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"On the Origin of Species by Means of Natural Selection (or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life)". Seine Natural Selection schrieb er noch früher, nämlich 1856-1858, aber publizierte sie erst im Jahr 1875, herausgegeben von R.C. Stauffer. 1971 erschien sein Buch The Descent of Man an on Selection in Relation to Sex.

Das Konzept der Entstehung von neuen Arten aus Rassen bzw. Varietäten durch anhaltende geographische Separation war als Idee zur Darwins Zeit schon bei einigen Autoren vorformuliert (1825 bei Leopold von Buch); aber erst bei Darwin wurde die detailliert ausformuliert und voralledem genau begründet. Darwins Schlüsseleinsichten waren dabei (1.) der langsame Übergang von extrinsischen Fortpflanzungsbarrieren (z.B. geographische Separation zwischen Inseln) zu intrinsischen Barrieren, d.h. sind zwei Vögelpopulationen über viele Tausend Jahre geographisch voneinander swepariert, dann haben sie sich zwischenzeitlich so modifiziert, dass sie sich danach nicht mehr wechselseitig fortpflanzen können; sowie (2.) die aufgrund der Diversität von Umgebungen, Regionen oder Nischen damit notwendig einhergehende Multiplikation von Spezies in Form eines sich immer weiter verzweigenden Abstammungsbaumes (Mayr 411 – 414). Man kann den Unterschied der Darwinschen Evolutionstheorie als Verzweigungsbaum gegenüber der Lamarckschen Auffassung von kontinuierlicher Artentransformation schematisch also so darstellen (s. Ridley, Sober xx)  die Vertikale entspricht dabei der Zeitrichtung.


Zeit

Evolution der Arten nach Lamarck Evolution der Arten nach Darwin

Abb. xx.
Es ist zwar eine Idealisierung, aber eine harmlose Idealisierung, den Darwinschen Abstammungsbaum mittels binärer Aufspaltungen zu zeichnen, da man immer annehmen kann, die Ausdiffenzierung der Mutterpopulationen in Tochterpopulationen hätte zu jeweils ein wenig verschiedenen Zeiten stattgefunden; also z.B., von der Auswanderungspopulation der Mockingbirds landete zuerst eine Subpopulation auf Insel 1, danach eine auf Insel 2, usw.

Zeitgleich mit Darwin wurde übrigens die Evolutionstheorie von Alfred R. Wallace (xx – xx) entwickelt, wenngleich in wesentlich bescheidenerer Ausarbeitung und Begründung. Nach detaillierten Beobachtungen der Fauna und Flora?? im Amazonasgebiet und im Malaisischen Archipel schrieb Wallace 185? seinen Aufsatz "One the Law ... xx?? Introduction of New Species", worin er ausführte, wie durch anhaltende geographische Separation neue Spezies entstehen (Mayr 420?). Darwin referierte dagegen ab 1837 immer wieder auf sein demnächst erschienendes Species-Buch, ohne es zu schreiben; er wollte zuvor seine Reputation als Systematiker erhöhen (Mayr 421). Wallace war immer ein Bewunderer von Darwin und nie eifersüchtig (Mayr 498); und Darwin wiederum erkannte an, dass Wallace von ihm unabhängig denselben Gedanken entwickelt hatte (422). Lyell und Hooker präsentierten Wallaces Aufsatz zusammen mit Extrakten von Darwins 1844-Essay und einem Darwin-Brief von 1857 im Jahre 1858 der Linné-Gesellschaft. Zunächst stellte sich wenig Reaktion ein. Lyell und Hooker drängten Darwin im selben Jahr dazu, ein kurzes Abstrakt zu schreiben  aus welchem dann das Darwin-Buch Origin wurde (Mayr 424).

In seinen Origin führt Darwin folgende Fossil-Evidenzen für seine These der verzweigenden Evolution durch gemeinsame Abstammung an: (1.) zahlreiche Fossilien (z.B. die urzeitlichen Ammoniten, Trilobiten) sind heute ausgestorben; (2.) meistens zeigt sich, je älter Fossil ist (gemäß den geologischen Schichten), desto weniger ähnlich ist es den Tieren der Gegenwart; (3.) die Fossilien von zwei aufeinander folgenden geologischen Schichten sind einander ähnlicher als die von entfernten Schichten, und (4.) die ausgestorbenen Fossilienformen auf einem Kontinent sind den lebenden Arten desselben Kontinents ähnlicher als den von anderen Kontinenten (Mayr 434). Die Ähnlichkeit unter den lebenden und fossilierten Spezies korreliert also mit der erdgeschichtlichen Zeit sowie der (in der Zeit zurückgelegten) geographischen Distanz. Darwins Erklärung durch Auseinander-Entwicklung aufgrund gemeinsamer Abstammung ist ein Musterbeispiel für den so genannten Schluss auf die beste Erklärung (wie man ihn in der Wissenschaftstheorie nennt; Schurz xx). Darwin betonte überdies mehrfach, dass die Fossilienevidenz sehr lückenhaft sei (damals noch ein Vielfaches lückenhafter als heute); dass für zahlreiche hypothetisch postulierte Entwicklungen Zwischenglieder fehlten (Mayr 430). Aber es gab auch zu Darwins Zeit große Erfolge; z.B., wurde 2 Jahre nach dem Erscheinen von Darwins Origin ein Fossil des Archaeopterix entdeckt; der Dinosaurier-Vogel als hypothetisches Übergangsglied von Sauriern und Vögeln (Mayr 430).5

Die Fakten der Biogeographie, die sich durch die rapide anwachsende Fernreisetätigkeit anhäuften, wurden auch von anderen Autoren hervorgehoben. So stellt Wallace 1876 fest, dass sich Tiere Eurasiens und Nordamerikas ähnlich, und ebenso diejenigen Südamerika und Australien (1847 hatte schon Hooker die Hypothese der Landverbindung Südamerika-Australien aufgestellt). Die Erkenntnis der Kontinentalverschiebung, durch welche dies heute erklärt wird, derzufolge Eurasien und Nordamerika einerseits und Südamerika und Australien andererseits einen gemeinsamen Kontinent bildeten, setzte sich allerdings erst viel später durch; bis 1940 dominierte die statische Kontinenttheorie; erdgeschichtliche Unterschiede in den Landmassen wurden auf Meeresspiegelveränderungen zurückgeführt (s. dazu Kap. xx).

Als weitere Evidenz für Evolutionstheorie führt Darwin gemeinsame morphologische Merkmale an; z.B. haben alle Warmblütler nicht nur Haare, sondern auch Herz, Lunge, Leber, Nieren; alle (landlebenden??) Wirbeltiere haben einen gemeinsamen Skelettbauplan (Mayr 455). Darwin führt auch die Embryologie an; beispielsweise entwickelt Säugetierembryos Kiemenansätze im Embryonalstadium, die sie später wieder verlieren (Carl Ernst von Baer 1792-1876 hatte dies 1827 erstmals gezeigt; Mary 470). Allerdings postuliert Darwin keine strenge und essentialistische Parallele zwischen der Ontogenese und der Phylogenese (Mayr 472). Eine solche lehrte Meckel (1821) und begründete sich durch die universale Skala Naturae; Häckel (xx- xx??) hatte 1864 dieses Parallelgesetz wieder emphatisch aufgegriffen; aber Darwin hielt sich vor einer strengen Gesetzesauslegung einer solchen Parallelität immer reserviert; vielmehr postulierte er lediglich den evolutionstheoretischen Gehalt dieser Parallelität, dass gemeinsame Merkmale des Embryonalstadiums von Spezies ebenfalls auf gemeinsame Abstammungs­geschichte hinweisen).

In seinen Origin entwickelt und begründet Darwin in erster Linie seine Theorie der Stammesgeschichte der Lebewesen über adaptive Aufzweigung und anschließende reproduktive Isolierung von Arten-Varietäten bzw. Populationen; es bleibt aber weitgehend offen, wie die Veränderungen bzw. Variationen zustande kommen, sowie auch, wie die Gerichtetheit der Evolution innerhalb einer einzelnen Stammeslinie im Sinne einer Anpassung an die Erfordernisse der Umgebung vor sich geht. Die reine Stammesgeschichte könnte ja auch teleologisch erklärt werden, über eine teleologisch Kraft, oder im Sinne eines multiplen Kreationismus. Diese Erklärungsansätze lehnte Darwin ab, weil sie empirisch unfundiert waren; Darwin suchte sämtliche seiner Hypothesen mit zahlreichen empirischen Daten zu bestätigen; und wo das nicht möglich war, verhielt er sich zurückhaltend. Diese Erklärung lieferte Darwin in seinem zweiten (und zeitlich sogar etwas davor) geschriebenem Buch Natural Selection.

Der Zugang Darwins hierzu läuft über dem Demographen T. R. Malthus (1766-1834), der angesichts der damals drohenden Überbevölkerung Englands das Gesetz des (im ungebremsten Fall) exponentiellen Bevölkerungswachstum erstmals formuliere, und darauf aufbauend eine politische Ökonomie entwickelte, in deren Zentrum das Konzept des Überlebenskampfes (Struggle for Life) stand. Wie Mayr betont, über­nahm Darwin nur Malthus' Wachstumsgesetz, nicht seine politische Ökonomie (492); dennoch verwendet taucht auch in Darwins Untertitel seines Origin der Begriff "Struggle for Life". Dies brachte Darwin zahlreiche Missverständnisse ein, da der Begriffe "struggle for life" meist als wörtlicher Kampf verstanden wird; gemeint ist aber nur eine Konkurrenz, meist um Nahrungsbeschaffung (Mayr 484), die auch mit friedlichen oder kooperativen Mitteln ausagiert werden kann, wozu auch Darwin selbst einiges geschrieben hat (s. Kap. xx). Darwins hauptsächliche Argumente für das Wirken der natürlichen Selektion in seinem Buch waren folgende (s. Mayr 479ff): 1.) Die Ausgangsfakten sind die hohe Kinderrate, die nicht bei den meisten Tieren beobachtet worden war (z.B. bei Buffon; Mayr 482), sondern auch unter den Menschen bestand, also mehr als ein Nachkommen im Schnitt pro Elternteil; sowie das sich daraus ergebende exponentielle Wachstumsgesetz, welches besagt, dass sich ohne natürliche Bevölkerungsschranken jede Population mit Fruchtbarkeitsrate (bzw. Kinderrate) signifikant größer 1 nach gewisser Zeit rapide vermehren wird. Abb. xx zeigt Wachstumskurven für verschiedene Fruchtbarkeitsraten. Mit n = 1, 2,  für die Zahl vergangener Generationen (bzw. die Zeit, gemessen in Generationen), N(n) die absolute Bevölkerungszahl in Abhängigkeit von n, und f der Fruchtbarkeitsrate, gehorchen die Wachstums kurven allesamt der geometrischen Reihenformel

N(n) = fnN(0) Beispiel für f = 2, n = 30: N(10) = ca. 1.000.000.000  N(0).


Abb. xx
Das zweite Faktum besteht darin, dass dennoch die Populationszahlen offenbar stabil bleiben, zumindest im Normalfall. Der Schluss daraus: (3.) es gibt also einen Kampf ums Dasein, in dem es nur wenigen Mitgliedern der Population gelingt, fortpflanzungsfähige Nachkommen großzuziehen. Nun sind aber, wie Darwin ebenfalls beobachtete, (4.) keine zwei Individuen einer Spezies einander genau gleich  es gibt natürliche Variation, kleine Unterschiede, und viele dieser Variationen sind vererbbar. Daraus ergibt sich Darwins zweiter Schluss (5.) es gibt somit eine natürliche Selektion; gewisse vererbbare Merkmale begünstigen die effektive Fortpflanzung, d.h. die Fähigkeit, sowohl zu überleben und ihrerseits fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeigen und großzuziehen. Individuen, welche diese Fähigkeit in höherem Maße besitzen, sind die fitteren; die natürliche Selektion begünstigt die fitteren und eliminiert die weniger fitteren Individuen und erzeugt so, wenn sie über viele Generationen anhält, eine kontinuierliche Populationsänderung.

Der Begriff "struggle for existence" war übrigens schon im 17. Jh. schon eingeführt (Mayr 483). Für Linné und Herder bestand dieser 'struggle' lediglich darin, die lethalen Mutationen, Missgeburten bzw. 'Ausrutscher' der Natur zu korrigieren. Darwin erkannte, dass das Wirken der natürlichen Selektion die natürliche Evolution insgesamt erklärt. Die Idee der natürlichen Selektion im Sinne einer maintainance oder stabilizing selection (Mayr 489; Millikan xx) hat übrigens eine lange Vorgeschichte; Empedokles, Lukrez, Diderot, Rousseau, Mauperius, und Hume verstanden alle unter natürlicher Auslese nur die Elimination schlechter Artvertreter im Sinne der 'Rassenlehre' bzw. dem Gebot der Erhaltung der Art. Aber niemand dachte daran, dass auf diese Weise neue Arten entstehen könnten.

Nach Mayr (487) war Darwins wichtigster Schritt der Übergang von Essentialismus, vom Glauben der Natur gehe es um die Bewahrung der natürlichen Arten, zum population thinking, zur Betrachtung der aus unterschiedlichen Individuen bestehenden Population als Basis der natürlichen Evolution. Das Individuen ist es also, genauer gesagt seine vererbbaren Merkmale, was aufgrund natürliche Selektion evolviert, nicht die Art oder Rasse (in unserer Zeit hat insbesondere Dawkins xx diesen Gedanken ausgearbeitet). Die obige Beschreibung des Wirkens der natürliche Selektion erklärt die daraus folgende sukzessive Veränderung der Merkmalsverteilung in einer Population zugunsten immer fitteren, immer besser angepassten Individuen in Hinblick auf Fortpflanzungsfähigkeit; aber sie erklärt noch nicht das Entstehen evolutionärer Verzweigungen. Dies ergibt sich aber ganz zwanglos aus den bereits im Origin gemachten Beobachtungen Darwins: sobald sich eine Teilpopulation in eine andere ökologische Umgebung mit anderen selektiv wirksamen Bedingungen auswandert, geht dort die natürliche Selektion in andere Richtungen  man denke an die Spottdrosseln mit kleineren vs. größeren Schnäbeln auf den Galapagos-Inseln mit unterschiedlichen Nussgrößen, usw.  und nach hinreichend vielen Generationen haben sich die zwei Teilpopulationen soweit auseinander entwickelt, dass sie zu unterschiedlich sind, um sich wechselseitig fortzupflanzen.

Später betont Darwin, dass er auf das Wirken der natürlichen Selektion auch durch Vergleich mit künstlicher Selektion gekommen wäre (Mayr 486); die künstliche Selektion, also Pflanzen- und Tierzucht durch den Menschen, beschleunigt das Tempo der natürlichen Selektion, weil er Mensch viel rigider selektiert  ein Beispiel: hätte etwa Variante A gegenüber B nur geringe Selektionsvorteile, die in natürlicher Selektion 100 Generationen brauchen würden, um Elimination von B zu ergeben, so wirft der Züchter schon nach der ersten Tochtergeneration Variante B weg und züchtet nur A weiter. Darwin betonte im übrigen auch, dass all diese Evolutionsgesetze keinesfalls strikt-nomologischer Natur seinen, sondern nur statistische Tendenzen bzw. Normalfall-Tendenzen entsprächen (Mayr 433)  in der Wissenschaftstheorie spricht man von 'normischen' Tendenzen; s. dazu Kap. xx).

Darwins Evolutionstheorie hatte natürlich auch einschneidende Konsequenzen für die biologische Klassifikation. Da natürliche Verwandtschaften, Homologien, auf durch gemeinsame Abstammung zurückzuführen sind, sollte die natürliche Klassifikation der Lebewesen in Spezies und höhere taxonomische Kategorien im wesentlichen ihrer gemeinsamen Abstammungsgeschichte folgen. Allerdings war dies nicht leicht durchzuhalten, da Klassifikationen andererseits auch diagnostisch effektiv sein sollen, und die Gemeinsamkeit der Abstammungsgeschichte sich zwar oft, aber nicht immer in diagnostisch relevanten Gemeinsamkeiten niederschlägt. Wir kommen auf die Schwierigkeiten biologischer Klassifikationssysteme, die bis in die Gegenwart anhalten, in Kap. xx zurück. Bereits Darwin sah diese Schwierigkeiten. Wie er ausführte, würde das Kriterium der sexuellen Reproduktion nicht immer eine klare und passende Speziesdefinition abgeben; insbesondere nicht immer bei Pflanzen. Keine Speziesdefinition, so Darwin, würde alle Biologen befriedigen (Mayr 267). Konsequent erklärt Darwin auch diese Schwierigkeiten evolutionstheoretisch: "since species evolve, they cannot be defined; these are arbitrary designations" (Mayr ebd.).


1.5 The Modern Synthesis: Von Darwin bis zur modernen biologischen Evolutions­theorie
Darwins Theorie der Abstammung mit Variation wurde schnell akzeptiert, seine Theorie der natürlichen Selektion wurde jedoch zunächst massiv bezweifelt (Mayr 525). Es wurde eingewandt, das Postulat natürlicher Selektion sei reine Spekulation, sei eine bloße Metapher (Mary 520, 522), aber insbesondere erschien es unglaubwürdig, dass über viele minimale (geeignet selektierte) Variationen völlig neue Arten geschaffen werden könnten. Das hauptsächliche Gegenargument besagte, dass rudimentäre Vorformen neuer Organe, wie etwa sehr kleine Flügelchen eines mutierten Dinos, für die Fitness völlig wertlos seien und daher niemals herausselektiert hätten könne. Eine gezielte 'Makromutation' sei hier erforderlich; und ähnliches gelte etwa für die Entstehung von vierfüßigen Landtieren aus Fischen, usw. Wir kommen auf dieses Problem und seine modernen Antworten noch zurück; vorläufig soll nur klar sein, warum hier ein Erklärungsnotstand des Darwinismus vorlag.

Mary nennt drei hauptsächliche Alternativen zur darwinschen Evolutionstheorie, die in der Naturwissenschaft seit Darwin diskutiert wurden (525ff):



(1.) Saltationistische Theorien, denen zufolge die Evolution immer wieder Sprünge macht. Weitverbreitet war die Lehre von de Vries (xx), der (wie auch Bateson) zwei Arten von Variationen unterschied: Mikrovariationen verschieben die Spezies-Grenzen und sorgen für die Elimination von disfunktionalen oder lethalen Mutationen; Makrivariationen erzeugen dagegen neue Spezies. Sogar der getreue Darwin-Schüler Thomas H. Huxely (xx?)  wegen seiner heftigen Kontroversen mit Vertretern der Kirche auch Darwins 'Kettenhund' genannt (Dennett 466) wich hier von Darwin ab und meinte, kein Tierzüchter hätte jemals Zucht neuer Spezies geschafft (Mayr 540).

(2.) Neo-Lamarckistische Theorien speisen sich von demselben Zweifel, dass die natürliche Selektion der zufällige Mutation des Erbguts ausreichen kann, um die Geordnetheit und Zielgerichtetheit der Natur zu erklären, und nehmen verschiedenentogenetische Perfektionsmechanismen an, die sekundär ins Erbmaterial eingehen und genetisch vererbt werden, wie z.B. die Vererbung erlernter Eigenschaften, oder ein direkter formenden Einfluss der Umgebung auf das Organ6, bis hin zu geistigen Kräften (xxSheldrake?)  insgesamt ist diese Gruppe von Auffassungen sehr heterogen.

(3.) Orthogenetische Theorien (528ff) nehmen explizit teleologische bzw. finalistische Kräfte an, bzw. behaupten eine intrinsische Perfektionsskala, der die Entwicklung folgt. So verteidigten zu Darwins Zeit Nägeli (1865) und Eimer (1888) verteidigten finalistische Prinzipien, und es war Eimer, der sein Perfektionsprinzip Orthogenesis nannte  d.h. das Prinzip einer der normativen Entwicklungsrichtung folgenden deskriptiven Entwicklung, welches im 20. Jahrhundert in Piagets Entwicklungstheorie und Habermas' Neoarxismus findet (s. Kap. xx). Berg spricht später von Nomogenesis, Osborn von Arostogenesis, und der Jesuitenpastor und Paläontologie Teilhard de Chardin, der Evolutionstheorie mit Christentum vereinen wollte, sprach im 20. Jahrhundert vom Omega-Prinzip (445).

Wir werden in Kap. xx eigens darauf eingehen, dass die Auflistungen von 'Alternativen' zu Darwin meist unsystematisch sind, da genau unterschieden werden muss, welche 'Alternativen' in einer verallgemeinerten Evolutionstheorie durchaus Platz hätten und welche nicht. Z.B. hätten gewisse Neo-Lamarckistische Theorien darin Platz, und ebenso gewisse Makromutationstheorien., sofern sie keine teleologischen Kräfte postulieren  wir zeigen in Kap. xx, dass die moderne Evolutionstheorie zwanglos saltationistische Evolutionsschübe erklären kann, und sogar quasi-lamarckistische Effekte. Dagegen sind orthogenetische Theorien aufgrund der postulierten teleologischen Kräfte explizit anti-evolutionär  also echte Alternativen zum allgemein-evolutionstheoretischen Paradigma.



Viele der angesprochenen Probleme werden verständlicher, wenn nur bedacht wird, dass zu Lebzeiten Darwins die Evolutionstheorie in ihrer biologischen Gestalt noch keineswegs vollständig entwickelt war. Die größte Lücke, die klaffte, war das weitgehende Unwissen über den Mechanismus der biologischen Vererbung von Merkmalen. Alles, was man wusste, war, dass offenbar gewisse Merkmale biologisch vererbt wurden, d.h. die Nachkommen hatten sie schon von Geburt an und mussten sie nicht erst lernen, und andere wurden nicht vererbt. Auf welcher biologischen Grundlage sollte dies funktionieren? Die Zelltheorie entstand ca. 1839 (Mayr 656; mit Schleiden, Schwann und Graham; es war ein sensationeller Befund, dass sämtliches lebende Material, auch Organe, Gewebe und Knochen, aus Zellen bestand; Remak zeigte 1852, dass ein unbefruchtetes Froschei aus nur einer Zelle bestand. Nachdem Louis Pasteur (1822-1895) wie erläutert 1855 die Urzeugung widerlegt hatte, ehrte Rudolf Virchow (1821-1902), dass Zellen nur aus Zellen entstehen konnten, wurden 1870 die Mitose, d.h. die gewöhnliche Zellteilung entdeckt und in seiner Komplexität beschrieben; denn dabei war ja auch die Teilung des Zellkerns auf Aufteilung der Zellorganellen involviert (Trembley 1740, E. Strassburger, und W. Fleming; Mayr 674). Ca. 1887 wurde die Meiose, d.h. die Ausbildung der Geschlechtszellen entdeckt. aber noch nicht verstanden. In der selben Zeit wurde, insbesondere von Emil Fischer (1852-1919), die Struktur der Proteine, bestehend aus vielen aneinandergereihten Aminosäuren, erkannt. In der selben Zeit begann man übrigens auch, Nerven elektrisch zu reizen und Nervenimpuls zu messen, obwohl dies bei den frühen Neurophysiologen (wie z.B. Johannes Müller 1801-11858) noch vitalistisch gedeutet wurde, d.h., es gibt eine spezifische geistige Energie, die durch Nerven übermittelt wird und die höheren Tieren Empfindungsvermögen und Bewusstsein gibt.

Es waren also wesentliche Grundlagen gelegt, aber ein Wissen über die biologischen Vererbungsmechanismus war zu Darwins Zeit noch nicht da. Darwin hatte die Vererbung erworbener Merkmale ('soft inheritance') zwar als biologisch unbedeutend angesehen, aber nicht ausgeschlossen (Mayr 689). Insbesondere wurde vor Mendel an eine sexuelle Mischvererbung geglaubt (blending inheritance), derzufolge sich die genetischen Anlagen des Vaters und der Mutters zu einer Art Mischanlage vereinen. Der Zytologe und Genetiker August Weismann (1834-1914) führte 1883 den Begriff des Keimplasmas als die für die Vererbung zuständige Zellsubstanz ein; 1888 nannte Waldeyer die länglichen Strukturen im Zellkern Chromosomen, ohne ihre Funktion zu verstehen. Weissmann wandte sich aufgrund empirischer Befunde energisch gegen 'weiche' Lamarckistische Vererbung (Mayr 537); er stellte die Vermutung auf, jedes so genannte 'phänotypische', s.g. vererbbare Merkmal eines Organismus werde gewisse genetische Partikel, so genannte Biophoren repräsentiert (Mayr 703). Er war gegen blending inheritance, denn diese kann nicht die Getotypen-Vielfalt erklären (bei fortgesetzter Paarung und blending inheritance in einer Population dürften zum Schluss nur 'mittlere Anlagen' übrig bleiben; Ridley xx). Er kam damit zwar nahe an den Mendelismus heran, aber machte die falschen Annahmen, dass Biophoren vom selben Typ in vielen Exemplaren da waren, in verschiedener Zahl vater- oder mutterseits in die Nachkommen gelangten, und sich nicht nur im Zellkern, sondern auch im Zellplasma aufhalten (später nannte de Vries nannte die genetischen Einheiten Pangen, Mayr 708). Bekanntlich wurde das Vererbungsproblem durch Gregor Mendel (1822-1884) gelöst; wissenschaftsgeschichtlich besonders bemerkenswert ist daran, wie es möglich war, dass die Entdeckung Mendels 35 Jahre lange komplett ignoriert werden konnte.

Die aus Mendel Einsichten hervorgehende moderne Sicht der sexuellen Vererbungsmechanismen seien dem Leser zunächst in Erinnerung gerufen. Für diverse phänotypische Merkmale, z.B. braune versus blaue Augenfarbe, gibt es gewisse dafür kausal verantwortliche Gene, genauer gesagt Genvarianten bzw. Allele, sagen wir Allel A für Braun (Br) und a für Blau (BL); derselbe Buchstable 'A' vs. 'a' deutet an, dass es sich um Allele desselben Gens bzw. genetischen Locos am Chromosom handelt, welcher das Attribut 'Augenfarbe' determiniert (gegeben normale biologische Umweltbedingungen). Im Kern jeder Zelle befinden sich Chromosomen, die aus Strängen von sehr vielen Genen bestehen. Der Kern jeder somatischen Zelle bzw. Körperzelle enthält jedes Chromosom, und damit jedes Gen, doppelt, eines stammt vom väterlichen und das andere vom mütterlichen Elternteil; man sagt auch, der Chromosomensatz ist diploid. Die diploide Genkonstellation nennt man auch den Genotypen. Häufig  aber nicht immer  ist eines der beiden Allele eines Organismus dominant und das andere rezessiv; in diesem Fall wird der entsprechende Phänotyp vom dominanten Allel allein bestimmt. In unserem Beispiel ergeben sich damit folgende Möglichkeiten:


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