Zöckler, Theodor, *5.y. 1867 Greifswald, 118.9.1949 Stade, kam im Dienst der dänischen —> Judenmission 1891 nach Stanislaus, wo Gott seinem Leben durch die Begegnung mit der zerstreut unter Juden, Polen, Ukrainern lebenden deutschen ev. Diaspora eine andere Wendung gab. In der Zeugenaufgabe der Diaspora als Christusdienst unter den Völkern erfüllte sich im wechselvollen politischen Schicksal des Landes das Leben Z.s als Gründer der Stanislauser Anstalten (Bethel des Ostens), des Zentralausschusses für die —»Innere Mission in Österreich, Leiter der ev. Kirche Galiziens, Vorkämpfer der ökumenischen Zusammenarbeit in Polen und Patron der ev. Bewegung unter den Ukrainern.
Lit.: L. Zöckler, Gott hört Gebet, 1951 — O. Wagner, T.Z., in: »Kyrios«, Bd. VII, r9Ö7 -D. Theodor Zöckler (Sammelband), 1967
Wagner
Zorn Gottes -> Gericht Zungenrede
Z. (= Glossolalie; griech. glossa = Zunge, Sprache.; lalein = sprechen, reden) ist eine in vielen Religionen und Kulturen bekannte, vieldeutige Erscheinung, die auch in psy- chopathologischen Krankheitsbildern auf- tritt. Z. bezeichnet ein Ausstößen von unverständlichen Lauten, bei dem der Wille des Glossolalen - oft in ekstatischen Zuständen - ausgeschaltet ist. Z. kann auch mit Hilfe psychologischer Methoden und mit Rauschmitteln erzeugt werden. Im AT scheint es unter ekstatischen (—» Ekstase) Propheten vergleichbares verzücktes Reden gegeben zu haben (vgl. iSam io, 5ff.; i9,2off. u.ö.), und im hellenistischen und jüdischen Umfeld des NT ist Reden unter dem Einfluß eines »göttlichen«« Geistes bekannt. Das NT wertet Glossolalie als Zeichen des Wirkens des Hl. —> Geistes in der Gemeinde (Mk
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. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem einmaligen Sprachwunder an Pfingsten (Apg 2), das als Zeichen des anbrechenden Gottesreiches das Ende der babylonischen Sprachverwirrung (Gen n vgl. Jes 28,7-12 und Joel 3,1-5) anzeigen soll und den späteren Formen der Z. Paulus, selbst mit diesem -» Charisma begabt (iKor 13,19), mißt ihm jedoch nur untergeordnete Bedeutung zu. Denn Z. »erbaut«« nur den, der sie praktiziert (iKor 14,4), trägt für den Aufbau der —> Gemeinde nichts aus, sondern birgt die Gefahr der Unordnung in der Gemeinde in sich. Darum wird Z. in der Gemeindeversammlung nur nach einer festen Redeordnung zugelassen und nur, wenn auch die Auslegung derselben gewährleistet ist (1 Kor 14,27^). Es ist zu beachten, daß im Katalog der Geistesgaben iKor i2,8ff. Z. und die Gabe der Auslegung ganz am Ende der Aufzählung stehen und daß das Schweigegebot für die Frauen in der Gemeindeversammlung (iKor 14,34) im Zusammenhang mit den Charismen des Z. und Weissagens erteilt wird. Sofern die gute Ordnung gesichert ist, soll Z. in der Gemeinde nicht gehindert werden.
In der Geschichte der Christenheit begegnet das Z. durch alle Jahrhunderte bis heute im Zusammenhang mit ekstatischen oder meditativen Verhaltensweisen vornehmlich bei solchen Gruppen, die entweder schon im vornherein der Gesamtkirche (»Verfallskir- che<«) kritisch gegenüberstanden oder sich im Gefolge ihrer außerordentlichen Erfahrungen von ihr trennten, z.T. unter Verfolgungen. Die bekanntesten Gruppen sind die Montanisten (ca. 157-200) in Kleinasien, ie Camisarden in Südfrankreich (Einfluß auf England und Deutschland, bes. die Wetterau 1714-1749), die -> Katholisch-Apostolische Gemeinde in England (183iff.) und die im Gefolge der Erweckungen von Wales (1904/05), Los Angeles (1906) und Kassel (1907) entstandene weltweite -» Pfingstbewegung. Einen auf geistliche Reform der Kirchen ausgerichteten neuen Typ stellt die —» Charismatische Bewegung (seit 1966) aus Amerika dar.
Die Inhalte der Z. bestehen durch die Jahrhunderte hindurch hauptsächlich in Botschaften vom nahen Weitende, Bußrufen, Lobsprüchen und Ermahnungen, die auf dem Hintergrund einer rigoristischen Ethik erwachsen sind. Z. trat dabei vielfach in sozial schwachen Bevölkerungsschichten, die unter starkem Leidensdruck stehen, auf; Massenveranstaltungen wirkten mit ihren suggestiven Momenten begünstigend auf das Aufkommen von Z. Auffallend ist, daß bei den meisten Gruppen, in denen Z. praktiziert wurde, Frauen und besonders junge Mädchen Ausgangspunkte der Erscheinungen der Z. waren. Heute erfaßt die charismatische Bewegung in Nordamerika und Europa auch akademisch gebildete Kreise, und das Schwergewicht der Z. liegt hier stärker in der Anbetung. Umstritten ist, ob Zungenredner gelegentlich auch in einer ihnen gänzlich unbekannten Fremdsprache reden. Zur Beurteilung des Z.: Es gibt keine zureichenden Gründe, die charismatischen Wirkungen des Hl. Geistes auf die ersten beiden Jahrhunderte der Geschichte der Christenheit beschränken zu wollen. Maßstab für eine —» Prüfung des Geistes, aus dem die grundsätzlich vieldeutige Z. kommt, ist nach Paulus die Lebensführung des Glossolalen (iKor 13,1). Überall dort, wo von der Gabe des Z.s eine besondere Stellung in der Gemeinde hergeleitet wird oder dieselbe gar als unerläßliches Zeichen des »Gläubigseins«« (—> Geistestaufe) gewertet wird, sind die biblischen Linien verlassen und droht Spaltung. Der Inhalt aller Z. ist am Gesamtzeugnis der Bibel als der allein gültigen Offenbarung Gottes zu überprüfen.
Lit.: E. G. Hinson u.a., 2000 Jahre Z. Glossolalie in biblischer, historischer und psychologischer Sicht, 1968 - M. T. Kelsey, Zungenreden, 1970
Ohlemacher
Zwei-Reiche-Lehre
1. MARTIN LUTHER (1483-1546) ENTWICKELTE SEINE SOG. ••ZWEI-REICHE.-(“ZWEI-REGIMENTEN-| lehre im Anschluß an die Hl. Schrift, auch
wenn er an Auffassungen des Kirchenvaters Augustin anknüpfen konnte. In der Bibel fand er zwei Gruppen von Aussagen. Auf der einen Seite stehen die Worte Jesu in der Bergpredigt und der Apostel vom »Gesetz Christi«: die Jünger Jesu üben niemals Gewalt, widerstehen dem Unrecht nicht, rächen sich nicht, sondern dienen einander in der Liebe, was auch immer geschieht. Auf der anderen Seite finden sich das Ja zum Staat, die Ermahnung zum Gehorsam gegen die Obrigkeit (Röm 13 und iPetr 2,r3f.), ferner die Worte des AT, die das »Schwert« ein- setzen und bestätigen, also auch die Todesstrafe, wie Gen 9,6 oder Ex 2i,i4.22ff., auch eine Stelle wie Lk 3,14, in der Johannes der Täufer den Stand der Soldaten nicht als solchen ablehnt, sondern anerkennt. »Dieses Nebeneinander, ja scheinbare Widereinander der verschiedenen biblischen Aussagen führt Luther zu seiner Lehre von den beiden Regimenten« (Althaus).
2. gott regiert die Welt, so lehrt Luther, auf zwei je unterschiedliche Weisen.
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Das »weltliche« (»irdische«, »zeitliche«, »leibliche«) Regiment dient zur Erhaltung der Welt. Gott übt es aus mittels der Obrigkeit und ihrer Regierung, darüber hinaus aber mittels all dessen, was dem Fortbestand des irdischen Lebens dient: Ehe und Familie, Eigentum, Wirtschaft, »Stände« und Berufe, die er eingesetzt hat. Dieses weltliche Regiment nimmt Gott allerorts wahr, auch unter Heiden und Gottlosen. Es ist daher zwar Gottes, aber nicht Christi Reich. Die »Notwendigkeit« für dieses »Reich der linken Hand« liegt in der menschlichen Bosheit (das gilt vor allem für die Strafgewalt des Staates), darüber hinaus in der Unentbehrlichkeit lebenserhaltender Ordnungen innerhalb der Schöpfung. Es ist bestimmt von Recht und Macht; in ihm regiert die -> Vernunft
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Das geistliche Regiment (»Reich Christi«, »himmlisches Reich«, »Reich des Glaubens«) dient zur Erlösung der Welt. Gott übt es aus durch das Evangelium von der sündenvergebenden Gnade,- es erreicht die Menschen durch den Dienst der Kirche in der Predigt, in den Sakramenten, im brüderlichen Zuspruch. Dieses geistliche Regiment übt Gott nicht in aller Welt aus, sondern innerhalb der Christenheit. Da in ihm der Hl.
Geist wirkt, fehlt jeder äußerliche Zwang;
alles vollzieht sich in der Freiheit der Gnade im »Reich der rechten Hand«.
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WIE DIE VERSCHIEDENHEIT, WIRD AUCH DIE ZUSAMMENGEHÖRIGKEIT DER BEIDEN REG1MENTE von LUTHER betont: beide Reiche sind von Gott eingesetzt - er ist der Herr beider,- beide stehen im Kampf gegen den Satan, wenn auch mit verschiedenen Mitteln; in beiden wird Gottes Liebe wirksam, wenn auch in unterschiedlicher Gestalt; das weltliche Reich dient dem geistlichen, es schafft sozusagen die Rahmenbedingungen für die Evangeliumsverkündigung.
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DER CHRIST GEHÖRT BEIDEN REICHEN AN und soll sich in beiden für Gott einsetzen. Aber sein Handeln muß, obwohl es immer aus dem Glauben an Jesus Christus herauswächst und keinen Lebensbereich gegenüber Gottes Willen ausgrenzt, doch eine zweifache Gestalt annehmen. Nur so entspricht es dem zweifachen Regiment Gottes. Wie kann der Christ diese Doppelexistenz leben, ohne innerlich gespalten zu sein? Luther antwortet, indem er von »zwei unterschiedlichen Personen in einem Menschen« spricht, die er »Christ und Weltperson« oder »private und öffentliche Person«, bzw. »Person« und »Amt« nennt. Er lehrt zu unterscheiden zwischen einem Handeln in eigener Sache, bei dem der Christ sich kompromißlos an den Maßstäben der Bergpredigt orientiert und nötigenfalls durch Verzicht auf Recht, Macht, Vergeltung usw. leidet, und dem Handeln im Amt für andere (schon als Vater, erst recht als Fürst oder im Kriege), in dem er dem Bösen aktiv widersteht, es hindert und straft, Recht, Macht und Gewalt ihm gegenüber einsetzt. Luther sah die große Spannung und auch die Gefahren, etwa des Selbstbetruges, die in dieser Antwort liegen. Er betonte die Liebe als gemeinsames Motiv des Handelns im persönlichen und im amtlichen Bereich.
s. was bedeutet die z. FÜR unsere zeit? Die Gesellschaftsordnung des 16. Jh.s, auf die sie sich ursprünglich bezog, ist vergangen. Die Lehre selber wurde häufig mißbraucht, um die Eigengesetzlichkeit der Welt zu verteidigen, d.h. sie praktisch als von Gottes Gebot unabhängig zu erklären. Dagegen wurden zuerst im sogen, »linken Flügel« der Reformation, heute im Umkreis der Theologie K.
Barths Versuche gesetzt, aus dem Evangelium unmittelbar Richtlinien für die Weltgestaltung abzuleiten, um so dem Ernst der —» Nachfolge Christi wirklich gerecht zu werden. Entscheidend ist deshalb, ob die Z. in ihrem Kern, auch wenn sie nicht direkt aus der Bibel erhoben werden kann, schriftgemäß ist. Diese Frage muß m. E. bejaht werden. »Eine bessere, klarer an der Schrift orientierte Deutung der christlichen Existenz in der Welt, die ihren Bestand mit Zwangsmitteln sichern muß, ist uns noch nicht gegeben« (Lau).
Lit.: F. Lau, Luthers Lehre von den beiden Reichen, 1952 - P. Althaus, Die Ethik Martin Luthers, 1965 - H. Bornkamm, Luthers Lehre von den zwei Reichen im Zusammenhang seiner Theologie, 1969’’ - G. Sauter (Hg.), Zur Zwei-Reiche-Lehre Luthers (mit einer kommentierten Bibliographie von J. Haun), 1973 - Stott/Runia, Das Himmelreich hat schon begonnen, 1977
Kopfermann
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