Dieses Kapitel soll uns das Leben, die Rituale, Gewohnheiten am Bauhaus nähern.
Ich habe den Alltag am Bauhaus in 3 Unterkapitel geteilt: Körper und Bauhaus, Frauen und Bauhaus, und Bauhaus intim. Ich fand nämlich diese drei Themen sehr interessant.
2.7.1 Körper und Bauhaus
“Denkst Du gelb, so kocht sie Tee, denkst du braun, so kocht sie Kaffee” so Gertrud Grunow 1922. Mit diesem Satz können wir ihre Lehre charakterisieren. Ihre Arbeit am Bauhaus sollte Körperbewusstsein und Bewegungslust entwickeln.
„Modernes Leben, modernes Bauen und Gestalten scheinen eine Symbiose mit einer gesunden, körperorientierten Lebensweise einzugehen.“43
Die Musikpädagogin Gertrud Grunow lehrte also diese Erziehungsgymnastik. Sport und Gymnastik unterrichtete am Bauhaus von 1928 bis 1932 Karla Grosch. Sie hat bei den tänzerischen Aufführungen der Bauhausbühne mitgewirkt (Bild Nr.7).
Neue Bewegungsschulung kam mit Margarethe Trenkel, die die künstlerisch unmittelbar nutzbare Körpererfahrung unterrichten wollte. 30 Studenten des Bauhauses nahmen an den Gymnastikstunden teil. Das war für Trenkel ein großer Erfolg. Im November 1919 bat Gropius um die Möglichkeit, die Turnhalle des Wilhelm- Ernst- Gymnasiums schrieb. In dem Brief, den Gropius an den Direktor des Gymnasiums geschrieben hat, sind unter 30 Unterschriften der Männer auch mindestens fünf weibliche Unterschriften.
„Der unmittelbare Zusammenhang von körperlicher und geistiger Harmonie als Grundlage schöpferischen Potentials war auch das theoretische Zentrum des Vorkurses in Weimar“.44
Gertrud Grunow wandte sich 1919 an Johannes Itten, um am Bauhaus einen Vortrag zu halten. Es sollte ein Vortrag über „Die Erziehung des Menschen durch Auge und Ohr“ werden. Grunow´s Konzept war die Harmonisierung der Persönlichkeit mittels Ton, Farbe und Bewegung. Man muss festlegen, die grundlegende Beziehung zwischen Tönen und Bewegungskonsequenzen oder Körperhaltungen. Die ausgebildete Gesangslehrerin entwickelte die Tonustheorie der Wahrnehmung. Ziel war, ein Gleichgewicht durch das innere Erleben von Klang und Farbe zu finden. So wurde ab 1923 so genannte Harmonisierungslehre von ihr unterrichtet.
Grunow hat zum ersten Mal in ihrem Aufsatz: „Der Aufbau der lebendigen Form durch Farbe, Form und Ton die Inhalte der Unterricht“ veröffentlicht. So wurde sie der Feind der Weimarer Öffentlichkeit. In der Weimarer Zeitung 1924 schrieb man über die schrecklichen Folgen der Harmonisierungslehre. Man hat Grunow als gefährliche Straftäterin bezeichnet und vom Anwenden der gesetzlich verbotenen Methode der Schreckhypnose angeklagt. Im Frühjahr 1924 trennte sich vom Bauhaus.
2.7.2 Frauen und Bauhaus
„Im Schatten der Schule standen vor allem die Frauen, deren beachtliche Anzahl etwa ein Drittel der Bauhäusler ausmachte.“ 45 (Bild Nr.8).
In der Weimarer Republik konnten schon die Frauen studieren und wählen. Sie sahen es als neue Möglichkeit. Im Krieg hatten sie die Männer in vielen Bereichen ersetzt und haben neues Selbstbewusstsein gewonnen. Man kann sagen, dass die Gesellschaft in diesem Sinne durch den Krieg modernisiert wurde. Eine beispielhafte Verkörperung war Marlene Dietrich.
Die Leute haben viel verloren, ihr Vermögen, Freunde, Familie. Sie möchten jetzt leben und sich vergnügen (Ende der 20er Jahre wurden wöchentlich sechs Millionen Karten für Kino verkauft).
Also in dieser Zeit könnten die Frauen als Ärztin oder Juristin arbeiten. In der politischen Sphäre finden wir auch viele weibliche Talente: Rosa Luxemburg oder Alice Salomon. Die Frauen konnten am Bauhaus beweisen, dass sie auch kompetent sind.
Es war aber nicht einfach, man diskutierte über den Sinn des Lebens, hungerte sich durch die krisengeschüttelte Nachkriegszeit, suchte den Lebensweg, teils in der persischen Sektenlehre des Mazdaznan, die der Itten so wirkungsvoll verkörperte, teils in der künstlerischen Arbeit .Beide Geschlechter haben den Krieg anders erlebt und hatten andere Erfahrung. Gropius wollte, dass die Studenten enger zusammenschmieden, und dazu sollten viele Feste am Bauhaus dienen. “Neben traditionellen Anlässen wie Weihnachten oder Neujahr wurden die Geburtstage der Bauhausmeister gefeiert oder zum Beispiel die Einbürgerung des Ehepaars Kandinsky. In der Regel inszenierte Oskar Schlemmer diese Feste.” Er war Maler und Formmeister der Bauhausbühne.
Die Formmeister des Bauhauses beschlossen 1920 eine Frauenklasse zu gründen. Schritt für Schritt hat sich eine Frauenabteilung herausgebildet. Diese Abteilung beschäftigte sich mit textilen Arbeiten, Buchbinderei und Töpferei.
Das Bauhaus war im Allgemeinen nicht gegen eine Gleichbehandlung der Geschlechter, aber es sollte sie nichts kosten, so das erste Programm des Staatlichen Bauhauses Weimar.
Im öffentlichen Leben konnten die Frauen zur Wahl gehen, anders am Bauhaus. Hier stand Ihnen dieses Recht nicht zu. Bei der Auswahl der Werkstätten wurden sie durch Männer beraten und beeinflusst
“So ergab der Itten -Vorkurs manches Mal, dass die Frauen im dreidimensionalen Sehen angeblich eine Schwäche hätten und sich deshalb besser mit der Fläche beschäftigen sollten. “46
Die weibliche Klasse hatte keine besondere Bestimmung und die Tätigkeitsbeschreibung kennen wir leider nicht. Im Jahr 1921 öffnete die deutsche Kunstakademie in München dem weiblichen Geschlecht ihre Pforten. Trotzdem hat Oskar Schlemmer in seinem Tagebuch, am 2.3.1921, überlegt, die Frauen gänzlich aus dem Bauhaus auszuschließen.
Wir können nur drei Ausnahmen der am Bauhaus bekannten Frauen nennen. Die erste war schon uns bekannt Gunta Stölzl. Ein interessanter Fall war auch Johanna Hummel, die Gropius in die Metallwerkstatt eingeladen hat. „Was Sie bisher gemacht haben, müssen Sie ganz liegen lassen, um sich in die Führung unseres Meisters zu begeben” so Gropius in einem Brief an Johanna Hummel. Der Meister, Naum Slutzky, war technisch auf ähnlichem Niveau wie Hummel. Sie war sicherlich begabt, aber wie Sie Gropius mitgeteilt hat, ohne Stipendium und ohne den Verkauf ihrer Arbeiten konnte sie sich das Studium am Bauhaus nicht leisten. Marianne Brandt, verheiratet und schon als Malerin ausgebildet, wurde als Ausnahmetalent vom Bauhausmeister und Leiter der Metallwerkstatt, Moholy-Nagy, entdeckt und gefördert. Dieses Patronat war der sicherste Weg in die Werkstatt, wo sie sich in einem männlich dominierten Arbeitsbereich durchsetzen konnte.
2.7.3 Bauhaus intim
Im Jahr 1924 war in der Weimarer Zeitung Bauhaus als Sündenpfuhl mit den zwangsläufigen Folgen ungewollter Schwangerschaften bezeichnet. Klare, junge modern denkende Menschen, solche waren am Bauhaus und haben ein funktionalistisches Leben geführt. Stellen wir uns einen Bauhäusler aus Fleisch und Blut vor, wie hat er geliebt? (Bild Nr.9).
„Die Geburt eines echten Bauhauskindes wurde von den Schülern als freudiges Ereignis betrachtet und war ein willkommener Anlass zum feiern. War ein lebendiges Bauhauskind nicht der bessere Inhalt für eine Bauhauswiege als ein Würfel. Im Gegensatz zum üblichen Jammern und Klagen in einem solchen Fall trugen die Bauhäusler die Folgen gemeinsam und offenbar mit Freuden. Das war der eigentliche Skandal.’’47
Die Öffentlichkeit wollte das natürlich nicht akzeptieren. Dabei passierte hier nichts anderes als in der übrigen Welt. Die Leute, die ans Bauhaus kamen, waren nicht die typischen Studenten der damaligen Zeit, die nur die Kunst erneuern wollten. Sie wollten viel mehr, sie wollten auch einen neuen Lebensstil vermitteln, ein gemeinsames Leben nach ihren eigenen Vorstellungen.
Also eins muss gesagt werden, das Bauhaus war kein Kloster, aber auch kein Freudenhaus. Das Musterhaus am Horn, ermöglicht uns, einen Blick auf die Gestaltung der Lebensumstände nach den Ideen des Bauhauses. Ein großer zentraler Raum für das gemeinsame Zusammenleben, aber auch private Zimmer als Rückzugspunkt. Das war das Konzept für das Zusammenleben. Eine Bauhaussiedelung, wo die einzelnen Familien wohnen sollten, war wieder etwas ganz anderes als Gemeinschaftsleben. In diesem Fall fügte sich das bauliche Konzept die Bedürfnisse der Kinder, welche eine wichtige Rolle in allen Überlegungen des Bauhauses spielten (Bild Nr.10).
„Das Dessauer Prellerhaus wurde das Zuhause vieler Studierender und Zentrum einer toleranten Gemeinschaft. Kinder und Jugendliche wie Felix Klee, die in diesem Umfeld aufwuchsen, waren freier als die innerhalb enger gesellschaftlicher Konventionen erzogenen Gleichaltrigen. Sicher fiel es auch Manon Gropius während ihres Besuchs beim Vater in Dessau so schwer, mit den Bauhauskindern zurechtzukommen. “48
3. Seine Persönlichkeiten
In dem dritten Kapitel wollte ich etwas über die besten und einflussreichsten Leuten am Bauhaus sagen.
3.1 Walter Gropius (1883–1969)
Sein voller Name ist Adolf Georg Walter Gropius. Er wurde am 18.3. 1883 in Berlin geboren. Walter Gropius entstammte einer weit verzweigten Architektenfamilie. Der Bruder seines Großvaters, Martin Gropius, entwarf das Kunstgewerbemuseum in Berlin. Gropius begann sein Architekturstudium 1903 an der Technischen Hochschule München und wechselte 1906 -07 an die Technische Hochschule in Charlottenburg.
Seit 1907 arbeitete er im Büro von Peter Behrens. Hier lernte er Ludwig Mies van der Rohe kennen. Im Juni 1910 verließ er das Büro von Peter Behrens und eröffnete mit Adolf Meyer, einem weiteren Assistenten von Peter Behrens, ein eigenes Architekturbüro. 1911 erhielt Gropius den Auftrag, das Fabrikgebäude der Schuhfabrik Fagus in Alfeld zu bauen.
Gropius hatte großes Glück, einen Bauherrn zu finden, der in seltener Aufgeschlossenheit auf seine Pläne einging. Ein Vorentwurf - in traditionellen Formen- lag bereits vor. Karl Benscheidt, der Bauherr und Besitzer der Fagus-Werke, wollte aber einen Fabrikbau nach modernen Gesichtspunkten errichten. Durch Zufall wurde er mit Gropius bekannt, dessen Vorstellungen ihm so sehr zusagten, dass er ihm den endgültigen Auftrag gab. Gropius hielt sich in der Grundrissgestaltung im Wesentlichen an den Vorentwurf, ging aber in der Einzeldurchbildung und in der Fassadengestaltung einen völlig neuen Weg. Das Bürogebäude der Fagus-Werke wurde nach den jahrhundertealten Konstruktionsmethoden als Mauerwerksbau mit Pfeilern in der Vorderfront und einer tragenden Wand als Rückfront ausgebildet. Zum ersten Mal wurden bei den Decken die Stahlträger verwendet. Neuartig war die Formidee, die die nichttragende Funktion der Außenwand zwischen den Pfeilern dadurch ästhetisch zu verdeutlichen hatte. Und sie wurde als dünne Haut aus einem Stahlwandfachwerk ausgebildet. Die Sprossen hatten keinerlei statische Hauptfunktion, sondern dienten lediglich zur Befestigung des Glases und der Platten. Es ist Gropius hier gelungen, zu einer unverwechselbar neuen Form im Industriebau zu kommen und gleichzeitig eine Entdeckung vorwegzunehmen, die heute als Curtain Wall zu einem der wichtigsten Gestaltungselemente im Hochhausbau geworden ist. Im Jahre 1912 beteiligte sich Gropius aktiv am Deutschen Werkbund.
Als deren jüngstes Mitglied erhielt er einen Bauauftrag für die Kölner Werkbund-Ausstellung (1914). Im Jahre 1915 heiratete er Alma Mahler. Im Jahre 1919 gründete er das Staatliche Bauhaus in Weimar und wurde dessen Direktor. Er war im Jahre 1923/24 ein Mitbegründer des Rings, das war eine Gruppe der avantgardistischen Architekten, unter der Leitung Mies van der Rohe. Ab Jahre 1926 setzte er sich mit dem Massenwohnbau auseinander und trat für die Rationalisierung der Bauindustrie ein.
Zur Lösung der städtebaulichen und sozialen Probleme der Siedlungsbauten propagierte er die Wohnhochhäuser. In den kommenden Jahren entstanden zahlreiche Wohnungsbauprojekte wie die Siedlung Dessau-Törten (1926–1931), die Wohnblöcke in der Siedlung Siemensstadt in Berlin (1929-1930) und das Projekt Wannsee-Uferbebauung in Berlin (1930-1931).
1928 trat er von der Leitung des Bauhauses zurück. Gropius nahm seine selbständige Tätigkeit in Berlin wieder auf.
Da die Nationalsozialisten den Ring als Organisation der „jüdisch-bolschewistischen“ Architekten und das Bauhaus als „Kirche des Marxismus“ im Jahre 1934 bezeichneten, floh er ins Exil nach England.
Was interessant ist, dass Mies van der Rohe und Walter Gropius während der 30er Jahre keineswegs von Nazis abgelehnt wurden, sondern die beiden reichten Vorschläge für die 1934 von den Nationalsozialisten organisierte Ausstellung „Deutsches Volk–Deutsche Arbeit“ ein – inklusive Hakenkreuz auf den Entwürfen. Das Verhältnis von Mies zu den Nationalsozialisten war besonders unklar. Er entwarf für die Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit nicht nur die Abteilung Bergbau, sondern wurde auch gebeten, den deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1935 in Brüssel zu entwerfen. Gemeinsam mit seiner Partnerin Lilly Reich erhielt Mies den Auftrag, die Abteilung Textilindustrie in Albert Speers deutschem Ausstellungspavillon auf der 1937 in Paris stattfindenden Weltausstellung zusammenstellen. Ebenso bemerkenswert ist, dass die Schüler von Gropius – Hanns Dustmann, Oto Meyer-Ottens,und von Mies-Eduard Ludwig, Ernst Walther unter den Nationalsozialisten beruflich sehr erfolgreich waren. Das ist ein Beweis dafür, dass die Nationalsozialisten die Verbindung zum angeblich verhassten Bauhaus nicht als Karrierehindernis betrachteten. Es geht mir nicht darum, diese Personen anzuklagen, sondern zu zeigen, dass das Bauhaus im Jahre 1933 nicht einfach endete.
Dann emigrierte er nach Cambridge (Massachusetts-USA) und wurde Professor der Architektur an der Graduate School of Design der Harvard University. Er eröffnete ein eigenes Architekturbüro in Cambridge. Der Bau der Großsiedlung „Gropiusstadt“ in West-Berlin entstand ab Jahre 1960. Walter Gropius starb in Boston im Jahre 1969.
3.2. Hannes Meyer
1889 in Basel geboren, technisch und handwerklich geschult, wie Gropius, Mies oder Le Corbusier ohne klassische Hochschulausbildung, begann er während des Ersten Weltkrieges eine eigenständige Architektentätigkeit. In Basel realisierte er von 1919 bis 1922 sein erstes großes Projekt. Es ging um die genossenschaftliche Siedlung Freidorf für den Verband Schweizerischer Konsumvereine.
Zugrunde lagen dabei die gesellschaftlich-pädagogisch und funktional begründeten Kleinen Kreise, die dem Erziehungsmodell Pestalozzis angelehnt sind. Hier ist die Familienzelle der Ausgangspunkt für ein baulich-räumliches Modell, das als symbolische Metapher für das genossenschaftliche Modell fungiert. In diesem System der Kleinen Kreise liegt Meyers Welt und Lebensmodell begründet. Es führt ebenso zur Baulehre Hannes Meyer am Bauhaus. Seine Projekte und Entwürfe führen über das kollektivische Moment zu seinem Wissenschaftsbegriff, seiner marxistischen Gestaltungslehre, wie er es später nennen wird.
In den Jahren von 1922 bis 1926 durchlief Meyer im Zeitraffertempo alle Stationen der modernistischen Bewegung dieser kulturell bewegten Jahre. Er radikalisierte seine gesellschaftlich- kulturellen Positionen zu Architektur und zeitgenössischer Ausdruckskultur. Er arbeitete in verschiedenen Disziplinen: als Lektor und Mitstreiter extrem kompromisslos argumentierender, theoretischer Zeitschriften, als Verfasser lyrischer, aber auch radikal- pointierter Manifeste, als Mime, Propagandist, Ausstellungsorganisator und Dekorateur.
Die Arbeiten der Jahre 1923 bis 1926 gipfelten im so genannten Laboratorium Meyer-Wittwer in Basel, wo er mit dem Schweizer Architekten und späteren Bauhauslehrer Hans Wittwer die legendären Entwürfe für die Petersschule in Basel und das Völkerbundgebäude in Genf entwickelte (Bild Nr.11).
Bei der Eröffnungsfeier für das Dessauer Bauhaus im Dezember 1926, bei der Meyer anwesend war, wurde Walter Gropius auf ihn aufmerksam und trug ihm schon kurze Zeit später seinen Wunsch vor, er möge die neue gegründete Bauabteilung leiten und eine Meisterklasse für Architektur übernehmen. Meyer bot von Frühjahr 1927 bis Frühjahr 1928 Kurse an, die sich allgemeinen Fragen des Bauens widmeten. Es fehlten aber Studenten, nie waren mehr als zehn Studenten pro Semester, die am Bauhaus Architektur studiert haben. Meyer akquiriert die Aufträge für seine Bauabteilung.
Mit Hannes Meyer hatte das Bauhaus Dessau von 1928 bis 1930 seinen umstrittensten Direktor. Seine Berufung, seine Arbeit am Bauhaus, und seine theoretischen Positionen waren umstritten. Er hat die Schule nach außen geöffnet, hat die Zusammenarbeit mit der Industrie forciert, umstrukturiert etc. Doch Hannes Meyers Verdienste blieben ebenso lange im Dunkeln wie Gropius ´Ruf widerspruchslos strahlte.
3.3 Ludwig Mies van der Rohe
Am 27. März 1886 wurde er als Sohn eines Bauunternehmers in Aachen geboren.
Er begann die selbständige Tätigkeit im Jahre 1912. Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er einberufen. „ Im Jahre 1921 hängt er seinem Nachnamen Mies den Familiennamen seiner Mutter van der Rohe an, um zu zeigen, dass der Krieg einen anderen Menschen aus ihm gemacht hat.“ 49 Im Jahre 1923 war er der Mitherausgeber der avantgardistischen Zeitschrift G, in der er sich radikal zur modernen Architektur bekannte. Er wurde zum künstlerischen Leiter des Deutschen Werkbunds im Jahre 1925 ernannt und im selben Jahr projektierte er im Auftrag der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) die Grabsteine für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde aufgestellt wurden. Mies van der Rohe war verantwortlich für die künstlerische Planung und Ausführung der Weißenhofsiedlung in Stuttgart (aus den Jahren 1927) im Rahmen der Werkbundausstellung Die Wohnung, wo die Architekten das „Neue Bauen“ propagieren.
In diesem Zeitabschnitt (1928-29) projektierte er den Deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona. 1928–1930 entwarf er das Haus Tugendhat in Brünn (in der damaligen Tschechoslowakei). Im Jahre 1930 wurde Mies van der Rohe wurde von Gropius zum Leiter des Bauhauses berufen. Nach der Schließung des Bauhauses in Dessau zog er mit dem Bauhaus nach Berlin- Steglitz um. Zwei Jahre später beteiligte er sich an einem internen Wettbewerb für den Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel, doch sein Entwurf wurde von Adolf Hitler abgelehnt. Eine praktische Tätigkeit als Architekten wurde wegen der Nationalsozialisten für ihn ganz unmöglich.
Im Jahre 1938 emigrierte er in die USA und wurde zum Architekturleiter am Illinois Institute of Technology in Chicago berufen. 1959 erhielt Mies van der Rohe mit dem Bau des Chicago Federal Center den ersten staatlichen Auftrag in den USA.
1965–1968 wurde die Neue Nationalgalerie in Berlin von ihm projektiert.
Am 17. August 1969 starb Ludwig Mies van der Rohe in Chicago.
3.4. Andere wichtigen Persönlichkeiten
In diesem Unterkapitel möchte ich etwas über interessanten Persönlichkeiten am Bauhaus sagen. Karel Teige ist für uns wichtig, weil er der einzige Tscheche war, der am Bauhaus unterrichtete. Weiter habe ich Gunta Stölzl ausgewählt, weil ich zeigen möchte, welche Stellung die Frauen am Bauhaus hatten. Ich möchte zeigen, dass die Ideen des Bauhauses nicht nur in der Kunst neu und revolutionär waren, sondern auch die Einstellung zum Leben und zum Denken.
3.4.1 Karel Teige
Karel Teige ist am 13. Dezember 1900 in Prag geboren. Er war ein tschechischer Kritiker, Kunsttheoretiker, Publizist, Künstler und Übersetzer. Man kann sagen, er war eine vielseitige, politisch links orientierte Persönlichkeit. Er beteiligte sich an der Gründung des Poetismus und engagierte sich in den Bereichen Bildende Kunst, Architektur, Film und Literatur. Er propagierte konsequent die avantgardistische Kunst und Lebensart. „Als Organisator, Theoretiker und Vermittler beeinflusste er die Entwicklung der tschechischen Kultur, vor allem des Poetismus und des Surrealismus. Jaroslav Seifert nannte seine Generation die „Generation Teige“.“ 50
Im Jahr 1919 begann er das Studium der Philosophie an der Karls-Universität Prag. Bereits aber widmete er sich mit ganzer Energie seinen Aktivitäten im Bereich der Avantgarde der Kunst. Ein Jahr nachher wurde er zur führenden Persönlichkeit des Vereins für moderne Kultur ′Neunkräfte (Devětsil). In diesem Rahmen formulierte er sein Verständnis der proletarische Kunst, die im Gegensatz zum sowjetischen Kunstmodell keine didaktischen Ansprüche erhob, sondern sich mit dem tatsächlichen kulturellem Leben der Proletarier auseinandersetzte: großstädtische Folklore, Zirkus, Groschenromanen, Filmvorführungen etc.
Das Hauptmotiv des von Karel Teige 1924 in einem ersten Manifest definierten Poetismus ist: der Poetismus möchte das Mittel sein, dass die menschliche Vorstellungs- und Schaffenskraft erweitern möchte um ein Gleichgewicht zwischen der modernen Zivilisation und der menschlichen Sensibilität zu erreichen. Die Kunst sollte zu einem dauerhaften Bestandteil des Lebens werden.
1928 und 1930 verfasste Teige weitere Manifeste des Poetismus, in denen er einerseits die Poesie für alle Sinne weiter ausführt und andererseits versucht die marxistische Soziologie der Kultur mit Sigmund Freuds Psychoanalyse zu verknüpfen.
1927 bis 1930 redigierte er die Monatsschrift ReD (Revue Devětsil) die zu einer führenden Zeitschrift der europäischen Avantgarde wurde.
Die geisteswissenschaftlichen Disziplinen wurden am Bauhaus von Karel Teige vorgetragen. Er war am Bauhaus einziger wirkender Tschechoslowake.
Im Rahmen seiner ästhetischen Überlegungen beschäftigte sich er kontinuierlich mit der Ästhetik und der Soziologie der Architektur. Am Anfang der 30er Jahre beschäftigte er sich neben der antifaschistischen Publikationstätigkeit fast ausschließlich mit der Soziologie der Architektur. Teige propagierte den Funktionalismus und den Konstruktivismus, wobei er beide Stile als technischen und wissenschaftlichen Dienst an den Bedürfnissen der Menschheit ansah, mit der Tendenz von der Form zur Funktion zu streben. Er polemisierte mit Le Corbusier. Er definierte im Gegensatz zu diesem die Architektur als gesellschaftlich-wissenschaftliche Disziplin. 1930 publizierte er das umfangreiche Werk „Zur Soziologie der Architektur“. Dieses Buch ermöglichte ihm 1929 bis 1930 die Gastprofessur an der Hochschule Bauhaus Dessau. Eine ähnliche Wertschätzung wie gegenüber den architektonischen Ansätzen des Bauhauses hegte er auch für den sowjetischen Konstruktivismus, den er in seinem Buch „Entwicklung der sowjetischen Architektur“ thematisierte.
Er wurde auch durch das Medium Fotografie und Film stark angezogen. Im Jahr 1925 veröffentlichte er das Buch „Film“, es folgten Studien zu Charlie Chaplin und zu sowjetischen Filmschaffenden. 1929 erschien seine Studie „Zur Ästhetik des Films“ welche seine Erkenntnisse zusammenfasste und den Film als reine Kunst des Bildes und der Bewegung definierte. Sein künstlerisches Werk hat auch große Bedeutung. Es handelt sich hierbei um typografische Arbeiten, Illustrationen, Fotomontagen und Collagen die vor allem aus seiner surrealistischen Phase datieren.
1934 gründete Karel Teige gemeinsam mit seinem Freund und Poeten Vítězslav Nezval die surrealistische Gruppe. Den historischen Hintergrund bietet der nationalsozialistische Aufstieg in Deutschland und die Forcierung des sozialistischen Realismus in der Sowjetunion. Karel Teige verstand den Surrealismus nicht als ästhetische Schule sondern als Philosophie des Lebens die die Perspektive der revolutionären Realität und die Fantasie, das Kollektive und die Freiheit, den Verstand und das Gefühl vereinigte. Im Gegensatz zu André Breton lehnte Teige die Mystik und den Okkultismus ab und bestand auf der marxistischen Soziologie der Kunst. Im Jahr 1936 veröffentlichte er seine umfangreiche Arbeit Jahrmarkt der Kunst, welche das Ergebnis seiner Studien zum Phänomen „moderne Kunst“ erläutert.
In Surrealismus gegen den Strom verurteilt er 1938 die Kampagne der stalinistischen Macht gegen die moderne Kunst und zieht Parallelen zu damals gegenwärtigen Ereignissen in Hitlerdeutschland (Entartete Kunst).
Während der Okkupation widmete er sich weiter seinen ästhetischen Studien und gab einige Monografien heraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb er ein Doktorat. Dieses wurde aber aus politischen Gründen nicht erteilt. In der Nachkriegskunst widmete er sich der Typografie, der Gebrauchsgrafik und der Publikation seiner Studien in Zeitschriften. Weiter war er für die surrealistische Gruppe tätig und eröffnete 1947 die internationale Ausstellung des Surrealismus. Nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 in der Tschechoslowakei wurde er zum Opfer einer aggressiven denunziantistischen Hetze. Er lehnte jede Anpassung an das Regime entschieden ab.
Teige freundete sich mit einer Gruppe junger Surrealisten an, unter anderem auch mit Jindřich Štyrský, und beteiligte sich an den Samizdat -Ausgaben Tierkreiszeichen.
Karl Teige starb wenige Tage vor einer polizeilichen Hausdurchsuchung, bei der große Mengen seiner Handschriften verschwanden, am 1.Oktober 1951 an einem Herzinfarkt. Unmittelbar nach seinem Tod begingen zwei Frauen, zu denen Karl Teige eine enge Beziehung hatte, Selbstmord, Frau Nevařilová und Frau Ebertová.
Zu seinen Studien gehören weiter auch „Welt, die duftet“ oder „Welt, die lacht“. Zu seinen bekanntesten wissenschaftlichen Arbeiten gehören: Jan Zrzavý, Moderne Fotografie in der Tschechoslowakei, oder Moderne Architektur in der Tschechoslowakei.
3.4.2 Gunta Stölzl
Gunta Stölzl wurde am 5. März 1897 in München geboren. Sie war deutsche Weberin und Textildesignerin. Gunta Stölzl gilt als bedeutende Vertreterin der Bauhaus-Kunst. Ihre Werke sind in vielen Museen zu finden, unter anderem im Museum of Modern Art in New York City.
Von 1914 bis 1916 und 1919 studierte Stölzl an der Kunstgewerbeschule in München. Ihre nächste Station war das Bauhaus in Weimar, wo sie von 1919 bis 1925 studierte. Danach ging sie ans Bauhaus in Dessau, wo sie als Werkmeisterin schließlich für vier Jahre die dortige Textilwerkstatt leitete. Es war im Jahre 1927, als Muche resignierte. Sie übernahm die Leitung der Werkstatt und wurde dadurch die erste und einzige Jungmeisterin der Schule. Diese Berufung können wir als die ungewöhnlichste Stellenbesetzung in der Geschichte des Bauhauses bezeichnen. Stölzl erarbeitete ein völlig neues Ausbildungsprogramm. Sie strukturierte auch die Werkstattarbeit neu. Die Weberei unterteilte sich in eine Lehr- und Produktionswerkstatt (Bild Nr.12).
In der Produktionswerkstatt konnten die gelernten Studentinnen an Mustervorlagen für die Industrie und an stärker künstlerisch orientierten Einzelstücken arbeiten. Es wurde mit den neuen Materialien experimentiert und man entwickelte preisgünstige Stoffe für den breiten Markt.
Im Jahr 1928 kam es aber zu einem großen Umbruch. Hanney Meyer wurde Direktor. Er veranlasste gründliche Revision der Werkstattarbeit. Gunta Stölzl hat im 1931 gekündigt. Die kommisionarische Leitung übernahm Anni Albers.
Im Jahr 1931 gründete Stölzl in Zürich eine Handweberei, zwei Jahre später mit Heinrich-Otto Hürlimann eine eigene Werkstatt, die sie bis 1967 führte. Nach der Aufgabe ihrer Werkstatt beschäftigte sich Stölzl bis zu ihrem Tod vorwiegend mit Bildteppichen. Sie verstarb am 22. April 1983 in Zürich gestorben.
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