SG Lüneburg S 30 AS 328/05 ER, B.v. 11.08.05, info also 2005, 225
www.alg-2.info/info_argumente/sg-lueneburg0508.pdf Die Antragstellerin benötigt zur Behandlung ihrer Neurodermitis für eine konsequente Dauertherapie bestimmte rezeptfreie Medikamente und Hautpflegeprodukte sowie für die Reinigung der Kleidung von ca. 240.- € monatlich. Hinzu kommen Kosten für die Anschaffung spezieller Kleidung und eine spezielle Ernährung. Die Antragstellerin war seit 2004 dreimal zu einem längeren stationären bzw. Kuraufenthalt in der Klinik. Das Jobcenter bewilligte nach § 21 Abs. 5 SGB II einen Mehrbedarf für Ernährung von 25,56 € monatlich und lehnte weitere Leistungen ab.
Das Gericht sprach der Antragstellerin den Anspruch in Höhe von 240.- € bzw. der tatsächlich nachgewiesenen Kosten zu. Die Stellungnahme ablehnende des amtsärztlichen Dienstes lässt eine medizinisch begründete Auseinandersetzung mit den vorgelegten Attesten der behandelnden Ärzte nicht erkennen. Darüber hinaus wurde die Stellungnahme nach Aktenlage ohne Untersuchung der Antragstellerin abgegeben. Die Antragstellerin hat mit den Attesten glaubhaft gemacht, dass ihr der Bedarf entsteht. Angesichts der Höhe der Ausgaben ist offensichtlich, dass die Regelleistungen zur Bedarfsdeckung nicht ausreichen, weil sie die üblicherweise anzusetzenden Beträge für derartige Produkte weit überschreiten.
Die Leistungen sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Darlehen zu erbringen. Allerdings erscheint problematisch. dass das Darlehen durch laufende Aufrechung mit dem Regelsatz zu tilgen ist. Im Hinblick auf die Höhe der Leistung könnte darin ein Verfassungsverstoß liegen. Im SGB II fehlt der dem früheren § 3 BSHG entsprechende, in § 9 SGB XII enthaltene Individualisierungsgrundsatz, eine Öffnung der Regelleistung für individuelle Bedarfe ist damit weitgehend verhindert. Da es jedoch in Einzelfällen vorkommen kann, dass die Regelleistung das soziokulturelle Existenzminimum nicht mehr abdeckt, ist in diesen Fällen in verfassungskonformer Auslegung im Einzelfall ein höherer Bedarf anzuerkennen (Eichler/Spellbrink, SGB II, § 20 Rn 8; LPK-SGB II, § 20 Rn 23). In der Rückforderung des Darlehens könnte möglicherweise ein Verfassungsverstoß liegen. Wenn die zusätzlichen Leistungen für längere zeit - etwa mehr als ein Jahr - benötigt werden, wird das Jobcenter daher zu prüfen haben, im Wege der Ermessensausübung von einer Aufrechung abzusehen.
Die von der Antragstellerin favorisierte Heranziehung des § 48 SGB XII (Krankenhilfe als Sozialhilfeleistung) kommt nicht in Betracht, da danach nur im selben Umfang wie von der Krankenversicherung Leistungen gewährt werden können.
Die Anwendung des § 73 SGB XII scheitert daran, dass die hier fraglichen Leistungen dem Lebensunterhalt und nicht der Hilfe in besonderen Lebenslagen zuzuordnen sind.
§ 28 SGB XII kann nicht herangezogen werden, da nach § 5 Abs. 2 SGB II diese Leistung für Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen ist.
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