OVG Sachsen 2 S 361/97 v 18.8.97, NVwZ-RR 1998, 332, GK AsylbLG vor § 1 OVG Nr. 3www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1286.pdf Der Beschluss des VG Dresden vom 23.1.97, mit dem es abgelehnt hat, den Antragstellern einen Anspruch auf ungekürzte Sozialhilfe zuzuerkennen, ist im Ergebnis zutreffend. In dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsbeschlussfassung steht den Antragstellern aufgrund der inzwischen in Kraft getretenen Änderung des AsylbLG kein Anspruch auf ungekürzte Sozialhilfe zu.
Das Rechtsstaatsprinzip ist weder wegen Unbestimmtheit noch wegen Unklarheit der Neuregelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG n.F. berührt. Durch den eingeschobenen Satzteil "frühestens beginnend am 1.6.97" ist vom Gesetzgeber deutlich zu Ausdruck gebracht, dass die Berechnung des 36monatigem Leistungsbezugs ab dem 1.6.97 für alle sich zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet aufhaltenden Leistungsberechtigten einsetzt. Aus der Inkraftretensregelung nach Art. 7 Abs. 3 sowie dem Umstand, dass eine Übergangsregelung fehlt, ist zwingend auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte umfassende Geltung zu schließen.
Die Tatsache, dass nunmehr manche Leistungsberechtigte bis zu vier Jahre abgesenkte Leistungen beziehen, während neu Eingereiste lediglich eine dreijährige Reduzierung hinnehmen müssen, führt nicht zu einem Verstoß gegen Art 3 GG. Als zu vergleichende Sachverhalte sind die Lebensumstände der sich derzeit im Bundesgebiet aufhaltenden Personengruppen anzusehen. Eine Gegenüberstellung verschiedener Leistungszeiträume verbietet sich im Hinblick auf die dem Gesetzgeber zustehende Möglichkeit, im Bereich der gewährenden Verwaltung künftige Ansprüche entsprechend der neu entstehenden Notwendigkeiten neu zu regeln.
Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen Art. 2.1 i.V.m Art. 20.3 GG (Vertrauensschutz, Verbot der echten Rückwirkung), denn es wird keine abgeänderte Behandlung eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhaltes geregelt. Auch von einer zu beanstandenden unechten Rückwirkung (in der neueren Terminologie des BVerfG als tatbestandliche Rückanknüpfung bezeichnet, vgl. BVerfG v. 30.9.87, BVerfGE 76,257) kann nicht ausgegangen werden. Eine unechte Rückwirkung ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar, der Vertrauensschutz kann aber je nach Lage des Falles der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers Schranken setzen. Ist nach Abwägung das Vertrauen in den Bestand der Regelung nicht generell schutzwürdiger als das öffentliche Interesse an einer Änderung, ist die Regelung mit der Verfassung vereinbar (BVerfGE 70, 69 (84)). Bei Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG führt bereits die Tatsache, dass es sich um Personen ohne dauerhaftes Bleiberecht handelt dazu, dass ihre Erwartung in Zukunft ungekürzte Sozialhilfe beziehen zu können nicht schutzwürdig ist. Der Senat teilt daher nicht die in der Literatur (Hohm, NVwZ 1997, 659) geäußerten Bedenken gegen die Neuregelung.
Anmerkung:Es handelte sich offenbar um ein Verfahren zur Frage der "Kürzung für Bosnier" nach AsylbLG alter Fassung! Der Eilantrag war wohl im Herbst 1996 gestellt, die VG-Entscheidung am 23.1.97 getroffen. Wieso das OVG für das Verfahren nunmehr die erst seit 1.6.97 geltende Neufassung des AsylbLG für maßgeblich hält, begründet es mit keinem Wort. Die erhebliche Verzögerung der Eilentscheidung und anschließende Entscheidung nach neuer Rechtslage bedeutet effektiv eine Rechtsvereitelung durch das OVG.
VG Schwerin 6 B 765/97 v. 26.9.97, GK AsylbLG vor § 1 Nr. 4,www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1287.pdf § 2 AsylbLG n.F. verstößt nicht gegen die Verfassung, denn einen Bestandsschutz im eigentlichen Sinne gibt es im Sozialhilferecht nicht. Sozialhilfe ist nach der Rspr. keine rentengleiche Dauerleistung, sondern auf die Beseitigung aktueller Notlagen gerichtet. Die Verlängerung der Zeitspanne des Bezugs eingeschränkter Leistungen auf drei Jahre erscheint der Kammer (noch) verfassungsgemäß, da dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Verwaltung ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Wollte man hingegen § 2 AsylbLG n.F. als gegen das Gebot der Normenklarheit verstoßend ansehen (so Hohm, NVwZ 1997, 659, 661), hätte dies nach der Gesetzeskonzeption nach Auffassung der Kammer lediglich die Konsequenz, dass zeitlich unbeschränkt die Regelungen gemäß §§ 3-7 AsylbLG anwendbar wären.
VG Lüneburg, Urteil 6 A 175/97 v. 14.1.99, NdsVBl 2000, 20, IBIS C1516Die Kläger haben 1993 Asyl beantragt und bis zum 31.7.1997 Leistungen nach § 2 AsylbLG analog BSHG erhalten. Ab 1.8.97 wurden aufgrund der 1. AsylbLG-Novelle nur noch Taschengeld, Sachleistungen und Wertgutscheine nach § 3 AsylbLG gewährt. Die Neufassung des AsylbLG verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Die Verfassung verbietet nicht, das Existenzminimum von Personen, die sich typischerweise nur vorübergehen in Deutschland aufhalten, niedriger zu bemessen (vgl OVG Nds, NVwZ-Beilage 1997, 95 zum AsylbLG F 1993 und BVerwG, NVwZ 1999, 669, zur Neuregelung 1997 OVG Sachsen, NVwZ-RR 1998, 332,). Die Neuregelung verstößt im Hinblick auf das Recht des Gesetzgebers, künftige Tatbestände neu zu regeln, auch nicht wegen Ungleichbehandlung (Kürzung jetzt für manche für vier Jahre, für manche für drei Jahre) gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Neuregelung verstößt auch nicht wegen Unklarheit gegen das Rechtsstaatsprinzip (a.A. Hohm, NVwZ 1997, 659), da die dreijährige Kürzung eindeutig aus dem eingeschobenen Satzteil "frühestens beginnend am 1.6.1997" und daraus, dass der Gesetzgeber keine Übergangsregelung getroffen hat, folgt.
OVG Lüneburg 12 L 614/99 v. 11.2.99, GK AsylbLG vor § 1 OVG Nr. 4 Der Antrag, die Berufung gegen das Urteil VG Lüneburg 6 A 175/97 v. 14.1.99 zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die als Zulassungsgründe geltend gemachten besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten sowie die grundsätzliche Bedeutung sind nicht hinreichend dargelegt (wird mit rein formaljuristischer Begründung ausgeführt, ohne sich inhaltlich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der 1. AsylbLG-Novelle auseinanderzusetzen).
VG Gießen 4 E 163/98, Urteil v. 25.4.00, NVwZ-Beilage I 2000, 94, IBIS C1561. Der Wortlaut von § 2 AsylbLG F 1997 ist eindeutig und verstößt nicht wegen Unbestimmtheit oder Unklarheit gegen das Rechtsstaatsgebot. Die Dreijahresfrist in § 2 AsylbLG beginnt für alle Leistungsberechtigten frühestens am 1.6.1997, unabhängig davon, ob sie erst ab dem 1.6.1997 ins Bundesgebiet einreisen oder bereits vorher hier leben. Weder das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) noch das Gebot zur Wahrung des soziokulturellen Existenzminimums verlangen eine Übergangs- oder Besitzstandsschutzregelung für bereits vor dem 1.6.1997 nach AsylbLG oder BSHG Leistungsberechtigte. Die getroffene Regelung bewirkt keine echte Rückwirkung. Das Vertrauen in den Fortbestand des Anspruchs auf Leistungen nach § 2 AsylbLG ist nicht schutzwürdig, da es sich um Personen ohne dauerhaftes Bleiberecht handelt. Die Dreijahresfrist für die Leistungsabsenkung erscheint akzeptabel, da die Personengruppe kein dauerhaftes Bleiberecht besitzt und bei ihr ein sozialer Integrationsbedarf fehlt.
OVG Nds. 12 L 3349/99 v. 21.06.00, NVwZ Beilage I 2001, 11, IBIS C1602 Sachverhalt: Die Klägerin besitzt eine Aufenthaltsgestattung, ihre Kinder eine Aufenthaltsgestattung bzw. Duldung, alle drei erhalten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Wartezeit nach § 2 AsylbLG war im entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht abgelaufen. Das VG hatte den Klägern aufgrund der Flüchtlingsanerkennung des Ehemannes über § 53 Abs. 6 AuslG, Art. 6 GG und Art. 8 EMRK und eine am Zweck des AsylbLG orientierte Auslegung Leistungen nach BSHG zugesprochen. Das OVG hat diese Entscheidung aufgehoben.
Gründe: Solange die Kläger nicht eine Aufenthaltsgenehmigung oder Anerkennung als Asylberechtigte erhalten haben, unterfallen sie dem AsylbLG. Weder dem AsylbLG noch dem BSHG ist ein Rechtssatz zu entnehmen, dass der leistungsrechtliche Status von Familien nach dem BSHG zu erfolgen habe, wenn nur ein Familienmitglied nach BSHG leistungsberechtigt ist. Ein Anspruch auf Leistungen nach BSHG ergibt sich auch nicht aufgrund der Inländergleichbehandlung gem. Art. 23 GK oder Art. 1 EFA i.V.m. Art. 1 + 2 ZP zum EFA (wird ausgeführt, siehe dazu ausführlich bei § 1 AsylbLG - Leistungsberechtigung anerkannter Flüchtlinge)
Das AsylbLG verstößt in seiner konkreten Anwendung auf die Kläger auch nicht gegen die Art. 1, 3 und 20 GG. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass ihnen die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben fehlen. Die Regelung beinhaltet auch keine unzulässige Ungleichbehandlung, denn die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen verfügen über kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, ihnen fehlt ein sozialer Integrationsbedarf, dieses Kriterium trägt eine gruppenbezogene Differenzierung (vgl. dazu BVerwG, NVwZ 1999, 669; OVG Nds. NVwZ-Beil. 1997, 95). Diese Grundsätze haben auch für die Neufassung des AsylbLG zum 1.6.1997 weiter Gültigkeit. Darauf, dass die Kläger sich bereits an Gebrauchsgewohnheiten und Lebenshaltungskosten des Standortes Deutschland angepasst hatten und des ihnen deshalb nicht zumutbar war, ab Juni 1997 auf das geringere Lebenshaltungsniveau ihres Herkunftsstaates "zurückgeworfen" zu werden, kommt es nach den Ausführungen des BVerwG a.a.O. (vgl. auch OVG Nds. a.a.O.) im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Mindestbedarf nicht an.
Der Umstand, dass infolge der Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG manche Leistungsberechtigte bis zu vier Jahren abgesenkte Leistungen beziehen, während neueinreisende Personen lediglich eine dreijährige Reduzierung hinnehmen müssen, führt gleichfalls nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG. Eine Gegenüberstellung verschiedener Leistungszeiträume verbietet sich im Hinblick auf die dem Gesetzgeber zustehende Möglichkeit, insbesondere im Bereich der gewährenden Verwaltung künftige Ansprüche entsprechend neuen Erkenntnissen neu zu regeln (OVG Sachsen NVwZ-RR 1998, 232). Eine Übergangsregelung war schon deshalb nicht notwendig, weil der leistungsberechtigte Personenkreis nicht darauf vertrauen konnte, bis zum Wegfall der leistungsrechtlichen Voraussetzungen Leistungen entsprechend BSHG zu erhalten. Leistungen nach AsylbLG dienen dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen, sie sind wie die Sozialhilfe keine rentengleiche wirtschaftliche Dauerleistung mit Versorgungscharakter (BVerwG, NVwZ 1987, 412). § 2 AsylbLG F. 1997 bewirkt deshalb weder eine echte noch eine sogenannte unechte Rückwirkung, denn die Änderung hat nicht auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft eingewirkt und die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. Deibel, ZAR 1998, 286 m.w.N.; OVG Sachsen a.a.O.).
OVG NRW 16 E 596/99, B.v. 22.02.00, GK AsylbLG § 2 Abs. 1 OVG Nr. 14.1 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung (01.06.1997) in § 2 Abs. 1 AsylbLG. Dem AsylbLG ist eine wie auch immer geartete Besitzstandsgarantie wesensfremd. Trotz der leistungsrechtlichen Schlechterstellung derjenigen Ausländer, die bereits vor dem Stichtag 01.06.1997 eingereist sind, war der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht zum Erlass einer Übergangsregelung zu Gunsten dieses Personenkreises verpflichtet.
Anmerkung: vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des AsylbLG auch die unter "§ 3 AsylbLG (F. 1993) - Leistungsabsenkung ist verfassungsgemäß" aufgeführten Entscheidungen sowie den unter "§ 6 AsylbLG - Eingliederungshilfen für Behinderte" angeführten Beschluss des VG Augsburg.