Ludberga bis 23 95



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Fluchtversuch
Ludberga stand an der Reling des phönizischen Seglers mit seinem windgeblähten, buntgestreiften Tuch. Eine steife Brise trieb ihn gen Norden, wo innert Stundenfrist am Horizont bereits die schroffen Klippen der dereinst Bounty benamten Pazifikinsel auftauchen mussten. Trotz der sommerlichen Wärme in eine ellenlange Leinenstola gemummt, liebte sie es, am Schiffsbug in die abgründig lapisblauen Wogentäler zu blicken, deren Schaumkronen in weitmaschigem Häkelmuster in der Ferne zu einem milchigen Teppich zusammenwuchsen. Amor, "Ranusio" und Psyche sassen backbords im Windschatten auf ägyptischen Faltstühlchen und plauderten mit dem beleibten Kapitän, der sein jüngstes Piratengarn zum besten gab.

Ludberga hatte tags zuvor noch einmal Euphrosynen aufgesucht, ihr einzuschärfen, in Gerbdulas Namen keine zweideutigen Orakel auszugeben, die etwa moralisch anstössig, politisch gefärbt, kruziverbalistisch oder lügnerisch wären. Sie bekleide schliesslich eine sozialpädagogische Stellung und habe Hilfeheischende zu beraten, nicht irrezuführen oder zu gängeln; in Zweifelsfällen habe sie über das Hermes-Intercom-Network nach Iovia zu telepathisieren, um nähere Instruktionen zu erbitten. Das Leumundszeugnis geriet zu einem Florileg weiblicher Kollaboration und Intrige...

Sie schieden in bestem Einvernehmen und Ludberga versprach, einen gesiegelten Brief Frossos an Hephaist, worin sie ihre förmliche Kündigung nachholte und mit ihrer neuen Stellung rechtfertigte, ein stückweit mitzunehmen, um ihn dann den Leuten von Thurn & Taxis zur Weiterspedition anzuvertrauen.
Ludberga war indessen weit davon entfernt, sich für ein Schicksal als künftige Heilige entschieden zu haben; seit dem stürmischen Wortgefecht mit Ranusio scheute sie jegliche weitere Einlassung in dergleichen Seelenhändel und sehnte sich danach, der Verantwortung aus dem Weg gehen zu können. Welch manichäistische Zumutung, nur entweder Gott oder dem Teufel anheimzufallen und bedingungslos deren Sache zu vertreten, als gäbe es nicht Berufenere und Erfahrenere unter den 37000 Kollegen und Genossinnen, eine solche Bürde zu tragen! Sollte man sie doch in Ruhe lassen und einen anders klingenden Namen für Iovia ersinnen, wenn man ihn schon ändern wolle; ja warum auch, wen scherte die antikische Diktion? Bald würde die Renaissance anbrechen und man wäre froh, sich auf lateinische Wurzeln berufen zu können!
Erst jetzt bemerkte sie, woran sie sich mit festem Griffe hielt: ein Tau, das zum Beiboot führte, das unterhalb der Reling, nur wenige Spannen oberhalb der schäumenden Bugwelle an zwei Trossen, die sich über je eine Rolle an zwei Kragbalken verbanden, schaukelte. In einem ähnlichen, aber viel längeren Kahn hatte Ludberga ihre Weinkrüge von der Drava in die Bednja treideln lassen. Sie war mit der Flussschiffahrt mehr als vertraut.

Da beschlich sie jäh der alte existentielle Zweifel; aber er lähmte sie nicht, sondern trieb sie zum augenblicklichen Handeln:


Bountys aschgraue Südfelsen kamen in Sicht. Ludberga blickte nach Achtern, aber das Segel verdeckte den Steuermann; leere Fässer, Tauberge und Ankergerät machten den Vordersteven unterhalb dessen sie stand, verlockend unübersichtlich. Im Nu waren Entschluss und Ausführung eins: das Bötchen, kaum mehr denn eine Nussschale, zischte ungesehen ins Wasser, kaum die Knoten und Taue gelöst und mit mutigem Sprunge nachgesetzt.

Während der Steuermann noch in Rufe und Gegenbefehle zwischen Kapitän und Maat verwickelt blieb und eines jähen aber wohl zu heiseren "Frau-und-Boot-über-Bord!" nicht inneward, trieb Ludberga leeseits ab, noch ehe ICH's – jawohl, geneigte Leserin, ICH's mir versehen und gerufen hatte, geschweige einschreiten konnte.


Verflixt, durchzuckte es mich, den soeben betrogenen Autor, Luder, freches, bist Du doch Deiner ersten Namenssilbe würdig! – willst Du Närrin mir am Ende noch alles verpatzen?! und ich sprang hirnlos hinterdrein, ohne, wie wohl gescheiter gewesen, die Crew zu bemühen und mich vor dem unvermeidlichen Schnupfen zu bewahren...
Das Wasser wirkte in der vollgesogenen Lunge sonderbar kühl und im Hirn taumelten funkelnde Kometen. Vom Schreiben jäh ins Schwimmen zu wechseln, war wohl doch ein verwegener Satz in die Tinte gewesen...
Aber Ludberga legte nach wenigen energischen Winzerinnenzügen bei, um mich Halbertrunkenen ins enge, halbvollgelaufene Habitakel zu ziehen.

"Lenzen Sie, Sie Narr!" rief sie, eine Begrüssung übergehend, nicht ohne mir die Wasserschaufel an den Kopf zu werfen. Ich holte erst einmal Atem und stammelte: "Rijeka, Verehrteste, Ilja; eigentlich Elias; Erde, Luft und Feuer gewöhnlich mehr, als dem Meerwasser verbunden; danke für die Rettung. Was soll ich?" –

"Lenzen, nicht faulenzen! wenn Sie so weiterquasseln, gehen wir unter!" Ich lenzte, auch wenn das Wort erst seit einem Augenzwinkern in meinem Vokabular Eingang gefunden hatte. Als Kind linste und blinzte man beim Versteckspielen oder stibitzte eine fast synonyme Torte, später war der Lenz da, noch nicht der Siegfried, auch nicht der Büchner'sche, aber jener alljährliche mit den erotischen Verwicklungen, während derer man so manche Lanze brach... Ich schöpfte nach Herzensunlust abwechselnd Luft und Wasser, aber der sinkende Wasserstand wurde durch Ludbergas Spritzereien, die überbordenden Wogen und die morschen Spanten wieder wettgemacht.

Doch wir erreichten allsobald einen seichteren Busen mit drei Bettüchern Sandstrand unterhalb eines schwindelnden von Zwergpinien bestandenen Küstenabrisses. Weit draussen zog die "Arethusa" dahin, wo man offensichtlich unser Fehlen noch immer nicht bemerkt hatte (das meinige war ohnehin nicht relevant, da ich nur als Grille, Glosse oder Fussnote reiste...).


Ludberga war nicht nur durchnässt, sondern auch ungehalten. Sie sah sich einer Schwäche überführt, die sie offen nie bekannt hätte: sie, die Tugendboldin von Gottesgnaden, hatte sich aus meiner mühsam geklitterten Geschichte herausstehlen wollen! "Also, „ hob ich an, das ausgewrungene Hemd zum Trocknen in den warmen Sand gebreitet, "Sie wollten türmen, Gnädigste?"

Ludberga sass schmollend, etwas erhöht auf einem glattgewaschenen Basaltbuckel, griff sich eine Handvoll schwarzen Sandes und trichterte ihn durch die geschlossene Faust. In ihrem Zorne sah sie blendend, wenn nicht aufreizend aus, wenn sie die Unterlippe etwas vorwarf und die nun offnen Haare aus der Stirn schüttelte (Ganghofer hätte aus ihr eine Heldin gemacht, dachte ich mir, ein Wilderersweib mit gelbblitzenden Gemsaugen. Aber die hier waren brünett, wenn ich mich nicht irre). Für die Reise hatte sie sich entgräzisiert und ihr podravinisches Mieder, das sie so gefällig auszeichnete, wieder angelegt; nur die Stola war noch antik, eine gerbduLer Souvenirstickerei mit einem etwas kitschigen, von Petrifix entworfenem Orakeltempel bei Sonnenuntergang. Es hatte nichts Besseres gegeben...

Ich versuchte es kavaliersmässiger: "Ich freue mich, Madame – oder sollte ich 'edele Frouwen' sagen? – mit Ihnen doch noch ins Gespräch zu kommen, auch wenn die Umstände wenig voraussehbar, will meinen, ungewohnt, um nicht zu sagen kompromittierend sind...-"

21.10, Nymph, ich werde soeben von Ivan zu einem Bier bei Cernobyl gebeten; bzw. zu einem Cernobier. Lass mich hier schliessen; morgen die Fortsetzung; Faun!

(190) Ludbreg, Donnerstag 14.3.1996; 6.25

Nymph,

Das gestrige Bierchen habe ich schwer gebüsst; ich vergass unter dem Eindruck eines wartenden Ivan mein tagsüber Geschriebenes zu speichern und das Kistchen auszuschalten und heute früh machte ich just den falschen Klick: aus! bis "Fragen, Fragen, Fragen..." drei Seiten verrauscht, ohne wiedergefunden zu werden, alles ist nun zu Fuss abzuschreiben! ‘Fus’, verlorene Zeit und lästige Mühe... Wenigstens war’s schon mal ausgedruckt... (aber wieder hatte sich die Autospeicherung selbst annulliert! Ich werde langsam wütend auf die diabolische Schachtel, nichts als Ärger! Oder bin ich zu dumm für die ganze Technik? Was wird es mir nützen, mir eine neuere, bessere anzulachen, wenn ich der gleiche Schussel und Blödian bin!
9.00. Mit der Hartnäckigkeit des Berserkers die verlorenen Seiten wieder eingetippt und ein paar Korrekturen angebracht...
11.00. Vrkalj und Kumpane sind noch immer nicht da; mit Blagaj bereits gehörig geschnäpselt. Das Modem wurde bei Magić nochmals installiert, nach dem einwöchigen Gemurkse des Shops: es dürfte nun endlich klappen.
15.00. Alles verläuft sich wieder; Vrkalj, der seit kurz vor zwölf allein da war, zeigte sich konstruktiv und zugänglich; quousque tandem? Mein Plädoyer für Ivan hilft vielleicht. Endlich wurden auch gnädig unsere Arbeiten besichtigt. Im September werden wir in Zagreb gemeinsam mit einer Photoausstellung über die Regensburger Restauriervorhaben im Rahmen der ‘deutsch-kroatischen Woche’ Einblick ins Projekt Ludbreg geben und allerhand Material zeigen, vielleicht ein lebendes Bild mit jemandem, der am Ort arbeitet, Arbeitsutensilien, Bilder und Altarteile.
Ein erster vielleicht wirklicher Frühlingstag gleisst durch die Baumkronen in unsere Säle: man atmet endlich auf und sehnt sich nach Süden, Süden, Süden. Wie lang muss ich noch warten, um mit Dir auszureissen? Gestern entmutigte mich die Nachricht, dass Du wieder nach Malmö abberufen wirst; so öffnet sich das nächste Wiedersehensfenster zum oder erst nach dem 1.4.?

..."Reden Sie mit mir wie und was Sie wollen, aber erstens ohne Ihr Gelehrtenwelsch und zweitens nachdem Sie mich versichert haben, nicht wieder eine x-te Maskerade Beelzebuhls zu sein; ich habe dieses lebenslange Versuchmichspiel satt." –

"Pardon, Madame, aber ich bin aller Teufeleien abhold, ein Wesen von Fleisch und Blut!" – "Ging’s nicht auch ohne das? ein Unwesen von Brot und Wein wäre in unserer Lage erspriesslicher" – "Wenn unsere Robinsonade andauert, werden wir um das erstere kannibaliter würfeln müssen-" – "Wie bitte?" – "Nichts, ich fragte mich, wer von uns beiden wohl die besseren Zähne hätte-" – "Sehr galant sind Sie nicht." – "Oh, Madame, Ihre Zähne sind blendend und ich finde Sie zum Anbeissen apart- " – "Damit werden Sie noch lange nicht zum Minnesänger." – "Ich bin auch nicht gekommen, um Sie anzubeissen, Sie anzusingen, noch Sie anzuhimmeln, obwohl letzteres fast ins Schwarze träfe " – "ins Blaue, meinen Sie wohl." – "Richtig, Madame, Ihre Schlagfertigkeit entwaffnet." –

"Was wollen Sie eigentlich von mir: entweder verfolgten Sie mich, oder nötigten mich auf Hochsee zur Lebensrettung eines unbekannten Lebensmüden und engen nun hier meinen mühselig errungenen Lebensraum ein." – "Ich schwamm Ihnen zu Ihrem Heile nach." – "Lachhaft, es schwammen Ihnen die Haie nach." – "(unmöglich! Sie kalauert wie Ihr Ziehvater!) Haaaa" – "Sagten Sie etwas Bestimmtes?" – "tschii! Bestimmt nicht, Madame, aber dürfte ich auch meine Hose trocknen?" – "Tun Sie was Sie nicht (runter-) lassen sollten; ich werde mich dieweil in der Gegend umsehen" –

"Ludberga, bleiben Sie noch, die Zeit eilt, die 'Arethusa' wird uns suchen und bis dahin muss ich Sie belehrt, ermahnt, beschworen, umgestimmt, bekehrt, erleuchtet und verklärt haben; ich muss, sonst gehe ich mit Ihnen, bzw. meinem Projekt baden." – "Dann baden Sie halt zum zweiten Mal heute, aber allein; was kümmerts mich, wenn Sie den Schnupfen bekommen. Mit Sektenbrüdern habe ich übrigens nie geliebäugelt." – "Ich gehöre zu keiner Sekte, geschweige zu Wiedertäufern, ich will Sie sogar – sehen Sie mein Desinteressement – als schlechter Protestant und Freigeist der ich bin, unter die Heiligen aufnehmen lassen." – "Ein Geist wider den Teufel, der stets bejaht?" – "Ja, Ihre Kanonisierung, mein einziges Ziel." – "Ein Kanonier Gottes sind Sie?" – "Wie Sie wollen, nur beeilen Sie sich mit Ihrer Reformation." – "Und warum sollte ich Ihrem Reformgeist zuwillen sein? nur weil SIE mit Ihrem mysteriösen Projekt nicht baden gehen wollen?" –

"Seien Sie vernünftig, Ludberga; die Welt, die Medien, die Iovier und künftigen Ludberger, vieltausend Kroaten, ob katholisch, muslimisch oder orthodox, blicken auf Sie herab, zu Ihnen hinauf, wollt ich sagen, und meine auch die gerbduLer, die Antipoden und Antipodraviner und die Antibosnier, die alle erwarten, dass Sie den Geist, die Kultur, die Moral, die im Argen liegen, wiederaufrichten, dass Sie die Fahne von Halbmond, Berg und Stern vorantragen (hm, wohin eigentlich?), also hinantragen zum Firmament der Seligen, Heiligen und sonst Vergöttlichten (hu, wozu eigentlich?), also um Fürsprache einzulegen für – für " – "Für?" – "Tja,... zum Beispiel die Veredlung des Ludbreger Weins, die Klärung der Bednja, die Beschleunigung der Post, die Verbilligung des Telefons, die Senkung der Innerortsgeschwindigkeit und des Alkoholismus, die Humanisierung des Heiligen Sonntags, die bessere Besoldung der Restauratoren, die Erleuchtung des Bürgermeisters und die Exorzierung des Priesters, die Aphonie der Dorfköter, die Einebnung von Holyland und das Wiederausheben des Weltmittelpunkts. Punktum." – "schönes Pflichtenheft. Und was hab ICH davon?" –

"Sie kriegen einen Nimbus, Attribute, eine geharnischte Legende, eine Ikonographie, eine Briefromanze, einen Platz im Stadtwappen, einen feuerspeienden Hauptplatz-Brunnen, eine Bronzeplatte, einen Strassennamen, eine Neonschrift am Hotel Ihres Namens, einen DOC-Wein und 100 000 Etiketten, eine Brustnadel und Blechbadges, Postkarten und -stempel, Lebensmittelkarten für magere Kriegszeiten, eine Schenke, vielleicht die dritte Diskothek, Weingläser mit Label, Weltmittelpunktdiamäntchen für den Nabel, Barometer, Briefbeschwerer und Postwertzeichen, Filmrechte und Hörspiele, bei guter Führung eine inflationsresistente Kuna-Note, das 1.April-Patronat, pardon Matronat, Weltbürgerrecht und Friedensnobelpreis; was wollen Sie mehr? ach ja, und einen Traumreise-Ferienbon für gerbduL retour." – "-einen?" – "jährlichen, wenn Sie wollen." – "Hm." – "Top?" – "Was: Top." –

"Wollen wir die 'Arethusa' heranwinken? sie dümpelt dort von Westen um die Insel herum und sucht nach Wasserleichen." – "Ich weiss nicht." –

"Wollen Sie eine Münze werfen oder soll ich Ihr Orakel befragen?" – "Wie denn?" – "Hermes-Internet; die Codenummer steckt da im nassen Portemonnaie. Aber halten Sie mich nicht etwa zum Besten! Ich benötige ein eindeutiges Orakel." –

"Wie soll ich Sie zum Besten halten, wenn ich nicht einmal weiss, wer Sie sind? Bis jetzt erwiesen Sie sich nur erst mal als einer der Allerschlechtesten nicht. Aus der Schwimmergilde schon eher..." – "Danke, fürs Kompliment, auch Männer brauchen solche zuweilen." – "Zum Zückerchen die Peitsche: wer sind Sie?" – "Ich sag’s, wenn Sie konvertiert haben." – "Ich desertiere, wenn Sie nicht antworten." – "Wohin denn in dieser Wüstenei. Was liegt Ihnen denn so an meinen Personalien?" – "Reine zivilstandsmässige Neugier gegenüber Fremden. Und dann: – ich hab mich sooo an Sie gewöhnt !" – "Spötterin!" –

"Dann also, leben Sie wohl, ich hab auf den Höhen da oben zu tun; gute Weiterreise." – "Ludberga!" – "..." – "Ludberga, kommen Sie zurück! Seien Sie keine Spielverderberin; ich bin..., nun, ich bin: Ihr Autor." –

"Noch so ein Teufel!" – "Ich bitte Sie, flehe Sie an, denken Sie an meine Karriere, wollen Sie mir meine Zukunft vermiesen?" – "Vanitas vanitatum. Alles für die scheinheilige Eitelkeit von Monsieur. Und da soll ich mitspielen? Sie wollten Ihre Heilige? da haben Sie sie: eine Scheinheilige aus Sand in den Sand gesetzt. Adieu." und liess einen feuchten Klumpen Sandes am Boden zerbersten. –

"Ludberga, können Sie -? Sie können nicht!... ich geh ins Gericht mit Ihnen, mache eine Fussnote aus Ihnen, gehe ins entlarvende Detail, schlimmstenfalls ins Wasser, Elende, diese, meine niederträchtigste Kreatur. Aber vorher werde ich Sie streichen, ausmerzen, ersetzen, löschen, deleten!" –

"Na und? ich komme auch ohne Sie durch, man hat mich nicht ungestraft für die Ewigkeit gespeichert: Tugend schwimmt obenauf, Heilighaftigkeit wird sich durchsetzen, auch gegen den Willen eines Bleistiftknabberers, eines Notebücklings, eines Gernegrosslings, eines Wortklaubers, Stilblütlings und Kalauriklopfers. Ich geh stehenden Fusses Ihnen zum Trotz sogar mit diesem lächerlichen Autor nach Ludbreg, jawohl, nur um Ihnen zu zeigen, wer hier einen Nimbus gepachtet hat. Ich will, dass Sie mir gegen Ihren Willen zu Willen sein werden... Autor! dass ich nicht lache, als schriebe da einer aus eigener Willensentscheidung. Sie sind nichts mehr als die schäbige Vorstellung einer Frau. Arethuuusaaa!!... Ahoiiii!" –



"Ludberga, zur Güte meines Wirklichseins, ich bitte Sie inständig, gehen Sie von meinem Fuss herunter und geben Sie mir mein Hemd zurück. Man hat uns entdeckt (Huhh!)."
Wir schoben von nun an wortlos die lecke Nussschale zu Wasser und gingen nach zweitausend Riemenschlägen aufs freie Meer hinaus und unter den Verwünschungen des Kapitäns an Bord. Das gereffte Lateinsegel sog sich voll Wind und man steuerte Westnordwest der untergehenden Sonne entlang...
__ __ __

20.25. Ich hab den Wettlauf gewonnen, Nymph, es war ein schwerer, wenn auch verlorener Kampf, Kü., Faun!

(191) Ludbreg, Freitag 15.3.1996; 6.25

Nymph,

mein schwerer Kopf passt so gut zum schweren Nebel heute morgen, der sich am gestrigen Frühling verschluckt zu haben scheint und die Feuchte nicht verdaut, die er so euphorisch aus den Feldern und Auen gesogen...
In eine flüssigfröhliche Gesellschaft geriet ich gestern abend noch bei Cernobyl, wo sich die Völkchen zweier Tische schliesslich zu einem einzigen Geschnatter zusammensetzten. Über was wohl? Ludbreg natürlich, Ludberga und die Ludberger. Unter ihnen der wiederauferstandene Nofta, der unvermeidliche Bürgermeister, dem auch das noch immer allzu serbisch tönende Krisantemac nicht gefallen will, Kain, dem immer neue Edenwitze einfielen (meinen Vorschlag, "Kain, Garage, jenseits von Eden" auf die Visitenkarte zu setzen nahm er ernst!), der Wirt mit seinen spastischen Ticks, der lokale laue Fernsehmoderator und Ivan, den ich eigentlich allein hatte zu einem Biere laden wollen. Die übrigen waren von bäurischem Gemüt, aber alle nichtsdestotrotz bemüht, etwas über das zum Stadtgespräch geblähte Ludberga-Projekt anzumelden. Es ist grotesk, ihre poltrigen Meinungen über eine doch recht geistfordernde Eulenspiegelei zu hören, wenn sie den künftigen Hauptplatzbrunnen planen, die einen die Attribute einer Wassernymphe in die Luft zeichnen, die andern Ludbergas Winzersymbole, und jetzt die dritten, modernen, die sich eine Feuersäule wünschen. Hier entwirft man Souvenirs für den Heiligen Sonntag, dort ereifert man sich über die Gestaltung der peripheren touristischen Monumente, wie Quelle, Mittelpunktsumpf oder das nun ins legendäre Ludbergland zu integrierende Holyland, welches das kroatische Parlament (kroatisch 'Sabor', aus dem ich eingedenk der maffiösen Zustände in Zagreb flugs die "Sabortage" schneiderte) soeben mit einhelligem Beschluss unter seine Fittiche genommen und somit zur Meta eines jeden nationalgesinnten Politikers bestimmt hat. Ich lancierte nicht nur die Ausdrücke "Holyland" und "Lourdesbreg", sondern bin der stolze Vater des neuen "Parlamentourismus", des die Bosnier visierenden "Ludbreg Mekka Mundi" und auch "Centrum Orbis Terrorum" und die mosaisch-musisisch-musivischen Segnungen des "Petracismus" sind bei Anti-Holylandsern schon unterwegs; natürlich ist das Bonmot der auf Schilda gemünzten "Ludbürger" bei den Intelligenzlern im Umlauf und über das "Kaputtnik" lacht schadenfreudig die halbe Stadt; man will in der Tat die wüste Spelunke von jemandem kaufen lassen und auf "Ludberga" umrestaurieren; Crnković, mit "Cernobyl" gar nicht unzufrieden, sofern man nur von ihm redet, hat schon Lunte gerochen, hier das Monopol der Gastwirtschaft ansichzureissen... "Chrisanthemovic" wird seinen Trauerflor nicht los, den ihm zu seinem verzweifelten Proteste inzwischen schon die Müllmänner anhängen, denen man wohl einschärfte, das "Centrum Immundum" besser zu säubern, obwohl ich zweifle, ob sie Latein studiert haben. Gestern geschah auch für deutschkundige Glaubenszweifler die Taufe von "Josip dem Schurken" (Josef oder Josso Djurkan ist der mir bisher unbekannt gebliebene Priester. Na, der wird sich freuen!). Auch die 'Anti-Welle' zeitigt schon so manches Früchtchen, so vor allem die "Antipodravina", "Antipodes" und erneut das "Antikaputtnik", seit man Teile aus der neueren Legende zu kennen glaubt; man redet zwar von ihr, aber als Legende ist sie noch Legende, da sie niemand auf Kroatisch zu Gesichte bekam und das Phantom sich stetig neuer Mund-zu-Mund-beatmung erfreut. Man erzählt sich Wunder was an Wundern drinstünden und bald werde ich wohl neu zugewachsnen Stoff haben, der sich künftig wundersam selbst generieren wird... Nofta ist hierbei ein glänzender Chronist, seit er begonnen hat, den Gerüchten und Ouï-dires den Puls zu fühlen und die umlaufenden Proverbien und Wortspiele aufzuzeichnen.

Blasphemische Ludbrekkies vor die Ludbürger zu werfen ist somit mein vornehmster Heidenspass; man amüsiert sich köstlich, wie gierig sie die gesüssten Giftplätzchen aufpicken, zumal niemand wirklich weiss, wie sehr ich Heide bin ; schade, Nymph, dass Du das nicht direkt erlebst, bist Du doch in Wirklichkeit die Urquelle oder das Primum motus allen Ulks.
9.25. Über Venija und Velimir wird mir zugetragen, dass auch Sieglinde im Anzug Echterdings, bzw. in dessen Fahrwasser sei. So rundet sich das Jahr mit ihr und vielleicht kehren wir an die Anfänge zurück, wie das Rad des Schicksals? Sie kommt wieder hoch und ich gehe unter? Warum nicht? Vielleicht mag sie den Balg Ludbergas als Mietmutter austragen? Und ich werde frei? frei! frei! vogelfrei. Hat mir da wer den Vogel gemacht?...
11.00. Man schnäpselte Blagajs undefinierbares Wein-Kräuter-Destillat, das er uns gestern zur Ölung der Beziehungen mitbrachte (er zweigte mir eine ganze Flasche ab!), kam aber nicht umhin, seinen eignen letzten Lapsus linguae zu belachen: Varaždins Fussballer, die wo immer auf der Welt, einen Tag vor einem wichtigen Spiel in "Quarantäne" gehen müssen, um Frauen, Drogen, Alkohol und Anabolika nur klammheimlich zu sich zu nehmen, waren in Ludbreg einquartiert. Blagaj mentorte als Torschützer der Sprachreinheit, diese seien "im Container", was sich reizvoll zu seinem politischen "Kosmos"-Eigentor an Stilblüten gesellt.
12.15. Hier ist grosse Aufräumwut, ich werde von Besen, Wischlumpen und Staubsauger von einem Winkel in den anderen verscheucht: Echtercleaning! zweifellos ist das die Generalprobe für Velimir.
12.45. Echterding ruft von unterwegs an, auch C. sei von der Partie und brauche ein zusätzliches Einzelzimmer; man käme wohl früher als erwartet. Dann werde ich heute meinen Brief irgendwann aus heiterem Himmel abbrechen und Dir schnellstens durchreichen...
13.30. Mit einem ersten Tobsuchtsanfall bewies Velimir, dass ihm Führungsqualitäten mangeln: ihn wurmte, dass Blagaj das morgige Mittagessen im Schloss bestreitet und dass unsere Frauen ohne sein Machtwort die Fete zu organisieren begannen; Kapusta steht devot hinter ihm und wird zuweilen widerlich unverschämt. 18 Leute sollen sich in die Küche zwängen, um die Konferenztische nicht beschmutzen zu müssen; ich schritt ein und schlug ein Selbstbedienungsbuffett im Gang vor. Alle sind gegeneinander aufgebracht, die Frauen tief beleidigt. In solch kritischen Momenten sieht man, mit welch bestürzender Geringschätzung kroatische Männer mit Frauen, vor allem "geringeren sozialen Ranges" umgehen, unter der infimsten Belastung allen Takt verlieren und intimste Makel aufs Korn nehmen. Die Eitelkeit, eine Position einzunehmen und der daraus resultierende Hochmut sind hier noch von einer primitiven Plumpheit, die in kultivierteren Breiten längst ausgerottet sein dürfte.
15.30. Nymph, soll ich Blagaj fragen, ob er in Rovinj ein Zimmerchen für uns habe, als Stützpunkt für Ausflüge in Istrien? Oder willst Du in südlichere Gefilde. Auch die Plitvicer Seen kann man nun wieder besuchen.

Ich fürchte, Du wirst dies Wochenende wenig ergiebiges Schriftliche von mir erhalten; Samstag sind pausenlos Sitzungen und Essen, schliesslich die Fahrt nach Zagreb angesagt; vielleicht lasse ich mich von Ivan kutschieren, dass ich noch nachts wieder zurückkann, ich habe wenig Lust, dort zu übernachten, sofern E. nicht darauf besteht, mit mir zu frühstücken, oder sonst noch etwas wegen der Ausstellung vorhat. Aber ich werde Dich wenigstens mit Telefonaten trösten. Überdies habe ich doch recht fleissig vorgearbeitet, wie ich an Seite 396 sehe; bald sind die 400 voll, Nymph, das sollte man feiern; mein Durchhalten erstaunt mich selbst. Die unvermeidliche Wegwerfaktion, wird den Blätterwald allerdings gehörig lichten, denk ich; wenn am Ende runde dreihundert übrigbleiben, ist das schon stattlich genug. Dann darfst Du auffüllen, Nymph; aus Deinen Worten hörte ich ja schon Hoffnungsvolles (für die Zeit nach dem Dipl.) heraus, nicht wahr?

Nymph, ich seh dass ich ohnehin am Seitenende anlange und werde zu 6.30 faxen. Ich bleibe wohl bis 8 im Schloss, sofern die Münchner nicht früher eintreffen. Vielleicht lass ich mich von Dir im Hotel benaschen, wie das letzte Mal? Hast Du die Nummer noch? Ich beteilige mich an Deinen Unkosten, ich schwörs! Lass Dich küssen und auf geruhsamere Momente vertrösten! Faun, Deinster.

(192) Ludbreg, Samstag 16.3.1996; 6.55

Nymph,

nachdem ich Dich zu meiner Schande nächtens aus dem Schlaf geklingelt hatte, ging das Geratsche in Echterdings Zimmer noch bis über zwei hinaus. Mein Kopf ist eine Kiesmühle; E., S.und C. waren erst gegen zehn endlich angekommen, nachdem man schon Visionen von Unfall oder Polizeihändeln auszudenken bekann. Bei Tisch waren dann sie, Bü., Bla. und ich mit Chauffeur, d.h. Ivan, dem ich wenigstens ein gutes Essen gönnen wollte, wenn er schon unter gesellschaftlicher Schüchternheit zu leiden hat. Die Weltlage steht nun für den Restaurierungs-Weltmittelpunkt nicht besonders rosig. Ich bin in der Tat auch weiterhin nicht honoriert, aber werde bis zum 5.Mai, wo E. nochmals kommt, bleiben, um auch Winfried einzuführen; mein Sparsystem mit Praktikanten hat E. gefallen; er meint, Bayerns BLD solle eine regelrechte Aussenstelle in Ludbreg einrichten, die den Laden leitet; die Kroaten wären ja froh drum, zumal im Herbst Venija wieder zu uns stösst und den kroatischen Kram bestens verwalten kann. Praktikanten könnten sich mit zyklischer Betreuung meines oder Sieglindes generis die Türklinke reichen und so die ausländische Präsenz gewährleisten. Auf den grossen Kredit hoffen jedenfalls alle und es soll, muss trotz der Knüppel Zagrebs weitergerädert werden.

Dein Erfolg bei Uecker hat mich so gefreut, dass sich mein schlechtes Gewissen ob Deiner Nachtruhe verflüchtigte. So einen Sandmann an der Strippe zu haben ist famos, denn vielleicht führt er zu anderen interessanten Kontakten, ja auch solchen, die Deiner späteren Karriere nützlich sein könnten; denk auch an dies, dass jede direkte Bekanntschaft eine künftige Klientenadresse ist, mit der man im Gespräch bleiben wird! Das geplante Buch ist ein Führer zum fliegenden Atelier; ein Hintertürchen, Berater der betreffenden Künstler zu werden; Du wirst das bald einmal spüren, wenn Du Routine im Umgang mit den Protagonisten bekommst. Wir müssen dann so viele wie möglich persönlich aufsuchen (für die Diplomarbeit genügen ja noch wenige).

Blagaj hat gegen unseren Rat ein Riesenspanferkel für die Sitzungsteilnehmer gebraten und man will das Schweinemahl im grossen Saal abhalten, ob nun Velimir die Mahlschweine, bzw. die Ferkelei bei (Konferenz-)Tische will, oder nicht. Wer zahlt, befiehlt. V. wird sich seine Sporen noch glattwetzen müssen.
9.00. Dich aus dem Schlaf genascht; vielleicht wirst Du mir dankbar sein, wenn Du den ersten Kaffee hinter Dir hast...
9.25. Blagaj will nun selbst aus strategischen Gründen mit dem Service in die Küche und wir möbeln herum wie eine Umzugsfirma.

Eben kommt Ivan glattrasiert in schickem blaugrauem Sonntagsstaat einher, wo ich nicht mal eine Krawatte für heut abend besitze! Dafür kann ich wenigstens S. und V. und S. ein paar Zähne mehr zeigen. Faun.


(193) Ludbreg, Sonntag 17.3.1996; 6.55

Nymph,

um halb drei nahm der Zagreber Ausflug sein Ende. Ivan setzte mich im Hotel ab, nachdem ich noch schnell im Schloss das Kistchen, das geduldig auf mich wartete, seit ich’s Hals über Kopf im obigen Zustand verlassen, zur Schirmbildruhe gebettet hatte.

Ich fuhr mit E. und C. um fünf nach Zagreb, um über noch Hängiges sprechen zu können, während S. bei Ivan einstieg. Man ass zu acht im 'Alten Fiaker' (Vrkalj, Škerl und Dolmetscherin, die ich ob ihrer ermüdenden Beredtheit die Dollschmetterin taufen musste, inbegriffen). Mein "Chauffeur" war ostentativ bei Tisch, um zu zeigen, dass Stinkos Attitüde, den Seinen oft Stunden unernährt im Wagen warten zu lassen, nicht von meinem Geschmack sei.

Um neun stand man in der überquellenden Vorhalle des Mimara und hörte. geschweige sah von Festmusikern und -rednern vor Gedränge nicht die Spur; als man die riesige, neueröffnete Gemälde-Schenkung endlich zu Gesichte bekam, sah man zwar auf den Messingschildchen hochtönendste Autorenschaft zwischen 14. Jahrhundert und Impressionismus, doch von der wirklichen fehlte jede Spur und man kam zum Schlusse, die grösste Versammlung von Fälschungen und fälschlichen Attributionen des Ambitionismus vor sich zu haben, eine bisher weniger bekannte, weil sonst bescheidenere Strömung der Weltkunstgeschichte. Ich amüsierte mich natürlich, da ich so manchem alten schurkischen Bekannten begegnete, Anonymus heisst er, glaub ich und sonst "Radionica" (Umkreis), der sein Handwerk zuweilen so mies verteidigte, dass die Tauben von jeder Dachrinne herunter es besser gemacht hätten. Was da an Pissarros, Sisleys und Renoirs in gleissenden Barockrahmen prangte, aber auch an Maîtres de Flémalle, Holbeinen, Tintorettos und Rubens, hätte man ungestraft in Bizzarros, Sillys, Revoirs, Rubinettos, Tinkturen, Hohlarme und Meister Flémards umtaufen können, das bewundernde Publikum hätte es nicht gemerkt. Zuweilen war mal eine Ikone echt, aber übermalt und ein niederländisch Holztäfelchen alt, aber niederträchtig verputzt, auch mal ein unbekannt Berühmter nur mit unzutreffender Signatur beschriftet. Immerhin hat der Sammler Mimara das Vielfache an Skulptur, Möbeln, Glas, Teppichen und sonstigem Gerät gesammelt, das von überzeugenderer Authentizität sei und dessen spätere Ausstellung man mit Spannung erwartet.

Am Ende traf man Mirela, die mir zwei Kataloge zu bringen versprochen hatte, deren einer einen Sandkünstler enthielt, der einer der besten Kroatiens gewesen sei: den bereits angekündigten Informellen Ivo Gattin (* 1926 Split – 1978, lebte in den 60-er Jahren in Italien) der seit etwa 1956 auf Grund seiner Kindheitserinnerungen am Meere von Split, mit Vorliebe Sand in seine Gemälde und Aktionen einarbeitete, dem er die disparatesten Materialien beigesellte, wie Schnüre, Blech, Papier und anderes Kollagenmaterial. Er war von Biennalen in Venedig inspiriert, wo er Werke von Wols, Tapies, Burri, Fontana usw. kennenlernte, seit 1959 wird er dann aggressiver und beginnt, seine Arbeiten mit Feuer und anderen Zerstörungsritualen anzugehen. Sein Katalog zur Ausstellung im Zagreber Museum für zeitgenössische Kunst 1992.

Ich denke, dass Du in F. im Mai gehörig wirst die Biennaleakten durchgehen müssen, um die Sandwüsten nach den Flöhen im Ohr der Künstler umzugraben; auch in B. wird sich noch manches, zumindest fürs Buch, finden. Die Aussagen der Protagonisten scheinen mir überhaupt das Wichtigste zu sein, was die Kritiker sagen, ist zumeist hochgestapelter und hochgestrampelter Quark.

Die Sitzungen am Morgen zu etwa 16 Personen dauerten bis fünf, unterbrochen vom fürstlichen Imbiss Blagajs, den seine Frau bereitet hatte. Auch das Fernsehen war wieder da. E. glänzte mit überlegenen Ausführungen und alles hing an seinen Lippen. Er nahm die Kroaten ins Gebet, mehr von sich aus zu tun, versprach weniger Geld und mehr Hoffnung; forderte maximale Ziele zum Überleben des Instituts und war ob des 5 Mio-Kredits guten Mutes. Ich selbst geriet bezüglich der Besoldung Ivans an den polternden Škerl und Vrkalj wollte scheinheilig, wissen, ob ich mit der neuen Leitung, also Velimir zufrieden sei, um so seine bedenkliche Wahl absegnen zu lassen. Ich fiel nicht darauf rein und monierte den Mangel an Leuten und die Ineffizienz unserer Leistungen, die an der Finanzlage darbten.
9.10. Das Schloss ist ausgekühlt; ich friere dementsprechend wie ein Schlosshund, weiss aber nicht, wie und wo man die Heizung umstellt; Ivan schläft für einmal den Schlaf des Gerechten. Verlockend wär’s, sich an Deiner wohl noch bettmolligen Stimme zu wärmen, aber ich wag's nicht, Dich zu einem vielleicht noch verfrühten Petit Déjeuner abzukommandieren...
10.45. Draussen regnet es grauen Trübsinn. Eben wärmst Du mich mit Deinem Anruf!
12.25. Ivan bringt mir Kirschkuchen vom Geburtstag seiner Mutter und gedenkt einen Leberschmaus für uns beide zu bereiten. Wir reden wie immer über Kunst, vor allem nach Mimara, wo er sich über meine Kritiken gewundert hat, aber ganz instinktiv ähnlich geurteilt hatte. Er ist Visionär und sieht den Dingen auf den Grund, ohne zu wissen warum. Selbst wenn er Porträts oder Landschaften malt, sind sie nicht äussere Form, sondern die Menschen und Dinge selbst, ungeachtet eines Stils oder einer Könnerschaft. Abstraktionen sind ihm unverständlich und kaum mehr denn Dekorationen, weil sie ihm nicht genug ans Innere des Wesens gelangen: sein Musik-Erleben ist ähnlich spontan; er musiziert aus dem Inneren, auch wenn die Gefahr besteht, sich im Sentimentalen zu verlieren, wie auch sein Naturerlebnis und dessen Wiedergabe oft der Kitschigkeit aufsitzt. Sein Urteil über Menschen ist fast unfehlbar, aber von Emotionen übersteigert. Sein Bild von Ludberga ist von einem so visionären Realismus, dass sie als Wandskizze im oberen Stock, oder als Tonfigur fast erschreckend identisch ist: als Form nicht gerade schön, völlig unkosmetisch aber echt. Er versteht sein Tun auch nicht als Kunst, sondern als Identifikation. Er lebt sie und antizipiert sofort eine Situation, wenn ich von einem Legendendetail erzähle oder eine ihrer Schrullen ausmale: ihre Flucht vor der Heiligkeit beängstigte ihn wie eine Fatalität; er sagt, seit es Ludberga gäbe, lebe er ein neues Stück Leben... Wenn die Krusten der Konvention und der Maskerade, des Angelernten und Aufgezwungenen, des Scheins und der Verstellung, der Genierlichkeit und Hemmung von uns fielen, würden wir wohl alle ein Stück Ivan sein, auch seiner sentimentalen Seiten.
17.30. Köstliche Leber und anschliessend ein Telenachtischchen von Dir, miam! Schade, dass ich nicht mit von Deiner abendlichen Partie sein darf! Der Ollie hat’s wirklich gut, Du stehst ihm übern Gang stets zu Verfügung und ich darbe hier weibshungrig wie ein röhrender Hirsch vor mich hin, unempfindlich auf das Geschäkere Zagrebinischen und ultramontanen Geweibes. Und das noch bis Anfang Mai, ohne jeden schriftlichen Zoll, ohne ein Seitchen Ausgangsfranchise oder nachträgliche Bussequittung. Ein Hundeleben. Nicht einmal eifersüchtig könnte ich Dich machen, mit dem, was man mir so nach zwölf ins Ohr flüstert, oder was Ludbürgerinnen nach dem Fernsehen von mir träumen, wenn sie meine obligate Baskenmütze wiederentdeckt haben...

Aber vielleicht sollte ich Dir mal einen Fragenkatalog schicken zu allem, was mich noch neugierig machen könnte, mit je alternativen danebenstehenden Antworten, so brauchtest Du nur 10 Minuten zu verschwenden, anzukreuzen, was zutrifft und ich hätte etwa zwei Wochen Spass, mit allen Künsten der Tiefenpsychologie, der Verhaltensforschung, der Gestalt- und Persönlichkeitsanalyse, der Psychosomatik, der Graphologie, des Pendelns und der Kaffesatzschau die Formulare auszuwerten. Zu Beispiel könnte ich Dich fragen:

[Deine handschriftlichen Antworten auf der Faxkopie vom 18.3.96; 18.56 trage ich hier bereits ein; Auswertung weiter unten!]
-Welchen Sandmann würdest Du nach bisheriger Erfahrung am liebsten interviewen? Antwort: alle( ), nur die posthumen( ), nur solche unter 40( ), keine mit Bart( ), nur Nichtraucher( ), nur notorische Sändler( ), nur sporadische( ), gar keine( )? Picasso, wegen seiner Augen...

-Was tätest Du im Falle eines Telefonbelästigers? Telefonnummer wechseln( ), Polizei bemühen( ), zur Rede stellen( x ), zum ernsten Nachmittagsplauderkaffe einladen( ev.* ), anschreien( ), ignorieren( )? *je nach Art der Belästigung

-Ein adretter, aber flegelhafter Mann sitzt nach der Pause auf Deinem Kinoplatz: höflich aber bestimmt den Deinen zurückfordern( x ), stumm einen andern suchen ( ), eine Szene machen( ), den Platzordner anfordern( ), Dich daneben setzen ( ), Dich auf seinen Schoss setzen( )? je nachdem wie er reagiert, weitere Massnahmen ergreifen

-Ein angeblicher Polizeibeamte begehrt um 6 Uhr morgens barschen Einlass: Du lässt Dir die Kennkarte unter der Tür durchschieben( ), verlangst einen Durchsuchungsbefehl( ), hältst ihn mit Fragen hin( ), öffnest sofort im Morgenrock( ), ziehst Dich an und zückst den Regenschirm?, die Fahrradpumpe?, das Schweizermesser? oder ein Lexikon?( ). Bist still, als seist Du nicht zuhause (..)? je nachdem wie er reagiert, weitere Massnahmen ergreifen

-In Deinem sonst leeren Nachtzug-Abteil liegt ein vergessenes Pornoheft: Du ignorierst es bewusst( ), bedauernd( ), gleichgültig( ), blätterst darin( x ), steckst es diskret in Deine Tasche( ) schiebst es weit von Dir( ), wirfst es in den ersten Papierkorb( )? man muss sich schliesslich informieren!

-Ein Mann hat sich versehentlich ins Damenklo verlaufen: Du weist ihn scharf zurecht( ), deutest ihm wortlos den Ausgang( ), ignorierst ihn( ), lachst und hältst ihm die Tür auf( x ), errötest (vermutlich[Pfeil nach x] ), gehst schleunigst wieder hinaus?

-Du vermutest, dass jemand heimlich in Deinen persönlichen Habseligkeiten stöbert: Du stellst dem Unbekannten eine Falle( x ), schliesst fortan die Tür hermetisch( ), sagst es Mitbewohnern in der Hoffnung, Dein Wissen hielte einen Betroffnen fortan ab( ), es ist Dir gleichgültig( ), Du hinterlässt sichtbar einen unhöflichen Brief( ), einen drohenden( ), bist neugierig ob des Was, Wer und Warum( x )?

-Ein Unbekannter schenkt Dir an der Kinokasse ein Billet: Du lehnst höflich ab ( ), dankst freudig( x ), setzt Dich anschliessen neben ihn( x ), suchst einen entfernten Platz( ), findest, Du müsstest nun auch die Einladung zu Kaffee annehmen( ), die Sache ist Dir peinlich( ), amüsiert Dich( )? [Pfeil von x2]:wenn er nett ist allerdings


- und so weiter... Eigentlich riechts ein bisschen nach Psycho-Boulevardquizelei mit Erfolgspunkten bei Stier- oder Wassermann in Heftchen wie Mondo, Bravo, Elle, Grazia, Brigitte und Marieclaire.

Also kreuzle nur an, wenn Du mitspielen willst; Du kannst mir ja ähnliche Retourkutschen stellen, wie einst auf dem Altar in San Michele?... wart's ab...

Ich laufe heut wirklich ein wenig leer, nicht wahr. Vielleicht schlaf ich doch einmal aus, man wundert sich bereits ob meiner Reserven..., Faun.
(Nach Erhalt der Kreuzerln:) hat Spass gemacht, Küsschen, Nymph...!

(194) Ludbreg Montag 18.3.1996; 6.40

Nymph,

heute ist der Anfang schwer, die Müdigkeit der letzten Tage lähmt den Orga- und den Mechanismus. Schon als Du mich gestern anriefst war ich verwirrt aus dem Schlaf gefahren und nicht ganz im Klaren, ob ich mich noch in Kleidern auf dem Hotelbett befand; Du musst das verwundert konstatiert haben. Ich werde den Morgen im Dahinduseln verkratzen, bzw. im Dahinkratzen verdusseln. Ivan hat gestern kaum was an Ludberga getan; es wird brenzlig mit dem Gusstermin; wenn er nicht mag, treibt ihn kein Pferd zu irgendwas.

Ein fetter Fasan gockelt ums Haus und trompetet heiser seinen Schrei, der dem Morgenzug den Rang streitig machen könnte. Feuchter Trübsinn liegt in der Luft. Der erste Kaffee zum langsam austrocknenden Samstagkuchen muntert mich auf. Es wird mir plötzlich bewusst, dass mein Hiersein nun eine klare Schwelle besitzt, über die es nicht mehr hinausgeht. Plötzlich denkt man nach Vorn, ins Ungewisse, eine neue Spannung erfüllt einen und schon heute sieht man in den kleinen Alltäglichkeiten Vergangenheit.
14.45. Es kamen mittags Petrac und Nofta, um das Mosaik zu planen. Petrac hatte ein modello gemacht, in wilden Farben, aber vom Konzept her völlig daneben, d.h. mit einem Wasserwirbel in der Mitte und Erde-Feuerelementen drumherum. Wir bewaffneten uns mit Karton, den wir an Ort und Stelle halbkreisförmig zuschnitten. Blagaj stiess hinzu und die Maurer, die nun den Betonboden herausmeisseln müssen, um alles eine Handbreit tiefer zu legen, den Gully in die Mitte zu versetzen und auch die Zone hinter der Tür abzutiefen. Morgen sollen die Maurer beginnen. Petrac entwarf dann im Schloss in etwas grossmäuligen Zügen den Mittelpunktvulkan und wird, wenn die Zeit und die Steine reichen, das Mosaik kreisförmig anlegen, also unter der Tür durch, damit bei deren Öffnung dasselbe in voller Rundung erscheint. Plötzlich finden alle, die Zeit eile; was ich seit langem beschwor! Die letzte Woche wird infernalisch sein, ich werde wohl selbst noch den Torbogen etwas freilegen und beschönigen, denn von unseren Leuten ist nichts zu erwarten, sie zeigen sich so desinteressiert, dass es fast Trotz oder Neid sein muss, der sie zerfleischt. Eifersucht auf Ivan. Schade. Eben kommt der Graphiker von "Grafičar" wegen der Etiketten.
16.45. Gerade ist der bärtige Sokrates mit seinem freundlichen Lächeln wieder abgezogen, mit Entwürfen, Zeichnungen und Texten. Wir werden zweifarbig drucken, ein runde gold(-bronzene!)-schwarze Vorderscheibe, eine kleinere hintere und eine ganz kleine mit dem Hufeisen und der Aufschrift "Ludbergas Wein" am Flaschenhals. Hinten wird die Steininschrift, aber in Koloritumkehrung schwarzgold kopiert, vorne die Bronzeplatte, damit das antipodische Element durchschimmert. Wenn Crnković gestattet, kleben wir die weinspezifischen Informationen auf den Flaschenboden. Ich würde gern für den ersten April eine Sonderserie zu verbilligtem Preis herstellen lassen, in der sich auf wundersame Weise der Wein in Wasser verwandelt hat, aber Nofta findet das zu blasphemisch. Dagegen fand seine volle Zustimmung, die Rückseitenlegende statt mit der Erdkugel in der Mitte zu versehen, ein Loch einzustanzen, durch das man einen kleinen kopfstehenden Teufel auf der Rückseite des Frontlabels ausmachen kann: der zu den Antipoden sausende Krampus, gesehen durch eine Art Laterna magica (fehlt nur Magić als Sponsor). Es wäre auch lustig für Souvenirsammler im Flascheninneren im Sinne der Schädlichkeitsphrase auf Zigarettenpackungen zu schreiben: "wo immer Sie diese Flasche hinstellen, befindet sich der Mittelpunkt der Welt."
Eben Dein Fäxchen; ich bin ganz erstaunt, dass Dir die Ulkerei Spass gemacht hat; dann liegt da ja noch Forsetzungszündstoff drin! Die Auswertung mit Preisverteilung und Charakterbild, Zukunftswahrsage, Chancenbarometer bei Männern usw. kommt zu gegebener Zeit; heut abend muss ich Ivan über die Ludberga helfen und bin wohl eine gute Weile noch im Schloss. Wenn Du zum Ludbergafest kämst, wär das natürlich die Masche; Miam! Küsschen, Faun.

(195) Ludbreg, Dienstag 19.4.1996; 6.30

Nymph,

schon steht die Sonne jetzt so hoch um diese Zeit, dass man den Winter nicht mehr ernst nehmen kann. Das Vogelgezwitscher tut das seinige, ihn vergessen zu machen.

Ich kam gestern nicht umhin, noch mit Ivan, der auf das Härten seines Gipses wartete und einer langen Nacht entgegensah, um den Silikonabguss der Platte und die notwendige Gipsarmierung zu überwachen, ein stückweit den Film "Mac" anzusehen, der im südlichen Amerika der Fünfzigerjahre spielt und das Schicksal dreier etwas verquerer Brüder schildert. Vorher, in den Nachrichten bekam man Tudjman und Milosevic während ihrer Friedensverhandlungen in Genf zu Gesichte. Da die Medien ein Monopol von HDZ sind, zeigte keine Kamera die beiden im selben Blickfeld, verhinderte auch nur die Ahnung eines Händedrucks und liess Milosevic ausschliesslich isoliert, ja vereinsamt erscheinen, eine raffinierte Manipulation der Politlobby. Man wurde sich selten so gut bewusst, wie eine Kamera eine Situation nach Belieben verfälschen kann! So umarmen sich Tudewic und Miloman in der Tat nur in Antipodien!

Aber der Blagaj'sche ungarische Gips härtete nicht aus, weil er vielleicht zu alt war, oder gefroren, oder zu nass angesetzt, und nun sind wir so weit wie am Anfang. Modelliergips findet man hier anscheinend keinen und ein Positiv müssen wir für den Guss haben.
12.30. Ivan hat nun doch den richtigen Gips gefunden und die mit Blagajs Pampe gefüllten Löcher wieder ausgeräumt. Er glaubt steif und fest, dass ihm alles noch innerhalb der Fristen gelingt. Ich denke heimlich, eine Zementkopie täte es zur Not auch...
12.45. Ludbergas erste unausrottbare Spuren: ich war soeben am M.d.W. und sah erstaunt, dass der Gully versetzt, der alte Betonhalbkreis und die Fortsetzung in den Kirchhof beseitigt und die Arbeiter dabei sind, den neuen Boden zu giessen! Petrac wird nicht behaupten können, man habe ihn versäumt. Jetzt glaube sogar ich, dass dieser erste April nicht nur ein Scherz sein wird.
16.00. Unser etwas tumber monoglotter Kameramann Stjepan Stjepic, von mir Einfacherweise Stupic genannt, war soeben hier, Petracens Entwurf, mich beim Zeichnen, Ivan mit Tonmodell vor dem Guss (vielleicht als letztes Erinnerungsfoto vor dem Flop; als Katastrophäe!) und sodann in lässiger Umarmung der Ton-Ludberga, ja zuletzt im Oberstock in teuflischem Kauern auf der Flucht vor der ihn mit dem Kreuze traktierenden Fresko-Walküre. Zuletzt wird Stupic noch am Florianstor ein Zwischenzustandsbild schiessen. Er sammelt zwar Material für den Dokumentationsfilm am Unheiligen Montag, wäre aber nicht drauf-, noch zu uns raufgekommen, wenn ich ihn nicht angerufen hätte.
16.45. Eben schmiert Ivan die erste eitergelbe Silikonkautschukprobe auf den Schoss der Ludberga. Ahnungsvoll hatte ich in der Datei geblättert, um nachzusehen, wann sie eigentlich geboren wurde: siehe da, am 19.9.1995! heute, am 19.3.1996 ist sie genau ein halbes Jahr (und einen Schalttag) alt – ein Halbgeburtstag, ein Geburtshalbtag, eine Halbtagsgeburt, eine Tageshalbgeburt, ein – wechseln wir das Sujet, ein Wechselbalg ist sie, so oder so.

Was hat die Ärmste inzwischen nicht alles schon erleben müssen! Ständig ging’s mit ihr ludbergauf und ludbergab und ihr Ende ist noch nicht abzusehen, auch wenn Ivan soeben einen echten Versuch unternimmt, ihr zumindest künstlerisch den Garaus zu machen.
20.30. Nach Verfassen des Folgenden küss ich Dich, auch wenn’s Seitchen nicht aufgeht, waren’s doch 2,5. Für heute meine Schuldigkeit getan: was so zehn analphabetische Kreuzerln von Dir auslösen können! Faun, Deinster.
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