Dtn 5,6-18(21). Als das einzige von Gott unmittelbar geoffenbarte Gesetz sind die G. Grundstatut des Bundes (Ex 34,28; Dtn
. Er wird auf zwei steinernen Tafeln in der Bundeslade bewahrt (Dtn 10,5; iKön 8,9) und dem Volke Gottes immer neu eingeprägt. Seine Gebote gehen ein in Israels Strafgesetz (Ex 21,12-17; 23,12f.; Lev 20), in die Katechese (Lev 19; 26,1 -2) und die prophetische Anklage (Hos 4,2; Jer 7,6.9; Hes 22,6ff.; Ps 50,18-20).
Jesus nimmt die Gebote auf in den Zuspitzungen der Bergpredigt (Mt 5,17ff.) und gebraucht sie als Maßstab menschlicher Unheiligkeit (Mt 15,19, vgl. 15,4) oder Rechtschaffenheit (Mt 19,18). Sie werden in ihrem positiven Sinn zum Doppelgebot der Liebe zusammengefaßt (Mt 22,36-40; Röm 13,8-10; Jak 2,8.11); negativ bewirken sie Erkenntnis der Sünde (iTim 1,8 — ro und iKor 6,9h; Gal 5,19-21; Eph 4,25; Kol
9; Eph 5,3 —5)-
Die z. G. gehören zum Grundbestand der Katechese der —> Alten Kirche. Sie gewinnen im Spätmittelalter wieder an Bedeutung (Beichtspiegel). Für die reformatorische Ethik sind sie zentral. Luther begreift sie als deutlichste Fassung der göttlichen Schöpfungsnormen und legt sie als Gebot und Verbot häufig aus (Von den guten Werken, 1520, Großer und Kleiner Katechismus!). Calvin und Melanchthon lehren ihre systematische Anwendung gemäß dem dreifachen Brauch des —> Gesetzes. Seither gelten die z. G.e in der ev. Theologie als die Gestalt des neuen
Lebens. Gewiß bleiben sie der Rahmen desselben; sie müssen jedoch in bezug auf die jeweilige Situation durch die Weisung des —» Geistes und das Handeln der —» Liebe ausgefüllt werden (Röm 8,4; 13,8).
Lit.: J. J. Stamm, Der Dekalog im Lichte der neueren Forschung, 19622 - H. van Oyen, Ethik des Alten Testaments, 1967, 102 —r.32
Bockmühl
Gefängnisseelsorge
Der von der Gesellschaft verstoßene Strafgefangene steht nicht außerhalb der allen Menschen geltenden Liebe Gottes zur gefallenen Schöpfung. In dieser Gewißheit verkündigten die -> Quäker im 18 Jh. in Penn- sylvanien ihren Strafgefangenen das Heil in Christus. E. —» Fry verband mit dem verkündigten Wort eine weitgehende Fürsorge für die Gefangenen und erreichte eine wesentliche Verbesserung des Gefängniswesens im England des 19. Jh.s. T. —» Fliedner brachte ihre Anregungen nach Deutschland. J. H. —» Wiehern konnte sie dank der Aufgeschlossenheit des preußischen Königs -» Friedrich Wilhelm IV. in einer tiefgreifenden Gefängnisreform in die Tat umsetzen, wobei die Seelsorge in den Mittelpunkt der Arbeit an dem Gefangenen gerückt wurde. Nach 1945 führten die einzelnen deutschen Bundesländer eine eigene weltliche Gefangenenbetreuung durch, die unter dem Stichwort »Resozialisierung«- den Gefangenen für die Wiedereingliederung in die menschliche Gesellschaft tauglich zu machen versucht.
Daneben tragen die Länder weiterhin gemeinsam mit den Kirchen die Verantwortung für die G., in der zur Zeit 90 hauptamtliche und 250 nebenamtliche ev. Pfarrer tätig sind. Ihre rechtliche Grundlage hat die G. in dem Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe vom 16.3.1976, in dem das Recht des Gefangenen auf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger seiner Glaubensgemeinschaft ausdrücklich festgelegt ist.
Die Möglichkeit der Mitarbeit freier Kräfte ist heute größer als früher: nicht nur durch Mitwirkung im Anstaltsgottesdienst (Chor und Einzelzeugnis), sondern auch durch Gefangenenbesuche und durch Mitwirkung in Gesprächskreisen als »ehrenamtlicher Mitarbeiter«.
Ziel aller G. ist nicht nur das Gläubigwerden des einzelnen Gefangenen, sondern seine Eingliederung in eine Gruppe der Gemeinde fesu innerhalb und außerhalb der Anstalt. Hier wird die Kraft empfangen, die der labile Gefangene braucht. Maßnahmen der Fürsorge (Beschaffung von Arbeit und Wohnung) allein bewahren nicht vor Rückfall.
Lit.: R. Pfisterer, Zwischen Kasernenhof und Schlaraffenland, Erwägungen zum Strafvollzug, 1973 - H. Ochsenbein/Vallotton, Gotterleben hinter Gefängnismauern, 19762 - H. Brandenburg, Christus auch im Zuchthaus, 19742
Veiler
Geist, Heiliger
Der H.G. ist Gott selbst, wie er in uns Christen wohnt und unter uns wirkt. Damit trifft das Thema hinein in den von Christen und Nichtchristen empfundenen Realitätsverlust des Evangeliums in der westlichen Welt. Zugleich ist der H.G. in diesem Bereich ein brisantes Thema, weil gerade die Frage, wie Gottes Wirken sich äußert, theologisch und praktisch gegensätzlich beantwortet wird.
Das biblische Zeugnis vom H. G.
Das Thema beginnt nicht als schwieriger Lehrpunkt, sondern als ein Grundereignis am Anfang der Gemeindegeschichte und als klare individuelle Erfahrung, deren Vorhanden- oder Nichtvorhandensein feststellbar ist (Apg 19,8; Gal 3,2). Darin erfüllt sich die im AT(}es44,3; Hes36,27; 37,H; 39,29; Joel
f; Hagg2,5) und durch Johannes den Täufer (Mt 3,11) verheißene endzeitliche Geistausgießung durch den Messias, die Jesus in Apg 1,5 bestätigt. Wie äußert sich dieGeist- erfahrung und was ist ihre Bedeutung?
DER H.G. ALS KRAFT UND GESTALTER DER -* MISSION
Diese Bedeutung stellt besonders die Apg heraus (1,8). Das signalisiert das Sprach- wunder für die Völker; dem dienen die die Missionsverkündigung begleitenden bzw. sie vorbereitenden -» Wunder; dem dient die Geisterfüllung zur mutigen Verteidigung des Evangeliums bis hin zur Gerichts- und Leidenssituation. Der G. ist schließlich selbst Gestalter der Mission durch seine positiven bzw. wehrenden Führungen (8,29.3 9; 13,14; 16,6-7). Mit diesem Thema verbunden erscheint der H.G. als die Kraft, die das von der Umwelt bestaunte und zugleich ärgerliche Wunder der —» Gemeinde schafft (2,47; 17,6). Hervorstechendes Merkmal ist das einzigartige Zusammenstehen, das sich im häufigen gottesdienstlichen Zusammenkommen und im Teilen der materiellen Güter äußert. Diese neue Gemeinschaft ist Träger der Mission, ob nun durch ihre starken Repräsentanten oder durch die Fülle unbekannter Zeugen.
DER H.G. ALS DIE WESENSBESTIMMUNG DES NEUEN BUNDES UND DES NEUEN MENSCHEN Dem tötenden Buchstaben des alten Bundes steht der Geist als das Kennzeichen des neuen Bundes und des Dienstes gegenüber, der den Geist gibt (2. Kor. 3,6.8). Das bedeutet auf den Menschen angewandt: dem für die Wirklichkeit Gottes blinden natürlichen Menschen steht der geistbegabte Mensch gegenüber, der Gottes Wirklichkeit und Wirken kennt (1 Kor. 2). Er ist aufgrund der Tat Christi aus der Dimension von Sünde und Tod in den Bereich des Geistes gelangt, in dem Leben und Freiheit herrschen (Röm 6-8). Meist aufgrund akuter Herausforderungen durch die Gemeindesituation entfaltet Paulus die Äußerungen dieser neuen Wirklichkeit:
Der G. schenkt die Freiheit vom Zwang zum —» Bösen. Das ist das zentrale Thema von Röm 6-8 und Gal 5. Es gibt auch nach Christus die Macht des »Fleisches«. Deswegen hat christliche Lebensgestaltung Kampfcharakter (Röm 8,i2f.). Das aber ist der entscheidende Unterschied zur vorchristlichen Existenzweise: an die Stelle des aussichtslosen Kampfes (Röm 7) tritt der Kampf durch den Geist und unter der Führung des Geistes (Röm 8,13 -15). Wir erfahren, daß der neue Mensch nach dem Bilde Christi in den Merkmalen der Frucht des
es möglich wird.
Der G. schenkt die Freiheit von Tod und Vergänglichkeit. Noch sterben wir und seufzen mit der Schöpfung unter der Vergänglichkeit. Aber schon jetzt haben wir den Lebensgeist Christi real in uns (Rom 8, i of.), der schon jetzt eine Existenzweise der Hoffnung wirkt und uns fähig macht, gegenüber den Mächten der Zerstörung nicht zu kapitulieren (Röm 8,31 ff.).
Die eine Gemeinde und die Vielfalt der Gaben (-» Charismen). In den Aufzählungen in Röm 12 und 1 Kor 12 -14 wird der Reichtum urchristlicher G.erfahrung sichtbar. Die Gaben sind kein geistlicher Luxus, sondern notwendige Dienstausrüstung zum wirksamen Wort, zu abgewogener Leitung, zum heüenden Eingreifen und zur Gott gebührenden Anbetung. Zugleich schafft der
aus der Fülle unterschiedlich begabter Glieder das Wunder des einen Leibes.
Der anbruchhafte Charakter des G.Wirkens (Röm 8,23f.) mahnt zur Nüchternheit gegenüber falschen perfektionistischen Erwartungen in den vorgenannten Bereichen, darf aber nicht mit der bekannten Tendenz ausgelegt werden, dies Wirken letztlich für unwirklich zu erklären.
DER GEIST ALS SACHWALTER DES WERKES JESU Johannes klärt abschließend das Verhältnis der Sendung des G. zur Sendung Jesu und zum Wirken Gottes überhaupt: a) Nur wer aus dem G. geboren ist, gehört zu Gott und betet ihn in rechter Weise an (Kap 3/4). Er erst vermittelt die verheißene Lebensfülle (Kap 7,3ff.), überführt die Welt (16,8) und macht die Jünger zu Zeugen Jesu (20,2if.)
Gerade in seinem die Sendung Jesu ablösenden Wirken ist der Geist aber kein neuer Offenbarer, sondern der Sachwalter und Zeuge Jesu, der nichts von sich selbst redet (16,13). c) Was die Sendung des G. bedeutet, kommt unübertroffen darin zum Ausdruck, daß mit seinem Kommen Jesus selbst, ja sogar Jesus und der Vater Wohnung bei uns machen (14,16-18.23). Hier wird die geheimnisvolle Weise des »trinitarischen« Seins Gottes - ohne spekulative Grenzüberschreitung - als Sein und Widerfahrnis klar bezeugt. I
der Kirchen nicht durchgesetzt. Das G.-wirken wurde oft mit der gottesdienstlichen Feier (Ostkirchen), mit Kirche und -* Amt (kath. Kirche), mit dem Wort (luth. Kirche) oder einfach mit dem menschlichen Geist identifiziert. Die biblische Linie hat allerdings nie ganz gefehlt. Alle Erweckungen innerhalb und außerhalb der Kirchen sind Durchbrüche urchristl. G.-erfahrung, wobei Äußerungsweise und Schwerpunkte der
-erfahrung unterschiedlich waren:
In den letzten 150 Jahren wird der G. am durchgängigsten begriffen als der erwek- kende G., der von Sünde überführt, Christuserkenntnis wirkt und —> Wiedergeburt und -» Heilsgewißheit gibt. Sein weiterführendes Wirken wird am ehesten als —» Heiligung und Führung erwartet.
In der Jahrhundertmitte betont —> Blumhardt gegenüber dem inneren Wirken das kraftvolle, erneuernde Wirken des G. Er erwartet eine endzeitliche Geistausgießung und mit ihm die Kräfte zur Heiligung und Befreiung zerstörten Menschseins.
Die angelsächsische -» Heiligungsbewegung, besonders R. A. Torrey mit seinen weltweit gehaltenen Vorträgen über die Persönlichkeit des H.G., die Möglichkeit der völligen Heiligung und als Zuspitzung die Verkündigung der Geistestaufe führte zu einer allgemeinen Erwartung.
Zu einer Zuspitzung und zugleich zu einem Abbruch kam diese Linie mit dem Entstehen der das dynamische G.wirken betonenden —> Pfingstbewegung und das Nein zu ihr durch weite Teile des landes- und freikirchlichen Pietismus (-»Berliner Erklärung IJ.Die Wertung dieses Einschnittes ist bis heute uneinheitlich. Für die einen ist er der unvermeidbare Abbruch eines Irrweges, für die anderen die vermeidbare Katastrophe, wenn - wie man sagt - die Weisheit des 1. Kor-briefes sich durchgesetzt hätte.
Neue Offenheit gegenüber dem Wirken des Geistes zeigte der —► Internationale Kongreß für Weltevangelisation insbesondere in den Berichten über das, »was Gott, was Jesus, was der H. G. heute tut«. Die theologischen Äußerungen zeigten Ansätze zu einer positiv entfalteten Pneumatologie, die mit allen Bereichen des G.wirkens ernst macht.
Dringende Ansatzpunkte der gegenwärtigen Situation
Evangelikale Beiträge zum Thema in unserem Bereich müßten den oben genannten Realitätsverlust des Evangeliums im Auge haben, sie müßten praktisch und mutmachend sein.
Ein Beitrag könnte die durch frühere Gesetzlichkeit und heutige Orientierungslosigkeit brennende Frage nach der Lebensgestaltung betreffen, wie nämlich »neuer Mensch« und »neue Gemeinschaft«, Gerechtigkeit, Freiheit und Identitätsfindung in aller angefochtenen Zeichenhaftigkeit durch Sein und Leben im G. reale Möglichkeiten werden. Siehe hierzu die Arbeiten von K. Bockmühl zur Ethik.
In der Frage der theologischen Schriftauslegung (-» Bibel IV,i,c) müßten evangelikale Theologen sich gegenüber dem herrschenden historisch-anthropologischen Ansatz zu einem pneumatologischen Ansatz bekennen. Viele von ihnen haben ihn faktisch, vertreten ihn aber nicht wissenschaftlich. In der Verlängerung liegen Gedanken zur Erneuerung der Theologie überhaupt.
Neben solchen zentralen Einzelthemen ist vor allem die Arbeit an einem Gesamtbild einer vom G. erfüllten Gemeinde für unsere verfestigte und verunsicherte kirchliche Landschaft nötig. Es wäre zu zeigen, wie der Einbruch des »erwecklichen G.« (O. Riecker) von der Mission über das Gemeinschaftsgefüge bis hin zu Struktur- und Formfragen alles in eine schöpferische Bewegung bringt.
In der umstrittenen Charismenfrage wird versucht, die biblische Lehre zu erneuern, daß es sich um Ausrüstungen für die in Gemeinde und Welt notwendigen Dienste handelt. Von dieser Sicht her richtet Paulus trotz schwerer Probleme in Korinth kein pauschales Warnschild auf. Er benennt als eigentlichen Problemherd unsere »fleischliche« Art, vor der keine geistliche Wirklichkeit geschützt ist, ordnet die Gaben in gegenseitiger Korrektur und Ergänzung einander zu und orientiert sie am Wort vom Kreuz und an der Liebe (1. Kor i; 13).
Ein systematisch-theologischer Beitrag, der das Grundverständnis dessen klären hilft, was es heißen kann, daß Gott, der H. G. in uns wohnt und unter uns wirkt, bekommt in unserem Bereich Theologien als Gesprächspartner bzw. Gegner, die dies Sein und Wirken Gottes gerade nicht als wirkliche Einwohnung und als erfahrbare Kraft und Erneuerung auffassen, sondern das Handeln Gottes heute auf das verkündigte und gehörte Wort beschränken oder es einfach mit christlicher Aktivität oder allgemeinen Wandlungsprozessen hineinsetzen. Sie nennen ein solches Geistverständnis je nach Ansatz schwärmerisch oder mythologisch. Ziel eines solchen Versuches müßte es sein, dem biblischen G.-Verständnis so genau wie möglich zu folgen mit der Sprache systematischer Kategorien. Wir werden seit Jahrhunderten durch Theologien geprägt, die im Grunde nicht »trinitarisch« denken, sondern die Offenbarung Gottes verkürzen, in den klassischen Entwürfen auf das Handeln Gottes in der Geschichte des Christus. Hinreichend biblisch dagegen ist erst eine Theologie, die es darstellt, daß Gott der H.G. auf der Basis dieser Heilsgeschichte heute in uns und durch uns Geschichte macht. Hilfreiche Versuche in dieser Richtung liegen vor von E. —» Brunner, A. van Ruler, E. Bohren und H. Mühlen. Schließlich muß uns bei unserer theologischen Nacharbeit bewußt sein, daß wir Sprache und Kategorien für eine sachgemäße Lehre vom H.G. wohl nur im Kontext tieferer G.erfahrung gewinnen.
Lit.: R. Pache, Der Heilige Geist. Person und Werk, 19783 - A. Schiatter, Theologie der Apostel, 19773 - E. Brunner, Dogmatik III, 1960 - H. Berkhof, Theologie des Heiligen Geistes, 1968 - O. Rodenberg, Wort und Geist, 1969 - A. A. van Ruler, Credo, 1972, (Abschnitt »Ich glaube an den Heiligen Geist«) - O. Riecker, Herausforderung an die Gemeinde, 1972 - ders., Bildung und Heiliger Geist, 1974 -R. Bohren, Daß Gott schön werde, 197 s (§ 2) - K. Bockmühl, Gott im Exil? 1975 - H. Mühlen, Die Erneuerung des christlichen Glaubens, 1976 - M. Griffiths, Die Kraft des Heiligen Geistes, in: Zukunftsperspektiven 77 (R. Padilla) - S. Großmann, Haushalter der Gnade Gottes, 1977