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/9516.pdf Zur Sicherung einer unverzüglichen richterlichen Haftentscheidung (Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 104 GG) müssen Polizei und Ausländerbehörde sich um die möglichst frühzeitige Einschaltung eines erkennbar erforderlichen Dolmetschers bemühen (vgl. BVerfG 2 BvR 129/04, B.v. 07.09.06, InfAuslR 2006, 462, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8815.pdf).
Die Ausländerbehörde wurde unmittelbar nach Aufgriff des Ausländers um 1.40 Uhr nachts durch die Polizei beteiligt. Schon bei der ersten Vernehmung unmittelbar nach Festnahme wurde deutlich, dass die Beiziehung eines Dolmetschers für die somalische Sprache unumgänglich war. Im Hinblick auf die Verpflichtung aller staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG praktisch wirksam wird (vgl. BVerfG 2 BvR 447/05, B.v. 13.12.05, NVwZ 2006, 579, www.bverfg.de/entscheidungen/rk20051213_2bvr044705.html ), hätten Polizei und Ausländerbehörde sich spätestens am Morgen um einen Dolmetscher bemühen müssen.
LG Braunschweig 3 T 638/09 B.v. 12.04.12. www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2500.pdf Abschiebehaft für einen gehörlosen Ausländer darf nur dann angeordnet werden, wenn ein der "Muttersprache" mächtiger Gebärdendolmetscher hinzugezogen wird.
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siehe auch Übersicht "urteile2.doc" bei § 37 BSHG - Dolmetscherkosten als Bestandteil der Krankenhilfe
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siehe auch Übersicht "urteile2.doc" bei §§ 12, 21 BSHG - Übersetzungskosten für amtliche Dokumente als notwendiger Lebensunterhalt
Dublin II - Abkommen: Zurückschiebungshaft
OLG Schleswig-Holstein 2 W 112/03, B.v. 07.01.04, NVwZ-RR 2005, 858, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/5307.pdf
Bei Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung ist das Beschleunigungsgebot zu beachten. Eine Verzögerung durch das Verhalten ausländischer Behörden im Konsultationsverfahren nach dem Dublin-Abkommenhaben die deutschen Behörden bei der Beachtung des Beschleunigungsgebotes nicht zu vertreten. Insbesondere sind insoweit die im Dubliner Übereinkommen genannten Fristen für die Sicherungshaft ohne Bedeutung, das Ausbleiben nur einer rechtzeitigen Antwort kann insoweit keine Auswirkungen auf die Abschiebehaft haben.
OLG Schleswig-Holstein 2 W 311/04, B.v. 12.01.05, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/6246.pdf
Die Fortsetzung der Zurückschiebungshaft war rechtswidrig. Danach wollte der Betroffene auf jeden Fall nach Frankreich zurückkehren, "notfalls" auch im Wege der Zurückschiebung. Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck der Zurückschiebungshaft, die freiwillige Ausreise in das Land zu verhindern, in das der Betroffene zurückgeschoben werden soll. Durch die Zurückschiebungshaft soll nur sichergestellt werden, dass der Betroffene in das Land zurückkehrt, in das zurückgeschoben werden darf. Dieses Ziel wird auch erreicht, wenn der Betroffene - sei es nun legal oder illegal - freiwillig in das Land ausreist, in das er zurückgeschoben werden soll.
OLG Celle 22 W 65/05 und 66/05, B.v. 10.10.05, Asylmagazin 12/2005, 32, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7343.pdf Zur Zulässigkeit von Abschiebungshaft bei Asylantrag und Dublin II-Verfahren. Die Haft ist mit Ablauf von 4 Wochen nach Eingang des Asylantrages beim BAFl nach § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG rechtswidrig geworden. In Ausnahme zu § 55 Abs. 1 AsylVfG steht die Asylantragstellung der Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen, wenn der Betroffene sich - wie hier - in Sicherungshaft befindet, § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG. Sie endet jedoch spätestens mit dem Ablauf von 4 Wochen, wenn nicht zuvor das Asylgesuch abgelehnt worden ist, § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG.
Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Betroffene den Asylantrag nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat gestellt hätte, d.h. einen sog. Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG. In diesem Fall wäre die Sicherungshaft uneingeschränkt zulässig, §§ 71 a Abs. 2 Satz 3, 71 Abs. 8 AsylVfG. Aus dem Bescheid des BAfl, das gemäß § 71 a Abs. 1 letzter HS AsylVfG zu prüfen hatte, ob ein Zweitantrag vorlag, ergibt sich jedenfalls, dass das Asylverfahren in Italien (noch) durchgeführt werden sollte, mithin noch nicht abschlossen war.
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Dokumente und Materialien
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Infoverbund Asyl (Hrsg.), Das Dublin Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1/2008, www.asyl.net/Magazin/Docs/2007/M-9/am2008-01-beil.pdf
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Pro Asyl, Fluechtlinge im Verschiebebahnhof EU, März 2008 www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Broschueren_pdf/PRO_ASYL_Fluechtlinge_im_Verschiebebahnhof_EU.pdf
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Vgl. auch Entscheidungen zum AsylVfG: Dublin II - Rücküberstellungen
Abschiebungshaft für Unionsbürger
OLG Hamburg 2 Wx 49/07 v. 06.06.07, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2015.pdf
ebenso zur Ausweisung OVG Bln-Brandenburg 8 S 123.05 v. 15.03.06, InfAuslR 2006, 259 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8003.pdf
Keine Abschiebungshaft für Unionsbürger, keine Weitergeltung vor dem 1.1.2005 ergangener Ausweisungen gegen Unionsbürger.
BVerwG 1 C 21/07, U.v. 04.09.07, InfAuslR 2008, 1, http://bverwg.de/media/archive/5562.pdf „Altausweisungen“ von Unionsbürgern bleiben wirksam (a.A. OVG Berlin-Brandenburg 8 S 123.05, B.v. 15.03.06, InfAuslR 2006, 259, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8003.pdf). In jedem Fall haben Unionsbürger aber einen Anspruch auf Befristung der Ausweisung. § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU gewährt Unionsbürgern – anders als § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG – einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung und räumt der Behörde nur hinsichtlich der Länge der Frist Ermessen ein. Dabei ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung erforderlich, ob die vorliegenden Umstände auch jetzt noch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die hohen Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Die Befristung nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU darf nicht von der Begleichung angefallener Rückführungskosten abhängig gemacht werden.
med. Versorgung / freie Arztwahl
VG Berlin 14 A 89.00 v. 13.04.00, InfAuslR 2000, 295; www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1544 Das Land Berlin, vertreten durch den Polizeipräsidenten, wird verpflichtet, der Antragstellerin seine Zustimmung zur Untersuchung durch die Ärztin ihres Vertrauens zu erteilen sowie dieser Einblick in die die Antragstellerin betreffenden Krankenakten im Polizeigewahrsam Kruppstraße zu gewähren. Der Anspruch der Antragstellerin folgt aus ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit.
Nach § 11 des Gesetzes über das Abschiebegewahrsam im Land Berlin haben Abschiebungshäftlinge Anspruch auf notwendige ärztliche Behandlung durch den für den Abschiebegewahrsam bestellten (polizei)ärztlichen Dienst. Im Gegensatz zur Ansicht des Landespolizeiverwaltungsamtes schränkt diese Vorschrift die Zuziehung von Ärzten auf Wunsch und auf Kosten eines Abschiebehäftlings nicht ein. Nach § 2 des Gesetzes dürfen im Abschiebegewahrsam nur die Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Abschiebehaft nach § 57 AuslG oder die Sicherheit oder Ordnung im Abschiebegewahrsam erfordern. Darüber hinaus sind solche Beschränkungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen. Dies entspricht der Rechtslage nach § 119 StPO für die Untersuchungshaft. Beschränkungen sind danach nur zulässig, um eine reale Gefahr im Sinne der in § 119 Abs. 3 und 4 StPO genannten öffentlichen Interessen abzuwehren und dieses Ziel nicht mit weniger eingreifenden Maßnahmen erreicht werden kann.
Die Antragstellerin hat ein dringendes persönliches Interesse an der Untersuchung durch eine Ärztin glaubhaft gemacht. Sie verweigert seit einigen Wochen die Aufnahme von Nahrung und offensichtlich seit Tagen die Aufnahme von Flüssigkeit. Ihr Gesundheitszustand ist erheblich geschwächt, was sich allein daran zeigt, dass sie inzwischen ins Haftkrankenhaus verlegt wurde. Zwar ergeben die Unterlagen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsgegner nicht die erforderliche medizinische Versorgung zur Verfügung stellt. Das Begehren der Antragstellerin ist jedoch nicht auf die Durchführung medizinischer Behandlung gerichtet, für die der Antragsgegner originär zuständig ist. Sie will lediglich ihren Gesundheitszustand durch die Ärztin ihres Vertrauens untersuchen lassen. Dieses Vertrauen bringt sie den behandelnden Ärzten nicht entgegen. Deswegen ist ihr durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Verlangen noch nicht erfüllt.
In die Rechtsstellung Art 2. Abs. 1 GG kann nur zum Zweck der Abschiebungshaft nach § 57 AuslG und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Abschiebungsgewahrsam eingegriffen werden. Die Polizei hat keine durchgreifenden Gründe für die Annahme vorgetragen, dass die Untersuchungen den Zweck oder die Ordnung der Abschiebungshaft beeinträchtigen würde. Die Polizei befürchtet im wesentlichen, dass die Ärztin in einem nicht fachgerechten Gutachten feststellen könnte, das die Antragstellerin reise- und haftunfähig sei, und damit den Vollzug der Abschiebung behindern könnte. Er verkennt dabei, das es in der Zuständigkeit des Polizeipräsidenten und des Landeseinwohneramtes verbleibt, über den Vollzug der Haft und der Abschiebung zu entscheiden. Streitigkeiten über die Haftfähigkeit sind ggf. vor dem Amtsgericht auszutragen. Die Frage, ob wegen Reiseunfähigkeit eine Duldung zu erteilen ist, ist evtl. vor dem Verwaltungsgericht zu klären. Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit können nicht damit begründet werden, dass die Antragstellerin andernfalls in diesem Verfahren möglicherweise Erfolg haben könnte. Aus der grundgesetzlich geschützten Rechtsstellung folgt nämlich auch, dass die Antragstellerin nicht gehindert werden darf, ihre Verfahrensrechte zur Durchsetzung dieser Rechte wahrzunehmen.
Diese Ergebnis widerspricht auch nicht die Ordnung über das Abschiebegewahrsam (die allerdings nicht zu der Schrankentrias des Art 2 Abs. 1 GG zählt, da es sich um eine Verwaltungsvorschrift handelt), denn auch danach ist die Zuziehung eines frei praktizierenden Arztes auf eigene Kosten des Häftlings zulässig. Eine Entscheidung darüber hat der Gewahrsamsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Wie ausgeführt, ist eine Ablehnung im vorliegenden Fall unverhältnismäßig.
Eine fachgerechte Untersuchung setzt auch voraus, dass die Ärztin die Möglichkeit erhält, Einblick in die bei der Polizei vorhandenen Krankenunterlagen zu nehmen. Nur so erscheint eine ausreichende Beurteilung des Gesundheitszustandes möglich. Die Antragstellerin hat Anspruch auf Einsicht in die objektiven Feststellungen über ihre körperliche Befindlichkeit und die Aufzeichnung über die Umstände und den Verlauf der ihr zuteil gewordenen Behandlung, die durch eine Vertrauensperson durchgeführt werden kann. Dies ergibt sich schon aus dem durch die grundrechtliche Wertung geprägten Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde, die es verbietet, ihr im Rahmen der Behandlung die Rolle eines bloßen Objektes zuzuweisen (BGH, NJW 1983, 328 (329) m.w.N.). Dieser vom BGH für das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient entwickelte Grundsatz muss um so mehr gelten, wenn die ärztliche Maßnahme im Rahmen eines Freiheitsentziehungsverfahrens erfolgt. Der Antragsgegner hat keine Gründe vorgetragen, die dem Recht auf Einsichtnahme entgegenstehen könnten. Im Kern befürchtet er lediglich Schwierigkeiten bei der rechtlichen Durchsetzung der Abschiebung, die, wie bereits ausgeführt, Einschränkungen des Grundrechts nicht rechtfertigen
Anmerkungen: Die Ukrainerin befand sich wegen fehlender Papiere seit Oktober 1999 in Abschiebehaft. Am Tag der VG- Entscheidung befand sie sich seit 55 Tagen im Hungerstreik und seit drei Tagen im Haftkrankenhaus. Zusätzlich hatte sie 5 Tage einen Durststreik durchgeführt. Der Ärztin ihres Vertrauens wurde von der Polizei die Untersuchung verweigert, sie konnte mit der Ukrainerin nur durch eine Trennscheibe sprechen. Trotz Schweigepflichtentbindung verweigerte der polizeiärztliche Dienst der Ärztin sowie deren Rechtsanwältin auch die Einsicht in die Krankenakte.
VG Bremen 4 V 163/08. B.v. 21.01.08 und 4 V 349/08, B.v. 06.02.08 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2155.pdf (bestätigt durch OVG Bremen 1 B 50/08, B.v. 07.02.08, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2191.pdf) Recht auf freie Arztwahl im Polizeiabschiebegewahrsam (hier zum Zweck einer psychiatrischen Untersuchung durch einen Arzt bzw. einen Psychotherapeuten). Selbst gewählten Ärzten ist der Zugang zu den Patienten zu gewähren. Die übliche Praxis, die Häftlinge bei Verdacht auf psychische Krankheiten der Polizeiärztin als Amtsärztin vorzustellen, die dann über eine evtl. Überweisung an einen Facharzt zu entschieden hat, wurde insoweit relativiert (vgl. auch VG Berlin, InfAuslR 2000, 295, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1544).
Schadensersatz für rechtswidrige Abschiebehaft
LG Stade 3 O 83/98 U.v. 22.12.1998; NVwZ Beilage I 1999, 39. Der Landkreis, der die Abschiebungshaft beantragt und in der Zeit vom 29.07. bis 04.08.97 vollzogen hatte, wurde nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zum Ersatz eines Verdienstausfalls des Betroffenen in Höhe von 592,-DM und zum Ersatz eines immateriellen Schadens in Höhe von 5.000,-DM verurteilt.
OLG Celle 16 U 36/99, U.v. 17.08.99 www.abschiebungshaft.de/home/Rechtsprechung1.html
Das OLG hat das Urteil des LG Stade abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Betroffene hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus § 839 BGB (Amtspflichtverletzung) i.V.m. Art. 34 GG (Amtshaftung). Amtshaftungsansprüche sind allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Betroffene Ausländer ist. § 7 PrStHG, wonach Ausländern Staatshaftungsansprüche nur zustehen, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist, gilt in Niedersachsen nicht mehr (Nds. GVBl. 95, 424). Es fehlt im vorliegenden Fall aber bereits an einer objektiven Amtspflichtverletzung (wird ausgeführt).
OLG Hamm 19 W 16/01, B.v. 18.05.01, NVwZ-Beilage I 2001, 96, www.abschiebungshaft.de/home/R7.html Eine Haftentschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz wird für erlittene Abschiebungshaft nicht gewährt. Schadensersatzansprüche und Entschädigungen kommen nur nach allgemeinen Staatshaftungsgrundsätzen in Betracht (§ 839 BGB; Art 5 EMRK). Solche Ansprüche sind aber vor den Zivilkammern der Landgerichte zu erheben und nicht vor den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
OLG Schleswig-Holstein 11 W 23/2001 B.v. 26.11.01; NVwZ-Beilage I 2002, 118; InfAuslR 2002, 302; IBIS C1690 www.abschiebungshaft.de/home/R47.html , www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1690.pdf Das OLG bewilligt Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Art. 5 Abs. 5 EMRK gegen das Land Schleswig-Holstein als Träger der Justizhoheit wegen rechtswidriger Anordnung von Sicherungshaft durch das Amtsgericht.
OLG Oldenburg 6 W 64/01, B.v.13.12.01, NVwZ-Beilage I 2002, 117; InfAuslR 2002, 304, IBIS M2153, www.asyl.net/Magazin/Docs/2002/M-2/2153.pdf Das OLG bewilligt Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von Schmerzensgeld gegen den Landkreis C. als Ausländerbehörde wegen zu Unrecht verfügter Abschiebhaft. Vorliegend beruhte die Haft darauf, dass ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde mit Hilfe frei erfundener Angaben zu Geburtsort und Wohnort des Antragstellers Reisepapiere der DR Kongo beschafft hatte und nur deshalb eine Abschiebung in Aussicht stand. Gem. Art 34 GG muss hier der Landkreis für seinen Mitarbeiter einstehen, ein Schmerzensgeldanspruch aufgrund § 847 BGB ist hinreichend erfolgversprechend.
LG Hamburg 303 O 50/03, B.v. 17.04.03, IBIS M3614, Asylmagazin 6/2003, 40, www.asyl.net/Magazin/6_2003c.htm - G2 (Prozesskostenhilfeverfahren)
Amtshaftungsanspruch auf Schmerzensgeld (100.- Euro) und Schadensersatz f(bei der Festnahme zerstörte Wohnungstür) wegen von der Ausländerbehörde veranlasster rechtswidriger Festnahme durch die Polizei. Die Festnahme war rechtswidrig, weil kein Haftbefehl vorlag.
OLG Oldenburg 6 W 25/03 B.v. 30.04.03, IBIS M3612, Asylmagazin 6/2003, 40, www.asyl.net/Magazin/6_2003c.htm - G1 (Prozesskostenhilfeverfahren)
Schmerzensgeldanspruch gegen den Träger der handelnden Ausländerbehörde für zu Unrecht erlittene Abschiebungshaft. Der betroffene Ausländer war in Sicherungshaft genommen worden, obwohl er noch keine Rückführungspapiere besaß und nicht damit zu rechnen war, dass ihm innerhalb der nächsten Monate welche ausgestellt werden würden.
OLG Oldenburg 6 W 112/03, B.v. 12.01.04, InfAuslR 2004, 216 Wird Abschiebehaft aufrechterhalten, obwohl die Ausländerbehörde erkennen kann, dass die Abschiebung undurchführbar ist, haftet sie auch dann auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art 5 Abs. 5 EMRK, wenn die Haftanordnung durch einen (unabhängigen) Richter beschlossen worden ist. Vorliegend blieb der Antragsteller inhaftiert, obwohl feststand, dass die Abschiebung nicht innerhalb drei Monaten durchgeführt werden kann, da die Russische Botschaft mitgeteilt hatte, dass die Identität des Antragstellers derzeit nicht feststellen lasse, da keine Informationen aus Tschetschenien vorliegen.
Abschiebehaft und EU-Rückführungsrichtlinie
LG Hannover 8 T 72/11 B.v. 19.12.11 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2383.pdf Gemäß Art. 6 und 7 EU-Rückführungsrichtlinie 2008/115 EG iVm §§ 58 Abs. 1 und 59 AufenthG muss - auch bei illegaler Einreise - vor Durchführung der Abschiebung zunächst eine Rückkehrentscheidung der ABH ergehen. Ohne eine solche Entscheidung ist auch die Abschiebehaft nicht zulässig.
LG Nürnberg-Fürth v. 25.10.13 - 18 T 8112/13 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2599.pdf, ebenso LG München v. 16.10.13 - 6 T 4334/13 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2600.pdf und LG Görlitz v. 23.10.13 - 2 T 102/13 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2601.pdf: Der Vollzug von Abschiebungshaft in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) ist aufgrund der EU-Richtlinie 2008/115/EG unzulässig.
LG Traunstein 4 T 4162-13 v. 07.11.13 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2618.pdf Der Vollzug von Zurückschiebungshaft in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) ist aufgrund der zur EU-Richtlinie 2008/115/EG inziwschen vorliegenden Rechtsprechung unzulässig.
Materialien:
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Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Schreiben v. 15.04.03 an den Berliner Flüchtlingsrat, www.proasyl.de/texte/mappe/2003/78/7.pdf. Für besonders schutzbedürftige Personengruppen, für die grundsätzlich keine Haftanträge gestellt werden, wurde die Höchstdauer der Abschiebungshaft auf drei Monate begrenzt. Die Weisung betrifft Schwangere sowie nachweislich Minderjährige nach Vollendung des 16. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.
Wortlaut der Weisungen zu § 57 AuslG / § 62 AufenthG siehe Weisungsordner der Berliner Ausländerbehörde
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/weisung.pdf
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IM NRW, Erlass v. 17.07.02 - 14.1 / VI -4.1.1 - IBIS M2224, www.asyl.net/Magazin/Docs/2002/M-2/2224.doc Änderung der Richtlinie zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft, um Belangen von Kindern, Jugendlichen, Frauen und Alleinerziehenden bei der Abschiebungshaft gerecht zu werden.
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Melchior, K., Internet-Kommentar zur Abschiebungshaft: www.abschiebungshaft.de
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Heinhold. H., Aktuelle Rechtsprechung zur Abschiebungshaft, ZAR 2004, 185
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Kessler, S. Der Einzelfall zählt – Die Rückführungsrichtlinie und das deutsche Ausländerrecht, Asylmagazin 2012, 142, www.asyl.net/fileadmin/user_upload/beitraege_asylmagazin/Beitraege_AM_2012/AM2012-5-BeitragStefanKessler.pdf
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