Evangelisches Gemeindelexikon



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Zeller, Samuel, *9. 4. 1834 Beuggen b. Ba­sel, + 18.4.1912 Männedorf, war das zehnte Kind des Vorstehers der Armen- und Armen­lehreranstalt Beuggen bei Basel, Christian Heinrich Zeller. Mehrere Jahre unterrich­tete er als Seminarlehrer an der ev. Mittel­schule Schiers/Graubünden, dann als Lehrer in Beuggen. 1857 kam er krank in die Erho­lungsanstalt —» Männedorf und wurde von Dorothea —» Trudel geheilt und zum Glau­ben geführt. Nach kurzer Lehrtätigkeit in Elberfeld wurde er ihr Mitarbeiter und 1862 ihr Nachfolger. Ein Kennwort von Z.: Laß das Wort Gottes in Fleisch und Blut überge­hen.

Lit.: A. Zeller, S. Z. ein Knecht Jesu Christi, 1950



  1. Schmid

Zeltmission

  1. BEWEGGRÜNDE

Die Z. ist eine Antwort auf die Entkirchli- chung breiter Schichten der Bevölkerung. In dem Maße, wie einerseits theologisch Libe­ralismus und Rationalismus, wie auch so­ziologisch die Verbürgerlichung in der Kir­che Zunahmen, nahm andererseits im Volk die Verbindung mit der Kirche ab. Dazu kam, daß die Arbeiterschaft sich enttäuscht von der Kirche abwandte, weil sie sich in ih­rem Kampf um soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Anerkennung von der Kir­che im Stich gelassen fühlte. Die Z. ist ein

Kind der —» Erweckungsbewegung. Getrie­ben von der Erkenntnis, daß der Mensch un­bedingt der Begegnung mit Gott bedarf, wuchs unter Christen das Verlangen, die entkirchlichten Menschen zu erreichen und sie in die Nachfolge Christi zu rufen. Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen, so muß die Kirche zu den Menschen gehen.



  1. KENNZEICHEN DER Z.

Die Verwendung eines Zeltes bzw. einer Zelthalle als Versammlungsstätte soll dazu dienen, den entkirchlichten und glaubens­fernen Menschen einen neutralen Ort anzu­bieten, wo es keiner religiösen oder sonsti­gen »Aufpolierung« bedarf, um ihn zu besu­chen. So hat es sich oft ereignet, daß Arbeiter nach ihrer langen Arbeitszeit in ihrer Ar­beitskleidung von der Fabrik unmittelbar in die Zeltversammlung gingen. Dies wird z.B. von der ersten Z. in Barmen 1902 berichtet. Ein zweites Kennzeichen der Z. ist ihre Mo­bilität. Das Zelt kann in jeder Stadt und je­dem Dorf in kurzer Zeit aufgebaut werden. Von der soziologischen und missionarischen Zielsetzung her - Erreichung der entkirch­lichten und glaubensfernen Menschen - be­steht ein drittes Charakteristikum der Z. in ihrer volkstümlichen Verkündigungsweise und aufgelockerten Programmgestaltung. Darum wird von den Anfängen an im Zelt dem Inhalt nach elementar und der Form nach allgemeinverständlich verkündet. Da die Z. um den Menschen in seiner Ganzheit weiß, spricht sie durch leicht singbare Lieder auch die Schichten des Gemüts an.

  1. GESCHICHTE DER Z.

a) Gründungsjahre und Entwicklung bis zum 1. Weltkrieg. Der Begründer der Z. auf dem europäischen Festland ist Jakob —» Vet­ter. Er erwog den Gedanken, »wie es möglich sei, die großen Volksmassen zu evangelisie- ren«. In seinem Geist sah er 1895 ein »großes Zirkuszelt« und hörte die Worte: »Das ist der Ort, in welchem du die Massen des Volks unterbringst. . . Das Merkwürdigste an der Sache war«, berichtet er, »daß ich den gan­zen Zeltbau mit seiner inneren Einrichtung sah ... So wurde die Z. von dem liebevollen Herrn geschenkt.« Die 1902 von ihm ge­gründete »Deutsche Z.« hat seit 1904 ihren Sitz in Geisweid/Siegen. Die erste Zeltver­sammlung fand am 27.4.1902 auf der An­höhe Tersteegensruh bei Mülheim/Ruhr statt. Tausende waren zur Einweihungsfeier gekommen. Infolge der christozentrischen

Verkündigung und des sehr starken Besuchs wurde die »Deutsche Z.« schnell bekannt. Die Einladungen häuften sich derart, daß Vetter sich entschloß, bereits 1905 ein zwei­tes Zelt in Dienst zu stellen. Es war größer als das erste und konnte 3 000 Menschen fas­sen. Der erste Einsatzort war Lüdenscheid. Dieses Großzelt wurde besonders in den westdeutschen Städten (Mülheim, Essen, Gelsenkirchen, Barmen, Düsseldorf) einge­setzt (»Westzelt«). Das ältere Zelt ging nach Ostdeutschland (»Ostzelt«) und arbeitete selbständig unter dem Namen »Z. - Ost«. Noch im Jahre 1905 wurde die Herstellung eines dritten Zeltes beschlossen, das nach einigen Einsätzen in Westdeutschland 1906 einem holländischen Komitee in Apeldoorn übergeben wurde. Um dem Ruf der schwei­zer Freunde Rechnung zu tragen, gründete Vetter 1906 die »Schweizer Z.« mit Sitz in Rämismühle, Kanton Zürich. In Deutsch­land wurde 1907 noch ein »Süd-Zelt« einge­setzt, so daß in wenigen Jahren fünf große Zelte in Deutschland, Holland und der Schweiz in Städten und Dörfern im Einsatz waren.

Der Dienst der Z. war ein wichtiger Bestand­teil der damaligen Erweckung. Vetter be­richtet: »Manchmal war die rettende Macht Gottes so mächtig in unseren Versammlun­gen, daß 50, 100, 200, 300 und mehr an ei­nem Abend sich für Gott weihten. Die Er­weckungen . . . bleiben uns für alle Zeiten Denkmäler der Barmherzigkeit.« Es gelang Vetter, begabte Evangelisten für die Z. zu gewinnen. Besonders hervorzuheben sind der intellektuell und rednerisch sehr befä­higte Fritz —» Binde, ein ehemaliger Atheist und Marxist, und Ludwig Henrichs, der »Sy­stematiker unter den Evangelisten« (vgl. sein Buch »Etliche zu Evangelisten«).

Zusammen mit Pfarrer Otto —» Stockmayer hat Vetter Grundsätze für die Z. ausgearbei­tet, die bis zur Gegenwart die Z. vor Rationa­lismus und Schwärmerei bewahrt haben. Die wichtigsten Grundsätze sind: das Haupt der Z. ist Christus, den sie verkündigen will. Sie steht auf dem Boden der Hl. Schrift als alleiniger Autorität in Leben und Lehre und fordert von jedem Menschen eine gänzliche Willensentscheidung für Jesus. Die Z. dient keiner bestimmten Konfession, sondern ar­beitet mit allen Kirchen und Gemeinschaf­ten an der Rettung der Welt. Sie nimmt gern Einladungen zur Evangelisationsarbeit an und ist in der Aufbringung der Mittel vom Herrn abhängig.



  1. Die Z. zwischen den Weltkriegen

Der Ausbruch des ersten Weltkrieges unter­brach die Arbeit, weil die meisten Helfer (Zeltdiakone) eingezogen wurden. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Z. wieder in vollem Umfang aufgenommen. Der Sturz der alten Staatsform hatte das Volk tief ver­unsichert. Dazu kam die Inflation, die den Menschen das mühsam Ersparte raubte. Um so mehr fragten Menschen nach dem, was nicht wankt. Einer der Evangelisten in jenen Jahren, der Ostpreuße Ernst Krupka schreibt: »Überall, auch in kleinen Städten waren die Zelte gefüllt und überfüllt... In Großstädten waren Zeltarbeiten mit 3 000 bis 4000 Besuchern keine Seltenheit.« Die Z. geriet stark in die ideologischen Ausein­andersetzungen der zwanziger Jahre. Wie sehr die Z. ernst genommen wurde, bewei­sen die häufigen Störungen, die besonders durch Kommunisten während der Zeltver­anstaltungen verursacht wurden. So kam es z.B. in sächsischen Industriestädten wieder­holt vor, daß hunderte von Kommunisten unter Absingen der Internationale während der Verkündigung das Zelt verließen. Die Zeltversammlung sang dann ihrerseits »Ge­genlieder«. Wiederholt wurden Zelte mit Steinen beworfen, Stricke, die der Veranke­rung dienten, durchschnitten und in kom­munistischen Zeitungen polemische Arti­kel gegen die im Zelt betriebene »Volksver­dummung« veröffentlicht. Die herausra­genden Zelt-Evangelisten in jenen Jahren waren Robert Volkmann und Ernst Krupka. Ferner wirkten die Evangelisten Roeder, Vei­ler, Petri, Puhle und Trappmann. Der be­kannte Evangelist Daniel Schäfer tat eben­falls wiederholt Dienste in den Zelten. Im Ostzelt wirkte besonders der Ostpreuße Waldemar Didschun. Nach ständiger Über­wachung und Bespitzelung im Dritten Reich kam die Arbeit beim Ausbruch des zweiten Weltkrieges völlig zum Erliegen.

  1. Die Z. nach dem zweiten Weltkrieg Maßgeblich am Wiederaufbau der Z. waren Krupka und Didschun beteiligt. Ähnlich wie nach dem ersten Weltkrieg war nach dem to­talen Zusammenbruch der Zulauf zur Z. sehr groß. Viele Landeskirchen, Freikirchen und Gemeinschaften stellten nun ihrerseits Zelte in Dienst. Die Zelte der Landeskirchen wurden jeweils den Volksmissionarischen

Ämtern unterstellt. Daneben gibt es Zelte der Ev. -> Methodistischen Kirche, des Bun­des Ev.-freikirchlicher Gemeinden (-» Bapti­sten), des Bundes —> Freier ev. Gemeinden, des Jugendbundes für —> entschiedenes Christentum (EC), der -» Berliner Stadtmis­sion, der —» Ev. Gesellschaft, des Missions­werkes —*■ Neues Leben u.a. Gegenwärtig gibt es rund 50 Zelte, von denen die meisten zwischen 300 und 1000 Besucher fassen. Verschiedene volksmissionarische Ämter haben inzwischen den Zeltdienst einge­stellt. Gleichwohl sind Zeltevangelisatio­nen die mit Abstand bestbesuchten Veran­staltungen der Gemeinden. 2 000 bis 3 000 Besucher sind im größten Zelt der Deut­schen Z. prö Veranstaltung die Regel. Die einzelnen Zeltarbeiten werden in der Regel »auf dem Boden der ev. Allianz« durchge­führt und auf der von Pfarrer Wilhelm Brauer gegründeten -» Deutschen Evangelisten­konferenz terminlich und regional in einem »Zeitplan« aufeinander abgestimmt.

Lit.: P. Scharpff, Geschichte der Evangelisation, 1964 - J. Vetter, Gottes Fußspuren in der Zeltmis­sion, 1907 - L. Henrichs, Etliche zu Evangelisten, 1922 - M. Vetter, Evangelist Jakob Vetter, Ein Le­bensbild, 1922 - O. Riecker, Das evangelistische Wort, 19532.

Bergmann

Zeuge (Zeugendienst)

Zeuge ist im AT fast ausschließlich ein rechtlicher, nicht ein religiöser Begriff. Es geht um das Bekräftigen der Wahrheit in ei­nem Rechtsstreit entweder zugunsten oder zuungunsten einer Person (Num 5,13; 35,30); für den Betroffenen hängt von der Zeugenaussage sehr viel ab. Darum wird ab­solute Wahrhaftigkeit erwartet (Dtn 5,20). Von denen, die Gott vertrauen, wird dieser selbst als Z. angerufen. Er soll die endgültige richterliche Entscheidung treffen (Ps 89,37; Ri ri,io). Nur in Jes 43,9-12 und 44,8 hat der Z. eine religiöse Bedeutung: Israel gilt im Prozeß Gottes gegen die anderen Völker als sein Z., denn Israel kennt den wirklichen, alleinigen Gott aus den Erfahrungen der ei­genen Geschichte.

Auch im NT findet sich die übliche juristi­sche Anwendung (Mk 14,63; Apg 6,13), häu­figer jedoch ein neues Verständnis: Im reli­giösen Sinn sind eigentlich nur die Zwölf Z.n des Auferstandenen und nehmen als »erste Generation« eine Sonderstellung ein (Apg 1,22; 2,32; 4,33; ro,4of.). Sie bezeugen, daß der Auferstandene mit dem ihnen be­kannten geschichtlichen Jesus identisch ist. Zum Ablegen dieses Zeugnisses sind sie be­sonders berufen (Apg 1 o,3 9f.) und mit dem Geist ausgestattet (Apg 1,8).

Auch in der 1. Generation erfordert dieses Zeugnis die Antwort des Glaubens. Denn obgleich ein geschichtliches Ereignis be­zeugt wird, ist dieses doch bewirkt durch ei­nen Eingriff Gottes in die Welt, und der kann ohne Glaube nicht verstanden werden. Was durch und in Jesus geschieht, ist Offenba­rung (Apg 2o,2of.). Diese wird verkündigt, gepredigt, bezeugt - mit dem Ziel, daß die Hörer glauben. Das ganze Johannesevange­lium versteht sich so als Zeugnis zum Glau­ben (Joh 19,35 und 21,24). Jesus legt Zeugnis ab für den wahren Gott, der seinerseits ihn - den Sohn - als den einen Erlöser bestätigt. Aus dem Prozeß, der zwischen dem heiligen Gott und der ungläubigen Menschheit läuft, kommt nur der an Christus Glaubende ge­rechtfertigt heraus (Joh 8,12-18 und 9,39). Was Jesus über Gott und sich selbst sagt, liegt jenseits allgemein menschlicher Er­kennbarkeit. Darum ist hier wie auch bei Paulus das Zeugnis des —> Geistes im Herzen des Menschen unerläßlich (Joh 15,26h; Röm


  1. 16).

Im zwischenkirchlichen Bereich hat man sich seit der Weltkirchenkonferenz in Evan- ston (1954) um eine sorgfältige Begriffsab­grenzung zwischen Zeuge und —» Prosely- tismus bemüht und festgestellt, daß auch in einem ökumenischen Zeitalter das rechte Zeugnisgeben zur Glaubensfreiheit gehört.

Lit.: N. Brox, Z. und Märtyrer, Untersuchungen zur frühchristlichen Zeugnis-Terminologie, 196t (kath.) - H. J. Margull, Theologie der missionari­schen Verkündigung, 1959 - P. Scharpff, Ge­schichte der Evangelisation, 1964 - G. Wieske, Persönliche Evangelisation, 1974

Wieske

Zeugen Jehovas



Zeugen Jehovas (früher: Ernste Bibelfor­scher, seit 1953 Neue-Welt-Gesellschaft; »Jehova« ist falsche Vokalisation des alt. Gottesnamens JHWH = Jahwe), im An­schluß an Jes 43,10-12 Name einer religiö­sen Gruppe, die in Lehre und Entwicklung große Wandlungen durchlief.

  1. Anfänge. Der Textilkaufmann Charles T. Russell (1852-1916) glaubte an die 1874 un­sichtbar geschehene Wiederkunft Christi, der 40 Jahre »Erntezeit« folgen sollten. Um




Zeltmission: Bilder aus der evangelischen Zeltarbeit. (Fotos: Hans Lachmann)

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seine Ideen zu propagieren, wurde die Wachtturmgesellschaft gegründet. Als 1914 die sichtbare Wiederkunft ausblieb und Rus­sell 1916 starb, breitete sich Verwirrung un­ter seinen Anhängern aus.


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