Ein Klima aus Angst, Neid und Verdächtigungen
Für das Klima in den Dörfern blieb das nicht ohne Folgen. Unsicherheit, ungeklärte Eigentumsverhältnisse und wachsende Arbeitslosigkeit waren ein Nährboden für Angst, Neid, Missgunst und Verdächtigungen. Nicht selten wurden offene Rechnungen zwischen den LPG-Fürsten von SED-Gnaden und jenen präsentiert, denen man seinerzeit die Zwangskollektivierung überstülpte.
In manchen Gegenden eskalierte der Streit derart, dass der Eindruck entstehen konnte, im Osten tobe ein Bauernkrieg.
Glaubt man Bernhard Grobe, dann verlief die Liquidation in Kromsdorf vergleichsweise friedlich. Durch die vielen Investitionen zu DDR-Zeiten lagen 13 Millionen Altschulden auf der LPG, das sei mehr gewesen, als das Vermögen ausmachte. Zu verteilen habe es da nicht viel gegeben, versichert Grobe. Das habe man den Mitgliedern in erklärt. In Kromsdorf wurde nie etwas an die Mitglieder augezahlt.
Anhand der Grundbücher schloss die neu gegründete Erzeugergenossenschaft aber später über 650 Pachtverträge mit Landeigentümern ab. "Die Eigentümer standen zur neuen Erzeugergenossenschaft, das machte es einfacher", sagt Grobe.
Ärger gab es trotzdem. Grobe spricht von einer Handvoll Verfahren, die ihm einige Nerven gekostet hätten. Die EG Kromsdorf suchte sich damals den Beistand eines Rechtsanwaltes aus dem Westen. Wirklich gern redet der Genossenschafts-Leiter nicht über diesen Teil der Geschichte. 22 Leute sind es heute noch im Betrieb - von einst knapp 500, da könne man sich vorstellen, wie viele ehemalige Mitarbeiter man letztlich heimschicken musste. Manche fanden noch eine Weile Arbeit beim Abriss von Gebäuden, man habe versucht, sozialverträglich zu kündigen - und doch tat es weh.
Zudem sind auch auf dem Land damals jede Menge Hasardeure und Wendegewinnler unterwegs. Boden ist wertvoll. Viele versuchen, den Bauern ihr Land billig abzuschwatzen.
Die Zwietracht unter der Bauernschaft kommt diesen "Landhaien" gerade recht. Nach dem Motto "Teile und herrsche" wurde da schon mal aufgestachelt.
So heißt es in einer Zeitungs-Anzeige im Herbst 1991: "Achtung, Bauern! Machen Sie das beste aus Ihrem Eigentum. Fordern Sie sofort Ihren Inventarbeitrag heraus, bevor die LPG oder deren Nachfolgegebilde den letzten Rest Ihrer rechtmäßigen Ansprüche verwirtschaftet hat. Das Recht ist auf Ihrer Seite. Nutzen Sie die Chancen des freien Pachtmarktes. Wir bieten für Ackerland. . ." Viele dieser "Wohltäter" aus dem Westen hatten daheim ihre Böden für saftige Prämien pro Hektar stillgelegt, um nun im Osten billig mit Land zu spekulieren.
Thüringens Landwirtschaft macht nach der Wende einen dramatischen Umstrukturierungsprozess durch. Innerhalb von drei Jahren fielen 90.000 Arbeitsplätze weg. Ende 1993 gab es in Thüringen noch rund 30.000 Bauern. Die Feldfrauen traf es besonders hart.
Ihre Altschulden bekamen die Kromsdorfer mit Rangrücktrittsvereinbarungen in den Griff - abgestottert wurde je nach Gewinnlage. Seit 5 Jahren schreibt die Erzeugergenossenschaft schwarze Zahlen. In zwei Jahren geht Grobe in Rente - wie er sagt, mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Hanno Müller über die neue Serie vom Leben der Menschen auf dem Land vor und nach der Wende
Interview mit dem Jenaer Rechtswissenschaftler Walter Bayer über LPG-Umwandlungen nach der Wende
Hanno Müller / 09.12.13 / TA
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