Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/11 16. Wahlperiode 07. 11. 2012 11. Sitzung



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Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Kämmerling. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte am Anfang kurz den Blick auf das Verfahren zum Thema „Bankenunion“ hier im Landtag legen. Wir haben zum ersten Mal ein Subsidiaritätsverfahren nach § 50 Abs. 3 der Geschäftsordnung im Ausschuss für Europa und Eine Welt durchgeführt. Es wurde also das erste Mal in einem Fachausschuss federführend für das komplette Plenum die Frage entschieden, ob es eine Subsidiaritätsrüge gibt. Sie wurde nach unserer Auffassung gut entschieden; denn wir haben festgestellt, dass eine Subsidiaritätsrüge an dieser Stelle das falsche Signal wäre.

Jetzt debattieren wir im Plenum einen gemeinsamen inhaltlichen Antrag aller fünf Fraktionen. Das ist schon bemerkenswert. So oft kommt es in einer Legislaturperiode schließlich nicht vor, dass alle Fraktionen zusammen ein Signal Richtung Brüssel senden.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, die europäische Bankenaufsicht ist die logische Folge des Finanzbinnenmarktes; denn bei dezentraler Aufsicht kommt der Staat nie auf Augenhöhe mit grenzüberschreitend operierenden Banken. Das ist schlichtweg unmöglich. Insofern packt man mit der Bankenunion, wie sie jetzt angedacht ist, die wesentlichen institutionellen Schwächen der Währungsunion endlich an und unternimmt den Versuch, Augenhöhe mit den grenzüberschreitenden Banken herzustellen. Ich sage Ihnen: Ohne die Bankenunion wird der Euro dauerhaft nicht zu stabilisieren sein. Das ist ein absolut notwendiger Schritt.

Wir haben allerdings ein paar Fragezeichen. Meine Kolleginnen und Kollegen haben es gesagt. Die größte Frage, die wir haben, lautet: Ist es wirklich sinnvoll, dass es eine zentrale Aufsicht gibt, die letztendlich für über 6.000 Institute in ganz Europa zuständig ist? Wir sagen nein. Da geht der Vorschlag der Kommission weit über das Ziel hinaus.

Das Zweite ist der Konflikt der Übertragung der Bankenaufsicht auf die Europäische Zentralbank. Es darf keine Vermischung von Geldpolitik und Bankenaufsicht geben.

Drittens, für uns Grüne sehr wichtig: die neue Aufsichtsbehörde; der Kollege hat es gerade angesprochen. Es ist Grundvoraussetzung für uns, dass eine neue Aufsichtsbehörde, die jetzt beschlossen wird, demokratisch legitimiert ist und eine demokratische Kontrolle erfährt, im Zweifel durch das Europäische Parlament.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss – ich mache es etwas kürzer – ausdrücklich der Fraktion der CDU, namentlich dem Kollegen Dr. Optendrenk, dafür danken, dass es möglich war, dass Ihr Antrag für alle Fraktionen geöffnet wurde. Und ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgewirkt haben, dass wir heute ein geschlossenes Signal Richtung Brüssel senden können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Dr. Wolf das Wort.

Dr. Ingo Wolf (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die FDP freut sich über diesen gemeinsamen Antrag und darüber, dass es möglich gewesen ist, in Sachen Europa Einigkeit zu demonstrieren. Wir haben natürlich ein Interesse daran, nach Berlin ein Signal zu senden, dass wir nämlich die bisherige Regierungsarbeit unterstützen.

Weitere Bankenkrisen – das ist sicherlich klar – müssen verhindert werden, aber – das ist auch die klare Botschaft – nicht um den Preis der Aufgabe bewährter Systeme in den Nationalstaaten, wie wir es beispielsweise mit unserem dreigliedrigen System in der Finanz- und Kreditwirtschaft und den dortigen Einlagensicherungssystemen haben.

Wir alle sind uns einig, dass man nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen der Finanzkrise der letzten Jahre eine Einlagensicherung braucht. Das ist notwendig, weil wir ansonsten den Steuerzahler zur Haftung heranziehen. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Wir haben in Deutschland ein funktionierendes System seit langer Zeit, insbesondere bei den Sparkassen und Raiffeisenbanken. Wir haben auch entsprechende Einlagensicherungen im Bereich der privaten Kreditinstitute. Das alles muss in Europa natürlich vernünftig angepackt werden. Wir brauchen das in allen Nationalstaaten in der Europäischen Union. Und wir brauchen auch ein System der Überwachung der systemrelevanten Banken.

Ich denke, in Verbindung mit den Anforderungen an Basel III wird so ein weiterer Schritt in Richtung mehr Stabilität auf dem Bankensektor innerhalb von Europa gemacht. Aber auch hier ein „Aber“, meine Damen und Herren: Diese Aufsicht in Europa sollte sich wirklich auf die Banken beschränken, die eine systemische Relevanz aufweisen. Es kann nicht sein, dass hinterher über Europa die letzte Sparkasse oder Volks- und Raiffeisenbank konkret überwacht wird. Das muss am Ende in die Kompetenz der nationalen Aufsichtsbehörden fallen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Erlauben Sie mir schließlich den Hinweis, dass sich das, was auf europäischer Ebene geplant ist, natürlich auch in die bisherigen Schritte einbetten lässt, die auf nationaler Ebene in Deutschland gegangen worden sind. Die Banken sind immerhin am Bankenrestrukturierungsfonds beteiligt worden. Leerverkäufe wurden verboten, Ratingagenturen unter Aufsicht gestellt, und auch der Hochfrequenzhandel wird beschränkt. Das zeigt, hier passiert etwas. Hier muss noch mehr passieren, denn wir alle wollen, dass Europa und der Euro letztendlich gestärkt aus der bisherigen Krise herausgehen.

Ich freue mich deswegen, dass es zu diesem Antrag gekommen ist. Die FDP wird ihm selbstverständlich zustimmen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Kern das Wort.

Nico Kern (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste im Saal und am Stream! Ich kann mich den Worten meiner Vorredner im Großen und Ganzen nur anschließen, möchte Ihnen aber nicht ersparen, noch etwas Wasser in den europäischen Wein zu gießen.

Die Europäische Union stolpert seit vielen Monaten durch die schwerste Krise seit ihrem Bestehen. Verzweifelt wird versucht, der Union neues Leben einzuhauchen, zuletzt durch die Vergabe des Friedensnobelpreises. Ohne eine Antwort auf die europäische Sinnkrise bleibt der Nobelpreis aber nur ein Trostpreis – ein Trostpflaster auf einem offenen politischen Schienbeinbruch. Es reicht jetzt definitiv nicht aus, sich auf den vergangenen Verdiensten der Schumanns, Monets und Adenauers auszuruhen.

Folgende Frage steht im Raum: Wird der Patient Europäische Union wieder laufen können oder muss amputiert werden? Dabei muss einem immer bewusst sein: Die Integration der Europäischen Union, so wie wir sie heute kennen, ist ein rein ökonomischer Prozess. Eine sozialpolitische Komponente existiert quasi nicht. Mangels echter politischer Integration haben Binnenmarkt und Währungsunion maßgeblich zur Vertiefung der sozialen Spaltung innerhalb der EU beigetragen.

Der US-Milliardär Warren Buffett sagte bereits vor Jahren – ich zitiere mit Verlaub –:

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“

Dieser Krieg ist auch längst in Europa angekommen. In Deutschland begann der Krieg mit Hartz IV. Der Kommissionsvorschlag zur EU-Bankenunion ist die Fortsetzung der Hartz-IV-Politik mit anderen Mitteln. Die Schaffung einer europäischen Bankenunion ist Ausdruck genau dieses Prozesses: fortschreitende wirtschaftliche Integration auf der einen, das Auseinanderdriften von Arm und Reich in Europa auf der anderen Seite. Meine Damen und Herren, Europa fehlt ein soziales Standbein.

Die EU-Kommission nimmt mit ihrem Vorschlag eine weitere wirtschaftspolitische Machtkonzentration auf EU-Ebene vor. Entscheidende Fragen der Ausgestaltung und der Rechtsgrundlage bleiben dabei unbeantwortet. Eine einheitliche Bankenaufsicht muss unserer Ansicht nach zwingend auf den gesamten EU-Raum ausgerichtet sein – nicht nur auf die Eurozone.

(Martin Börschel [SPD]: Wissen Sie, was Sie da unterschrieben haben?)

Alles andere würde nur zur weiteren Spaltung Europas beitragen.

Außerdem ist geplant, dass die zukünftige Bankenaufsicht sämtliche Kreditinstitute in der EU überwacht – unabhängig von ihrer Größe, ihres Geschäftsmodells und ihres Gefährdungspotenzials.

Es ist zwar richtig, grenzüberschreitend tätige Institute und solche, die sich als nicht krisenfest erwiesen haben, einheitlich zu überwachen. Denn glasklar ist: Komasaufenden Bankern muss man die Kreditpulle aus der Hand schlagen.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Deswegen ist die EU-Bankenunion im Grundsatz richtig.

Aber ich habe ein Problem damit, dass die EZB als Bankenaufsicht zukünftig direkten Zugriff auf jede kleine Sparkasse um die Ecke hat, die bislang alle sicher durch die Krise gekommen sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was die EZB macht, wenn das deutsche Sparkassenmodell dem EZB-Rat auf einmal nicht mehr in den Kram passt. Die EU war noch nie ein Freund des deutschen Modells.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Der Draghi-Plan zu den Anleihekäufen von Krisenstaaten hat gezeigt, wie schnell alte Paradigmen und gute Grundsätze über Bord geworfen werden.

Diese Machtkonzentration bei der EZB führt auch zu einem nicht lösbaren Interessenkonflikt zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht. Denn natürlich ist es denkbar, dass die EZB mit einem solchen Auftrag eine laschere Geldpolitik verfolgt.

Daher fordern wir die Schaffung einer von der EZB unabhängigen EU-Bankenaufsichtsbehörde. Diese Aufsicht muss natürlich auch den nationalen Parlamenten gegenüber rechenschaftspflichtig sein.

Aus allen genannten Gründen haben wir Piraten daher im Europaausschuss ein deutliches Signal Richtung Brüssel gesendet und die erste Subsidiaritätsrüge des Landtags NRW beantragt.

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN] und Ilka von Boeselager [CDU])

Leider fanden die anderen Fraktionen nicht den Mut, den Schritt einer ausdrücklichen Rüge mitzugehen. Daher begrüßen wir, dass zumindest jetzt ein fraktionsübergreifender Antrag zur EU-Bankenunion möglich ist, der zentrale Forderungen der Piraten aufgreift.

Wir Piraten bleiben dabei: Wir begrüßen eine EU-weite Bankenregulierung, aber sie darf die Spaltung innerhalb der EU nicht noch beschleunigen, sondern muss einen Beitrag zum weiteren politischen Zusammenwachsen der europäischen Staaten leisten.

Denn während andere noch Klassenkriege führen, arbeiten wir an konstruktiven Lösungen für Europa. Rechnen Sie mit uns. – Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Ich habe noch einen Hinweis, wenn er mir gestattet ist. Ich hatte den Finanzminister bei meiner letzten Rede zu Unrecht vorverurteilt.

(Britta Altenkamp [SPD]: Oh!)

Er hat sich dagegen verwahrt, dass ihm grüne Strumpfhosen nicht so gut stehen würden wie Errol Flynn.

(Heiterkeit von der Regierungsbank)

Das nehme ich natürlich in aller Form zurück und gebe Ihnen gern Gelegenheit, diesem Vorurteil entgegenzutreten. Ich habe zu diesem Zweck ein Qualitätsprodukt aus Deutschland gekauft.

(Der Redner hält eine Packung grüner Strumpfhosen hoch. – Heiterkeit und Beifall)

Ich stelle Ihnen anheim, am Sonntag um 11:11 Uhr am Alter Markt bei einem Robin-Hood-Contest anzutreten. Bitte schön.

(Der Redner überreicht Minister Dr. Norbert Walter-Borjans die Strumpfhosen. – Heiterkeit und Beifall – Ministerin Svenja Schulze und Minister Ralf Jäger: Anziehen!)



Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Kern, auch im Namen des Ministers. Aber er kann sich dazu selbst äußern. – Herr Minister Walter-Borjans hat das Wort.

(Ministerin Svenja Schulze: Erst anziehen!)

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich habe mich überzeugt: Das ist wirklich ein deutsches Qualitätsprodukt aus Nordrhein-Westfalen. Das ist gut. Ich kann nur sagen: Bei so viel Übereinstimmung bis zur grünen Strumpfhose kann man sich nicht mehr beklagen.

(Heiterkeit von den PIRATEN – Martin Börschel [SPD]: Wo wurde sie denn hergestellt? In China wahrscheinlich!)

Hier liegt ein Antrag vor, der gut ist und in dem viele Argumente genannt sind, die auch gut sind. Er wurde um noch mehr Argumente ergänzt, die deutlich gemacht haben, dass in diesem Punkt eine ganz große Einigkeit in diesem Haus besteht. Ich würde auch nicht unterschätzen, dass auch darin ein ganz wesentlicher Wert liegt.

Denn was in der Europäischen Union beschlossen worden ist – das wissen wir –, ist richtig. Wir brauchen mehr Integration und auch ein Stück Kontrolle dessen, was sich in diesem Rahmen vollzieht. Das wird mit der Bankenunion angesteuert. Ich finde es richtig, dass wir eine europäische Bankenaufsicht bekommen.

Aber dann folgt der Punkt, der immer wieder Anlass zu Debatten auf der Länder- und der Bundesebene gibt, nämlich dass es dann in Europa sehr schnell zu einer völligen Zentralisierung und trotz der Vielfalt, die in Europa herrscht, zu einer Anwendung des absolut gleichen Musters kommt. Damit wird das Ziel wieder kaputtgemacht.

Wir haben – die Europäer tun sich schwer damit – ein Drei-Säulen-Modell, das nicht nur eine ganz wichtige Stütze unseres Kreditwesens, sondern auch unserer Wirtschaft ist. Ich finde gut – das richte ich an alle –, dass die Bedeutung des Drei-Säulen-Modells hier noch einmal hervorgehoben worden ist.

Richtig ist, dass wir nach Subsidiarität rufen.

Und es ist richtig, dass wir nicht wieder mit mehreren Stimmen sprechen und Europa die Möglichkeit geben, zu fragen: Was ist denn eigentlich die deutsche Position? Die einen sagen das so, die anderen anders. – Dass in diesem Landtag alle Fraktionen gemeinsam stimmen, ist ein wichtiges Signal.

Ich kann als Vorsitzender des Finanzausschusses des Bundesrates sagen: Auch im Bundesrat haben wir diese einheitliche Position eingenommen. Wir haben dort im Übrigen über die von zwei Ländern beantragte Subsidiaritätsrüge diskutiert – das richte ich an die Adresse von Herrn Engstfeld – und entschieden, dass sie hierfür nicht der richtige Schritt wäre. Aber auch das war keine Frage parteipolitischer Grenzziehung, sondern uns kam es darauf an, zum Ausdruck zu bringen: Wir wollen nicht den Grundgedanken kaputtmachen, sondern dafür sorgen, dass das Ganze richtig gemacht wird und dass nicht plötzlich alles auf eine einzige europäische Institution verfrachtet wird, die das überhaupt nicht leisten kann.

Deshalb ist es sowohl mit Blick auf die Arbeitsökonomie als auch auf die Zielgenauigkeit absolut richtig, subsidiär vorzugehen. Wir sollten vor allen Dingen, was die Einlagensicherung angeht, nicht zulassen, dass, indem wir dafür sorgen, dass so etwas in anderen Staaten jetzt endgültig auch kommt, das damit verknüpft wird, die bessere Lösung, die wir schon haben, abzuschleifen. Das alles wird bei diesen Punkten in Kauf genommen, wenn wir nicht aufpassen. Dass wir dem gemeinsam entgegentreten, ist ein richtiges und wichtiges Zeichen gerade an die europäische Adresse. – Danke schön.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister. – Dann liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Beratung dieser Anträge.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag aller fünf Fraktion Drucksache 16/1322 ab. Ich darf Sie fragen, wer für diesen Antrag ist. – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen aller fünf Fraktionen angenommen.

(Beifall von den PIRATEN und von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wir kommen zur Abstimmung über den so geänderten Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/1045Neudruck. Die antragstellende Fraktion der CDU hat die direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit direkt zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags. Ich darf Sie fragen, wer für diesen Antrag stimmt. Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.

Wir kommen zu:

5 Stärkungspakt für Gymnasien – Ganztagsorganisation an den weiterführenden Schulen flexibilisieren und Kampagne für Ganztagsgymnasien starten

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1269

Ich eröffne hiermit die Beratung und erteile für die FDP-Fraktion der Kollegin Gebauer das Wort.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, ich stehe jetzt das letzte Mal heute hier vorne.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag bedeutet eine erste – ich betone ausdrücklich: eine erste – wichtige Initiative für einen Stärkungspakt für Gymnasien in Nordrhein-Westfalen.

Frau Ministerin Löhrmann, ich habe mir sagen lassen, Sie zitieren gerne Victor Hugo. Das Zitat lautet: Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Die Zeit für die Umsetzung dieses Antrages ist heute gekommen. Denn Ganztagsangebote etablieren sich immer stärker als feste Komponente unseres Bildungssystems. Betreuung im Ganztag, Zusatzangebote durch Einbringung von Vereinen, Stärkung der individuellen Förderung und veränderte Rhythmisierung werden immer mehr zum selbstverständlichen Bestandteil des schulischen Lernens. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Ganztag unabhängig von den Regierungskonstellationen deutlich ausgebaut worden. Das ist richtig und muss auch zukünftig fortgesetzt werden.

Allerdings besteht zwischen den Schulformen noch ein erhebliches Ungleichgewicht. Nach Aussagen der Schulministerin arbeiten Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen und Sekundarschulen zu fast 100 % im Ganztag. Das ist ohne Zweifel eine wichtige Unterstützung.

Gymnasien haben aber bisher lediglich nur zu rund 25 % ein Ganztagsangebot. Auch, aber nicht nur weil es sich um die beliebteste weiterführende Schulform in Nordrhein-Westfalen handelt, müssen wir uns dort noch deutlicher anstrengen.

(Beifall von der FDP)

Es handelt sich nicht nur um die Frage der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder besserer Förderangebote. Ich erinnere auch daran, dass im Gemeindefinanzierungsgesetz die Unterstützung für Ganztagsschüler mit 3,33, für Halbtagsschüler aber mit 0,70 gewichtet ist. Es handelt sich insoweit auch um die Frage, wie das Land die Kommunen schülerbezogen finanziell unterstützt.

Meine Damen und Herren, niemand bestreitet, dass Rot-Grün gegenwärtig alle eingehenden Anträge der Gymnasien genehmigt. Man darf sich aber nicht einfach auf dieser Feststellung ausruhen. Wir müssen aktiv um Eltern, Pädagogen und Schulträger werben.

(Beifall von der FDP)

Wir fordern die Landesregierung auf, dass sie die Anstrengungen, wie sie sie auch für die Sekundarschulen im Haushalt und im exekutiven Handeln ergriffen hat, ebenfalls für das Werben um den Ganztagsausbau an den Gymnasien unternimmt. Selbstverständlich werden wir, Frau Löhrmann, Sie auch dabei unterstützen, wenn Sie umfangreich an anderen Schulformen, wie zum Beispiel den Realschulen, für diesen Ganztagsausbau werben. Als Schwerpunkt haben wir aber heute aufgrund der großen Schülerzahl an den Gymnasien zunächst diese benannt.

Meine Damen und Herren, das alleinige Werben für den Ganztagsausbau reicht jedoch nicht aus. Gerade im ländlichen Raum scheitert ein Ganztagsausbau auch daran, dass es viele Eltern gibt, die aus den unterschiedlichsten Gründen kein Ganztagsangebot wünschen. Einige Eltern möchten ihre Erziehungsrechte recht umfangreich wahrnehmen. Manche Ablehnung ist hingegen längeren oder gar langen Fahrtzeiten und den damit verbundenen Einschränkungen bei außerschulischen Aktivitäten der Kinder geschuldet.

Für die FDP steht fest: Wir müssen die Elternrechte umfassend respektieren und den Ganztag umfassend flexibilisieren. Zukünftig muss es an allen weiterführenden Schulformen möglich sein, in einer Jahrgangsstufe sowohl Halbtags- als auch Ganztagsklassen anzubieten.

(Beifall von der FDP)

So können wir einen Schub beim Ganztagsausbau ermöglichen und gleichzeitig die Elternrechte wahren. Bundesländer wie Bayern oder das Saarland zeigen, dass ein solches Nebeneinander auch qualitativ umsetzbar ist.

Meine Damen und Herren, im Sommer hat die Landesregierung zu dieser FDP-Forderung erklärt, dass eine Flexibilisierung leider aufgrund der Verkürzung des gymnasialen Bildungsganges nicht möglich sei. Die Praxis aber zeigt, dass diese Aussage so nicht richtig ist. Sie wird zum Beispiel durch ein Gymnasium in Kerpen widerlegt, das seit Jahrzehnten erfolgreich über ein solches flexibles Angebot verfügt.

Auch der doppelte Abiturjahrgang mit all seinen Schwierigkeiten fällt im kommenden Jahr weg. Wir wollen eine solche Flexibilisierung des Ganztages zum Schuljahre 2013/2014 ermöglichen.

(Beifall von der FDP)

Da dieses Argument der Ministerin dann nicht mehr besteht, freuen wir uns über eine Unterstützung der Regierungsfraktionen im Interesse der Kinder und Jugendlichen und auch im Interesse ihrer Eltern. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)



Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die Fraktion der SPD spricht die Kollegin Stotz.

Marlies Stotz (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Einen Stärkungspakt für Gymnasien fordert die FDP gleich im Titel ihres Antrages. Um es gleich vorweg zu sagen: Anders als beim Stärkungspakt Stadtfinanzen, bei dem wir ja mit der FDP durchaus gut zusammengearbeitet haben, werden wir dies beim Stärkungspakt Gymnasien so, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, nicht wiederholen.

Der kontinuierliche Ausbau des Ganztages ist auch nach unserer festen Überzeugung für die qualitative Weiterentwicklung unserer Schullandschaft unerlässlich und steht auch für uns Sozialdemokraten ganz oben auf der Tagesordnung. Ich freue mich, dass wir im Laufe der Jahre in dieser Frage hier im Hause doch zu einem grundsätzlichen Konsens gekommen sind. Vor zehn Jahren verliefen die Debatten zum Thema „Ganztag“ hier noch völlig anders.

Inzwischen ist es erfreulicherweise völlig unbestritten, dass der Ganztag ein wichtiger Baustein in der individuellen Förderung unserer Schülerinnen und Schüler darstellt, dass damit mehr Zeit für Kultur und Sport ermöglicht wird, auch eine andere Rhythmisierung des Unterrichts möglich wird. Nicht zuletzt ist der Ganztag eine unerlässliche Voraussetzung dafür, Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können.

Kurzum: Mit einem guten Ganztag – ob in der offenen oder gebundenen Form – haben Kinder und Jugendliche bessere Bildungschancen. Guter Ganztag hilft, Bildungsbenachteiligungen auszugleichen. Das haben bereits viele Eltern in unserem Land erkannt.

Seit Jahren steigt der Bedarf an Ganztagsplätzen überall und in allen Schulformen. Deshalb ist für uns klar: Wir bauen Schritt für Schritt den Ganztag in allen Schulformen weiter aus. Das ist – dies ist völlig klar – erklärtes Ziel der Koalitionsfraktionen und der Landesregierung. Hieran arbeiten wir gemeinsam mit den Kommunen, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern mit aller Kraft.

Mit der Einführung der offenen Ganztagsgrundschule 2003 sowie dem konsequenten Ausbau von Ganztagsangeboten in der Sekundarstufe I in den Folgejahren ist inzwischen, wie ich finde, ein flexibles und bedarfsgerechtes Angebot für alle Schulformen im Lande entstanden, das wir stetig fortentwickeln werden. Das ist auch heute Morgen in der Haushaltsdebatte deutlich geworden.

An dieser Stelle noch einmal ein Hinweis – Frau Ministerin Löhrmann hat dies bereits heute Morgen in der Haushaltsdebatte betont –: Wir arbeiten – auch gerade im Hinblick auf den Ganztag – daran, das Kooperationsverbot an dieser Stelle aufzuheben; denn Bildung ist nach unserem Dafürhalten eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb kämpfen wir in der rot-grünen Koalition dafür, dass auch Investitionsförderung vom Bund für den Ausbau von Ganztagsschulen möglich sein muss.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nun zum eigentlichen Anliegen der FDP, nämlich mehr Flexibilität in der Ausgestaltung des Ganztages zu ermöglichen. Ich möchte mich auf den aktuellen Erlass zum Ganztag aus dem Jahre 2010 beziehen. Dieser ermöglicht es nämlich heute schon allen Schulen gleichermaßen – also auch den Gymnasien –, den Ganztag mit verschiedenen Elementen flexibel einzuführen. Er lässt es schon jetzt zu, den Ganztag in verschiedenen Klassenstufen in unterschiedlicher Intensität umzusetzen, beispielsweise mit höherem oder niedrigem Verpflichtungsgrad. Das ist schon heute so.

Ich gebe der FDP insofern recht, als die Gymnasien bislang nicht die Speerspitze der Bewegung in Sachen Ganztagsausbau bilden. Aktuell sind in unserem Land 155 gebundene Ganztagsgymnasien am Start. Das könnten auch nach unserem Dafürhalten durchaus mehr sein. Wenn man aber genau hinschaut, stellt man fest, dass heute nahezu alle Gymnasien weitere ergänzende pädagogische Angebote über die eigentliche Unterrichtszeit hinaus anbieten, die auch mit Landesmitteln finanziert werden. Dies hat sicher auch mit der Umstellung auf das G8 zu tun, wonach faktisch an mehreren Tagen in der Woche der Unterricht ohnehin bis in den Nachmittag reicht.

Man kann also durchaus festhalten: Auch die Gymnasien sind auf dem Weg. Auch sie sind in Bewegung und entwickeln sich – wenn auch langsamer, aber stetig – auf den Ganztag zu.

Nun ganz konkret zum Antrag. Wir teilen ganz und gar nicht die Auffassung der FDP, dass wir, wie im Antrag formuliert, eine umfangreiche Werbekampagne für den Ausbau des Ganztages brauchen. Viel sinnvoller ist es für uns, dass wir die Gymnasien sowohl bei der Bewältigung der Schulzeitverkürzung – da haben sie immer noch reichlich Stress – unterstützen, als auch fachlich und wissenschaftlich beim Ausbau zum Ganztag begleiten.

Die Kernforderung, parallele Angebote von Ganztags- und Halbtagszügen an einer Schule zu ermöglichen, halten wir, ehrlich gesagt, organisatorisch für ausgesprochen schwierig. Wenn sich eine Schule auf den Weg zur Ganztagsschule macht, soll das nach unserer Auffassung auch aus einem Guss sein. Daran sollten wir nicht ohne Not rütteln. Wir können das aber noch in der Debatte im Ausschuss vertiefen.

Wir stimmen natürlich der Überweisung in den Fachausschuss zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



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