Oberlin, Johann Friedrich, *31. 8. T740 Straßburg, f2.6.i826 Steintal, Vogesen, lutherischer Pfarrer, der einer kirchenbehördlich vernachlässigten Elendsgemeinde ein Leben lang treu blieb, sie in ein blühendes Gemeinwesen verwandelte und dabei spätere wirtschaftliche und soziale Entwicklungen mit Hilfe Straßburger Freunde kühn vorausnahm, wie z.B. Kleinkinderschule, Erwachsenenbildung, Genossenschaftswesen, Darlehnskasse, Brücken- und Straßenbau, Errichtung von Schulen und Musterhäusern, Ankauf von Saatgut und Zuchtvieh in Holland, Gründung von Chören und Orchestern. Als Freund der damals einsetzenden Heidenmission hält er Missionsbibelstunden, fördert in ev. und kath. Kreisen Frankreichs Bibelverbreitung und Evangelisation. Seine anfängliche Begeisterung für die französische Revolution (Ablegen des Talars, Clubversammlung statt Gottesdienst) weicht bald einer nüchternen Beurteilung. Nach dem frühen Tod seiner Frau führt er neun Jahre eine sogenannte Geisterehe mit ihr, entwickelte eine Traumkunde
Johann Friedrich Oberlin
und predigte vom Zwischenzustand nach dem Tod als von einem Reifeprozeß. Darin ist er seinen Freunden —» Lavater und —» Jung-Stilling nicht unähnlich. r8i9 Ritter der Ehrenlegion, lebt sein Name fort in einem nach ihm benannten College in Ohio, USA.
Lit.: A. Rosenberg, Der Christ und die Erde. O. und der Aufbruch zur Gemeinschaft der Liebe, 1953.
Beyreuther
ökumenische Bewegung
I. Begriffsklärung
Das Wort »Ökumene« bedeutete ursprünglich die »bewohnte Erde«. Im christlichen Sprachgebrauch verengte sich die Bedeutung auf »die Kirche als Ganze betreffend«. Daher werden die ersten 7 Konzile auch »ökumenische Konzile« genannt. Voraussetzung für die moderne ö.B. war der zunehmende Zerfall der Christenheit in verschiedene Kirchen und Denominationen im Gefolge der Reformation. Die Zerrissenheit ließ die Frage nach der Einheit der Kirche wegen ihrer Sendung in die Welt und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit entstehen. Die ö.B. ist Rückbesinnung auf die christliche Einheit als Ziel jenseits aller konfessionellen und nicht-theologischen, d.h. sprachlichen, nationalen, rassischen, kulturellen und geographischen Verschiedenheiten. Daß Einheit nicht Uniformität bedeutet und daß man auf vielfältige Weise »auf dem Weg« ist, soll mit dem Wort »Bewegung« umschrieben werden.
0. Die drei Stränge der ö.B.
Mit dem allmählichen Erwachen des Willens zur -» Mission stellte sich für den Protestantismus die Frage, ob die theologische, verfassungsmäßige und liturgische Vielfalt auf die Missionsfelder übertragen werden soll und darf. Als erster hat im —» Pietismus
N. L. Graf v. Zinzendorf diese Problematik erkannt und in Pennsylvanien versucht, unter den verschiedenen deutschsprachigen Gruppen eine Einheit »im Geist« herzustellen. Nachdem im 19. Jh. die protestantische Mission stürmisch vorangeschritten war, stellte sich die Frage nach dem einheitlichen christlichen Zeugnis, auch angesichts wachsender Entkirchlichung, neu. So ist es nicht verwunderlich, daß die Missionsgesellschaften, die zuweilen schon überkonfessionell arbeiteten, die ersten waren, die 1860 (Liverpool), 1878 und 1888 (London) Konferenzen abhielten und 1900 in New York zur »Ökumenischen Missionskonferenz« zusammentraten. Die Konferenz, die in der Folgezeit den größten Einfluß auf die Entwicklung der ö.B. hatte, war die von dem Laien John —» Mott geleitete I. Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910. Daraus entstand 1921 der Internationale Missionsrat, der erste große durchlaufende Strang der ö.B.
Ethische Fragestellungen, wie sie in Edinburgh angesprochen wurden, führten zur Gründung des »Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen« und des »Internationalen Versöhnungsbundes« (1914) durch
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-> Siegmund-Schultze. Der schwedische Erzbischof Nathan Söderblom vertrat ähnliche Anliegen und so kam es nach den schmerzlichen Erfahrungen des I. Weltkrieges zu einer vorbereitenden Konferenz in Genf 1920, der dann 1925 die »Allgemeine Konferenz der Kirche Christi für praktisches Christentum« (Life and Work) in Stockholm folgte. Unter Umgehung trennender Lehrfragen wollte man in zwischenkirchlicher brüderlicher Zusammenarbeit »die gemeinsame Stimme des christlichen Gewissens« in den brennenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Tagesfragen erheben, damit »Gottes Wille auf Erden ebenso geschehen möge wie im Himmel«. Diese Bewegung ist der 2. Strang der ö.B.
Im Anschluß an die Konferenz in Edinburgh mobilisierte der amerikanische anglikanische Bischof Charles Brent Kräfte, die sich mit den Lehrgrundlagen der zwischenkirchlichen Zusammenarbeit befassen ’ sollten, also mit Fragen, die man bisher bewußt ausgeklammert hatte. Hieraus entstand der 3. Strang der ö.B., die Weltkonferenz für Glaube und Kirchenverfassung (Faith and Order), die 1927 in Lausanne erstmals zusammentrat.
III. Andere ö.B.en
Die frühe Entwicklung der ö.B. ist dadurch gekennzeichnet, daß viele Impulse für eine ökumenische Zusammenarbeit aus den kirchenunabhängigen Jugend- und Studentenorganisationen kamen. 1855 wurde der Weltbund der —*■ Christlichen Vereine Junger Männer, 1894 der Weltbund Christlicher Verbände Junger Frauen, 1895 der Christliche Studentenweltbund gegründet. Der Wille zur Mission und —> Evangelisation vereinte sich hier mit einer Brüderlichkeit, die nicht nur nationale Grenzen sprengte, sondern auch den Kontakt mit außerprotestantischen, d.h. orthodoxen und römisch- katholischen Christen suchte. John Mott war nicht nur die führende Gestalt der Missionsbewegung (s.o.), sondern auch Begründer der Studentenorganisation und Vorsitzender des CVJM. Viele Vertreter der ö.B. gingen aus diesen Organisationen hervor. Ökumenische Ideen wurden auch durch die internationalen Zusammenschlüsse der Konfessionsfamilien gefördert. So kennt die anglikanische Kirchengemeinschaft seit 1867 die Lambethkonferenzen; 1875 folgten die Reformierten mit der Gründung eines Weltbundes, 1881 die Methodisten, 1889 die —» Altkatholiken, 1891 die Kongregationalisten, 1905 die -^"Baptisten und 1927 bzw. 1947 die Lutheraner. In zahlreichen Ländern und Regionen bildeten sich außerdem nationale oder regionale Christenräte, so schon 1908 in den USA und 1942 in Großbritannien. In Deutschland ist nach dem 2. Weltkrieg die —> Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen tätig geworden. Viel Beachtung fanden organisatorische Zu-
sammenschlüsse von Kirchen zu einer Kirche wie der Kirche von Südindien und der United Church of Canada. Im Zuge der Verselbständigung ehemaliger Missionskirchen bildeten sich in Asien (1959) und Afrika (1963) Kirchenkonferenzen. In Europa kam es 1959 zur Gründung der -Konferenz europäischer Kirchen«. In den letzten Jahren wurden zahlreiche ökumenische Gespräche zwischen zwei Kirchen oder zwei konfessionellen Weltbünden durchgeführt, z.B. Lutherischer Weltbund - Anglikanische Kirchengemeinschaft; Russisch-orthodoxe Kirche - EKD; Lutherischer-reformierter Weltbund; Methodismus - anglikanische Kirche, usw. Zu diesen offiziellen ökumenischen Kontakten gesellt sich eine große Zahl ökumenischer Begegnungen, die besonderen Situationen entspringen, z.B. Evangelisation, Radiomission, Gebetswochen, dia- konische Maßnahmen, zwischenkirchliche Hilfen, -» charismatische Erneuerung, -> Bruder- und Schwesternschaften u.ä. Weil sie nicht eine Gemeinschaft von Kirchen, sondern die einzelner Gläubige sucht, wird man auch die schon 1846 gegründete Ev. —> Allianz hier einreihen müssen, aus deren Reihen die »offizielle« ö.B. kritisch begleitet wurde und wird. I
Neu-Delhi die Integration des IMR als Abteilung für Weltmission und Evangelisation vollzogen und viele orthodoxe Kirchen, sowie Kirchen der Dritten Welt neu aufgenommen. Da die Orthodoxie in der bisherigen, auf die »Pariser Basis« des CVJM zurückgehenden Basis jeden Bezug auf den Hl. —> Geist vermißte, wurde die Basisformel neu gefaßt: »Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Hl. Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes«. Oberstes Beschlußorgan ist die Vollversammlung, in die die Kirchen ihre Delegierten entsenden,- die Laien sollen mit mindestens 1/3 der Sitze vertreten sein. Der Zentralausschuß erledigt zwischen den Vollversammlungen die Geschäfte. Während die Vollversammlung den Zentralausschuß und das Präsidium wählt, sowie praktisch die Richtlinien bestimmt, muß der Zentralausschuß die Durchführung überwachen, Gelder zuweisen, den Generalsekretär wählen und die Vollversammlung vorbereiten. Der Generalsekretär und der Genfer Stab von etwa 200 Mitarbeitern sorgen in den Programmeinheiten 1. Glaube und Zeugnis, 2. Gerechtigkeit und Dienst und 3. Bildung und Erneuerung für die Durchführung der Arbeit. Der ÖRK hat keine Möglichkeiten oder Rechte, einzelne Mitgliedskirchen zu bestimmten Handlungen oder Verlautbarungen zu zwingen. Die bisherigen Generalsekretäre des ÖRK waren: seit Gründung bis 1966 der reformierte Holländer Dr. Willem Visser't Hooft, von 1966 — 1972 der amerikanische Presbyterianer Dr. Eugene Carson Blake und seitdem der Methodist Dr. Philip Potter. Zur Zeit gehören 280 Kirchen aus 82 Ländern dem ÖRK an; ferner genießen 19 Kirchen den Status von Gästen.
V. Kritik am ÖRK
Geschah in Neu-Delhi ein entscheidender organisatorischer Schritt mit der Aufnahme großer orthodoxer Kirchen und Kirchen der Dritten Welt, so setzte seitdem eine sich zunehmend verschärfende Kritik am Kurs des ÖRK ein. Bereits in Neu-Delhi provozierte das Referat von J. Sittler (»Der kosmische Christus«) Unbehagen, das sich seit Khodres Formel vom »in den Religionen schlafenden Christus« (Addis Abbeba 1971) zum Vorwurf des —> Synkretismus verdichtete. Besonders das von dem indischen Theologen Samartha geleitete Programm »Dialog mit Menschen lebendiger Religionen und Ideologien« ist diesem Vorwurf ausgesetzt. Heftig umstritten ist auch die Art, wie der ÖRK sich den drängenden sozialen Fragen der Welt annimmt. Die politische Theologie, die sich als »schwarze Theologie«, als »Theologie der Befreiung« oder, vor allem in Lateinamerika, als »Theologie der —> Revolution« zu Wort meldet, geriet in das Kreuzfeuer der Kritik, als der ÖRK das »Programm zur Bekämpfung des Rassismus« und somit die finanzielle Unterstützung von Befreiungsorganisationen in Afrika beschloß. Kritisch vermerkt wird auch, daß der ÖRK Menschenrechtsverletzungen in West und Ost mit zweierlei Maß zugunsten der sozialistischen Länder messe. Alle Kritik gipfelt in dem Vorwurf, daß die ö.B. unter Verzicht auf -» Mission eine »Säkularökumene«, eine Humanisierung der Welt und Einheit der ganzen Menschheit ohne Gott, anstrebe. Gegen theologischen -> Pluralismus und Synkretismus, gegen die Verwechslung von Revolution und —> Reich Gottes und gegen eine Verkürzung des Evangeliums in sozialethisch-politische Programme wenden sich vor allem die —> Evangelikalen (-*• Berliner Erklärung II, —»Internationaler Weltkongreß für Evangelisation), aber auch orthodoxe Kirchen. Die 5. Vollversammlung, auf der durch den Engländer J. Stott evangelikale Kritik zu Wort kam, hat sich theologisch eindeutig gegen den Synkretismus abgegrenzt. - Gelegentlich wird der ÖRK, insbesondere in der erwarteten Verbindung mit der röm.-kath. Kirche, als endzeitliche Gegenkirche-die »Weltkirche« - interpretiert. Gegenüber dem letzten Vorwurf wird man Kritiker und ÖRK an die Toronto-Erklärung (1950) erinnern müssen, in der festgehalten wurde, daß der ÖRK keine »Über-Kirche« sein will und werden darf. Den übrigen Kritikpunkten scheint man vom ÖRK selbst bisher zu wenig Beachtung geschenkt zu haben. Die Heftigkeit der Kritik sollte jedenfalls zu Gesprächen Anlaß geben, damit das bisher in der ö.B. Erreichte nicht allzu schnell aufs Spiel gesetzt wird. I
sche Konzil hat jedoch eine starke Annäherung an die ö.B. gebracht, die nicht nur durch den Besuch des Papstes in Genf, sondern auch durch die Mitarbeit bedeutender katholischer Theologen in Sektionen und Programmen des ÖRK, insbesondere durch den gemeinsamen Ausschuß SODEPAX (Gesellschaft, Entwicklung, Frieden) zum Ausdruck kommt. Außerdem ist Rom mit verschiedenen Kirchen (Anglikanische Kirche, Lutherischer Weltbund, Methodistischer Weltrat etc.) in bilaterale Gespräche eingetreten.
Lit.: Internationale ökumenische Bibliographie, jährl. seit r 967 - ökumenische Rundschau - Ecu- menical Review - R. Rouse und S. Neill, Geschichte der ö.B. 1517-1948, 2 Bde., 1957/58 - H. Fey, Geschichte der ö.B. 1948 — 1968, 1974 - S. Neill, Männer der Einheit, 1961 - F. Hasselhoff und H. Krüger (Hg.), Ökumene in Schule und Gemeinde, 1971 - ökumenische Terminologie, 1975 - K. Bockmühl, Was heißt heute Mission?, 1974 - H. Krüger und W. Müller-Römheld (Hg.), Bericht aus Nairobi, 1976 - P. Beyerhaus und U. Betz, Ökumene im Spiegel von Nairobi, r976
Geldbach
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