70 Der kongeniale Vittoria schuf, nicht anders als ein Sansovino seine Cartapesta-Reliefs, Türklopfer, Nippes-Figuren, Festdekorationen und Tafelaufsätze.
71 Ridolofi 1648, II, p.41.
72 Vgl. noch immer die Forschungen von Pullan 1971, 1972 und (Hrsg.Pignatti) 1981, sowie Daveggia 1986, Fortini Brown 1987 und Black 1992.
74 Hüttinger 1962 und neu: Romanelli 1994 und 1996.
75 Die Markusbruderschaft hatte das Juspatronat über die Hauptkapelle der Kirchenapsis; vgl. Paoletti 1929, S.13. Mitglieder sollen beträchtliche Summen zum Kirchenbau beigesteuert haben.
76 Paoletti 1929; Zanaldi 1950, Sohm1978 u.a. Unter den namhaften Mitgliedern der Bruderschaft fanden sich Künstler wie Gentile Bellini (als Dekan), Antonio Rizzo, Paris Bordon, Palma Vecchio (1513 aufgenommen), Marco Marziale (vermutlich seit 1493), später Domenico Tintoretto, Alessandro Vittoria (1563) u.a.m. 1533 sollte J.Sansovino bereits den Altar der Sala Grande planen, (der aber noch 1562 nicht fertig war und endlich Vittoria übergeben wurde) und 1555 stellte Sebastiano Serlio ein Gutachten zur Dekoration der Decke aus (Timofiewitsch 1963, S.158).
77 Selbst die einst vergoldete Reiterstatue des Colleoni mit einem auf die Scuolenfassade angepassten Prachtsockel hat an dieser Orchestrierung teil: er spielte die Rolle eines glanzvollen Ablegers der Triumphal-Quadriga auf der Balustrade der Basilika; auch ein Fahnensockel steht als Quintessenz des Markus-Forums auf der zweitnobelsten Piazza mit ihrem breiten Molo davor, und dem Ponte "longo" oder "del Cavallo" ward besonders generöse Ausgestaltung zuteil.
78 Maria Elena Massimi 1995, S.35 erinnert daran, dass sich Jacopo schon 1549 anlässlich seines "quadro della capella granda in giexia" (Rochus unter den Pestkranken) um eine Aufnahme beworben hatte, was man, vielleicht geflissentlich, 'vergass'. Seit Jahrhundertanfang war immerhin Tizian dort Confratello (der seine Mitgliederbeiträge nur unwillig oder gar nicht entrichtete).
79 "...fazendo depenzer le istorie del prottetor nostro messer san Marco..." s.Arch.d.Stato, Not.19, S.79; s. in extenso Krischel 1991, S.197f.
80 Calmo: s.Krischel 1991, S.18f und Aretin: Aretino1957, II, S.204–5 vom April 1548 (IV, 420,c.181).
81 Boschini in der Carta del Navegar von 1660 unter der Randglosse "Non se dà nose muschiae a porchi cingiari", was etwa unserem Bonmot "Perlen vor die Säue" entspricht, beschreibt die Zurückweisung des Bildes: "E pur gli fu un Vadian, cusi ignorante, / Che se lassè persuader da l'invidi / A refudar sta zogia; e con perfidia, / Che'l fè portar a casa int'un istante." (Ed. A.Pallucchini 1966, S.516).
82 Boschini 1674 (2.Ed.Nicolini), S.68f.
83 Thode 1901b, S.11f.
84 Archivio di Stato, La Scuola Grande di San Marco, Notatorio 22, carta 4 zum 21.Juni 1562. "tomaso ravena D[ottor]." erscheint frühestens 1560 (Not.21, c.202) unter den Mitgliedern des Kapitels – als er zu einen der zwölf Dekanatsadjunkten gewählt wurde. Der ehrgeizige Schriftsteller, Astrologe, Mäzen und Physikus wurde am 8.März 1562 nach dem üblichen Wahlkampf aus dem Dekansstand wie üblich für ein Jahr zum Guardian Grande erhoben. Vgl. Weddigen 1974, S.55f.
85 Vasari 1566 (Ed.1881) VI, S.592.
86 Um so unverständlicher ist es, dass zwei dieser Bilder nach der Auflösung der Scuola vom "Delegato delle Belle Arti", Edwards 1815 zur simplen Dekoration der Eingangswände der Libreria Sansoviniana, die damals zum Palazzo Reale gehörte, wiederverwendet und, um den neuen Wandmassen angepasst zu werden, auf barbarische Weise beschnitten wurden: Das dritte Bild entging der Schere nur, weil es zu Repräsentationszwecken in die damalige Hauptstadt Mailand verbracht worden war (1811), wo es bis heute blieb (Brera Nr. 143).
87 Vermutlich hatten sich die Gemüter der Scuolenleitung bald beruhigt; ja im März 1575 gemäss dem von Krischel 1991, S.211 wiedergegebenen Dokument verbat man sich jeden Eingriff ("por mano o dar ordine a leuar li Quadri") in die Bilderausstattung ohne Beschlussfassung des Generalkapitels. Grundsätzlich genügten 1573 nur wenige Pinselstriche, die Physiognomie der Rangone-Bildnisse wesentlich zu verändern. Da man 1959 unterlassen hat, hinreichend aufklärende Radiographien anzufertigen, wären fernere Untersuchungen gefordert. Die Züge des Ravennaten wirken in den Gemälden der Accademia beinern, unlebendig, wie stilisiert (vgl. Weddigen 1974, S.57), doch die Untersuchung des Gemäldes der Brera (Tardito 1990, S.41) lässt keinen Übermalungsversuch erkennen. Vermutlich forderte man 1573 nicht nur, die Züge des Dargestellten, sondern die missverständliche Prokuratorenfigur als solche zu tilgen, weil sie die Lesbarkeit der "istoria" beeinträchtigte (Eine Tilgung als 'Strafe' des Dargestellten, beispielshalber in der Ultima Cena von San Felice s.P-R 1982, Cat.225 und neu: Béguin, Atti 1996, S.281f. und Matile 1996, S.158 & Anm.24 u.26; 1997, S.41).
88 Moschini 1959, S.80–81.
89 Vor dem Brande scheinen vornehmlich alt- und neutestamentliche Szenen vorgeherrscht haben.
91 Ausführlicheres zum gesamten Zyklus s.Fischer 1985.
92 Arch.di stato, Venezia, Scuola grd.di S.Marco, Notatorio 20, carta 186 (1552) "La nostra schuola del glorioso protettor nostro Messer S Marco è de grande de dignita, et de honor la prima de' tutte le altre cinque schuole grande di questa citta; et e anche de sitto et de progretiva, la principal veramente, et la piu degna di tutti li altri."
95 Die Bildfläche (Eigenmessung 1965: 415x544,3 cm) besteht heute aus vier waagerechten Leinwandbahnen (Köper-Standardbreite 120-125 cm), deren oberste zwischen 53 und 54,5 cm misst, die folgende 120,5-123,5 cm, die dritte 123,7-124 cm, die unterste 112-115 cm (es fehlt der Chassisumschlag von ca 7 cm).
96 Schon 1938 bemerkte Wilde S.142: "Der Rahmen der Bühne wird formal dadurch betont, dass die Kreuzung der beiden Flächendiagonalen genau die Lage des perspektivischen Hauptpunktes vorschreibt...Zu diesem formalen Hauptpunkt führt aber auch die wunderwirkende Geste des Heiligen hin, so dass der ganze Raum zugleich vom inhaltlichen Zentrum aus entwickelt erscheint."
97 Starke Deformierungen; Museo Correr (Doppel-)Fol.5315&5319, 54x(zusammengesetzt)79 cm. Zum Bildformat des weiteren vgl. Krischel 1991, S.30–34.
98 Schloss Opoçno, Leinwand 69,5x93 cm, verm.17.Jh.; unveröffentlicht; Negativ V.Fyman 40.678 Nat.Gal. Prag (Kenntnis und Aufnahme verdanke ich Eduard Safarik).
99 Wilde 1938, S.142; s.nun Wolters 1968 und Schulz 1968. In dieselbe Entstehungszeit gehört Tintorettos achteckige Deckenkomposition in Detroit, mit den Jahreszeiten und der alchimistisch-astrologischen Figuration der I sogni degli uomini aus der Cà Barbo (s.Gandolfo 1978, S.237f und Echols in Atti 1996, S.79), das auch im Bildschnitt so manche Gemeinsamkeit mit jener Zeichnung Primaticcios im Kupferstichkabinett Dahlem teilt; schon früher entstand der ovidianische Decken-Zyklus in Modena mit sowohl geradlinig wie eingebogen abgekanteten Formaten (s.Mason in: Atti 1996, S.72–75).
100 Heutige Abstände von den Bildrändern: von links: 267 cm, von rechts 277 cm, von oben 190,5 cm, von unten 226 cm.
101 Krischel 1991, S.32. Das Bild war ursprünglich auf eine schützende Holztafel montiert.
102 Krischel 1991, S.213, Notatoriums-Eintrag zum unerwünschten und riskanten Kopieren des Bildes.
103 P-R 1982, A 53.
104 Florenz, Uffizien Nr.E 736, 21x30 cm, Blei und Sepia, Moschini Marconi 1962, S.223.
105 Krischel 1991, S.149 u.150; seiner Auflistung füge ich zu: Kopie Oxford, Christ Church Nr. 102 (Shaw, Kat.1967, S.76/77) Lw. 99,2x135 cm, 18.Jh. ("vor 1705"); "grosse Kopie", (von Shaw, Kat.1967, Nr.102, S.77, als am 2.Dez.1963 aus Coll. Sir E.Ovey, Culham Manor, Abingdon verkauft, vermerkt); Kopie Museo Vela, Ligornetto, No.608, Lw. 44x56 cm (exp. Mostra del T.,1937 Cà Pesaro, Venezia;Cat.No.6, S.30/33); kleine Kopie o.Masse, Privatbesitz Dr.Krüger, Berlin; Kopie Wien, Akademie von C.Rahl (1812–1865), o.Masse, zugeschrieben. Die druckgraphischen Wiedergaben sind weitgehend enthalten in den Ausstellungskatalogen Ticozzi 1982 und Chiari MorettoWiel 1994.
106 Interessanterweise entspricht die Flucht- und Augenlinie des Bildes, die ein einziger geharnischter Leibgardist des Padrone in auffälliger Weise visiert, zugleich der Kapitellhöhe der Fensterpilaster und dem Fokus der Fensterlünetten. Diese entsprechen einer gemittelten Kreisbogenhälfte vom halben Durchmesser eines die gesamte (ehemalige) Bildhöhe übergreifenden Kreises (hat also die virtuelle Form eines weiteren Lünettenfensters in der Wandmitte). Dieser Kreis umschreibt just die Protagonistenköpfe des Padrone, des Sklaven und des als Sansovino identifizierten Bildnisses in der 'Loggetta'. Die rotierende Bewegung von Markus und dem Türken ist in sich begegnende Kreisschwünge einzuschreiben, die wie die Masswerkornamente von drehenden Fischblasen wirken. Die gegenständigen Architektur-Motive Loggia/Quaderpyramide sind zentripetal und aus den Bildecken zielend ausgerichtet u.s.w. (Abb.28).
107 Unsere graphischen Rekonstruktionen sind dank der Ungenauigkeit des verfügbaren Reproduktionsmaterials mehr als Verständnishilfe zu betrachten und benötigen für künftige Recherchen eine erhöhte Präzision.
108 Deutsche überarbeitete Fassung des in Venezia Cinquecento 1991, I,1, S.101–129 it. veröff. Essays.
109 Man denke hier – abgesehen vom restaurierten Oeuvre in der Scuola di San Rocco – insbesondere an die Versionen der Himmelfahrt Mariens in Bamberg (s.Weddigen 1988) und der Gesuiti-Kirche in Venedig (Sponza 1994) sowie die jenen vorangehende von San Stin (Gallerie dell' Accademia, wo inzwischen fast alle Werke Tintorettos einer Restaurierung unterzogen wurden).
110 Pallucchini 1950. s. auch. P-R 1982, I. S.11–24.
111 "Quanto sia debitore il Tintoretto ai rilievi del più vecchio amico Sansovino, quando porrà mano alle sue scenografie balenìoci e strepitose alle gran macchie teatrali dei quadroni della scuola di San Marco, non c'è chi non vede e non sarà mai sottolineato abbastanza," meinte bereits Paolucci 1967, S.4.
112 Schon Borghini erwähnt im Il Riposo 1584, (IV, S.551): "fece grande studio sopra le statue rappresentanti Marte e Nettuno di Jacopo Sansovino, e poscia si prese per principal maestro l'opere del divino Michelagnolo". Wenn ihm nichts naheliegenderes einfällt, als die beiden späten Kolossalfiguren, ist dies lediglich als Hinweis auf die gewaltsame Gestualität Robustis zu werten; kaum wird man verlangen, dass er sich etwa der Sansovinischen Madonnen erinnere!
113 Wie dies Katherina Dobai 1991 versuchte.
114 Shearman 1965, S.64, Anm.1; S.253; Davis 1984, S.35.; Pilo 1994, S.118 verweist auf noch frühere Aussagen von Vittorio Moschini 1931 und Pallucchini 1950; s. neu besonders Krischel 1996 a, S.34f.
115 Auf die Zuschreibung eines Teils des bisher in der Tat heteroklit zusammengetragenen Frühwerkes Robustis an Giovanni Galizzi durch Echols 1995 muss andernorts eingegangen werden, zumal dieses komplexe Thema qualitätliche Präzisierungen nötig macht.
116 Zindel 1990/1992; AK Avagnina & Pianca 1989; dort insbesondere B.Boucher, S.35–43. Zwischen 1540 und 1550 "quando le capacità creative del Sansovino erano all'apice" (Boucher) scheute sich Jacopo nicht, für ein sparsameres Publikum gleich reihenweise einen bereits veralteten ikonenhaften Madonnen-Typus zu produzieren (13 erhaltene Varianten). Technik und Material erinnern an die Theater- und Triumphaldekoration, von der Tintoretto möglicherweise ebenfalls Anregungen erhielt: Vasaris Ausstattung von Aretins Talanta fiel in die nämliche Zeit (1542).
117 Boucher 1980, S.22–29; dort auch die folgende Polemik im Burlington Magazine mit Beiträgen von Ch.Davis, B.Boucher, V.Sgarbi: CXXII, 1980, S.582–586; schliesslich: Ch.Davis: CXXIII, 1981, S.163–164.
118 Tommaso Rangone besass von Sansovino eine Madonna in Bronze und zwei in Stuck; eine dieser war ungefasst (stuchea alba) eine andere, ein Geschenk des Künstlers, war vergoldet (stuchea aureata). Es ist überlegenswert, ob nicht auch die Madonna delle Muneghette, die ebenfall in Stuck ist, einst nicht auch zur Sammlung Rangones gehört haben könnte. s.a. Weddigen 1974, S.7–76, insbesondere S.53–54.
121 Sansovino 1561. c.26r. Davis 1984, S.40f gibt ein autographisches Dokument Francesco Sansovinos wieder mit der Sequenz: "Et nella Chiesa di San Marco sono 6. H i s t o r i e di bronzo in due Pergametti posti nel coro..."
122 Über den Zyklus des ersten Pergolo ist von Berufeneren zu Genüge gehandelt worden; auf eine eingehendere Analyse sei hier verzichtet, zumal Tintoretto erst in den Markuswundern um 1562 auf ihn zurückgriff. Erwähnenswert ist indessen, wie sorgfältig Sansovino seine Quellen konsultiert: die Legenda aurea von Jacopo da Varagine (Varazze) und die Legendae sanctorum des Pietro Calò ("de Clugio"; s.Gennaro 1973, XVI, S.785–787). Beispielshalber ist die Szene des Battesimo di Aniano im prachtvollen Innern einer Basilica ambientiert, das natürlich das christliche Heiligtum meint, das die alexandrinischen Gläubigen "in uno loco chiamato Boccoli cioè bobulco" ("bubulcus" ist der Ochsentreiber) errichteten (Legenda aurea: Legende di tutti i sancti et le sancte. volg. Nicolò Manerbi, Venezia [Nicolas Jenson] 1475, fol.99r), oder wies im lateinischen Urtext Calò's heisst: "...iterum Alexandriam rediit, qui et juxta mare in rupibus ecclesiam construxerat in loco, qui dicitur Bucculi, et fideles ibidem multiplicatos invenit." Der Bukranienfries über dem Architrav ist somit nicht nur eine antiquarische Konvention, sondern eine genaue Ortsbezeichnung, die auch für den Moment des Martyriums von Bedeutung wird, als die für ihren beissenden Sarkasmus berüchtigten Alexandriner ihr Judenopfer (der Stier ist Sinnbild des Judentums) "el bufalo alli lochi del bufalo" (ibidem) zu schleifen beabsichtigen (der nach der Überlieferung "stummelfingrige" Markus – er beschnitt sich laut Legenda aurea den Daumen, um dem levitischen Priesteramt zu entgehen – war gleichwohl opferwürdig wie Ochs oder Schaf mit "zu kurzen Gliedern" gemäss mosaischem Gesetz Mos.3,22,23).
Die Taufszene umfasst, wenn nicht Neubekehrte ganz allgemein, wie in der Legenda beschrieben, denAnianus und "tutta la famiglia della casa sua" (ibidem). Die Bukranien zieren auch den Portikus, vor welchem die verschiedensten Wunderheilungen durch Markus geschehen, namentlich der Exorzismus eines Besessenen: nur befinden wir uns nicht mehr in einem basilikalen Kircheninnern wie in der vorhergehenden Szene, sondern man blickt durch ein dorisches Vestibül ins forumhafte heidnische Stadtinnere, wo sinnigerweise unterhalb des emporflatternden Teufelchens und vor einem pantheonartigen Gebäude auf einem bekränzten Rundaltar ein Brandopfer schwelt. Da die Wunderheilungen vornehmlich exempla für die Bekehrung des Heidenvolkes sind ("non solamente cum dimostratione et signi de miracoli, non solamente cum la eloquente predicatione, ma si etiam cum eximii exempli li provocava", ibidem),lässt Sansovino sie in der Vorhalle geschehen, und nicht im begrenzten sakralen Innenraum (wie dies hingegen Tintoretto im Markuswunder der Brera tun wird, wo mit den Helldunkeleffekten eines düsteren Campo Santo die dramatische Katakombenatmosphäre gesteigert wird).
Das Gewitterwunder ("incontinente l'aere si fu turbato et venne una grande tempesta cum grande rumore de toni. et coruscavano le sagitte dal cielo", fol.99v) ereignet sich indessen entlang einer der überlieferten Triumphalstrassen Alexandrias mit unzweideutig heidnischen Gebäulichkeiten im bewussten Kontrast quer zu Zentralperspektive der anderen beidseitigen Reliefs, was so den vektoriellen Drall einer entfesselten Menge betont, die nach beiden Seiten versprengt wird. Die Mittelstellung dieser Szene widerstrebt im Pergolo-Verband dem geschichtlich-hagiographischen Ablauf der Markus-Vita. Sie will bewusst den Fluss der Erzählung unterbrechen, gerät zum kompositorischen und programmatischen Bindeglied der seitlichen Felder, wird aber auch über den Kirchenraum hinweg zum analogen Mittelrelief der Folgeserie gebunden, das statt zentrifugaler terrorisierender heidnischer Züge, nun zentripetale verbindende, die Christengemeinde sammelnde Bezüge ausdrückt.
Die zentralen Szenen beider Pergoli waren für den Markuskult von offenbar primordialer Bedeutung, ja von meteorologischem Hintersinn: das erste Unwetter erlaubte prädestinativ die reale körperliche trafugatio und translatio ihres Märtyrers, womit dieser zum Patron der Lagunenstadt werden konnte; das zweite posthume Regenwunder in Apulien garantiert künftige Zeichen und Einwirkungen seitens des beschützenden Thaumaturgen als unkörperliches Numen. Schliesslich war der 25. April der Tag des Martyriums, höchster Festtag der Venezianer (s. diesbez. Niero 1970, S.3–27 und: 1992, S.15–40).
Zur Vita Marci s. den lat. Text der Legenda aurea: De sanctorum legendis, Venezia, Ottaviano Scoto, 1483, cc.LXXv–LXXIIr. (s.a. Voragine, Legenda Aurea, Ed.Osnabrück 1890/1965). Den gekürzten Text der Marciana von Pietro Calò s. in: Acta Sanctorum,Aprilis III, S.356–357; und in erweiterter Version publiziert von G.Monticolo 1895. Weitere Stimmen s.A.Molino, De vita et lipsanis S.Marci, Rom 1864, bei Pompeo Molmenti, Giulio Pavanello, Silvio Tramontin uam.
123 Wenigstens für die Mitteltafel wird die Deutung "Guarigione di una donna paralitica di Murano" geliefert: Sansovino/ Stringa 1604, c.36r–v. Die von Pietro Calò erzählte Wundergeschichte s. in: Monticolo 1895, S.153–155.
124 Boucher 1976, S.552–566. insbes. 561; perplex äusserte sich schon Giulio Lorenzetti 1910 a, S.21 in seiner vernichtenden Rezension von L.Pittoni's Jacopo Sansovino scultore. S.a.: Lewis (Hrsg.Rosand) 1982, S.133–190, betitelt mit Apparition of St. Mark die Abbildung des Mittelreliefs (S.158, fig.20), während er im Text mit der Heilung einer Gelähmten operiert (S.156).
125 Stott 1982, S.370–388, insbes. S.374–379. Diese ikonographische Leseweise hat eine gefestigte Tradition: Mariacher 1962, S.87–88, betitelt die Mittelszene mit Lo schiavo liberato ringrazia il Santo; Rosand 1982 a, S.186, in: Action and Piety in Tintoretto's Religious Pictures nennt die Apparition of St. Mark,hält indessen explizit alle drei Tafeln für Teile des nämlichen Sklavenwunders; desgleichen Douglas Lewis s.o.
126 Sansovino 1556, c.26r.
127 Die Legenda aurea in der Vulgarisierung durch Nicolò Manerbi (1533) erzählt das Wunder in der Form, die wohl Tintoretto vor Augen hatte (Ed. cit., f. 100r): "Un servo d'uno certo gentilhomo de Provenza, essendo obligato per voto, volse visitare el corpo di sancto Marco, ma non poté obtinere la licentia dal messere suo. Finalmente el celeste timore prevalse al timore del signore, et senza dire a quello alcuna cosa andò a visitare el sanctissimo Marco. La qual cosa cognoscendo el messere molto gravemente se disdegnò. Ritornato che fu el dicto servo, commandò che li fusseno cavati li ochi. Al qual crudele messere obediscono prestarnente gli più crudeli satelliti, et gectato a terra el servo de Dio, chiamando egli sempre el glorioso sancto Marco, a gli ochi suoi puoseno acuti pali per cavarli, ma nulla giovava la forza di pali, imperò che subito se rumpevano come debile frasche. Commandò anchora quel crudele messere che cum le mannare li fusseno ispezate le gambe et tagliati li piedi: ma el durissimo et indomabile ferro delle secure incontinente se intenerì a modo di piombo. Commandò etiam che cum li martelli di ferro li sia ropta la bocca et li denti: ma el ferro più non s'aricordava della virtù sua, ma per la potentia de Dio tutto s'intenerisce. La qual cosa vedendo el messere, meravigliandose li chiede perdono, et insieme cum el servo suo cum summa divotione visitò el sepulcro de sancto Marco."
Die ausführlichere Version des Wunders bringt Pietro Calò in der Wiedergabe durch Monticolo 1895, S.160–162; allerdings gekürzt in: Acta Sanctorum,Aprilis III, S.356/5, wo er in einer Anmerkung (S.357) präzisiert, dass die Provincia in der die Episode spielt, in der Tat die Provincia Galliae also die Gallia Narbonensis oder Provence sei. Die lapidarische Schlussbemerkung der Erzählung ("Quod cernens Dominus poenituit, et veniam a sancto et a servo petiit, et corpus sancti Marci cum dicto servo Venetias visitavit") genügte, allein auf Grund der logischen Abfolge und der örtlichen Angaben, eine Trennung dieses Wunders von den anderen 'storie' des Pergolo vorzunehmen. Krischel 1991, S.179f und 37 brachte inzwischen die Versionen des Wunders von Voragine, Manerbi, Pietro Calò, die des venezianischen Anonymus und die längste, von Stringa überlieferte des Museo Correr (Cod. Cicogna 2987–88), die der Pilgerreise von Herrn, Sklave ("Castellano") und Gefolge ("ministri") zum Grabe Marci mehr Raum bietet. Dass die Szene der 'Danksagung' im Zyklus der Sakristei-Intarsien enthalten ist, bezweifle ich, da ja Sansovinos Relief ebendahin missverstanden worden ist und eindeutig ein Ritter in Rüstung auftritt, der für die w.u. aufgeführten beiden Soldatenwunder bezeichnender wäre.
128 Legenda aurea, ed. cit., f.100v: "Essendo in tutta la Puglia una grandissima sterilità, per modo che quella patria per nulla benedictione di piova produceva fructo alcuno, fu revelato che la era percossa da tale piaga cunciosia che in quelle parte non si celebrava la solennità del glorioso evangelista messere sancto Marco. Onde quelli de quel paese invocato el nome de sancto Marco et promettendo di sempre far solenne festa nel giorno della festa sua, el glorioso sancto levò la sterilità da loro donandoli salutifero aere et congruente piova."
Pietro Calò, in: Acta Sanctorum, Aprilis III, S.357/9: "In Apulia et Terra laboris, quia festum B. Marci non servabant, sed ruralibus operibus insistebant, sterilitas mirabilis supervenit, eo quod ibi per quinquennium non pluisset. Cumque homines mirarentur, quod tanta victualium penuria ibi esset, revelatum est quibusdam religiosis, quod hoc erat quia festum Sancti nullatenus observabant, nec posset pluere nisi ejus diem solennius celebrarent. Adveniente ejus festo omnes ad ecclesiam ejus vadunt, ubi solennizantes cum reverentia maxima precibus impetrarunt beneficia S.Marci: et statim imbrium copia praeter spem abundantius inundavit, et tota terrae sterilitas est abjecta, et exinde tamquam Paschalem diem festum Sancti devotius celebrarunt".