06.11.2015 | Herausgeber: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Pressemitteilung Nr. 18/15 Einteilung der Wahlkreise für die Landtagswahl am 13. März 2016 hat Bestand
Die Einteilung der 51 Wahlkreise für die Landtagswahl am 13. März 2016 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Dem Verfahren lag die Verfassungsbeschwerde eines Abgeordneten des Landtags Rheinland-Pfalz zugrunde, der von seiner Partei nominierter Bewerber um das Direktmandat im Wahlkreis 5 – Bad Marienberg (Westerwald)/Westerburg – ist. Der Landtag Rheinland-Pfalz hatte mit Gesetz vom 23. Oktober 2014 die Einteilung mehrerer Wahlkreise nach dem Landeswahlgesetz verändert. Die Wahlkreise waren so zugeschnitten worden, dass nunmehr kein Wahlkreis mehr als 25 v.H. von der durchschnittlichen Zahl der Stimmberechtigten aller Wahlkreise abweicht. Zur Einhaltung dieser Abweichungsgrenze war der bisherige Wahlkreis Nr. 1 – Betzdorf/Kirchen (Sieg) – vergrößert und der bisherige Wahlkreis Nr. 5 – Bad Marienberg (Westerwald)/Westerburg – verkleinert worden. Mit der Neueinteilung wurde die Verbandsgemeinde Rennerod nicht mehr dem Wahlkreis Nr. 5, sondern dem Wahlkreis Nr. 1 zugeordnet. Mit seiner gegen diese Neueinteilung erhobenen Verfassungsbeschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, die Zuordnung gerade der Verbandsgemeinde Rennerod vom Wahlkreis Nr. 5 an den Wahlkreis Nr. 1 sei aus parteipolitischen und damit sachfremden Gründen erfolgt und verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsätze. Der Wahlkreis 1 stelle sich nach der Neubildung als unharmonisches, schlauchartiges Gebilde dar. Dies hätte aus seiner Sicht vermieden werden könne, wenn anstelle der Verbandsgemeinde Rennerod entweder die Verbandsgemeinde Marienberg oder die Verbandsgemeinde Hachenburg vom Wahlkreis 5 in den Wahlkreis 1 gewechselt wäre. Beides habe der Gesetzgeber nur deshalb nicht getan, um seinem Gegenkandidaten, dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Landtag Rheinland-Pfalz, dessen Direktmandat abzusichern. In beiden Verbandsgemeinden habe dieser bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2011 über50 v.H. der Wahlkreisstimmen erzielt, während er – der Beschwerdeführer – in der VG Rennerod vor seinem Gegenkandidaten gelegen habe.
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz wies die Verfassungsbeschwerde zurück. Im Hinblick auf 50 der insgesamt 51 Wahlkreise sei die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, da der Beschwerdeführer nur im Wahlkreis Nr. 5 selbst Kandidat sei und daher auch nur dort in einer Konkurrenzsituation gegenüber Mitbewerbern stehe. Nur in Bezug auf diesen Wahlkreis könne er daher die Möglichkeit einer Verletzung seiner wahlrechtlichen Chancengleichheit überhaupt geltend machen.
Insoweit sei die Verfassungsbeschwerde allerdings unbegründet. Der Verfassungsgerichtshof stellte insoweit fest, dass der Gesetzgeber der Wahlkreiseinteilung des Wahlkreises 5 sachgerechte Kriterien zugrunde gelegt und ordnungsgemäß abgewogen habe. Gegen den Neuzuschnitt des Wahlkreises könne insbesondere nicht eingewandt werden – wie es der Beschwerdeführer getan hatte – dass dieser überhaupt nicht habe durchgeführt werden müssen. Denn die Verwirklichung des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit, d.h. das gesetzgeberische Ziel, möglichst gleich große Wahlkreise zu bilden, sei dem Gesetzgeber als verfassungsrechtliche Verpflichtung zwingend vorgegeben. Die Festlegung der zulässigen Größenabweichung auf 25 v.H. durch den Gesetzgeber sei nicht nur plausibel, sondern auch nahe liegend. Da die Abweichung im Wahlkreis 5 zu dem gewählten Stichtag bei +29,1 v.H. lag, sei der Neuschnitt des Wahlkreises aus der nachvollziehbaren und verfassungsrechtlich nicht zubeanstandenden Sicht des Gesetzgebers geboten gewesen.
Der Beschwerde könne ferner nicht mit Erfolg geltend machen, dem nach dem oben Gesagten notwendigen Neuzuschnitt des Wahlkreises 5 hätten unsachgerechte, da parteipolitische Erwägungen zugrunde gelegen, weil ein alternativer Zuschnitt insbesondere im Hinblick auf den Nachbarwahlkreis 1 vorzugswürdig wäre. Sowohl die angegriffene Wahlkreiseinteilung als auch die Alternativlösung, die der Beschwerdeführer favorisiere und die im Gesetzgebungsverfahren erörtert worden sei, weise Vorteile wie Nachteile auf. Diese gegeneinander abzuwägen und sich für eine dieser Lösungen zu entscheiden, sei Sache des Gesetzgebers, der mit der in dem angegriffenen Gesetz getroffenen Entscheidung und den ihr zugrunde liegenden Erwägungen den ihm zustehenden Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum nicht überschritten habe.
Der Gesetzgeber dürfe bei seiner Betrachtung auch die Auswirkungen auf den durch den Neuzuschnitt eines Wahlkreises notwendig mitbetroffenen Nachbarwahlkreis einbeziehen. Dies habe er hier getan und ausdrücklich darauf abgestellt, dass mit Blick auf die räumliche Situation im Grenzdreieck Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz gemeinsame Interessen bestehen, die eine Zuordnung der Verbandsgemeinde Rennerod zu dem Wahlkreis 1 rechtfertigen. Es bestünden also durchaus – anders als es der Beschwerdeführer meint – Verbindungen der Verbandsgemeinde Rennerod zu dem neu gebildeten Wahlkreis 1. Der Wahlkreis 5 stelle im Übrigen auch nach dem Neuzuschnitt unbestritten ein zusammenhängendes Gebiet dar.
Etwas anders würde allenfalls dann gelten, wenn die vom Gesetzgeber ausgewählte Variante im Hinblick auf den Nachbarwahlkreis offenkundig fehlerhaft wäre. Soweit der Beschwerdeführer dazu eingewendet habe, der Wahlkreis 1 (neu) stelle sich als unharmonisches, schlauchartiges Gebilde dar, da zwischen der Verbandsgemeinde Rennerod und dem Wahlkreis 1 (alt) eine gemeinsame Grenze von lediglich 750 Metern, diese darüber hinaus auf einem nur eingeschränkt zugänglichen Truppenübungsplatz liege und eine unmittelbare Straßenverbindung nicht existiere, führe dies jedoch nicht dazu, dass diese Variante verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.
Der Verfassungsgerichtshof betonte in diesem Zusammenhang, dass ein Wahlkreis dem Repräsentationsgedanken und damit dem Demokratieprinzip Rechnung tragend einabgerundetes, zusammengehöriges Ganzes bilden solle. Diesen Grundsatz habe der Gesetzgeber auch ausdrücklich aufgenommen, indem er festlegt habe, dass jeder Wahlkreis ein zusammenhängendes Gebiet bilden solle. Der Gesetzgeber habe sich von dem Kriterium, dass der Wahlkreis ein zusammenhängendes Gebiet bilden solle, auch nicht in unsachgerechter Weise gelöst. Er habe vielmehr ausdrücklich konstatiert, dassdie gemeinsame Grenze „nicht besonders lang ist“. Im Hinblick auf die von ihm angenommenen bestehenden gemeinsamen Interessen aufgrund der räumlichen Situation im Grenzdreieck Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz habe er letzterem Aspekt jedoch den Vorrang eingeräumt. Dies sei nicht zu beanstanden. Dieser Aspekt trage ebenso wie der des „abgerundeten Gebiets“ dem Repräsentationsgedanken und dem Demokratieprinzip Rechnung. Deshalb seien nach der Rechtsprechung sogar Exklaven oder „Landbrücken“ nicht in jedem Fall per se ausgeschlossen. Diebloße Form des Wahlkreises sei nämlich kein Selbstzweck, sondern müsse vor diesem Hintergrund beurteilt werden. Im Übrigen könne der Wahlkreis 1 (neu) gleichwohl als ein „zusammenhängendes Gebilde“ angesehen werden. Eine allenfalls „ungewöhnliche Gestalt“ eines Wahlkreises allein sei keinesfalls unzulässig.
Soweit sich danach die Rügen des Beschwerdeführers gegen die Neueinteilung des Wahlkreises 5 auf den Vorwurf der parteipolitisch motivierten Manipulation verdichteten, könne dies nach dem oben Gesagten nicht festgestellt werden. Die Annahme des Beschwerdeführers, die von ihm favorisierte Alternative eines Wechsels der Verbandsgemeinde Marienberg sei (zugunsten des schließlich realisierten Wechsels der Verbandsgemeinde Rennerod) vom Gesetzgeber aus rein parteipolitischen Motiven verworfen worden, sei letztlich rein spekulativ. Dies gelte zumal angesichts dessen, dass der Neuzuschnitt des Wahlkreises die politischen Mehrheitsverhältnisse im Wahlkreis 5 durch die Neuzuordnung der Verbandsgemeinde Rennerod in den Wahlkreis 1 nicht signifikant verändere. Bei dem insoweit anzustellenden Vergleich mit dem Wahlergebnis im Hinblick auf die Wahlkreisstimmenanteile bei der vorangegangenen Landtagswahl 2011 sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in der Verbandsgemeinde Rennerod mit 41,6 v.H. gegenüber 41 v.H. lediglich ganz knapp vor seinem Mitbewerber von der regierenden SPD gelegen habe. Diese Verbandsgemeinde könne insoweit als wahltechnisch nahezu neutral eingestuft werden. Was die Wahlkreisstimmenanteile im Wahlkreis 5 insgesamt anbelange, habe der Beschwerdeführer bei der Landtagswahl 2011 mit über 10 v.H. hinter seinem Mitbewerber von der SPD gelegen (SPD: 46,9 v.H.; CDU: 35,4 v.H.). Gerade in einem solchen Fall aber seien Rückschlüsse darauf, dass ein Neuzuschnitt auf sachfremden Erwägungen der Parlamentsmehrheit beruhe, regelmäßig gerade nicht ersichtlich.
Dies gelte umso mehr, wenn man die von dem Beschwerdeführer angeführte Alternativlösung betrachte, wonach die Verbandsgemeinde Marienberg aus dem Wahlkreis 5 herausgelöst und dem Wahlkreis 1 zugeordnet werden sollte. Dies hätte, so der Verfassungsgerichtshof, entgegen der vom Gesetzgeber gefundenen – gemessen an den Wahlkreisstimmenanteilen bei der Landtagswahl 2011 parteipolitisch neutralen – Lösung dazu geführt, dass eine deutliche Verschiebung zugunsten des Beschwerdeführers eingetreten wäre (Wahlkreisstimmenanteile bei der Landtagswahl 2011: SPD: 54,2 v.H.; CDU: 27,6 v.H.). Gleiches gelte für die ebenfalls von dem Beschwerdeführer als Alternativlösung ins Spiel gebrachte Verschiebung der Verbandsgemeinde Hachenburg (Wahlkreisstimmenanteile bei der Landtagswahl 2011: SPD: 53,3 v.H.; CDU: 28,1 v.H.).
Dieser im Falle einer Neueinteilung von Wahlkreisen als allenfalls bloße Akzeptanz bestehende mögliche Vorteil, dass der Beschwerdeführer als Wahlkreiskandidat eine für ihn parteipolitisch weniger vorteilhafte Verbandsgemeinde an den Nachbarwahlkreis „abgeben“ könne, werde ihm aber letztlich nicht durch eine sachwidrige Entscheidung des Gesetzgebers vorenthalten. Ein „extremer Ausnahmefall“, bei dem sich die von dem Beschwerdeführer erstrebte, ihn parteipolitisch begünstigende Wahlkreiseinteilung als einzig verfassungskonforme Lösung aufdrängen würde, könne gerade nicht festgestellt werden.
Beschluss vom 30. Oktober 2015, Aktenzeichen: VGH B 14/15
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