§ 2 AsylbLG F. 1993 - Verweis auf Sachleistungen ist zulässig
OVG Frankfurt/Oder 4 B 48/94, B.v. 08.09.94, IBIS e.V.: C1032 (AuAS 1995, 46), 4 B 74/94, B.v. 03.11.94 (FEVS 45/95, 312), 4 B 89/94, B.v. 09.11.94 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2065.pdf sowie 4 B 332/94, B.v. 09.02.95 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2063.pdf (NVwZ-Beilage 6/95, S.42; EZAR 463 Nr 5) und 4 B 66/95, B.v. 26.01.96, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2062.pdf (betr. u.a. Magazinversorgung in Potsdam, in Althüttendorf/Eberswalde sowie Wertgutscheine in Neuruppin und in Zossen):
§ 2 AsylbLG zwingt entgegen der in der Rechtsprechung ganz überwiegend vertretenen Ansicht nicht generell (Anm.: Hervorhebung durch das Gericht) dazu, laufende Leistungen zum Lebensunterhalt als Geldleistungen zu gewähren. Das dem BSHG zugrundeliegende normative Leitbild des Sozialhilfeempfängers kann nur insoweit maßgeblich sein, als es mit der rechtlichen Situation des Asylbewerbers übereinstimmt. Zu berücksichtigen ist, daß ein Daueraufenthalt mit entsprechend verfestigten Lebensperspektiven noch nicht vorliegt. Der Senat hat keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Gewährung von Sachleistungen in dem der Gemeinschaftsunterkunft angeschlossenen Magazin und die Zahlung lediglich der Differenz zum Regelsatz in Höhe von 140 DM in bar. Der Senat hält es für zulässig zu berücksichtigen, daß in der Gemeinschaftsunterkunft auch § 3 AsylbLG unterfallende Asylbewerber untergebracht sein können, wobei es nicht darauf ankommt, ob in der Unterkunft tatsächlich Leistungsberechtigte nach § 3 leben, da sich diese Verhältnisse täglich ändern können (in dem Wohnheim in Althüttendorf leben ausschließlich Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG!). Es wäre einem geordneten und menschlich auskömmlichen Miteinander in hohem Maße abträglich, wenn innerhalb der Unterkunft eine "Mehrklassengesellschaft" geschaffen würde, deren Unterscheidungsmerkmale eher zufällig entstehen. Die Antragsteller haben auch nicht mit Erfolg geltend gemacht, daß das vorgehaltene Lebensmittelsortiment überteuert sei.
Anmerkungen: Das OVG hatte zur Entscheidung vom 08.09.94 erklärt, es handele sich um einen Einzelfall, und es werde in nächster Zeit Beschlüsse geben, in denen Asylbewerbern ein Anspruch auf Geldleistungen eingeräumt werde (Märkische Oderzeitung, 27.10.94).
Mit der Entscheidung vom 09.02.95 erklärt das Gericht dann auch Wertgutscheine für zulässig und ändert seine in der Entscheidung 4 B 335/94 vom 26.10.94 zunächst vertretene Rechtsauffassung, wonach anstelle von Wertgutscheinen ein Anspruch auf Geldleistungen bestehe. In Zukunft könne kein Asylbewerber in Brandenburg mehr darauf hoffen, Bargeld ausgezahlt zu bekommen, erklärte das OVG dazu nunmehr gegenüber der Märkischen Oderzeitung.
Am 26.01.96 hat der zwischenzeitlich neu zusammengesetzte 4. Senat die Rechtsprechung des alten 4. Senates bestätigt und verwiesen auf von BSHG abweichende Zwecke des AsylbLG, eine hiernach eröffnete Ermessensausübung, eine vorliegend sachgerechte Stückelung der Wertgutscheine (kleine Beträge; Restgeldrückgabe), ein vorliegend bedarfsgerechtes Warensortiment, das ggf. auch entsprechend angepasst werden könne, sowie darauf, daß Wertgutscheine nicht diskriminierend seien.
VerfGH Brandenburg VfGBbg 17/96 u.a, B.v. 21.11.96 http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2201.pdf
weist Beschwerden gegen die Beschlüsse des OVG Frankfurt/oder als unzulässig zurück, da zunächst der Rechtsweg in der Hauptsache ausgeschöpft werden müsse.
OVG Münster 8 B 1845/94, B.v. 04.11.94, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1033.pdf (NVwZ Beilage 3/95, S. 20; EZAR 463 Nr. 4; NWVBl. 4/95, S. 142; Huber HdA, C 166 § 2 Nr. 9) und 24 B 2155/94, B.v. 13.12.94, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2064.pdf . Über die Form der Hilfe nach § 2 AsylbLG ist in entsprechender Anwendung des § 4 BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist nicht dahingehend gebunden, daß die Hilfe nur in Form der Geldleistung gewährt werden müßte, und ermöglicht es auch, Sachleistungen oder Wertgutscheine zu gewähren.
Das OVG begründet seine Entscheidung im wesentlichen mit asylpolitischen Argumenten:
- daß Schlepperorganisationen der Boden entzogen werden könnte durch Sachleistungen auch nach dem 1. Jahr des Asylverfahrens,
- daß ein wirtschaftlicher Anreiz nach Deutschland zu kommen dadurch gemindert werden könnte,
- daß die Zahl der Asylbewerber steige, deren Verfahren länger als 1 Jahr dauere,
- daß Gemeinschaftsunterkünfte und -verpflegung der Kostensenkung dienten,
- daß in diesem Sinne das Sachleistungsprinzip nach § 2 AsylbLG die "größte Wirksamkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes" garantiere,
- und daß Konflikte in Gemeinschaftsunterkünften bei Mischversorgung entstünden.
Anmerkungen:
Eine derartige Instrumentalisierung des Sozialrechts zu (asylpolitischen) Abschreckungszwecken verstößt gegen die Menschenwürde (Art 1 GG). Zudem widerspricht die Entscheidung dem völlig eindeutigen Wortlaut des § 2 AsylbLG, daß "abweichend von § 3" (also dem Sachleistungsprinzip und auf 80.- DM gekürzten Barbeträgen) das BSHG entsprechend anzuwenden ist.
Der an der Entscheidung beteiligte Richter Deibel hatte vorab in den NVWBL Heft 12/93, sowie in der ZfSH/SGB, Heft 7/94, Seite 359ff., seine eigenwilligen Interpretationen (auch eine pauschale Leistungskürzung nach § 2 AsylbLG schlägt er vor) dargelegt, so daß vom OVG Münster nichts anderes zu erwarten war.
Das OVG hat mit seinem o.g. Beschluß tatsächlich auch eine Leistungskürzung (80.- DM Barbetrag!) für rechtmässig erklärt, die eine faktische Gleichstellung mit Leistungsberechtigten nach § 3 und die völlige Mißachtung des § 2 AsylbLG beinhaltet. Das OVG erwähnt die Leistungskürzung in seinem Beschluß nicht einmal und versäumt es, zu begründen, wieso diese Kürzung gegenüber den nach § 2 AsylbLG und § 21 und § 22 BSHG festgesetzten Regelsätzen und Barbeträgen rechtmässig sein soll!
In der politischen Debatte vor Ort sollte darauf hingewiesen werden, daß das OVG die Sachleistungen nur für eine - im Rahmen der Ermessensabwägung - zulässige Variante erklärt hat, aber keineswegs für zwingend. Bargeldauszahlung bleibt selbstverständlich auch nach dieser Rechtsprechung weiterhin eine ebenso rechtlich zulässige Möglichkeit.
Schließlich scheint äußerst fraglich, ob diese vom Gesetzeswortlaut abweichende Rechtsprechung im (nur im Hauptsacheverfahren möglichen) Revisionsverfahren vorm BVerwG Bestand haben wird.
OVG Rheinland-Pfalz, 12. Senat ••••••, B.v. 29.12.94, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1185.pdf Sachleistungen nach § 2 AsylbLG für Bosnische Flüchtlinge in Notunterkünften zulässig "in Anbetracht der ungewöhnlich hohen Zahl der zu betreuenden sogenannten Bürgerkriegsflüchtlinge" und der damit einhergehenden "Schwierigkeiten wie insbesondere fehlende Kochgelegenheiten, die aus technischen und finanziellen Gründen auch kurzfristig nicht geschaffen werden können". Dazu kommt, "daß die Gefahr besteht", daß "zumindest ein Teil dieser Leistungen nicht mehr zweckgerecht verwendet wird. Darauf deutet eine Erklärung des Ministers für Inneres des Landes hin, daß die hier lebenden Bosnier dazu angehalten würden, eine Teil ihres Einkommens als freiwillige Spenden für die Kriegskosten abzuführen". Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben, es ist nicht unzumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten.
OVG Niedersachsen 12 M 580/95, B.v. 16.02.95, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1034.pdf Sachleistungen für geduldete, in der ZAST Goslar untergebrachte, gem. IMK-Verteilungsbeschluß aus Ba-Wü übernommene Bürgerkriegsflüchtlinge sind aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles zulässig, da aufgrund der Bestimmungen des nds. Aufnahmegesetzes eine Verteilung der Flüchtlinge auf die Gemeinden nicht möglich ist und weil die ZAST lediglich über eine zentrale Küche verfügt, und dezentrale Küchen aus feuerpolizeilichen und entsorgungstechnischen Gründen nicht eingerichtet werden könnten. Ob eine Selbstversorgung dennoch zumindest bezüglich der Kaltverpflegung möglich sei, wurde von den Antragstellern nicht vorgetragen oder glaubhaft gemacht.
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