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Kindergeld für Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nach § 34 AufenthG



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Kindergeld für Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nach § 34 AufenthG



FG Münster 15 K 2147/06 Kg U.v. 05.12.06 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2147.pdf Nach Sinn und Zweck des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG ist ein volljährig gewordenes Kind mit Aufenthaltserlaubnis nach § 34 AufenthG bzw. § 20 AuslG in der Übergangsphase bis zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis kindergeldberechtigt.

Aus der Pressemitteilung des FG Münster: Eltern, die selbst als Minderjährige zum Zwecke des Familiennachzugs in die Bundesrepublik eingereist sind, haben auch dann Anspruch auf Kindergeld, wenn sie im Zeitpunkt der Geburt des Kindes bereits volljährig sind, aber noch nicht über eine Niederlassungserlaubnis verfügen.

Die ledige Klägerin reiste als Minderjährige im Jahre 2002 in die Bundesrepublik ein. Ihr Vater war im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Die Klägerin erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs. Mit Eintritt der Volljährigkeit im Jahre 2003 erstarkte ihr Aufenthaltsstatus zu einem vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht.

Im Jahre 2006 brachte die Klägerin einen Sohn zur Welt. Das Kindergeld für den Sohn lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen, die nach der gesetzlichen Regelung für die Gewährung von Kindergeld an Ausländer erfüllt sein müssten.

Das FG Münster gab der Klage statt. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung habe die Klägerin zwar erst Anspruch auf Kindergeld, wenn ihr - was frühestens fünf Jahre nach Eintritt ihrer Volljährigkeit möglich sei - eine Niederlassungserlaubnis erteilt werde. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug bis zum Eintritt ihrer Volljährigkeit dem Grunde nach bereits kindergeldberechtigt gewesen sei. Da keine hinreichenden sachlichen Gründe dafür erkennbar seien, warum ihr die Kindergeldberechtigung für die Übergangsphase zwischen Volljährigkeit und Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abzusprechen sein sollte, sei die gesetzliche Regelung verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass der Klägerin auf der Grundlage der ihr seit Eintritt in die Volljährigkeit zustehenden eigenständigen Aufenthaltserlaubnis das Kindergeld zustehe.


  • Anmerkung: die durch die Änderung des § 62 EStG durch das ZuwG geschaffene gesetzliche Regekungslücke (Kein Kindergeld bei Aufenthaltserlauzbnis nach §§ 29, 30, 32 - 34 AufenthG) ist durch die gesetzliche Neuregelung vom 13.12.2006 für zukünftige Zeiträume geschlossen worden


Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis / Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen



BSG 10 RKg 22/94 und 23/94 U.v. 31.10.95, IBIS e.V.: C1153, InfAuslR 6/96, 220; EZAR 450 Nr 8 - Der Weg­fall des Kindergeldanspru­ches für Ausländer mit Aufent­haltsbefugnis aufgrund Altfallregelung durch das 1. SK­WPG ab 1.1.94 verstößt nicht gegen Grund­sätze des Vertrauensschutzes, ist nicht verfassungswidrig und gilt auch für vor dem 1.1.94 ge­borene Kin­der. Ausdrücklich offen läßt das BSG dabei die Frage, ob dies auch für die steuer­liche Entlastungs­funktion des Kindergeldes gilt. Dies spielte vorliegend aber keine Rolle, denn der Antrag­stel­ler lebt ausschließlich von Sozialhilfe, so daß das Kin­dergeld für ihn nicht ersatzlos weg­gefal­len ist, sondern durch entsprechende Sozi­alhilfeleistungen er­setzt wurde.

Soweit der durch fehlendes Kindergeld und dadurch verursachte Sozialhilfebedürftigkeit verhinderte An­spruch auf eine unbefristete Aufenthaltser­laubnis nach § 35 AuslG verfas­sungsrechtlich bedenk­lich sein sollte, könne das AuslG ohne weiteres verfas­sungskonform so ausge­legt werden, daß es auf nur auf den gesicher­ten Lebens­unterhalt nach der Erteilung der unbe­fristeten Er­laubnis ankommt und der erst dann zu realisie­rende Kinder­geldanspruch mitberücksich­tigt wird.


BSG 10 RKg 2/96 U.v. 19.12.95, IBIS e.V.: C1154 Kein Anspruch auf Kindergeld für Ausländer mit Alt­fallaufenthaltsbefgunis, wenn der Einkommensverlust weitgehend durch Inanspruchnahme von Sozialhilfe aus­geglichen werden kann (vorliegend einVerlust von 120.- mtl). Vertrauenschutz (Art. 20.3 GG) könnte allenfalls einen vorüberge­henden Fortbestand der Kindergeldleistungen rechtfertigen. Bedenkenswert erscheint dies bei Familien, deren Einkommen zum Januar 1994 in erheblichem Umfang gemindert wurde, ohne daß dies durch an­derweitige Sozial­leistungen aufgefangen wurde.

Im vorliegenden Fall kann ungeprüft bleiben, ob das Kindergeld Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung zwar nicht in seiner Funktion als allgemeine Sozialleistung, wohl aber in seiner steuerlichen Entlasu­tungsfunktion zustehen müsste, denn der Kläger ist nicht einkommensteuerpflichtig.


LSG NRW v. 06.12.96 - L 13 Kg 105/94, IBIS C1363 Das LSG hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorge­legt, ob der Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis in § 1 BKGG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ge­klagt hatte eine libanesische Familie mit fünf Kindern, die aufgrund eines Bleiberechtserlasses Aufenthaltsbe­fugnisse erhalten hat und denen das Kindergeld zum 1.1.1994 gestrichen wurde.

Das LSG hält - mit ausführlicher Begründung - anders als das BSG die Vorschrift für verfassungswidrig:

”§ 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG 1994 verletzt den Kläger in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit seinen Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG und den Grundrechten seiner Kinder aus den Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.”
BSG 14/10 RKg 21/96 v. 2.10.97, IBIS C1364; EZAR 451 Nr. 5 Die Neuregelung des § 1 BKGG ist vom Wortlaut her eindeutig. Der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis reicht für einen Kindergeldanspruch nicht aus. Der Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis ist verfassungsgemäß.
BSG B 14 KG 17/97 R und BSG B 14 KG 18/97 R v. 28.1.00 Die Revisionen der Kläger blieben ohne Erfolg. Die Entziehung des Kindergeldes aufgrund der Gesetzesänderung war rechtmäßig. Die gesetzliche Regelung, wonach eine Duldung des Aufenthalts für den Anspruch nicht mehr ausreicht, ist nicht verfassungswidrig. Da die Kläger weder Staatenlose noch als Flüchtlinge anerkannt sind, konnte der Anspruch auch nicht auf EG-Recht gestützt werden.
BFH VI B 66/00 B.v. 29.05.00, BFH/NV 2000, 1459, IBIS e.V. C1599 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1599.pdf (Vorinstanz FG Hamburg I 690/99 v. 08.02.00) Den Klägern wurde Prozesskostenhilfe bewilligt, da die Frage, ob die Regelung des § 62 Abs. 2 S. 1 EstG, wonach Ausländer ohne gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status kein Kindergeld erhalten, mit Art. 3 GG vereinbar ist, ist. Gegenstand mehrerer beim Senat anhängiger Revisionsverfahren und damit noch nicht abschließend geklärt (Anmerkung: Dem Beschluss ist nicht zu entnehmen, um welchen Aufenthaltsstaus, welches Herkunftsland etc. es vorliegend geht).
BFH VI B 134/00, B.v. 13.09.00, IBIS e.V. C1582; DStR 2000, 239 (mit Anmerkung 'MIT'); BFHE 192,483; BFH/NV 2001, 116; Finanzrundschau/Ertragssteuerrecht 2001, S. 39. www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1582.pdf

Zum Kindergeld für Flüchtlinge mit Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer Altfallregelung. Klägerin ist eine libanesische Familie mit sechs Kindern, deren zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnisse aufgrund des auf § 99 AuslG gestützten Übergangserlasses des Nds. Innenministeriums v. 18.10.1990 nach dem AuslG 1990 als Aufenthaltsbefugnisse fortgelten. Der Kläger hält den in § 62 Einkommensteuergesetz geregelten Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis vom Anspruch auf Kindergeld für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG), da sein Aufenthaltsrecht mindestens so sicher sei wie das eines Ausländers mit Aufenthaltserlaubnis. Da die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg habe, wurde vom Bundesfinanzhof Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach erneuter Prüfung hält der Bundesfinanzhof an seiner früheren Rspr. (keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG) nicht mehr fest. Im Hauptverfahren will der BFH insbesondere prüfen, ob der Ausschluss des Antragstellers vom Kindergeld mit Art. 3 GG vereinbar ist und - wenn nicht -, ob eine Vorlage an das BVerfG erforderlich ist.


Anmerkung: § 99 AuslG bestimmt, dass vor Inkrafttreten des AuslG 1990 aus humanitären Gründen oder wegen eines Abschiebungshindernisses erteilte Aufenthaltserlaubnisse ab 1.1.1991 als Aufenthaltsbefugnisse fortgelten und abweichend von § 34 Abs. 2 AuslG (Wegfall des Abschiebungshindernisses oder der sonstigen einer Aufenthaltsbeendung entgegenstehenden Gründe) verlängert werden. Auch neuere Altfallregelungen (z.B. die aktuelle Regelung für traumatisierte Bosnier - nicht jedoch die aktuelle Regelung für Kosovo-Flüchtlinge) enthalten teilweise eine Bestimmung, nach der § 34 Abs. 2 AuslG bei der Verlängerung keine Anwendung findet. Zumindest in solchen Fällen sollte daher versucht werden, unter Berufung auf Art. 3 GG und den o.g. Beschluss des BFH einen Kindergeldanspruch geltend zu machen (und ggf. zugleich zu beantragen, das Verfahren bis zu einer endgültigen Entscheidung des BFH bzw. des BVerfG auszusetzen).
FG Düsseldorf 18 K 6552/00 Kg (PKH) - rechtskräftig -, B.v. 13.02.01, EFG 2001, 576; IBIS e.V. C1634. Dem Kläger ist für die Klage auf Kindergeld PKH zu bewilligen. Zum einen lässt sich die Erfolgsaussicht auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis vom Kindergeld (§ 62 Abs. 2 S. 1 EStG) stützen, vgl. BFH VI B 134/00 v. 13.09.00 (Frage der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG). Zum anderen hat die Klage auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 EWG-Türkei und die hierzu ergangene Entscheidung des EuGH v. 04.05.99 (Sürül), Aussicht auf Erfolg (wird ausgeführt, siehe weiter unten).
FG Düsseldorf 18 K 1922/01 Kg, U.v. 13.11.01, EFG 2002, 475, IBIS C1728 (rechtskräftig). Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis können nur dann Kindergeld (KG) beanpruchen, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung in Händen halten (sog. Tatbestandswirkung des Aufenthaltstitels). Der seit 6 Jahren in Deutschland lebende afghanische Kläger ist auch kein anerkannter Asylberechtigter, Konventionsflüchtling, Kontingentflüchtling oder Staatenloser. Er kann KG auch nicht aufgrund VO EWG 1408/71 beanspruchen, da er weder Flüchtling noch Arbeitnehmer ist, und weil er auch nicht als Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, sondern als Asylbewerber direkt aus seinem Heimatland zugewandert ist (vgl. EuGH v. 11.10.2001 - Khalil u.a. -).

Der Ausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung ist auch nicht verfassungswidrig, da der Staat der Pflicht zu Steuerfreistellung des Kinder-Existenzminimums gegenüber allen Steuerpflichtigen nachkommt. Zusätzliche Familienförderung durch Kindergeld kann der Staat ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG einzelnen Eltern-Gruppen aus vertretbaren Erwägungen versagen. Ausgeschlossen vom KG sind im Ergebnis z.B. auch Besserverdienende (Anrechnung des KG auf den Steuerfreibetrag) und Sozialhilfeempfänger (Anrechnung des KG auf die Sozialhilfe. Der Ausschluss von Ausländern ohne qualifizierten Aufenthaltstitel, die sich voraussichtlich nicht auf Dauer in Deutschland aufhalten werden (BT-Drs 12/5502, S 44; Heuermann, DStR 1997, 1631, 1633) erscheint jedenfalls nicht willkürlich. Auf eine Einzelfallprognose bezüglich der individuellen Bleibeperspektive brauchte sich der Gesetzgeber schon aus Gründen des Verwaltungsaufwandes nicht einzulassen. Auf diese Weise werden vernünftigerweise auch Personen vom KG ausgeschlossen, die ihre Nicht-Abschiebbarkeit durch eigenes Fehlverhalten ausgelöst haben, z.B. ihren Pass vernichten oder ihre Identität verschleiern. Auch ein Verstoß gegen Art 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor, der Staat durfte typisierend auf die Qualität der Aufenthaltstitel abstellen und war nicht gehalten, in jeweiligen Einzelfall eine Propgnose vorzunehmen, ob die Familie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dauerhaft in Deutschland bleiben wird (so offenbar Felix in Kirchhof/Söhn, § 62 EStG Rn A 32).


FG Münster 4 K 8202/99 Kg, U.v. 18.09.00, IBIS C1748; EFG 2001, 515 Kein Kindergeldanspruch für Ausländer, der nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung ist, und auch nicht nach der Genfer Konvention als Flüchtling anerkannt ist. "Die schlichte Duldung des Klägers in Form einer Aufenthaltsbefugnis reicht nicht aus." Der Auschluss verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 GG, denn für die ungleiche Behandlung besteht ein sachlicher Grund, denn ein Ausländer mit bloßer Aufenthaltsbefugnis hat - im Unterschied zu anerkannten Flüchtlingen und zu Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung - keinen Anspruch auf ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht in Deutschland.

BVerfG 1 BvL 40/97 u.a., B. v. 06.07.04, InfAuslR 2005, 67; EZAR 87 Nr. 2, www.bverfg.de, veröffentlicht mit Pressemitteilung des BVerfG vom 10.12.04.

Der zum 1.1.1994 im Bundeskindergeldgesetz (BKGG) vorgenommene Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis vom Kindergeld ist wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verfassungswidrig. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, bis zum 1.1.2006 eine verfassungskonforme Neuregelung vorzunehmen.



  • Anmerkung: Der Beschluss im Wortlaut mit Anmerkungen G. Classen und R. Hofmann:
    www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/arbeitshilfen/kindergeld.pdf


FG Ba-Wü 8 S 1/05, B. v. 22.03.05, EFG 2005, 980. Anspruch auf Kindergeld bei rückwirkendem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung.

Ein Ausländer hat Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltsgenehmigung ist. Das Tatbestandsmerkmal "im Besitz" ist im Lichte der jüngsten Rspr. des BVerfG (1 BvL 4/97 u.a., B.v. 06.07.0ß5, NVwZ 2005, 201) entgegen der bisher in Rspr. und Literatur vertretenen Auffassung nicht wörtlich zu begreifen, sondern vielmehr verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass lediglich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen müssen. Dies gilt zumindest für die Fälle, in denen der Aufenthaltstitel nachträglich erteilt wird.


Wüllenkemper, D., Anmerkung zum Beschluss des BVerfG v. 06.07.04, EFG 2005, 717. Betroffenen wie Beratern ist dringend zu raten, Verfahren, in denen ein Anspruch von Ausländern auf KG an der bisherigen Fassung des § 62 Abs. 2 Satz 2 EStG scheitert, offen zu halten. Einspruchsverfahren im Anschluss an eine Ablehnung des KG-Antrags ruhen mit Rücksicht auf die beim Bundesfinanzhof (BFH) zu § 62 Abs. 2 Satz 2 EStG noch anhängigen Verfahren gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO 1977 kraft Gesetzes, wenn der Einspruch darauf gestützt wird.

Ergeht in diesem Fall gleichwohl eine (ablehnende) Einspruchsentscheidung, so muss dagegen Klage erhoben werden (vgl. auch § 363 Abs. 3 AO 1977). Die Klage kann sich ausnahmsweise auf eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränken (vgl. BFH, U.v. 14.07.04 IX R 13/01, BFHE 206, 213); diese ist im Hinblick auf den Verstoß gegen § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ohne sachliche Prüfung aufzuheben. Das Rechtschutzinteresse für die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung besteht darin, das Verfahren ohne Kostenrisiko auf der behördlichen Ebene zu beenden.




  • Anmerkung G.C. Antrag, Einspruch und Aussetzungsantrag sollten sicherheitshalber sowohl auf die Entscheidung des BVerfG als auch die beim BFH noch anhängigen Verfahren (siehe weiter unten) zum KG-Anspruch von Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis /-befugnis aus humanitären Gründen gestützt werden. Formal sind derzeit nur die (dieselben Rechtsfragen wie der BVerfG-Beschluss v. 06.07.04 betreffenden) Verfahren zum Anspruch von Ausländern mit Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nach § 62 Abs. 2 Satz 2 EStG beim BFH noch "anhängig". Mit einer Entscheidung des BFH ist nicht vor Ablauf des Jahres 2005 zu rechnen, da der BFH wohl die vom BVerfG geforderte Entscheidung des Gesetzgebers zum KG-Anspruch von Ausländern abwarten wird.


EGMR, Individualbeschwerde Nr. 59140/00, U.v. 25.10.05 (Okpisz/Deutschland), NVwZ 2006, 917, www.egmr.org

Die polnischen Kläger leben seit 1985/86 mit ihren Kindern in Deutschland und besitzen als abgelehnte Vertriebenenbewerber seit 1992 Aufenthaltsbefugnisse. Das KG wurde zum 1.1.1994 wegen Änderung des BKGG eingestellt. Das LSG NRW hat das Klageverfahren im Hinblick auf fünf dem BVerfG vorgelegte Musterverfahren 1997 ausgesetzt. Im Hinblick auf das im Dezember 2004 bekannt gewordenen Urteil des BVerfG mit der Aufforderung an den Gesetzgeber zur Neuregelung wurde das Verfahren in 2005 weiterhin ausgesetzt.

Durch die Gewährung von KG können die Staaten unter Beweis stellen, dass sie das Familienleben im Sinne des Artikels 8 der EMRK achten. Daraus folgt, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 EMRK in der vorliegenden Rechtssache anwendbar ist. Nach der Rspr. des EGMR ist eine unterschiedliche Behandlung im Sinne von Artikel 14 EMRK diskriminierend, wenn es für sie „keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt“, d.h. wenn mit ihr kein „legitimes Ziel“ verfolgt wird oder „die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen“.

Der EGMR erkennt wie das BVerfG in den Musterverfahren keine hinreichenden Gründe zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Ausländern bei dem Kindergeldbezug in Abhängigkeit davon, ob sie über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verfügten oder nicht. Folglich ist Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention verletzt worden. Die finanzgerichtlichen Verfahren zur Gewährung von KG ab 01.01.96 sind nicht Gegenstand dieser Beschwerde, der Anspruch für beide Kinder für 1994 und 1995 betrug exakt 2.455 Euro. Unter Berücksichtigung dieser Umstände spricht der EGMR den Beschwerdeführern 2.500 Euro als Ersatz für entgangenes Kindergeld für ihre beiden Kinder für Januar 1994 bis Dezember 1995 zu.


FG Nds 16 S 33/05, B.v. 14.12.05, IBIS M7615. www.asyl.net/Magazin/Docs/2006/M-6/7615.pdf Bewilligung von PKH für rückwirkenden Antrag auf Kindergeld. Der Ausschluss von Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG a.F. für die Klägerin mit Aufenthaltsbefugnis bzw. inzwischen mit Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG dürfte ebenso wie der gleichlautende § 1 Abs 3 BKGG verfassungswidrig sein (vgl. BverfG 1 BvL 4/97 u. a., B.v. 06.07.04).

Auch § 62 Abs. 2 EStG i.d.F.d. ZuwG hat sachlich nicht zu einer Erweiterung der Kindergeldberechtigung geführt, so dass die Umformulierung nicht bewirkt, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt worden sind.


FG Nds 16 K 12/04 U.v. 23.01.06, Asylmagazin 4/2006, 39; EZAR NF 87 Nr. 7; EFG 2006, 751; Revision anhängig BFH III R 21/06, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7883.pdf, www.nwb.de/finanzgericht/NFG/volltexte/2006/Januar/16_K_12_04.doc,

Kindergeld für Ausländer, der weder über eine Aufenthaltsberechtigung noch über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, wenn in der Person des Ausländers ein Abschiebungshindernis (hier: nach § 53 Abs. 4 AuslG) besteht und er sich mindestens ein Jahr in Deutschland aufhält.

§ 62 Abs. 2 EStG verstößt aus den gleichen Gründen wie § 1 Abs. 3 BKGG gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Entscheidung des BVerfG kann auf § 62 Abs. 2 EStG übertragen werden, der verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass das KG nur ausgeschlossen ist, wenn kein Abschiebungshindernis nach §§ 51, 53 und 54 AuslG besteht oder der Ausländer sich nicht mindestens 1 Jahr in Deutschland aufhält.
FG Nürnberg IV 38/2006, U.v. 06.04.06, Revision anhängig BFH III R 42/06 Kindergeld nach EStG für Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis. In dem vom Kläger zu § 1 BKGG erwirkten Urteil des EGMR v. 25.10.2005 (Individualbeschwerde Nr. 59140/00, U.v. 25.10.05 - Okpisz/Deutschland) wird unter I. Ziff. 33. ausgeführt, dass der EGMR wie das BVerfG keine Gründe zur unterschiedlichen Behandlung von Ausländern danach erkennt, ob sie über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verfügen. Folglich ist Art. 14 i. V. m. Art. 8 der EMRK verletzt. Diese höchstrichterlichen Entscheidungen sind auch bei der Anwendung des § 62 EStG zu beachten.

§ 62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung ist wortgleich mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG i. d. F. des 1. SKWPG. Durch die Einfügung der Kindergeldregelungen in das EStG ab 01.01.96 hat sich am Gesetzeszweck nichts geändert. Eine Neuregelung der verfassungswidrigen Vorschrift des § 1 BKGG ist durch den Gesetzgeber bis heute nicht erfolgt, so dass nach der Entscheidungsformel des BVerfG im B. v. 06.07.04 die bis 31.12.93 gültige Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG anzuwenden ist. Demnach haben Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung Anspruch auf Kindergeld, wenn sie nach §§ 51, 53 oder 54 des AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenem Aufenthalt von einem Jahr. Weiteren Einschränkungen unterliegt der Kindergeldanspruch von Ausländern nach § 1 BKGG damit derzeit nicht.

Unter Berücksichtigung des unveränderten Zwecks der Kindergeldgewährung, des Unterbleibens einer gesetzlichen Neuregelung des § 1 BKGG in der bis 1995 gültigen Fassung trotz der durch das BVerfG gesetzten Frist sowie unter Beachtung der vorgenannten höchstrichterlichen Entscheidungen ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Nds. FG 16 K 12/04, U.v. 23.01.06 der Meinung, dass § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der im Streitfall gültigen Fassung ebenfalls verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass nur bei Fehlen der in § 1 BKGG in der bis 31.12.1993 gültigen Fassung genannten Voraussetzungen Ausländern Kindergeld versagt werden kann und es keiner Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG bedarf, weil dieses bereits eine Entscheidung zu einer vergleichbaren Rechtsvorschrift getroffen hat.
FG Münster 14 S 1430/06 PKH, B. v. 17.08.06, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8974.pdf PKH für Klage auf Kindergeld bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG. Die Klage hat im Hinblick auf die verschiedenen beim Bundesfinanzhof zur Verfassungsmäßigkeit der Kindergeldregelung für Ausländer anhängigen Revisionsverfahren (vgl. hierzu z.B. BFH III R 67/98, B.v. 23.02.06, BStBl II 2006, 272) hinreichende Aussicht auf Erfolg.
BFH III S 17/08 (PKH) B.v. 21.07.08 www.bundesfinanzhof.de Kein Kindergeld bei Aufenthaltsbefugnis (BFH v. 22.11.07 III R 63/04 www.bundesfinanzhof.de), auch nach geänderten Gesetzesfassung v.13.12.06 hätte ein Kindergeldanspruch nur unter der weiteren, hier nicht erfüllten Voraussetzung des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG bestanden.



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