"Jacomo Tentor f."



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Sebastiano Serlio
Es lässt sich heute mit Sicherheit annehmen, dass der Autor der Adultera Chigi verschiedene Entwurfsformulierungen der seit 1537 in Venedig, Paris und Lyon in freier Erscheinungsfolge publizierten sette libri di architettura di Sebastiano Serlio gekannt hat. Da, wie andernorts erwiesen worden ist, Serlios Traktate im Frühwerk Tintorettos, vor und nach der Entstehung unserer Ehebrecherin, unverkennbare Spuren hinterlassen hat, ist die Frage, ob direkte Übernahme von Motiven, oder ein Vertrautsein damit, irrelevant.
Beispiele von Elementen, die einerseits Allgemeingut des Malerhandwerkes gewesen sein mögen, anderseits alle bei Serlio auch zu finden sind, wären etwa:

1) Das genannte Modul zum Entwurf des oktogonalen Bodensystems (Lib.II)

2) Proportionenlehre, Quadrierung und Teilungsgeometrien (Lib.I)

3) Schnitt-Theorie zur Ermittlung der perspektivischen Horizontalen (Lib.II)

4) Gewölbekonstruktion von Bogen, Gurtbogen, Kreuzgraten usw. (Lib.II)

5) Verwendung einer dreibogigen Brücke (Lib.III),29 Balkonuntersicht (Lib.II)


In der Adultera Chigi wäre Tintorettos Anleihe bei Serlio – ohne den Modul der Fliesenkonstruktion – weniger überzeugend nachzuweisen als in den monumentaleren Werken ihres Umfeldes, namentlich der Adultera in Amsterdam und den Varianten der Fusswaschung. Es gilt stets zu unterscheiden, was als musterbuchartige Übernahme, was als handwerkliche Tradition zu bezeichnen ist.30
Der 'Master of the Corsini Adulteress'
Die Zuschreibungsschwierigkeiten vieler Bilder im frühen Oeuvre Tintorettos liessen verschiedentlich ratsam erscheinen, eine Reihe qualitätsmässig eher unbedeutenderer Werke unter einem anderen Meisternamen zu versammeln.

Gewisse farblich und kompositionell wiederkehrende Eigenheiten – darunter die Bevorzugung trockener weisser bis grauer Töne, die Isokephalie, tiefe Perspektiven oder die Vereinzelung kleiner Figurinen in hohen weiten Räumen – veranlassten 1961 John Maxon, eine anonyme Malerpersönlichkeit aus dem von Rodolfo Pallucchini zusammengetragenen Frühwerk Jacopos auszuklammern. Viele Zweifel schienen dadurch plötzlich wegzufallen.

Maxon zögerte zwar, die gesamte Hypothek jener fraglichen Bilder Tintorettos auf den Griechen Aliense zu überschreiben, war jedoch überzeugt, dass die Gruppe zeitlich nicht viel vor den achtziger Jahren entstanden sein könne.31

Ausgerechnet diente ihm die Adultera Corsini alias Chigi als Modell der Identifizierung und schliesslich gar zur Namensgebung. Da der Schöpfer unserer Ehebrecherin nur Jacopo sein kann, wie wir diese Ansicht auch gegenüber Robert Echols rechtfertigen werden, so wurde der neugekürte Master of the Corsini Adulteress zum Pseudonym seiner selbst.

Farbe und Aufbau, Stil und Geist des Römer Bildes sind nicht nur eng mit des Meisters Hand verbunden, sondern auch mit einem Grossteil der übrigen von Maxon (und Echols) besprochenen, meist kleinformatigen Werke. Ein Augenschein der betroffenen Cassonetafeln in Wien und Verona, der alttestamentliche Zyklus im Prado, die inzwischen restaurierte und rehabilitierte Entrata a Gerusalemme in Florenz, die Adultera in Amsterdam und eine Auseinandersetzung mit dem Modello zum Markuswunder in Brüssel, ergeben eine so enge Verwandtschaft von Handschrift, Kolorit, Disposition und Evolution des Arbeitens (Perspektive, Pentimenti), dass nur für wenige verbleibende, oft ruinöse oder übermalte Werke, vor allem jene, die erst in den letzten Jahren zum Oeuvre geschlagen wurden, die Zuschreibung offen bleiben muss (z.B. jene Adultere in Atlanta und im Erzbischöflichen Palast in Mailand, jene abzulehnende in Prag, Esther vor Assuer in Sarasota u.a.m., während neuerdings Salomon und Balkis in Chenonceau32 vor der Kritik besteht).

Weder die Isokephalie noch eine farbliche Vorliebe für Weisshöhungen noch die manieristischen Raumproportionen – aber auch nicht die Stereotypie der Figuren oder deren entmaterialisierte, oft unanatomische Form – sind Argumente, die fähig wären, eindeutig eine Schülerpersönlichkeit von der Gestalt Jacopos scheiden zu können, verlegt man sich auf eine Auswahl im Sinne der Qualität, der Erfindungsgabe, der Quellenkundigkeit und des Witzes. Weder ein Aliense noch ein Galizzi vermelden – geht man ihrem Schöpfertum auf den Grund – die geringste Originalität.

Selbst die grossen Hauptwerke – denken wir an die Abendmahlsdarstellungen (S.Marcuola, S.Trovaso, S.Giorgio Maggiore), die Lavanda des Prado und die von Newcastle upon Tyne, die Bilderfolgen der beiden Scuole Grandi S.Marco und S.Rocco, die Wiener Susanna oder die Adultera in Dresden, die frühen Schöpfung und Sündenfall der Akademie – sind stets vom typischen Nebeneinander von disegno und abbozzo, von Gegensätzen der Farbe und der Proportion, Könnerschaft und Entgleisung durchwachsen. Gerade Stereotypie und Isokephalie, Nachlässigkeit und Miniaturismus sind durch Jahrzehnte hindurch eindrückliche gleichzeitige Gestaltungsmittel Jacopos gewesen. Ganz charakteristisch sind im langen Zeitraum der Anleihen bei Sebastiano Serlio etwa phantastische Architekturen. Die Fähigkeit Jacopos, im Kleinen wie im Grossformatigen die Malweise dem Gegenstand auch technisch anzupassen, war schon durch v.Hadeln mehrfach veranschaulicht worden. Dass nicht alle Schöpfungen durchgehend Meisterwerke waren, ist in Anbetracht der überbordenden Produktion verständlich.

Es ist immerhin tröstlich zu wissen, dass von den umstrittenen Werken die Adultera Corsini – alias Chigi von Maxon als qualitätvollstes Hauptstück der fraglichen Gruppe anerkannt wurde. Für einen Teil der betroffenen und viele der inzwischen hinzumanipulierten könnte man Maxon allerdings beistimmen: "basically perplexing problems remain."33


Datierung und Autorschaft
Es genügte schon, Carpegnas alten Katalog der Galleria Nazionale zu konsultieren, um sich der Zuschreibungs- und Datierungsschwierigkeiten zu vergewissern, die das Bild verursacht hat. Nachdem Ricci und wenige andere als Urheber noch Domenico Greco vermutet hatten, wird heute die Autorschaft Tintorettos nur von Echols angezweifelt. R.Pallucchinis grundlegenden Forschungen zum Jugendwerk Jacopos war die Meinung A.Venturis, v.d.Berckens, Tietzes und anderer vorangegangen, die Adultera sei in den Jahren 1545 bis 48 entstanden. Nur Arslan und Coletti datierten in die 70er Jahre, gefolgt vom ikonoklastischen Maxon. Pallucchini und Rossi zementierten in ihrer Monographie schliesslich das frühe Datum unter der Autorschaft Jacopos, dem ich mich heute anschliesse,34 auch wenn man betonen muss, dass viele gestalterische und technische Eigenheiten der frühen Handschrift Jacopos bis weit in die 70er Jahre hinein lebendig blieben.

Der Autor, den wir ohne Zögern Jacopo Robusti nennen dürfen, hat in seiner Adultera wohl den quellentreusten und spannungsvollsten Moment des neutestamentlichen Themas gewählt, nachdem die venezianische Tradition um Rocco Marconi, die Tizianesken und Bonifazio das im Venedig der Kurtisanen besonders beliebte Motiv bis zur Langweiligkeit und zur Beziehungslosigkeit der Dargestellten untereinander verschliffen hatte.35 Hier hingegen ist die psychologische Steigerung in den Gesichtern bis in die Farbmaterie hinein feststellbar: der Pigmentauftrag ist dichter und sorgfältiger, während weniger ausdrucksgebundene Elemente, wie Gewänder, Füsse oder Arme nur skizzenhaft angedeutet sind. Das Figurale dient – für Tintoretto bezeichnend – ausschliesslich dem Sinn und dem dramatischen Augenblick des Geschehens.

Farbe und Komposition gehorchen ganz malerischen Massstäben: Nur ein Meister geht mit Architektur, Landschaft und Figuren so freimütig um, wie heute ein Modellator mit Tonmasse und Spachtel. Er bedient sich gewagter Konstruktionen, verwirft sie und entwirft sie neu. Die Lichter gehorchen nicht einer akademischen Wichtigkeit sondern einer schöpferischen Notwendigkeit (etwa die doppelte Lichtführung aus dem unbestimmbaren 'Links' und aus dem Bogendurchblick...).

So reife Eigenwilligkeit verträgt sich kaum mit den beschränkten schöpferischen Möglichkeiten eines Werkstattgehilfen. Da überdies die einzigen in Frage kommenden Persönlichkeiten, Domenico Robusti und Domenico Theotocopuli el Greco, erst 1560 und 1545 geboren wurden, fällt es schwer, einen würdigen Nachfolger zu finden, der so mimetisch im Geiste Jacopos hätte zu malen verstanden. Ein Galizzi, oft Ausdruck lähmender Befangenheit und suchender Schwerfälligkeit, hatte erst recht nicht das Zeug zur Erfindung!

Dass sich eine so monumentale Adultera wie die in Dresden so aufdringlich von unserem Bilde unterscheidet, liegt an Jacopos mimetischer Fähigkeit, seine Form- und Ausdrucksprache an jeweilige Gegebenheiten von Bildgrösse, an Nah- bzw. Fernsicht, private und öffentliche Eignerschaft und auch wohl an inhaltliche und formale Forderungen des Auftraggebers anzupassen. Dies werden die Untersuchungen zum Bilderzyklus der Scuola Grande di San Marco zu bestätigen suchen.

Verfeinerte Untersuchungstechniken erlauben heute, den Umwandlungsprozess eines Bildes in seinen aufeinanderfolgenden Phasen sichtbar zu machen. Dieser Fall von fast kinetischer Bildwerdung charakterisiert die 'Adultera Chigi' gewissermassen als Inkunabel des im Veneto vom Süden her eindringenden manieristischen Geistes. Das 'klassische' Gestaltungsprinzip von Ordnung und vorbereitendem disegno wird einem freieren kontradiktorischen Willen geopfert, um zu farblich wie formal neuen und spontanen Bildschöpfungen zu gelangen.

Es sei jedoch nicht übersehen, dass sich der musischere Venezianer selten über die Grenzen eines naturhaften, atmosphärischen Realitätsgrades hinauswagte,36 wie dies etwa die manieristischen Zeitgenossen in Florenz, Rom, Mantua oder Fontainebleau taten. Die venezianische Architektur der Zeit hat Bauten hervorgebracht, die sich in unserem Bilde – trotz aller Erfindung – widerspiegeln mochten: neben den oft bemühten Arkaden der Libreria zahllose klassizierende Hallen-, Säulen- und Gewölbebauten des übrigen Venedig und der Terraferma. (Es wären besonders die Hallenräume zu nennen, über denen die Scuolen von S.Marco, S.Rocco und der Misericordia stehen, oder den eigenartigen Portikus am Campo S.Francesco della Vigna, den der Doge Andrea Gritti 1525 von Sansovino errichten liess.)

Die Adultera Chigi als Pendant einer Entrata in Gerusalemme?

Carlo Ridolfi erwähnt in seinen Maraviglie dell'arte von 164837 drei Darstellungen der Ehebrecherin von Jacopo Tintoretto: eine im Besitz des Botschafters Feilding, eine im Hause Vidman und eine dritte, welche dem Kunstliebhaber und Sonntagsmaler Vincenzo Zeno38 gehörte. Die letztere beschrieb Ridolfi besonders ausführlich und es besteht kaum ein ernster Zweifel, dass es sich um unsere Adultera Chigi handelt:


"...l'altro [quadro] è dell'Adultera, e mentre nostro Signore accenna col dito le lettere da lui scritte in terra, si veggono gli scribi e Farisei partirsi l'vn dopo l'altro, celandosi dietro le colonne d'vn porticale, che formano vna bellissima prospettiua, condotti con belle osseruationi."
Die Identifizierung unserer Adultera erleichtert zudem das Begleitbild39 im Hause Zeno, eine Entrata in Gerusalemme vergleichbarer Masse:
"[Il Signor Vicenzo Zeno,...] hà similmente due quadri di braccia tre in circa, l'uno del Saluatore trionfante sopra l'asino in Gierusalemme, precorrendolo alcuni degli hebrei con rami di oliuo e palme in mano, altri in segno di corteggio stendendo le loro vesti sotto a'suoi piedi..."
Ikonographisch bilden die beiden Themen kein übliches Paar. Deshalb überrascht es nicht, wenn man zwei 1660 von Boschini in der Carta del navegar 40 überschwenglich gerühmte Bilder ebendiesen Vorwandes in der Sammlung des Kunsthändlers Paolo del Sera41 wiederfindet, kurz bevor dieser die beiden Werke an den leidenschaftlich sammelnden Kardinal Leopoldo de Medici42 weitervermittelte:

"...


Do quadri del supremo Tentoreto

Tra questi splende, come Luna, e Sol;

Perle, che l'Oriente mai no'puol

Formar più bele. Oh siestu benedeto!

In l'vn se vede el trionfante Cristo,

Ch'intra in Gerusalem, dove festoso

Ghè vien incontra un popul numeroso.

Più bel quadro de quel no'fù mai visto.

"

In l'altro, tra diverse architeture,



Davanti a Christo comparir se vede

La tuta penitente e tuta fede

Adultera..."

Unsere beiden Bilder trennten sich schon im 17.Jahrhundert: Kardinal Flavio Chigi erwarb 1666 in Siena von der Familie Nucci die Adultera, die bis 1902 im Besitz der Chigi blieb. Die Entrata (Abb.14) dagegen gelangte direkt aus dem Nachlass Leopoldos de Medici in die Uffizien, wo sie bis 1928 ausgestellt blieb, ohne indessen als Original betrachtet zu werden. Sie wurde als Depotleihgabe der Uffizien in die Privaträume der Präfektur im Palazzo Medici-Riccardi verlagert, wo sie so gut wie verschollen blieb, bis ich sie einer genauen Autopsie unterziehen durfte und mich ihrer Qualität vergewissern konnte. Seit der Restaurierung und Ausstellung zu Ehren des Zentenars im Jahre 1994 und der folgenden Besprechungen konnte sich die Rehabilitierung des Werkes durchsetzen.


Die Ausführung der Entrata entspricht zwar nicht ganz dem lebendigen Schwung der Adultera mit ihrem partiellen 'non finito', die Pinselschrift ist dichter und deckender, doch ist der Charakter des Pinselzugs, das Kolorit, die Velaturentechnik dieselbe, wie auch Grundierung, Kompositionsweise und die Disposition der reichen rötlichen Lacktöne, der leuchtenden Orange und 'antithetischen' Blau ganz Jacopo gehören. Auch die Leinwand ist vom gleichen normalgewobenen Typus, Farbe und Fadenstärke, ja selbst die 'sauberen' Webkantennähte,43 die Tuchbreite des jeweiligen Haupt-Leinwandstreifens44 und die Nagelung der Bildränder entsprechen sich.
Von Bedeutung ist vor allem das identische Höhenmass beider Bilder, das für die Adultera beweist, dass die zweite obere Anstückung auch in Hinsicht auf eine Angleichung der Formate stattfand und dass sie nach der Entrata entstanden sein muss. Ihre Zusammengehörigkeit war also eher zufällig und wohl durch die Vorliebe des Sammlers Zeno bedingt worden, zwei zumindest höhengleiche Werke zu erwerben. Reizvoll bliebe die Hypothese, dass die Adultera Chigi einmal auch rechts um eine Quadratureinheit breiter gewesen sei, womit die Ehebrecherin in die kanonische Mitte gerückt und ein harmonischerer rechter Säulenabschuss entstanden wäre... (Zustand VI, Abb.0)

2

3 Jacopo Bassano Christus und die Ehebrecherin Museo Bassano del Grappa



4 Jacopo Tintoretto Salomon und Balkis, 'Cassonetafel' Kunsthist.Museum Wien

3

5 Adultera Chigi: Zustand I: Originalformat mit erster Naht (---) und 4x6-Netz mit anfänglichem Hintergrund-Portikus



6 Adultera Chigi: Zustand II: 2.Anstückung und Entwurf des in den Bildvordergrund verlängten Portikus; leicht exzentrischer Fluchtpunkt

7 Adultera Chigi: Zustand III: Aufbau von Stützen, Gewölbegurten und Bodenflucht mittels Schnittdiagonalen (Fehler beim Entwerfen:= = =)

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8 Adultera Chigi: Zustand IV: Aspekt der Gewölbetonnen, Schachbrettpaviment und geschlossener Hintergrund; Unbefriedigende Wölbungs- und Stützenlösung



9 Adultera Chigi: Zustand V: Umwandlung in links flachgedeckte Halle; freihandliche Korrekturen () Verwandlung des Schachbrettbodens in ein Oktogonalsystem

10 Jacopo Tintoretto Adultera Chigi Detail Infrarotaufnahme: vorgezeichnetes Pavimentmodul

11 Sebastiano Serlio libro secondo di architettura Oktogonalmodul für Fliesenmuster

12 Zeichnerische Evolution () des Bodenmotivs der Adultera Chigi gemäss Serlio

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13 Adultera Chigi: hypothetischer Vorzustand VI: 4x7-Netz, Zentralstellung der Adultera, zusätzlicher Bogenabschluss rechts



14 Jacopo Tintoretto Einzug Christi in Jerusalem Galleria Palatina Florenz

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15 Sebastiano Serlio libro secondo di architettura, scena comica (in Seitenverkehrung von 1551)



16 Sebastiano Serlio libro secondo di architettura, scena tragica

17 Sebastiano Serlio libro secondo di architettura Häuserflucht für scena comica (Seitenverk. 1551)

18 Sebastiano Serlio libro quarto, dell’ornamento rustico Loggienkonstruktion für kurze Säulen

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19 Anonymer Kopist nach Tintorettos Entrata Depot Uffizien Florenz



20 Jacopo Tintoretto Adultera Rijksmuseum Amsterdam; hypothetische 5x7-Quadratur, Adultera zentral

21 Sebastiano Serlio libro secondo perspektivische Treppenmotive



Der Einzug Christi in Jerusalem der Uffizien
"Giunti in cotal modo a Gierusalemme, il grido delle genti tenuto alquanto affreno per il viaggio, si fece udire dai monti. E ne lo aprire de i balconi, dove correvano con le donne, con i fanciulli e co i vecchi fino agli infermi, parve che si diserassero gli abissi..."

Aretin in: De la humanità di Christo 153945


Die neutestamentliche Szene46 (Abb.0) ist in eine verwunschene Parklandschaft versetzt, die dank ihrer unwirklichen Atmosphäre, jeden Stadtrandcharakters entbehrt, welchen die Szene eigentlich erforderte. Die weite Ebene geht links in eine Anhöhe über, mit der der schriftgemässe Ölberg gemeint sein will. Eine Treppe, die in fast tropischer Weise von Farnen und dichtem Laub umwachsen ist, deutet den Anstieg des Geländes an. Gegen die Bildmitte hin schliessen sich verträumte Architekturen an: eine luftige Toranlage zwischen hochbeinigen, zweigeschossigen Loggien. Rechts am Rande steht das einzige bewohnbare Haus mit Fenstern und Balkon, doch ist es halb von Bäumen und Büschen verborgen. Die Loggia links des Tores besitzt einen spitzbogigen Portikus, während sein rechtes Gegenstück auf zwei Pfosten ruht, die sich über einer Freitreppe erheben. Der Hauptbogen des Rustica-Tores setzt sich in zwei seitlichen Flügeln fort, die von kleineren Bogenöffnungen durchbrochen sind. Zwei kleine Nischen zieren die Torseiten. Durch den stark überhöhten Mittelbogen führt eine gerade Marmorstrasse in die Tiefe des Prospektes, wo schemenhaft klein und nah am Horizont die Stadt mit Kuppelbauten, Obelisken und Tempeln liegt. Auf halbem Wege ist ein zweiter Bogen zu sehen, eine Variante des ersten, diesmal auf Säulen stehend mit seitlichen Traveen – eine sogenannte 'Serliana'.

Wenige Spaziergänger bevölkern die Strasse, erst im Mittelgrund vor dem Tore häufen sich bonfazeske Menschengrüppchen: dort hat ein Mann einen hohen Baum bestiegen, um Zweige für das unten wartende Volk zu brechen. Die Äste am Stamm hinauf sind schon entlaubt, während die herabgeworfenen Zweige fortgetragen werden: einer der Männer wendet sich um, zu sehen, an wen er sie verteilen werde, ein anderer hat sein Bündel geschultert. Frauen mit zierlichen Hüten oder kunstvollem Haarschmuck eilen herbei. Zwei von ihnen führen zweigetragende Kinder an der Hand. Die sind nackt und wohl beim Spielen unterbrochen worden, da sie sich umblicken und der Mutter widerstreben. Ähnliches geschieht rechts im Vordergrund: drei Frauen werden vom Geschehen abgelenkt, weil ein verängstigter Knabe sich hinter der Mutter verbirgt, die, als Rückenfigur sichtbar, dem Kleinen einen Palmwedel in die Hand drückt und ihm den Platz anweist, wo er zu stehen habe.

Mittlerweile ist Christus fast vorbeigeritten. Seiner Eselin47 folgen zwölf Jünger verschiedensten Alters, in ernste Gespräche vertieft, während sie munter ausschreiten. An der Spitze des Zuges beeilen sich zwei Männer, ihre Mäntel vor die Hufe des Tieres zu breiten. Christus beantwortet die Geste mit feierlich ausgestreckter Rechten. Auch profanes Volk scheint sich unter die Jünger mit ihren Strahlennimben gemischt zu haben. Die ausdruckreichen Häupter sind in den verschiedensten Stellungen festgehalten und erinnern an die Charakterköpfe der Adultera. Der neben dem Esel Schreitende ist jener Mann mit flachem Käppchen, der im römischen Bild die Szene einleitet. Der Bärtige am linken Bildrand ist nur mit den ,Republikanern' hinter dem sitzenden Christus der Adultera zu vergleichen. Jesus selbst ist im selben Vollprofil zu sehen wie dort, und die Frauengesichter variieren die Züge der Ehebrecherin.

Wieder ist es eine Rückengestalt, die den Betrachter von links ins Bild geleitet. Wieder ist der mittlere Vordergrund bühnenhaft leer und drei Personen am rechten Rande lassen den weiten Figurenbogen ausklingen. Die kleinen Hintergrundsfigurinen sind uns wohlbekannt; wieder zieht ein perspektivischer Kegel den Blick in lichte Ferne, die als zweite irreale Beleuchtungsquelle dient; naturnahe Assoziationen werden von derselben märchenhaften Befangenheit verscheucht.

Mit grosser Sorgfalt ist der Vorgang in überschaubarer ablaufgerechter Weise inszeniert. Die architektonischen Attribute, unmöglich als wahre Steinbauten zu denken – sind wie Kartenhäuschen in die Tiefe gestaffelt, während Büsche und Bäume wie abgrenzende Kulissenversatzstücke die Akteure von den Seiten umstellen.
Und wieder: Sebastiano Serlio
Die bühnenhafte Architekturlandschaft ist in ihren Einzelheiten keine Schöpfung Jacopo Tintorettos, sondern geht, ebenso wie die Hintergründe der Ehebrecherin in Amsterdam und der verschiedenen Versionen der Lavanda dei Piedi auf Serlios Bühnenbeispiele am Ende des zweiten Buches über Perspektive und Szenenaufbau zurück.48

Einige Elemente sind direkt übernommen, andere verändert worden; die gesamte Anlage ist ein Konglomerat verschiedener Druckvorlagen.

1) Die spitzbogige Loggia49 links vom Hauptbogen entstammt der scena comica, während Weiträumigkeit und Klassizität der scena tragica angehören (Abb.0,0).

2) Desgleichen die zusammengesetzten Formen der Loggia rechts und das Haus mit Balkon am rechten Bildrand (Abb.0 seitenverkehrt aus Lib.II, Ed.1551).

3) Das grosse dreibogige Triumphtor geht auf Beispiele des vierten Buches regole generali di architettura sopra le cinque maniere degli edifici, del ornamento rustico zurück und ist eine freiere Erfindung aus dort vorgefundenen Einzelteilen.

4) Der kleinere Bogen im Durchblick des grossen ist die Nachbildung des Blattes XIII verso (s. Ausg. 1551, oder 1566, 135verso) daselbst. (Abb.0)

5) Aber auch die landschaftliche Disposition ist eine Anleihe bei Serlio: die Entrata ist ebenso perspektivisch geplant wie die Scena Satirica des II. Buches und besitzt dieselbe überschaubare Raumtiefe (selbst in den Landschaftsmotiven bleibt Serlio Architekt: zwei Bäume leiten portalhaft den Blick in die Szenerie). Auch Tintoretto hatte zwei sich gegenüberstehende Bäume in sein Bildkonzept übernommen, übermalte jedoch den rechten wieder, da er wohl den 'szenischen Ablauf' der dargestellten Handlung störte: Der Mann, der im linken Baum Zweige pflückt, wäre vom Betrachter nicht deutlich genug erfasst worden.
Leinwand und Proportionen
Die Florentiner Entrata besteht wiederum nicht aus einem einzigen Leinwandstück. Analog zur Adultera bildet ein Längsstreifen von 97cm Stärke die Hauptfläche des Bildes. Nur ist der Reststreifen von 21cm da er die Himmelszone beeinträchtigt hätte, nun am unteren Bildrand angesetzt. Sind die Höhenmasse identisch, so ist auch der Abstand des Fluchtpunktes vom linken Bildrand beiden nahezu gemeinsam. Lediglich dessen Höhe variiert mit 10 cm Zuwachs in der Entrata.50 Wirkliche Proportionsunterschiede betreffen nur die Bildlänge: der Adultera fehlen den von Ridolfi angegebenen "braccia tre in circa" ganze 44cm zum Gegenstück, das genau drei Ellen mass. Entweder meinte Ridolfi mit "in circa" ein approximatives Augenmass oder eine bemerkbare Breitendivergenz der Gemälde;51 im ersten Falle wäre die Adultera am rechten Rande ursprünglich breiter gewesen und wohl erst nach ihrer Trennung von der Entrata beschnitten worden, womit die Figur der Sünderin ihren anzunehmenden Stand im zentralen Schnittpunkt (Zustand VI, Abb.13) verlor!52


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