Brotbrechen -» Abendmahl Bruder
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Jesus Christus hat der Menschheit Gott als Vater geoffenbart (Joh 14,24). Das ist eine der bedeutsamsten Aussagen des Neuen Testaments, die jedoch stets streng christozen- trisch gefaßt wird: Denn wir kennen Gott in seiner ganzen Heilszuwendung nur als den Vater Jesu Christi; und allein durch Jesus kann heute der Mensch in die rettende Verbindung mit Gott, dem Vater, treten (Joh 14,6). Darum ist Jesus der wahre Gottes- Sohn, der stets betont von »meinem Vater« spricht und der in einem einmaligen Verhältnis zu Gott steht (Joh 1,14), während die Jünger im Glauben an Jesus die Gotteskindschaft erlangen (Joh i,i2f.). Die Gewißheit dieser Gotteskindschaft verleiht der Hl. —» Geist inder —» Wiedergeburt (Röm 8,12 — 17). Die im Glauben an Jesus Christus durch den Hl. Geist Wiedergeborenen bilden nach neu- testamentlichem Verständnis die —> Gemeinde als die Familie Gottes und sind deshalb Brüder und Schwestern.
Der christliche Bruderbegriff geht demnach nicht auf die allgemeine Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht zurück, etwa im Sinne einer Abstammung aller Menschen von Adam, sondern auf die Neuschöpfung durch den Hl. Geist. Damit ist das neutestamentli- che Bruderverständnis scharf abgegrenzt gegenüber der humanistisch-idealistischen Bruderschaftsidee. In der Gemeinde sind grundsätzlich sämtliche Unterschiede sozialer, rassischer, bildungsmäßiger oder sonstiger Art im eschatologischen Sinne aufgehoben (Gal 3,28). Das Zusammenleben und die Wahrnehmung der verschiedenen Aufgaben in der Gemeinde werden bestimmt von der geistgewirkten, bruderschaftiichen Ordnung. I lerdings wird am Gebrauch des Bruder-Titels auch die ganze Spannung zwischen hohem biblischem Anspruch und tatsächlicher Verwirklichung christlicher Bruderschaft in der Geschichte der Kirche deutlich. Mit dem konstantinischen Zeitalter hat nicht nur die Gemeinde eine Umwandlung zur Staatsreligion erfahren, sondern auch der neutesta- mentliche Bruderschaftsgedanke hat eine schwere Erschütterung durchgemacht. Die Anrede »Bruder« wurde nur noch von Angehörigen besonderer geistlicher Gemeinschaften und Stände beibehalten. Sie wurde dann aber auch zu einem Kennzeichen für alle christlichen Erneuerungs- und Erwek- kungsbewegungen. Von der Ausgestaltung eines verbindlichen neutestamentlichen Gemeinschaftsgedankens her lassen sich unter diesen Bewegungen drei Hauptformen unterscheiden:
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Christliche —> Bruderschaften, die protestantischen Diakonen- und Diakonissenhäuser, wie moderne ev. Kommunitäten, arbeiten in der Regel im Bereich bestehender Kirchen auf konfessioneller oder auch auf ökumenischer Basis.
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Bruderschaftliche Bewegungen, wie sie der Pietismus und die —> Erweckungs- und die —> Gemeinschaftsbewegung hervorgebracht haben, bleiben ebenfalls im Verband bestehender Kirchen, bilden jedoch »eccle- siolae in ecclesia« (= Kirchlein in der Kirche) für alle, die bewußt christliche Bruderschaft üben und mit Emst Christ sein wollen.
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Bruderschaftskirchen beruhen auf dem Gedanken, daß die Wiedergeborenen als Brüder und Schwestern in Christus die Gemeinde bilden und diese auch der Ort ist, wo christliche Bruderschaft verwirklicht werden soll. Die Zugehörigkeit zur Gemeinde wird von einem persönlichen Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus abhängig gemacht. Die äußere Organisationsform ist in der Regel eine —> Freikirche. Gelegentlich kommt die Betonung der Bruderschaft schon im Namen zum Ausdruck, wie z.B. bei der Herrnhuter —» Brüdergemeine oder der Brüder—» Versammlung. Man will in der Gemeinde und durch die Gemeinde eine neute- stamentliche Bruderschaft gestalten, ohne den einzelnen aus seinem Beruf und Stand in der Welt und in der Familie herauszulösen. So verschiedenartig die Versuche der Verwirklichung christlicher Bruderschaft auch aussehen, gemeinsam bleibt ihnen das Bemühen, das neue Leben in der Bruderschaft der Kinder Gottes (z.B. auch Ev.—» Allianz) und in der Liebe zum Nächsten (-» Diakonie und —> Mission) unter den Bedingungen und Herausforderungen der jeweiligen Gesellschaftsordnung und Zeit zu bewähren.
Lit.: D. Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, 195 s2 — S. Großmann, Christsein 70 und 73, 1971/72 - H. Penner, Weltweite Bruderschaft, 1972 -R. Riesner, Formen gemeinsamen Lebens im NT und heute,
Bruderschaft vom gemeinsamen Leben
B.v.g.L. ist laut Konstitution »ein Zusammenschluß von Christen aller Bekenntnisse, die sich bei voller Würdigung und Wahrung der durch Abstammung oder Gewissensüberzeugung überkommenen konfessionellen Zugehörigkeit und Unterschiede im Gehorsam des Evangeliums genötigt wissen, die von Jesus Christus erbetene göttliche Einheit und Lebensgemeinschaft aller Christusgläubigen im dreieinigen Gott zu bezeugen, ihr zu dienen und sichtbaren Ausdruck zu geben.« Dieser feierlichen Aussage entsprechend ist ihre Berufung nicht zuerst ein besonderes Tun, sondern vielmehr eins zu sein im dreieinigen Gott und so allen Menschen Bruder zu werden. So versteht sie ihr Leben als Dienst in und an der einen Bruderschaft und Kirche Christi, daher »ökumenischer Christusdienst«.
Zwei Diakone, Gotthilf Haug und Jakob Schelker, waren es, durch die 1905/06 in der Schweiz die B.v.g.L. gegründet wurde und Gestalt erhielt in bewußter Anknüpfung an Geist und Namen der mittelalterlichen Bewegung. Sie wird heute gebildet von drei Zweigen: den ledigen Brüdern, den ledigen Schwestern und den Verheirateten. Die beiden ersten Gruppen vor allem leben zumeist in Lebens- und Gütergemeinschaft, bleiben aber für gewöhnlich in ihren Berufen und Arbeitsverhältnissen im Sinn von Diakonie. Doch erstreckt sich ihr mehr verborgener Dienst in viele Bereiche der Kirchen, Gemeinden und Bruderschaften. In Deutschland konstituierte sich die B.v.g.L. 1928 und nach ihrer Liquidierung durch das nationalsozialistische Regime erneut 1947 als »Vereinigung vgL im ökumenischen Christusdienst« (VvgL). Sie ist eingeordnet in die »Christentumsgesellschaft in Deutschland« (in der Schweiz in den »Schweizerischen Diakonieverein«). Der Hauptsitz der VvgL ist z.Zt. in Ottmaring b. Augsburg. Außerdem ist sie besonders vertreten im Raum um Nürnberg, Stuttgart, Dortmund u.a. Als Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich der »Quatemberbote« und »Sammlung, Dienst, Sendung«.
Faulmüller
Bruderschaften und Schwesternschaften
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Nach dem 2. Weltkrieg entstanden unabhängig voneinander im ev. Raum, in der Folge von Glaubensaufbrüchen und Erwek- kungen, B. u. S., zusammenfassend auch Kommunitäten genannt. Weltweite Aufmerksamkeit fand vor allem Taize (Frankreich). Im deutschsprachigen Bereich haben die meisten ein mehr oder weniger starkes pietistisches Erbe. Am bekanntesten wurden hier die Ev. —> Marienschwesternschaft und die —» Christusbruderschaft. In Analogie zu den Ordensgründungen der kath. Kirche sehen sie sich als Weckruf gegen Verweltlichung und Verbürgerlichung der Kirche. Sie versuchen in der modernen, säkularisierten Welt zeichenhaft die lebenverwandelnde Kraft Jesu Christi anschaulich zu machen. Neben dem bürgerlichen Lebensstil der Großkirchen und dem Christuszeugnis in —> Familie und Beruf stellen sie eine verbindliche Form des Christentums dar, das im Protest gegen Begehrlichkeit, Besitzstreben und Karrieredenken Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam auf sich nimmt. Ihr Zusammenleben regeln sie mit einem geistlichen Problemlösungsmechanismus, der institutioneil in den Tagesablauf eingefügt ist und die Momente der Offenheit untereinander, der gegenseitigen Vergebung und des immer neuen Ausräumens von Mißtrauen und Kränkungen beinhaltet. »Das Christentum muß seine Mission durch ansteckende Beispiele weitertragen. Im kommenden Zeitalter der Machtgruppensünden werden neue Formen der Bruderschaft benötigt« (Rosen- stock-Huessy). Nach Hümmer (Lit.) ist diesen Kommunitäten gemeinsam: Ernstnehmen des Rufes in die Nachfolge, Verwirklichung von Gemeinde in Form konkreter Bruderschaft, größere Verfügbarkeit für den Dienst, Ausgleich zwischen Arbeit und Stille (actio und meditatio), Liebe zur Kirche. Sie können auf Grund ihrer Verfügbarkeit das außerordentliche Engagement wagen. Als Inspirationsvermittler können sie Antworten der Christenheit auf veränderte Verhältnisse geben und mit ihren weitgespannten Kontakten Begegnungszentren bilden. Ihre Gefährdung liegt in möglichem Machtmißbrauch, —» Gesetzlichkeit, Hochmut und Unnüchternheit.
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Eine kommunitätsähnliche Form gemeinsamen Lebens stellt die Großfamilie dar (z.B. —» Offensive junger Christen): Sie besteht im Kern aus mehreren Kleinfamilien, die gemeinsam in einem Zentrum wohnen, eine gemeinsame Wirtschaftsführung und gemeinsamen Dienstauftrag haben. Neben den Kleinfamilien, z.T. in sie integriert, können auch Einzelpersonen zur Großfamilie gehören, etwa als ••Jahresmannschaft« von vornherein auf begrenzte Zeit. Gelegentlich findet sich diese Form auch mit der der Kommunität Eheloser kombiniert (—»Jesusbruderschaft).
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Eine dritte Form stellen jene Bruderschaften dar, die soziologisch weder als Kommunität noch als Großfamilie, sondern eher als Arbeitsgemeinschaft zu beschreiben wären, sich von dieser aber nicht nur durch größere, das ganze Leben einbeziehende Verbindlichkeit (z.B. »Lebenslinien« in der -h» Pfar- rer-Gebets-Bruderschaft), sondern auch durch grundsätzlich lebenslange Zugehörigkeit unterscheiden. Sie sind entweder bestimmten Sachaufgaben, z.B. der —» Evangelisation (Gruppe 153 in -»Hermannsburg) oder Personengruppen, z.B. Pfarrern und Theologiestudenten (Pfarrer-Gebets-Bru- derschaft, Ahldener Bruderschaft) verpflichtet. Die Freiheit von pluralistischen Zwängen, in denen die Großkirchen sich weithin befinden, ermöglicht es ihnen, bestimmte Initiativen von gesamtkirchlicher Bedeutung zu ergreifen, wie z.B. in der Arbeit unter Theologiestudenten. —» Bruderschaft vom gemeinsamen Leben, —» Casteller Ring, —» Christusträger, —» Fokolarini.
Lit.: L. Präger, Frei für Gott und die Menschen, 1959 - W. Dirks, Die Antwort der Mönche, 1968 - W. Hümmer, Neue Kirche in Sicht? 1970 - R. Reck, Gottes neue Avantgarde? 1970 - R. Riesner, Formen gemeinsamen Lebens im Neuen Testament und heute, 1977 - J. Halkenhäuser, Kirche und Kommunität 1978
Leuthner
Brüdergemeine
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Deutschsprachige Nachkommen der alten böhmischen Brüder wandern unter der Leitung von Christian David um ihres Glaubens willen in das ev. Sachsen aus und erhalten von dem erweckten Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760 -h» Pie- tismusf die Erlaubnis, sich auf Ländereien seines Gutes in Berthelsdorf/Oberlausitz ansiedeln zu dürfen. So entsteht seit 1722 die vor allem aus Handwerkern bestehende Ortschaft Herrnhut. Zu den mährischen Aussiedlern gesellen sich Erweckte aus allen Teilen Deutschlands (z.B. Martin Dober), die bald in Spannung zueinander geraten. Das intensive seelsorgerliche und organisatorische Bemühen des Grafen Zinzendorf führt die Gemeine zu der Erfahrung ihrer Einheit in Christus bei einer Abendmahlsfeier in B'erthelsdorf (13.8.1727) unter der Leitung des lutherischen Pfarrers Andreas Rothe.
Die junge lebendige Gemeine knüpft Kontakt zu den erweckten Studenten der Universität Jena, aus denen ihr später hervorragende Mitarbeiter erwachsen (August Gottlieb Spangenberg, Gottfried Clemens u.a.). Boten der Gemeine besuchen die Kreise der Frommen und Inspirierten in ganz Deutschland, um eine »Kette« aller verstreuten Kinder Gottes zu errichten. Hier liegen die ersten Ansätze zu der 1732 eingeleiteten Missionsarbeit sowie zu der im 19. Jh. groß angelegten Diasporaarbeit. Die Gliederung der Gemeine in kleine Seelsorge-Gruppen (Banden, später: Chöre), ihre Ämterordnung und Amtsauffassung, ihre diakonische Praxis und Gemeindezucht fanden Freunde, aber auch Gegner außerhalb Herrnhuts.
Von 1743 bis 1749 gerieten die Gemeinden in der Wetterau (Herrnhaag, Marienborn) in eine Gefühlsfrömmigkeit mit einer die Kindlichkeit imitierenden Sprache, um naiv spielerisch das —» Heil in Christus auszuleben. Zinzendorf erkannte die Gefahren erst spät, ging dann dagegen vor und sprach im Anschluß an Lk 22,31 von der »»Sichtungszeit« der Gemeine. Gegen den Willen Zin- zendorfs geben die Konzessionen des preußischen Königs Friedrich II. (1742, 1746 und 1763) für die Gründung der schlesischen Gemeinden den äußeren Anstoß zu einer selbständigen Brüderkirche. 1749 werden auch die Gemeinden in England und seinen Kolonien als selbständige Kirche anerkannt, während sie in Sachsen der lutherischen Landeskirche unterstellt bleiben. Nach Zin- zendorfs Tod 1760 entwickelt sich die B. unter der Leitung von Gottlieb August Spangenberg in weniger aufsehenerregenden, biblisch-lutherischen Bahnen als eine —» Frei-
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