Wüst, Eduard, *23. 2. 1818 Murrhardt/ Württ., 113• 7- 1859 Neuhoffnung bei Berd- jansk/Gouv. Taurien, Rußland; durch Empfehlung der Gemeinde -» Korntal 184 5 in die von schwäbischen Auswanderern gegründete separierte luth. Gemeinde Neuhoffnung als Pfarrer berufen. Sein weitreichendes, an L. —> Hofacker orientiertes Wirken als Erweckungsprediger prägte die luth. Gemeinden Südrußlands und hatte mittelbaren Einfluß auf die spätere Bildung von —» Mennoniten-Brüdergemeinden und die Entstehung des —» Stundismus.
Lit.: A. Kroeker, Pfr. E. Wüst, der große Erwek- kungsprediger in den deutschen Kolonien Südruß- iands, Spat/Krim 1903 Kahle
Wunder
I. Probleme
Der »verkopfte Mensch« des 20. Jh.s —gefangen in seiner puren Rationalität und, bewußt oder unbewußt, in den Denkschemata der modernen Naturwissenschaften - reagiert auf den An-Spruch der biblischen W. nicht existentiell, sondern mit der rationalen Frage nach ihrem tatsächlichen Geschehensein: sie erscheinen ihm über- oder un-natürlich. Sind, so fragt er, Einbrüche einer transzendenten Macht in eine durch Naturgesetze völlig durchgeordnete und in sich geschlossene Welt möglich? Die Antworten, die er erhält, zollen in der Regel, offen oder heimlich, der herkömmlichen Wirklichkeitssicht Tribut, wonach der naturwissenschaftlichen Forschung die ganze Wirklichkeit erreichbar ist:
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Häufig werden die schrift-w. als solche in ihrer Tatsächlichkeit fraglos anerkannt, zugleich aber auch in ihrer Bedeutung relativiert - so im Biblizismus in der Linie der luth. Orthodoxie und des —> Pietismus.
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die biblischen w. werden mit unserem Weltbild verträglich gemacht, d.h. »historisch-kritisch«* auf einen ursprünglichen Bestand zurückgeführt, der eine natürliche, meist psychologisch-medizinische Erklärung zuläßt - so schon Semler im 18. Jh. mit dem Prinzip der »Sparsamkeit der W.**.
v DIE BIBLISCHEN W. SIND LEDIGLICH DAS ÄUSSERE GEWAND EINES GEISTLICHEN ODER INNERSEELISCHEN wunderbaren Prozesses (z.B. eine Blindenheilung Symbol des Befreitwerdens von geistlicher Blindheit) - so die tiefenpsychologisch orientierte Theologie und - modifiziert - die existentiale Bibeldeutung —> Bultmanns (Entmythologisierungspro- gramm).
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DIE BIBLISCHEN W. WERDEN IM RAHMEN EINER KERYGMAZENTRIERTEN EXEGESE ABGEWERTET ZU hinweisenden Zeichen auf die Osterherrlichkeit des Christus. Diese moderne Position stellt sich weder ernsthaft der Frage nach der historischen Wirklichkeit, noch ist sie exegetisch haltbar, noch beantwortet sie die - verdrängte - existentielle Frage: kann mir solches W. widerfahren?
Die Bibel antwortet in Wahrheit auf die intellektuelle Frage nicht; sie hat weder einen entsprechenden W.-Begriff, der das abdeckt, was wir zu »W.n«< zählen, noch die Vorstellung einer naturgesetzlich durchgeordneten, sich selbst überlassenen Welt. Alles Geschehen wird auf Gott zurückgeführt. Es gibt also wohl un-gewöhnliche, staunenerregende, aber keine un-natürlichen, ein Kausalitätsprinzip verletzenden Ereignisse. Wirklichkeit und Wahrheit der biblischen W. könnten sich dem erschließen, der sich mit seiner ganzen Existenz ihrer Eigen-Dy- namik aussetzt, sich von ihnen - ohne Zensur — ansprechen läßt und sie an Erfahrungen im eigenen Lebensbereich anzuknüpfen vermag. Die bloß intellektuelle Frage ist fallenzulassen, nachdem in den Naturwissenschaften selbst die Erkenntnis der Unabgeschlossenheit der Welt Raum gewinnt und Grenzerfahrungen im Bereich der Parapsychologie, der Meditation und des Sterbeerlebens das Offensein der Welt gegenüber Ein-Wirkungen einer Transzendenz anzei- gen.
II. Vier Arten biblischer W.
1. wunderbare Heilungen jesu (biblisch auch: »Krafttaten«)
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In den Evangelien, vor allem im Mk, nehmen sie breiten Raum ein. An ihrer Tatsächlichkeit hat im Prinzip nicht einmal die zeitgenössische jüdische Polemik gezweifelt (vgl. Mt 12,24; Sanhedrin 43a; Josephus, Altertümer, 18,63). Mit der Kraft und Vollmacht des mit dem Geist Gottes ausgerüsteten endzeitlichen Gesandten (Jes 61, if.) treibt Jesus Dämonen aus, heilt in verschiedener Weise unheilbar Kranke und weckt Tote wieder auf. Solches wird im NT zunächst als konkretes, privat erfahrenes Ereignis des —> Reiches Gottes bzw. als Vollzugsweise der Gottesherrschaft gewertet (Mt n,5; 12,28; Lk r3,31 f.), danach erst als hinweisendes oder beweisendes Zeichen (so erst Joh). Die Heilungen Jesu übersteigen die W. der atl. Charismatiker Elia und Elisa, insofern Jesu Erbarmen wirkmächtig Not wendet, während Elia Gottes Erbarmen im Gebet erwirken muß, und insofern Jesus mit einer dem Schöpfungswort vergleichbaren »Leichtigkeit« eines kurzen Befehlswortes (vgl. nur Mk 1,41 f.; 3,5 mit Gen 1,3) heilt. Jesus »hat alles gut gemacht« (Mk 7,37)-diese Bewertung einer Heilung ist identisch mit den Urteilen über die Schöpfungswerke »es war gut« (Gen 1 -2). Und das nicht zufällig: Jesus bringt im endzeitlichen Sabbatjahr (Jes 61,2; Lk 4,19-21) bedeutungsvoll einige der herabgeminderten und »gebundenen« Geschöpfe Gottes wieder in ihren ursprünglichen, heilen, »schöpfungsmäßigen« Zustand zurück (Mk 3,4h; 8,25), und zwar vornehmlich am Sabbattag (Lk 13,16; 14,3,- Mk 3,4; Joh 5,9; 9,14). Damit enthüllt Jesus das Ziel der -> Heilsgeschichte als ein sabbatli- ches Zur-Ruhe-Kommen (vgl. Mt 11,28) der vielfältig verletzten Geschöpfe: seine Sabbat-Heilungen sind Vorschein eines letzten Sabbats, Wieder-gut-Machung und Vollendung der Schöpfung. Mit dem Erbarmen des
Heilandes kooperiert häufig - auch dies ein in antiken W.-Berichten fehlendes Grundmotiv- ein »bergeversetzender«« Glaube des Kranken oder eines für ihn eintretenden Menschen.
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Trotz der nicht mehr zu bestreitenden Realität sog. »paranormaler Heilungen«« im weiteren Bereich der Parapsychologie und psychotherapeutischer Effekte der Suggestion und Überwältigung, die an die Bedeutung des Glaubens und des Befehlswortes Jesu im ntl. W. erinnern, sehen wir heute nirgendwo solche eindeutige -» Vollmacht und unerhörte Souveränität am Werk, wie sie sich in Jesu Heilungen manifestierte. Zu bedenken ist folgende Differenz zwischen der Zeit der Offenbarung Gottes in Christus und heute: Uns Heutigen begegnet der Christus nicht in der gleichen evidenten Weise, nämlich nicht leiblich konkret »von Angesicht zu Angesicht«. Bringt uns aber der Tod die unmittelbare Christusbegegnung im Sinne von Phil 1,23, so könnte für uns in ihm die Wahrheit der biblischen Heilungsgeschichten - vorher nur als Sehnsucht lebendig oder fragmentarisch, vorläufig, von wenigen erfahren - ganz und endgültig wirklich werden.
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WUNDERBARE RETTUNGEN
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Dazu gehören die Seesturmstillungen Mk 4,35-41; 6,45~52par.; Mt 14,28-31 und die Speisungs-W. Mk 6,30-44; 8,r-iopar.. Sie sind aufgrund eindeutiger Bezugnahmen als endzeitliche Gegenstücke der Exodus-Heilstaten (Schilfmeer; Manna) zu verstehen und verkünden den Christus als endgültigen Erlöser aus akuten »Wasser- und Hungersnöten«, d.h. aus allen lebensbedrohenden »Überflutungen« und Mangelsituationen und damit verbundener Angst und Verzweiflung.
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Die Symbolträchtigkeit des Wasser- und Hungermotivs (psalmische Bildersprache!), das Fehlen dieser W. in den Sammelberichten von Mk ebenso wie in der Spruchquelle, das Betroffenwerden einer jeweils repräsentativen Gruppe (Zwölferkreis; 5 000) weisen auf eine von der Bedeutung der Hei- lungs-W. verschiedene »stellvertretende« Bedeutung hin: existenzbedrohender Mangel, Gefahren, Unglück, Krisen, einschließlich ihrer seelischen Entsprechungen Angst, Verzweiflung, Verschmachten werden unter die Verheißung der Rettung gestellt. Alle Rettungen sind ihrem Wesen nach »Rettungen aus dem Tode«, ein letztes Rettungsgeschehen im Sterben vorbedeutend. »Der die Toten auferweckt« - das ist in diesem Zusammenhang geradezu Gottes Name (2 Kor
i,9f.).
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ZEICHEN l-.SEMEIA-)
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Zeichen-W., die im zeitgenössischen Judentum, ja schon im AT (Mose in Ägypten) eine erhebliche Rolle spielen als spektakuläre Demonstrationen von Gott verliehener Macht und als Indizien für die Messianität eines Menschen, hat Jesus für sich und andere kategorisch abgelehnt (Mk 8,nf.; 15,31 f-; Mt 4,i-H; 24,23-26; Joh 6,14h; vgl. auch iKor r,22): er geht den »leisen Weg« des Gottesknechts (Mt 12,1 sff.). Zeichen geschehen im Interesse eines Israels nationale Freiheit und Größe betreibenden Messiasprätendenten; sie sollen sinnlich wahrgenommen werden und so zu rational begründetem Glauben an die göttliche Sendung eines Menschen führen. Für Jesus stand ein derartiger objektiver Nachweis im Gegensatz zum Geschenkcharakter der göttlichen Offenbarung; die Wirklichkeit Gottes und der Anspruch eines Menschen, göttliche Wahrheit zu vermitteln, kann nicht bewiesen werden - die Wahrheit erweist sich vielmehr. Beweisenwollende Zeichen-W. vor aller Öffentlichkeit sind - so Jesus - Symptom »falscher« Messianität; sie zu versprechen heißt: verführen oder zum Götzendienst anleiten (nach Dtn 13,2-4).
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Bis heute gilt: Gottes- und Christuserkenntnis ist vom Menschen auf der Ebene des Rationalen nicht zu »machen«. Ein »Indizienbeweis«, historisch-kritisch oder im Veranschlagen persönlich erfahrener Zeichen, ist zum Scheitern verurteilt.
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AUFLEUCHTUNGEN
a) In den W.n der Weihnacht, der Verklärung Jesu, des Seewandels und des leeren Grabes (dazu Himmelfahrt, Pfingsten) leuchtet an markanten Stationen des Weges Jesu der göttliche Lichtglanz (Engelscharen, leuchtende Kleider, leuchtendes Antlitz) auf und überwältigt die Zeugen Jesu, d.h., leuchtet eine Christus-Wahrheit zwingend und überführend ein, und zwar in tiefe sub-rationale Schichten des Menschen. Die Erkenntnis Jesu als des Messias widerfährt in der Begegnung mit ihm ohne Dazutun des Menschen, ohne Möglichkeit des Glaubens oder Nichtglaubens. Urbild der beglückenden Lichtglanz-Gottes-Ereignisse im NT sind die Erscheinungen Gottes am Sinai (Ex 20,18-21; 34,29ff.) und die Verheißung von Jes 60,5: »Da wirst du schauen und strahlen, dein Herz wird beben und weit werden««; ihre Erkennungszeichen: tremendöses Erschrek- ken und Verwirrung, Sprachlosigkeit (z.B. Mk 9,6; 16,5.8), glückhafte —> Ekstase (z.B. Mk 9,5f; Mt 28,8) und vor allem die Lösung von der Angst durch eine Frohbotschaft (z.B. Lk 2,9ff.) und (oder) das »Fürchtet euch nicht« eines göttlichen Boten, b) Aufleuchtungen der Herrlichkeit Christi sind, zumindest spurweise, auch heute erlebbar, vornehmlich in der meditativen Begegnung mit seinem »Wort« - die Wahrheit »leuchtet ein«, macht betroffen, ohne bewiesen werden zu können. Darüber hinaus weisen die heute vielregistrierten »Sterbeerlebnisse« (E. Wiesenhütter, Blick nach drüben; f. C. Hampe, Sterben ist doch ganz anders) wesentliche Phänomene der ntl. Aufleuchtungen auf, z.B. die Lichthaftigkeit, das Moment der tremendösen Angst und ihrer völligen Überwindung, das ekstatische Glück, die Bewußtseinsweitung, das Nicht-angemessen-darüber-sprechen- Können und das veränderte Lebensgefühl nach dem Erlebnis.
Lit.: G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten, 1974 - K. Gutbrod, Die Wundergeschichten im Neuen Testament, 1972 - O. Betz/W. Grimm, Wesen und Wirklichkeit der Wunder Jesu, r977
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