Leben, Schaffen
Hans- Georg Noack ist am 12. Februar 1926 in Burg bei Magdeburg in Deutschland geboren. Im Dritten Reich war er bei der Hitler- Jugend, war Soldat und arbeitete 1944- 1947 als Kriegsgefangener in einer belgischen Kohlengrube. Dieser Schriftsteller wirkte nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Jahre 1953 in Brüsel, in einer internationalen Jugendarbeit. Er engagierte sich in einem internationalen Jugendlager in Belgien, wo man sich um die Verständigung unter Völkern bemühte. Er arbeitete auch als Dolmetscher und Konzertdirektor, er gründete sogar eine Konzert- und Gastspielorganisation. Als freischaffender Schriftsteller und Übersetzer war er dreizehn Jahre tätig (1960- 1973). Seine Übersetzungen machten viele angloamerikanische und französische Autoren/innen in den deutschsprachigen Ländern bekannt. Seine Arbeit als literarischer Leiter des Hermann Schaffstein Verlages (1973- 1980) war eine gute Voraussetzung, um zum Verlagsleiter des Arena Verlags in Würzburg zu werden, wo er seit 1980 war.
Er zählt zweifellos zu den bekanntesten deutschen Autoren, der nicht nur über und gleichzeitig nicht nur für Jugend schreibt. Er befasst sich mit vielen zeitgeschichtlichen Themen- Rassismus, Arbeitslosigkeit, Gastarbeiter, Drogen usw.- die er mit einem großen persönlichen Bemühen in seinen Büchern allen Lesern/innen zeigt. Noack erreicht, dass seine Leser/innen aktiv am politischen Leben teilnehmen. Er wollte den Jugendlichen helfen und ihre Probleme bekämfen und hatte vor, die psychische Lage der Jugend in der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Dass er sein Interesse an der Jugend nicht nur vortäuschte, beweist die Gründung von „Jugendstiftung Hans- Georg Noack“(1960), die benachteiligten Kindern und Jugendlichen half. Nicht nur aus diesem Grunde verbreiteten sich seine Werke in viele Länder, wie z. B. Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Frankreich und auch in der ehemaligen Tschechoslowakei erschienen Bücher von Hans- Georg Noack.
Schaffen:
Sein erstes Buch erschien 1955 und Noack erhielt zahlreiche Auszeichnungen.
Das Werk „Benvenuto“ steht auf der Ehrenliste des Hans- Christian- Andersen- Preises. Für das Gesamtwerk (28 Bücher) erhielt er den Großen Preis der deutschen Akademie für die Kinder- und Jugendliteratur (1978). Weiter ist er Träger des Friedrich- Bödecker Preises (1990) oder auch des Bundesverdienstkreuzes (1979). Von seinen anderen Werken nennen wir „Hautfarbe Nebensache“ (1960), „Trip“ (1971), „Die Webers, eine deutsche Familie 1932- 1945“ (1980) und viele viele andere Bücher. Sein Buch „Rolltreppe abwärts“ (1970) verkaufte sich über 2,2 Millionen Mal.
Hans- Georg Noack starb im Alter von 79 Jahren am 15. November 2005 in Würzburg.
„Rolltreppe abwärts“
Jürgen- Joachim Jäger- 13 Jahre alt, seine Eltern sind geschieden. Der Junge lebt mit der Mutter und mit ihrem neuen Freund Albert Möller, der von Jürgen gerade nicht geliebt wird. Der eigene Jürgens Vater lebt weit entfernt in Stuttgart, was zusammen mit der Scheidung der Eltern sehr schwierig von dem Jungen ertragen wird. Die ganze Geschichte fängt damit an, wie Jürgen in ein Heim für problematische Jugend empfangen wird, weil Jürgens Mutter beantragte, ihren Sohn ins Heim zu platzen, aus dem Grunde, dass sie seine Erziehung nicht mehr schaffen konnte.
Herr Hamel- von allen Buben im Heim „Hammel“ genannt, Erzieher in dem Heim und Herr Katz, mit dem Spitznamen „Kater“, sind zwei erwachsene Personen, die mit Jürgen zu tun haben. Herr Hamel gibt Jürgen eine Aufgabe, einen schriftlichen Aufsatz zu schreiben, zum Thema „Warum bin ich hier im Heim?“ Jürgen schreibt in der Arbeit, seine Mutter sei schuld daran, er bleibe im Heim, weil sie ihn nicht mehr zu Hause haben wolle. Ein solcher Aufsatz gefällt Herrn Hamel gar nicht, er zwingt Jürgen, über seine eigene Schuld nachzudenken und verlangt, Jürgen schreibe einen neuen Aufsatz. Der neue und dann der nächste und der übernächste Aufsatz sind immer gleich, Woche für Woche schreibt Jürgen, seine Mutter sei schuld und Woche für Woche lehnt Herr Hamel diese Aufsätze ab. Das Warten darauf, dass er auch seine Schuld zugibt, führt durch die ganze Handlung der Geschichte als eine lange Linie.
Der Name- Jürgen- Joachim Jäger, gefällt dem Jungen selbst gar nicht. Er denkt, es sei eine Aufforderung zum Spott und er hält das für eine Dummheit der Eltern- die Beziehung vor allem zu der Mutter ist gerade nicht ideal. Er wird von seiner Umgebung oft Jojo oder Jochen genannt –J. J. J. – aber nachdem er ins Heim gekommen ist, nennt ihn Herr Hamel „Boxer“. Alle Jungen im Heim werden mit einem Hundenamen vom Herrn Hamel genannt, was alle Jungen nicht gerne haben. „Die anderen Hunde mußten ja auch irgendeinen richtigen Namen haben.“6 Jojo selbst fühlt sich nicht wohl, wenn er so angesprochen wird und er denkt mit anderen Jungen, sie seien so genannt, weil sie für keine Menschen, sondern nur für Hunde gehalten würden. „... wie heißt du doch gleich? ...bei Herrn Hamel Boxer.“7 Jojo hat also mehrere Spitznamen, er sucht eigentlich sich selbst, hat keine Identität. Später wird sich aber zeigen, dass Herr Hamel Hunde eigentlich sehr lieb hat. Vom Anfang an hat aber Herr Hamel Vorurteile, als er zum ersten Male Jochen kennen lernte. „... weiß man fast von der ersten Minute an, was man von einem Jungen zu halten hat.“8 – sagte Hamel.
Der Autor schreibt dieses Werk retrospektiv, weil er sich daran erinnert, was passierte, bevor der junge Bub ins Heim kam. Jochen trifft auf einer Rollterppe in einem Kaufhaus einen 16-jährigen Axel. Die beiden Jungen stehlen Zigaretten im Kaufhaus. Einmal hatte Jochen einen Traum, er stehle in dem Kaufhaus und werde auf der Rolltreppe erwischt, weil die Rolltreppe abwärts fahre. Jochen verliebt sich in der Wirklichkeit in Elvira. Jochen versucht, einen Transistor für Elvira zu stehlen, um ein bisschen Musik für sie zu schaffen. Er wird dabei aber erwischt. Die Mutter und ihr Freund Albert erfahren alles, was die Beziehungen zwischen Albert und Jojo noch verschlimmern. Jochen will zu seinem Vater nach Stuttgart. Er bleibt zwar, aber er stiehlt weiter. Er klaut eine Kette für Elvira, wird wieder erwischt. Am nächsten Tag trifft er Elvira mit einem anderen Jungen, der Jochen auslacht, er sei ein Dieb. Deshalb schlug ihn Jochen an. Die Polizei spricht eindeutig- schwere Körperverletzung. Jojo will die gestohlene Kette von Elvira wieder haben, versucht, die Kette zu nehmen, Elvira kämpft mit ihm und die Polizei wird wieder angerufen und nach Elviras Aussage steht alles klar- versuchter Raub und versuchte Vergewaltigung.
In dem Heim trifft Jochen viele andere Jungen und mit einem von denen, mit Sven, ist er gut befreundet. Im Laufe der Zeit wirkt Jojo sehr symphatisch, als ein Junge im Heim auf eine Klotür eine Beschimpfung von Herrn Hamel schrieb und Hamel dachte, Jochen sei schuld, trotzdem verpfeift Jojo den wirklichen Täter nicht. Somit gewann Jojo andere Jungen auf seine Seite. Trotzdem wird Jojo vor dem Gesetz für einen gefährlichen Jungen gehalten. Weil er von anderen Jungen beliebt war, führte er einen Widerstand gegen Hamel. Seit der Zeit wird er immer nur Jochen von Herrn Hamel genannt.
Während des ganzen Aufenthaltes im Heim leidet Jochen sehr viel und will die ganze Zeit zur Mutter nach Hause, obwohl er selbst immer das Gefühl hat, die Mutter liebe ihn gar nicht. Jojos Heimweh verursacht, dass er ausbrach und endet bei seinem Vater in Stuttgart. Es war klar, dass er aber zurück musste. Maria, eine Krankenschwester, die in dem Heim arbeitet, verspricht Jochen, dass er zu ihr gehen könne, wenn er alles hinter sich habe, er mache eine Lehre bei ihrem Bruder und alles sieht besser aus. Jojo schafft sogar, nach zahlreichen Versuchen, den Aufsatz so zu schreiben, dass er endlich versteht, er selbst sei schuld daran, er sei in dem Heim. Alle freuen sich, dass er wieder Verstand hat. Jojo ist auch froh, dass alles wieder gut geht und will etwas unternehmen, was von keinem vergessen wird. Und er handelt wie verrückt- er bricht wieder aus, er räubt einen Kiosk aus, 4 Diebstähle, er zerbricht ein Fenster, er betrinkt sich und wartet, bis die Polizei kommt, ihn abzuholen. Jochen ist sogar froh, ins richtige Gefängnis zu kommen, vor allem müsse er nicht mehr zurück ins Heim.
Die ganze Geschichte endet mit Hamels Gedanken, er habe alles gleich gewusst und sei neugierig, was für neue Jungen kommen würden- wieder Vorurteile.
„Na, jedenfalls nicht wegen so´n Kinderkram´, antwortete er, und es klang sehr stolz. ,Die meisten hier haben doch bloß die Schule geschwänzt und ein bißchen Warenhausdiebstahl und sowas. Da ist bei mir schon ´n bißchen mehr dran.´ ,Was denn?´ ,Zweiundzwanzig Brüche.´ ,Wie meinst du das?´ ,Einbrüche, du Anfänger. Wir waren eine Bande. Tolle Jungs, darauf kannst du dich verlassen. Drei waren wir und haben Kioske ausgenommen. Zigaretten, Schokolade, mal´ne Kasse, wenn noch was drin war. Zu rauchen und zu essen hatten wir immer, und dann noch ein Haufen Zeug zum Verkaufen. Man muß immer die Taschen vollhaben, das ist die Hauptsache. Und wir waren clever, das kann ich dir sagen! Uns hat keiner geschnappt.´ ,Wieso bist du dann hier?´ fragte Jochen ungläubig. ,Weil der eine Rindvieh war. Da sagt der uns doch eines Tages, er wüßte ´nen feinen Bruch, ganz ungefährlich und mindestens sechshundert Eier. Da war´n wir natürlich Feuer und Flamme, das kannste dir denken. Sechshundert ist ein Haufen Geld zu dritt. Und dann war´s nicht mal´n richtiger Bruch. Einfach zur Haustür rein, ´ne Wohnungstür aufgeschlossen, an ´nen Küchenschrank, und in ´ner Tasse mit Goldrand lagen die Scheine. –Dem Jubelpaar- stand drauf, auf der Tasse. Ich sage ja, ´n richtiger Bruch war das gar nicht. Wir war´n einfach bei dem seiner Oma. Und wie wir dann wieder raus sind, da trifft uns ´ne Frau auf der Treppe, und der, der sich da auskannte, sagt noch: Guten Tag, Frau Meier. ´ne halbe Stunde später war die Oma wieder zu Hause, hat gleich gemerkt, daß ihre Piepen weg waren, und dann hat sie das ganze Haus zusammengezetert, und die Meier, die hat gesagt, sie sollte doch mal ihren Enkel fragen, vielleicht wüßte der was. Da ham´se den in die Mangel genommen, und der Dussel hat ausgepackt. Nicht bloß mit den sechshundert, sondern auch gleich noch die zweiundzwanzig Brüche, und dann hat er geheult wie´n Säugling und gesagt, ich hätte ihn doch bloß verführt und so´n Quatsch. Wollte sich ja bloß rausreden. Und die Oma war ja auch ganz gerührt über ihren armen Kleinen, richtig geflennt hat sie. Und dann ist sie zur Polizei, und abends war´n dann die Bullen bei uns zu Hause. Wäre ja vielleicht noch gutgegangen, weißt du. Vorher war ich doch noch keinem aufgefallen. Die hatten meinen Namen noch nirgends in ihren Papieren. Aber als die Bullen zu uns kamen, hatte mein Vater gerade einen gehoben. Was heißt einen. Blau war er. Und da hat er sich mit der Polizei angelegt. War ja ganz lustig. Er hat gemeint: ,Na ja, der Bengel hat eben´n bißchen mehr Taschengeld gebraucht. Der ist nämlich nicht bei der Polizei, wo er den ganzen Tag rumfaulenzen kann und dafür´ne Stange Geld einstreicht.´ Da war´n se sauer, das kannste dir denken. Mein Alter hätte eben kleine Brötchen backen müssen. Und wenn er dann noch gesagt hätte, also, lassen Se man gut sein, meine Herrn, den Bengel, den werd ich mir mal vorknöpfen, dann wäre die Sache noch gar nicht so mies gelaufen. Aber so ... Na ja, ewig bleib ich ja nicht hier.´ ,Und dein Vater?´ ,Der? Och, das ist längst wieder in Ordnung. Als er mich hier zum erstenmal besucht hat, sind wir nur so´n bißchen im Garten rumgelaufen, und dann hat er mir gesagt: ,Mensch, Junge, was ich jetzt für´n Geld spare! Ich brauche ja monatelang keine Zigaretten mehr zu kaufen!´ Da hatte er oben auf dem Boden unser Vorratslager entdeckt. Der war ganz zufrieden. Der ist auch in Ordnung, abgesehen davon, daß er säuft. Bestimmt.“9 An diesem Beispiel können wir die Lebensgeschichte eines Jungen aus dem Heim beobachten, schwierige Umstände, unter denen er aufwuchs, bis er ins Heim kam. Eben so interessant ist die Umgangssprache von Jugendlichen, die Noack verwendet.
„Erziehen heißt´, so sagte er, ,das Gute, das in einem Bengel steckt, zu fördern, das Schlechte zu unterdrücken. Bei den Kerlen, die wir hier bekommen, gibt es da wenig zu fördern und viel zu unterdrücken, das werden Sie selbst noch merken, wenn Sie erst soviel Erfahrung haben wie ich.“10 So spricht Herr Hamel. Vielleicht vergaß er, das Gute bei den Jungen zu sehen, weil er nur Ärger, Sorgen und Kummer mit ihnen hatte. Das beobachten wir auch bei einer Hamels Aussagen, als er dem Jochen zum Geburtstag gratulierte: „ ,Wenn man vierzehn geworden ist, dann ist man strafmündig, und wenn nun wieder einmal etwas vorfällt, dann kommst du nicht mehr glimpflich davon, sondern dann mußt du vor den Richter.´Ein seltsamer Glückwunsch.“11
„Fallen ist keine Schande, aber liegenbleiben.“12 – vielleicht dieses alte Wort, das zu Jochen sein Lehrer, Herr Kremer sagte, kann ein optimistisches Ende für problematische Jugend darstellen.
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