1.2Industrieökonomik
Die Industrieökonomik [IÖ] ist ein Zweig der Volkswirtschaftslehre [VWL]. Sie verwendet „mikroökonomische Methoden und Konzepte wie die Entscheidungstheorie des Haushalts und der Unternehmung“ (Bester 2003, 1). Damit wird u.a. die Frage untersucht, wie Wirtschaftssubjekte mit Geld und Gütern umgehen und welche Konsequenzen dadurch im Privaten, bei Unternehmen oder in Branchen eintreten, wobei der Schwerpunkt auf Modellen der unvollständigen Konkurrenz liegt.
IÖ war „im angloamerikanischen Sprachbereich als Lehre von der „industrial organization“ entstanden“ (Schumann 2002, 196), also zur Analyse arbeitsteiliger und technisierter Organisation. „Angestoßen durch die Arbeit von J.S. Bain (1951) entwickelte sich (zunächst) die empirische IÖ“ (Neumann 2002, 280).
Die „Interaktion zwischen Markt und Unternehmen“ (Bester 2003, 1) modelliert die IÖ mikroökonomisch, mittels Spieltheorie, aber auch mit Transaktionskostenökonomie. Durch dieses reichhaltige Erklärungsinstrumentarium lässt sich die vertikale Struktur des Bio-Schweinemarktes vielseitig untersuchen.
2Hypothesen und Untersuchungsfragen
Vier Hypothesen wird in dieser Studie nachgegangen:
Hypothese 1: Der Preis des Bio-Schweinefleischproduktes bestimmt die Nachfragemenge.
Die Höhe der Nachfrage hängt aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften wesentlich vom Preis ab. Die erste Hypothese dieser Analyse ist daher, dass sich der jetzige Marktanteil durch die Preissituation erklären lässt, d.h. der vergleichsweise hohe Produktpreis für Bio-Schweinefleisch bestimmt die recht niedrige Nachfragemenge. Dies ist allerdings nicht selbstverständlich, weil der Markt für Biofleisch noch relativ jung ist und es ebenso gut sein könnte, dass keine ausreichenden Mengen produziert werden (können) oder im Handel angeboten werden.
Hypothese 2: Erzeugerkosten determinieren die Produktpreise.
Kosten zur Produktion von Schweinefleisch treten an vielen Stellen auf, weil bis zum fertigen Konsumprodukt wie z.B. „Schnitzel“ mehrere Stufen durchlaufen werden: Schweinehaltung, Fleischverarbeitung, Vermarktung. Allerdings ist unklar, wo gegebenenfalls Margen gemacht werden. Eine zweite Fragestellung ist daher, inwieweit der Endverbraucherpreis durch die Produktionskosten bestimmt ist.
Hypothese 3: Die vertikale Struktur verursacht Preissteigerungen.
Man kann beobachten, dass die Einstandkosten für die Rohware (=Schweinehälften) stark schwanken, die Verbraucherpreise aber kaum. Demnach muss irgendwo auf dem Weg zwischen Schlachthof und Ladentheke eine Entkopplung stattgefunden haben. Dies führt zu der dritten Hypothese, dass zusätzlich solche Preisbestimmungsfaktoren auftreten, die durch die vertikale Struktur des Marktes begründet sind.
Hypothese 4: Qualitätskommunikation verursacht Kosten
Da die Produkterstellung arbeitsteilig erfolgt, müssen an den Schnittstellen Absprachen getroffen werden. Dieser Kommunikationsaspekt wird unter den Stichworten „Qualitätsbegriffe“ und „Kosten von Informationsasymmetrien“ untersucht. Ein vierter Fragenbereich ist daher, welche Merkmale als wichtige Qualitätskriterien gelten können und welche ökonomische Bedeutung ihre Erfüllung für Anbieter und Nachfrager hat.
Aus den vier Hypothesen und Untersuchungsfragen resultieren jeweils vier abhängige und unabhängige Variablen als Untersuchungsmerkmale:
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Unabhängige
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Abhängige
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Preise für Bio-Schweinefleischprodukte
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Nachfragemenge (nach Öko-Schweinefleisch)
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(Produktions-) Kosten
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Preise für Bioschweinefleischprodukte
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Marktstruktur
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Preise für Bioschweinefleischprodukte
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Qualitätskriterien
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Kosten für Anbieter und Nachfrager
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Tabelle 2: Untersuchungsvariablen
3Stand der Forschung
Der Stand der Forschung in der Thematik „Preisbildung für Bio-Schweinefleisch“ wird an drei Punkten reflektiert: Publikationen über wirtschaftswissenschaftlich-abstrakte Analyse von Marktgeschehen, deskriptiv-statistische Marktdarstellung sowie angewandte Theorie als Synthese.
Zahlreiche Konzepte der VWL befassen sich mit Nachfrage, Kosten, vertikalen Strukturen oder Qualitätsfragen. Die Methoden der IÖ sind u.a. diesbezüglich einschlägig, auch wenn sie zum Teil noch recht jung sind. Dennoch ist dieser Bereich unproblematisch. Ein etwaiger Literaturüberblick z.B. über strittige Annahmen müsste sehr ausgreifend erfolgen und unterbleibt deshalb, denn die hier genutzten Modelle und Ansichten entsprechen im wesentlichen der Lehrbuchliteratur.
Die deskriptiv-statistische Marktdarstellung zerfällt in einen inhaltlich-qualitativen Teil (z.B. Stationen der Fleischproduktion, Marktakteure) und eine quantitativ-statistische Gewichtung. Ersteres ist weniger problematisch, letzteres ist aus mehreren Gründen schwierig: Das Bundesforschungsprogramm Ökolandbau [BÖL] und die damit verbundene Datenbank „organic eprints“ befinden sich insgesamt noch im Aufbau. Nur wenige Quellen wie z.B. Öko Service (2003) enthalten für diese Studie verwendbares Zahlenmaterial. Die Untersuchung (BÖL-Nr. 020E175) „Erfassung der ökologischen Schweineproduktion und der Entwicklungstendenzen von Produktion, Erfassungshandel, Verarbeitung, Absatz in Deutschland“ steht seit 2003 aus und wurde bislang noch nicht veröffentlicht. Die letzte Agrarstrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes ist von 2003. Die ZMP2 sucht weiterhin Bio-Schweinehalter als Meldebetriebe. Ergo existiert wenig statistisch belastbares Material über die aktuelle Häufigkeitsverteilung von Marktakteuren, Erzeuger- und Verbraucherpreisen oder Kosten. Viele Interviews mit Landwirten, Beratern, Verarbeitern und Vermarktern sowie Erhebungen z.B. über die Zahlungsbereitschaft für Bio-Lebensmittel vermittelten für diese Studie einen eher qualitativ-explorativen Rahmen. Auffallend ist, dass über den Preisbildungsprozess Unsicherheit oder Uneinigkeit verbreitet ist.
Angewandte Studien zur Preisbildung im Rahmen der Vermarktung von Bio-Schweinefleisch konnten nicht recherchiert werden. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung [IÖW] untersucht zwar für die Verbraucherorganisation foodwatch die Frage „Was kostet ein Schnitzel wirklich?“ (IÖW 2004), benutzt dafür aber schwerpunktmäßig ein umweltökonomisches Modell, um die Vermeidung externer Kosten durch Ökolandbau zu beziffern. Dienel (2001) analysiert die Vermarktung von Ökoprodukten transaktionskostentheoretisch, benutzt dafür jedoch das qualitative Design des problemzentrierten Experteninterviews und fokussiert nicht „Preisbildung“ oder „Schwein“, sonder Organisationsprobleme mit dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel [LEH]. Über vertikale Integration in Lebensmittelmärkten, insbesondere Schweinefleischproduktion, wurde vor allem in den U.S.A. publiziert.
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