Girgensohn, Karl, *22.5.1875 Carmel auf Ösel, 121.9.1925 Leipzig, Professor der Theologie, 1907 in Dorpat, 1919 in Greifswald, 1922 in Leipzig, Vertreter einer pneumatischen (geistlichen) Schriftauslegung (—» Bibel IV). Nach seiner Selbstdarstellung verdankte er die ersten religiösen Einflüsse der Mutter mit ihrer »bibelgläubigen Gebetsfrömmigkeit«, erlebte aber als Theologiestudent einen Zusammenbruch seiner »Jugendauffassung von Christentum und Theologie«. Begegnungen mit E. Schrenk, den Vätern des —> Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und vor allem mit M. —» Kähler ließen ihn die Notwendigkeit pneumatischen Schriftverständnisses in, mit und unter geschichtlichem und psychologischem Umgang mit der Bibel erkennen.
Über G.: H. Frey, Die Krise der Theologie 1971, S. 61-68
Breymaier
Gläubig
Im Unterschied zum Verb glauben, das den Glaubensbezug meint, bezeichnet »g.« oder »der Gläubige« die Tatsache des G.seins. Zum Glauben kommen heißt g.werden. Der Ausdruck ist neutestamentlich (vgl. Apg 2,44; 4/3^, Röm 13,11 u.ö.; für die Gläubigen vgl. 2Kor 6,15, iThessi,7, iTim4,io)und ist auch heute berechtigt und notwendig. Dage
gen ist Luthers Behauptung, niemand sehe, wer g. sei, nicht neutestamentlich. Die Bezeichnung g. ist im -» Pietismus wieder besonders in Gebrauch gekommen. Der Pietismus legt Wert auf die persönliche —» Bekehrung und -» Wiedergeburt als das Gläubigwerden. Er betont die persönliche —» Heilsgewißheit und die sichtbaren Früchte eines lebendigen Glaubens.
Das Gläubigsein darf aber nicht falsch verstanden werden: Nicht die Gläubigkeit garantiert die Annahme bei Gott, sondern sein im Glauben ergriffenes Evangelium verheißt die endgültige Rettung als ein Gut, das wir zwar im Glauben schon haben, das aber doch auch noch aussteht, Röm 8,24. Ferner gibt es den Stand des Gläubigen nur in der Bewegung der Liebe zu Gott und des Gehorsams in einem tätigen Leben. Er wird von Anfechtung nicht verschont und hat allen Grund zu Furcht und Demut (iKor 10,12; Phil 2,12, rPetr 5,5). Die G.en sollen sichtbare -» Gemeinschaft des Glaubens, des Wortes Gottes, des —» Gebetes und des gemeinsamen Handelns pflegen. Aller geistlicher Hochmut (»wir, die Gläubigen«) ist zu verwerfen; von »Ungläubigen« sollte nur mit Vorsicht und vor allem nicht lieblos richtend gesprochen werden.
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Schmid
Glaube
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Biblischer Befund
t. ALTES TESTAMENT: Im AT ist der G. bedingt und ermöglicht durch den Bund Gottes mit Israel. Der G. beginnt also nicht mit sich selber. Als Antwort auf Gottes Tat und Wort ist er die das ganze Leben umfassende und bestimmende Haltung der Bundestreue dem heiligen, gnädigen und barmherzigen —» Gott gegenüber, der Israel in der Erwählung und in der Errettung aus Ägypten seine Liebe und Treue zugesagt und bewiesen hat (Ex 34,6; Dtn 23,6; 32,4,- )es 25,1). Auch als Bundespartner war Gott heilig und furchtbar (Ps 66,3; Ex 15,11). G. war darum nicht nur Vertrauen und Gehorsam, sondern darin auch Gottesfurcht. Das hebräische Wort für G. heißt aman mit seinen Ableitungen und bedeutet: Bestand haben, fest, treu sein. Es meint zunächst Gottes eigenes verläßliches und verbindliches Handeln Israel gegenüber. Das Volk, das glaubt, sagt dazu Amen und verhält sich entsprechend und findet damit die allein mögliche Grundlage für seine Existenz. »Glaubt ihr nicht, so besteht ihr nicht«, Jes 7,9. Demgegenüber war der Unglaube Abfall von Gott und damit vom eigenen Existenzgrund. Er war Bundesbruch, dem die Androhung der Verwerfung folgte (Jer 6,30; 7/29; Hos 9,17), aber auch die Verheißung eines neuen Bundes (Jer 31,31; Ez 37,26). Entsprechend trat im G.n das Moment der Hoffnung in den Vordergrund.
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im Judentum wurde der G.nsgehorsam zum Gesetzesgehorsam. Die Gnaden- und Lie- besgemeinschaft mit Gott wandelte sich in ein bloßes Rechtsverhältnis, wo man meinte, Geben und Nehmen zwischen Mensch und Gott berechnen zu können. Das Bewußtsein, daß Gott aus reiner Gnade Bundes- und Rechtsgenosse geworden war, trat zurück.
v neues Testament: Auch im NT ist der G. Antwort auf Gottes Heilstat. Das im Alten Bund angekündigte und vorbereitete Heilsgeschehen hat sich in —> Jesus Christus ereignet. In den Evangelien ist darum der G. unbegrenztes Vertrauen auf Jesus, so daß von Jesus dasselbe erwartet wird wie von Gott (Mt 11,27; Joh 11,22). DerG. erkennt in Jesus den Christus und damit das abschließende und vollgültige —» Heil Gottes (Joh 6,69). Bei Paulus gibt es keinen anderen G.n als den, welcher sich auf Jesus, den Christus und Sohn Gottes bezieht (Röm 1,5; 10,9). Der G. richtet sich auf Christus wie auf Gott selbst. Dieser auf Christus gerichtete G. sieht in dem von Jesus in seiner Notwendigkeit erkannten und bejahten Kreuz die göttliche Heils- und Versöhnungstat (Röm 3,25; iKor2,i; 2Kor 5,19). Dabei gehören G. und Erkennen zusammen und bedingen einander (iKor 15,1-4; ijoh 1,1 -3). Solcher G. ist zugleich G. an den Auferstandenen und Erhöhten und tritt in persönliche Gemeinschaft mit ihm.
Das Zum-G.n-Kommen beendet allen Eigenruhm und bedeutet Verzicht auf jeden eigenen Anspruch vor Gott. Es führt zur Hingabe an seine versöhnende Gnade (Phil 3,7; Gal 6,14) und zum Gehorsam (Röm 1,5). So ruht der G. ganz in seinem Gegenstand und wird zur schlechthinnigen Bezeichnung für das religiöse Verhalten. Im Unterschied zum AT, wo es gilt, sich im G.n in einem schon bestehenden Bundesverhältnis zu bewähren, tritt man nun durch G.n allererst in den Gottesbund ein. Man wird —» gläubig (1 Thess 1,8). Dazu bedarf es der persönlichen
Entscheidung und —» Bekehrung jedes einzelnen.
Die im G.n ergriffenen Heilsgüter sind Gerechtigkeit, Heil, ewiges Leben, Frieden und —» Gemeinschaft mit Gott, Gotteskindschaft und der —» Geist (Röm 1,16; 5,1; Apg 4,12; Joh i,i2; 3,36; 7,39). Die guten Werke sind nun nicht mehr heilsbegründend, wohl aber unmittelbare Folge des Heilsempfanges (Röm 3,28). Der G. ist bekennender G. (Röm io,9; 1 Joh 2,23) und ist durch die —» Liebe tätig (Gal 5,6; vgl. iTim 1,5). Zum G.n gehört die Furcht, und die Möglichkeit der Anfechtung ist immer da (iKor 10,12). Da Christus nicht nur offenbar, sondern auch noch verborgen ist, aber offenbar werden soll, ist der
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zugleich Hoffnung (Kol 3,3.4; Röm 8,24f.). Zur vollen Heilsgegenwart tritt das Verheißungswort, daß das in Jesus erschienene Heil vor aller Augen sich offenbaren und dann der G. zum Schauen werden soll (rKor 13,12; 2Kor 5,7; iPetr 1,8).
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Kirchengeschichte
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im Mittelalter trat die Kirche als Mittler des G.ns in den Vordergrund und schob sich vielfach zwischen den G.n und Gott. Der G. wurde als Erkenntnis der übernatürlichen göttlichen Wahrheit dem Wissen gegenübergestellt. Als dem Menschen eingeflößte Gabe (fides infusa) wurde er zur Zuständ- lichkeit. Die Werke gesellte man ihm bei als ebenfalls heilsnotwendig (Synergismus).
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die -+ Reformation hat die Mittlerstellung der Kirche ebenso ausgeschaltet wie die heilsbegründende Funktion der Werke und hat den G.n allein auf die Schrift gegründet (solus Christus, sola fide, sola scriptura = allein Christus, allein durch Glauben, allein die Schrift). Für Luther ist der G. wieder persönliche Ich-Du-Beziehung mit Gott und Christus. Der Glaubende sieht von sich ab und hängt allein an Gott und seinem gnädigen Urteil, d.h. am Evangelium. Diese
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nsgerechtigkeit ist einerseits erfahrbar und tröstet das —» Gewissen. Andererseits soll am Vergebungswort auch ohne und wider alle Erfahrung festgehalten werden. Der
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ist nicht Leistung des Menschen, sondern Gabe Gottes. Gehorsam, Furcht, Vertrauen und Gewißheit gehören dazu, ebenso aber auch Anfechtung.
v neuere zeit: In der Orthodoxie erstarrte der G. teilweise zum bloßen Lehrg.n. Dem gegenüber betonte der Pietismus wieder den lebendigen G.n. Die Rechtfertigung des Sünders durch Gottes Gnade im G.n wurde wieder zum Erlebnis, zur persönlichen Erfahrung der —»■ Wiedergeburt des einzelnen, und des neuen Lebens. Für -» Schleiermacher ist der G. weder ein Wissen, noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des religiösen Gefühls, aber gerade so G. an Christus, den Erlöser. Für Kierkegaard ist der G. unendliche Leidenschaft des Verzweifelnden, angestachelt durch das Evangelium, bezogen auf die paradoxe Tatsache des Gottmenschen. Für Schiatter hingegen kommt der G. aus der im NT zugänglichen, verständlichen Wahrnehmung des geschichtlichen Christus. Ähnlich ist für Kähler das im NT unmittelbar uns entgegentretende, auf Kreuz und Auferstehung zentrierte Bild Christi begründend für den G.n. —» Barth betont, daß der G. keine Möglichkeit des Menschen sei. Eine unmittelbare Beziehung zwischen dem endlichen Menschen und dem unendlichen Gott lehnt er ab, ebenso zwischen dem Glaubenden und dem geschichtlichen Christus (dialektische Gebrochenheit).
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Grundsätzliches
Maßgebend für uns bleibt das neutestament- liche Glaubensverständnis. Abweichungen von ihm bzw. falsche Alternativen zeigen sich heute vor allem auf drei Gebieten: 1. im Verhältnis G.-Heil, bzw. G.-Werke.. 2. im Verhältnis G.-Erkennen. 3. im Verhältnis G.-Erfahrung. Zu 1.: Zwar gibt es keine Gott wohlgefälligen Werke ohne G.n; aber doch ist es möglich, durch das Tun des Willens Gottes zur G.nserkenntnis zu kommen (Joh 7,17). Zu 2.: Im NT gehört zum G.n immer ein Erkennen, und zwar nicht nur ein paradoxes (gegen Kierkegaard), sondern auch ein direktes, vernünftiges (Schiatter), und das deshalb, weil Christus nicht nur verborgen, sondern auch offenbar und in seinem Wollen und Tun erkennbar war (1 Joh 1,1-3). Zu 3.: Sofern der Glaube den Menschen mit seinem Wollen, Denken und Fühlen total umgreift, ist der G. immer auch von Erfahrung begleitet.
Lit.: H. E. Weber, Der G. und das Wort (ZSTh 9, 1932, 339-356.502-521)- O. Weber, Grundlagen der Dogmatik II, 1961, S. 292h. - W. Künneth, Fundamente des G.s, 1975 H. Schmid
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