Evangelisches Gemeindelexikon



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Eigentum, Besitz

I. E. im Alten Testament Gott ist der Schöpfer und folglich der Herr der Welt (Jos 3,11; Ex 19,5; Dtn 10,14; Ps 50,12; 97,5). Sie ist seinE. (Ps24,i), wie auch alles bewegliche (Hag2,8) und unbewegliche (Lev 25,23) Gut, vgl. iChron 29,11 -15. Wie die Erde den Menschen (Ps 115,16), so hat Gott den Israeliten das Land Kanaan als Le­hen zum Erbbesitz gegeben (Gen 13,15.17 und Jos 21.43). Hineingesetzt wie Adam ins Paradies, es zu bearbeiten und zu genießen, sind sie »Erbpächter« (Eiliger), nicht Eigen­tümer des Landes. So aber wird es relativ doch erblicher Sonder-Besitz der einzelnen Familien, so sehr, daß dieser alle 50 Jahre, im Jubeljahr, in der ursprünglichen Zuteilung wiederhergestellt wird, damit »jedermann wieder zu dem Seinen komme« (Lev 25,13). Der Besitz (B.) wird durch das 7. (ref. 8.) und 10. der Zehn -> Gebote und durch rechtliche Bestimmungen (Ex 22) geschützt, ja positiv der selbstlosen Fürsorge des Nächsten emp­fohlen (Dtn 22,1 ff.). Das Jubeljahr (Lev



  1. 17) bestätigt, aber beschränkt auch den B. Aller B. Wechsel ist nur temporär. Man kann in der Zwischenzeit nur den Nieß­brauch des Landes gemäß der Zahl der Ern­ten kaufen (also das Land pachten), vorzeiti­gem Rückkauf oder Loskauf durch Angehö­rige muß stattgegeben werden (Lev 2 5,13ff.; Ruth 4,3f.; Jer 32,6ff.; Ausnahme: ein Stadt­haus). Im Sabbatjahr sollen Darlehen erlas­sen (Dtn 15,2.9f.), Leibeigenschaft aufgeho­ben werden (Dtn 15,12; Ex 21,2 vgl. Jer 34,8!): der Israelit kann nur seine Arbeits­kraft, nicht sich selbst verkaufen. Es besteht Verbot, von Volksgenossen Zins zu nehmen (Lev 25,36). Den Begüterten wird befohlen, anderen an ihrer Habe Anteil zu geben (Dtn 15,7ff-; Jes 58,1-7). Alljährlich gehört den Ortsarmen die Nachlese der Ernte (Lev

  1. f*; Dtn 24,19ff.; Ruth2,2ff.), in jedem 3. Jahr ist die Zehntenabgabe für sie bestimmt, in jedem Sabbatjahr der selbständige Ertrag der Felder.

Das Buch der Sprüche drückt als Erfah­rungsweisheit bürgerliche Hochschätzung von Erwerb und B. aus. Dem Frommen ist Reichtum verheißen (3,6.9h; 10,22h; 22,4); Fleiß führt dahin. B. verleiht Prestige, Ehre und Macht (22,7 vgl. Hi 29,2ff.), gibt Sicher­heit (10,15; 13/8 vgl. Mt 16,26!) und schafft Freunde (14,20). Er verpflichtet freilich auch zur Fürsorge für die eigene Familie (19,14; 30,24h) und zu Mildtätigkeit (28,27; 31,20). Mäßiger B. wäre am besten; Reichtum wie Armut können zu Gottlosigkeit führen (30,7ff. vgl. 23,4).

Die Pss 37; 49; 73 sehen den Reichtum dage­gen oft in den Händen Gottloser, während der Gerechte auf Erden Mühe hat. Jes 53,9 scheint Reiche und Gottlose zusammenzu­stellen. - Die prophetische Büßpredigt gilt dem Bereicherungsstreben und dem egoisti­schen Umgang mit B.: Akkumulation des Bodens (iKön 21; Jes 5,8; Mi 2,1), Vertrei­bung der Schuldner von Haus und Hof (Hes



  1. ; Bestechung der Richter in Zivilsachen (Jes 1,23; Am 5,12), Preistreiberei und betrü­gerische Waage im Handel (Am 8,5; Hos 12,8; Mi 6,11), Zurückhaltung des -> Zehn­ten (Mal 3,8ff.). Die sich darin ausdrückende Absolutsetzung des B. ist Leugnung der Herrschaft Gottes. I

Unüberhörbar ist die Warnung vor der Herr­schaft des B.es über den Menschen: B. kann völlig in Anspruch nehmen und zum Götzen werden (»Mammon« Mt 6,24; Eph 5,5), sei es durch Sorge (Mt 6,2 5ff.), Besitzstreben (1 Tim

  1. oder Verführung zu falscher Sicherheit (Lk 12,15ff.; Mt 13,22): Reichtum ist lebens­gefährlich. Statt auf Erden, soll man sich im Himmel Schätze sammeln durch Weggabe des B. in barmherziger Hilfeleistung (Mt 6,19ff.; Lk 12,33; 16,9). Habsucht und Geiz sind dem Diebstahl gleich (Mk 7,22; Lk

  1. 5; Mt 23,14; iKor 5,10; 6,io; Eph 5,3.5; Kol 3,5; iTim 6,io; Hebr 13,5). Der Christ sei dem B. überlegen (iKor 7,30; Phil 4,12), genügsam (Phil 4,11; iTim 6,6ff.) und ar­beite für sein Auskommen und die Mittel zum Wohltun (Eph 4,28; iThess 4,1 if.; 2Thess 3,11 ff.).

Die Glieder der Jerusalemer Urgemeinde hielten ihren B. gemeinsam (Apg2,44; 4,32), nicht institutionell wie die Sekte der Esse­ner, sondern auf der Basis der Freiwilligkeit. Motiv war die gegenseitige Fürsorge. »Al­mosen« (a.d. Griech., = Barmherzigkeitsta­ten) stehen im NT obenan (Lk 3,11; 6,38; 10/33—37; Mt 25,31 -46!; auch in Form ver­lorener Darlehen Lk 6,35, vgl. I4,i2ff.; fer­ner Mk 12,44 und 2Kor 8,2ff.; Jak 2,13. 15L; ijoh 3,17). Ein Beispiel der Fürsorge ganzer Gemeinden füreinander über große Entfer­nungen hinweg ist die Kollekte des Paulus für Jerusalem 2Kor 8.9, aufgrund von freiwil­ligen Gaben (iKor 16,2; 2Kor 9,7), mit dem Ziel des Ausgleichs (2Kor 8,13 -15). - Paulus zielt auch auf die individuelle Überwindung des Sklavenbesitzes (Phlm 16; iKor 7,21).

EU. E. in der Kirchengeschichte Im B.Verständnis der —» Alten Kirche kehren die biblischen Motive wieder. Gewisser B. (die Gegenstände des täglichen Bedarfs) ist zum Leben nötig und allen Menschen durch Gottes Schöpfergüte gegeben. Hermas warnt: Reichtum behindert die Hingabe an Gott. Ambrosius im Westen und Chryso- stomus im Osten leugnen das absolute Pri­vateigentum des Römischen Rechts: Gott hat uns als Verwaltern den B. anvertraut, um uns Gelegenheit zu guten Werken zu geben. Wer überflüssige Güter den Armen vorent­hält, ist wie ein Dieb. - Thomas v. Aquin be­gründet den B. im Anschluß an Aristoteles als Ermöglichung der Freiheit und des Hand­lungsspielraums der Person, berücksichtigt jedoch zugleich seine Sozialpflichtigkeit (Fürsorge für die eigene Familie, für die Be­dürftigen - nach Deckung standesgemäßen Bedarfs). Die -> Reformation betont die Haushalterschaft; wer mögliche Hilfelei­stung verweigert, kommt einem Diebe gleich. Andererseits förderte offenbar Me- lanchthon das Eindringen des Römischen Rechts in Deutschland.

Der individualistische römisch-rechtliche Eigentumsbegriff (noch in § 903 BGB: »Der Eigentümer kann . . . mit der Sache nach Be­lieben verfahren und andere von jeder Ein­wirkung ausschließen«) liegt an der Wurzel des Merkantilismus (Adam Smith, Früh-Ka- pitalismus) und damit der sozialen Probleme (-* Soziale Frage) der Neuzeit. Karl Marx (—» Marxismus) bekämpfte das sozialfeindliche Eigentum mit dem Konzept des sozialisti­schen Eigentums (—»Sozialismus). Noch vor ihm analysierten und verurteilten es die christlichen Sozialphilosophen Adam Mül­ler und F. v. —» Baader und erinnerten an den dritten Weg: Haushalterschaft als Schöp­fungsauftrag. Die englischen Freikirchen und der Deutsche V. A. Huber erneuerten das Genossenschaftsprinzip (vgl. G. W. Lo­cher). Die biblische Lehre vom B. bietet so einen eigenen Ansatzpunkt christlicher So­zialethik.

Lit.: F. Ludwig, Entwicklungsgeschichte des Ei­gentums, 6 Bde. 1883-1903, Neudr. 1964 - F. Horst, Das Eigentum nach dem AT, in: Gottes Recht, 1961, S. 203-221 - M. Hengel, Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche, 1973 - G. W. Locher, Der Eigentumsbegriff als Problem ev. Theologie, 19622 - F. v. Baader, Über das dermalige Mißverhältnis der Vermögenslosen oder Proletairs (1835), Sämtl. Werke II, 1854, Neudr. 1963, S. 12 5 -143 - Vom Sinn der Gesellschaft, Köln 1966, S. 278-295 -V. A. Huber, Die genossenschaftliche Selbsthilfe der arbeitenden Klassen, 1865 - Die päpstlichen Sozialenzykliken »Rerum novarum«, 1891 und »Quadragesimo anno« t93i - Denk­schrift der EKD »Eigentumsbildung in sozialer Verantwortung«, ZEE 6/1962, S. 243-252 - E. Brunner, Gerechtigkeit, 1943, S. 175ff. - K. Bock­mühl, Umweltschutz - Lebenserhaltung, 1975, S. 2 5 ff.

Bockmühl


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