„Der Begriff „Qualität“ hat im täglichen Sprachgebrauch eine unterschiedliche Bedeutung. Sie reicht vom wertfreien, aus dem Lateinischen „qualis“ abgeleiteten „wie beschaffen“ bis zum „Qualitätserzeugnis“, von dem angenommen wird, dass es marktübliche Erfordernisse ohne Wenn und Aber erfüllt und wenigstens zum Teil übererfüllt“ (DBV 2003, 256). Die erweiterte Definition über das Produkt hinaus im Sinne der DIN EN ISO 8402 lautet: „Gesamtheit der Merkmale einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“.
Konsumenten verstehen unter „guter Qualität“ mageres Fleisch, ggf. nach Bio-Richtlinien produziert, u.U. sogar wohlschmeckend. Seit den Skandalen um BSE und Nitrofen soll es zusätzlich nachweislich gesundheitlich unbedenklich sein. Für letzteres wird im Hygienemanagement der Fleischproduktion das HACCP-Konzept [Hazard Analysis and Critical Control Points] nach Lebensmittelhygieneverordnung [LMHV] verfolgt17, und zumindest für Rind gilt die Pflicht zur Rückverfolgbarkeit. Diese Punkte seien unter dem Begriff Unbedenklichkeits-Dokumentation [UD] zusammengefasst.
Dass ein Tier beim Veterinär zur Fleischbeschau war, Öko ist und ob seine Schnitzel und Würste rückverfolgbar sind, lässt sich objektiv mit Ja und Nein beantworten. „Mager“ oder „wohlschmeckend“ kann ein Konsument für sich letztlich nur subjektiv beurteilen.
Ob ein Fleisch wohlschmeckend ist oder nicht, hängt allerdings auch objektiv von zahlreichen Faktoren ab wie Genetik, Fütterung, Haltungs- und Transportbedingungen. Einer der wichtigsten Faktoren dürfte die Genetik sein, denn sie entscheidet, ob ein Schwein einen hohen IMF hat. Zusätzlich existiert beim Schwein ein nachteiliger Merkmalsantagonismus zwischen Muskelfleischaufbau und Stresstoleranz (Burgstaller et al. 1999, 15). Je fleischreicher die Zucht, desto stressanfälliger das Schwein. Stressanfällige Tiere sind infektanfälliger. Dieser Umstand hat in der konventionell-industriellen Schweinefleischproduktion genau jene rigorosen Desinfektions- und prophylaktischen Medikationsmaßnahmen zur Konsequenz, die man im Bio-Bereich aufgrund ihrer Unnatürlichkeit und Umweltschädlichkeit ablehnt. Die Genetik kann für den Endverbraucher auch bedeuten, dass er entweder trockenes, zähes Fleisch kauen muss, oder dass nach dem Braten in der Pfanne kaum noch etwas übrig ist18. Diese Resultate erfolgen, weil das (vorherige) Schwein von Natur aus zu wenig Stress ertragen konnte oder beim Transport zu viel Stress erleiden musste. Nicht nur Tierschützer, sondern auch konventionelle landwirtschaftliche Berater kritisieren daher Tiertransporte. In der Realität sind sie jedoch nach wie vor stark verbreitet, denn die arbeitsteilige Fleischproduktion verursacht Transportwege. Die Spezialisierung wurde auch durch die Verschärfung staatlicher Richtlinien, um Quälerei bei der Tötung des Tieres auszuschließen und Hygienestandards sicherzustellen, zugespitzt. So ist die früher übliche Landschlachtung großräumig zurückgegangen und die Distanz zwischen Stall und Schlachthof ist gestiegen (Burgstaller et al. 1999, 51 ff.).
Produzenten erleben „Qualität“ und ihre Sicherstellung durch „Qualitätsmanagement“ [QM] auf unterschiedliche Weise: Einem Biobauern ist das Wirtschaften im Vergleich zum Konventionellen mehr Auflagen unterworfen wie z.B. Futter- und Ferkelherkunft, artangemessene Tierhaltung oder umweltgerechte Betriebsführung. Bezahlt wird er letztlich nach MFA auf der (Bio-) Preismaske. Der Verarbeiter hat ebenfalls Ökoauflagen zu respektieren z.B. hinsichtlich der Nutzung von Zusatzstoffen. Für den Handel19 ist ein gleichbleibendes Angebot mit gleichbleibendem Niveau wichtig. Richtschnur sind MFA, Mengenkontinuität und das Biosiegel. UD erleben Bauer, Verarbeiter und Handel häufig als zusätzliche Belastung, kennen aber auch ihre Notwendigkeit. Die Merkmale MFA, Bio-Qualität und UD können ergo als zentrale Qualitätskriterien für das Produkt Bio-Schweinefleisch gelten.
Bereits 1986 führt Timm (109) an, dass der Verbraucher Qualität voraussetzt, aber letztlich der Preis entscheidet. Qualität, auch wenn sie vorausgesetzt wird, ist demnach ein Konsens über Beschaffenheit, die die Kommunikationsschnittstellen vorwärts und rückwärts entlang der Vermarktungskette entscheidend definiert. Die Herstellung und Einhaltung solcher Qualität verursacht Kosten (vgl. Tab 15) und beeinflusst die Zahlungsbereitschaft. Dazu zitiert Kempkens (2003, 16): „Aus Sicht der Verarbeitung und des Handels ist die Qualität von Bio-Schweinefleisch eine Katastrophe.“ Die Preisdifferenz zwischen Öko und konventionell sei hoch, aber für den Kunden seien die Waren optisch oder geschmacklich nicht zu unterscheiden und es existiere keine Qualitätsdefinition. Ferner wird bemängelt, dass die Qualität der Bio-Ware schwanke (vgl. Sundrum 2003b). In der Bio-Branche ist eine produktbegleitende Qualitätsmoderation entlang der Kette derzeit unüblich (Öko Service 2003, 11, 21 - 25).
Qualitätsaspekt
Kosten
Gesamte Schlachtkosten (enthalten MFA-Messung)
0,20 – 0,28 €/ kg Schlachtgewicht
Zertifizierungskosten (nach Bioland und EU-Richtlinien)
für Erzeuger
Nach Kontrollstunden der Ökoprüfgesellschaft
Zertifizierungskosten (nach Bioland und EU-Richtlinien)
für Verarbeiter
Nach Kontrollstunden der Ökoprüfgesellschaft (als Anhalt gilt 100 bis über 300 €)
Zertifizierungskosten (nach Bioland und EU-Richtlinien)
Für Handel
Nach Kontrollstunden der Ökoprüfgesellschaft
Tabelle 15:Qualitätskosten (IÖW 2004, 23, Eigene Erhebung) Tabelle 15 zeigt, dass die Qualitätskosten für „Bio-Qualität“ ein betriebsgrößenabhängiges Fixum ergeben. Für MFA hängen die Kosten auch vom Produktvolumen ab. Kosten für UD sind derzeit nicht bezifferbar. Die Interdependenzen der Qualitätskriterien mit anderen Faktoren deuten ferner auf ein nicht-triviales Erfassungsproblem hin. Zumindest lässt sich erahnen, wie umfangreich die Bedeutung von „Qualität“ für die Vermarktung von Bio-Schweinefleisch ist und wie man sie begrifflich eingrenzen kann.